FaustEine TragödieKonstituierter TextBearbeitet von Gerrit Brüning und Dietmar Pravida

Faust Eine Tragödie
Zueignung Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten! Die früh sich einst dem trüben Blick gezeigt. Versuch’ ich wohl euch diesmal fest zu halten? Fühl’ ich mein Herz noch jenem Wahn geneigt? Ihr drängt euch zu! nun gut, so mögt ihr walten, Wie ihr aus Dunst und Nebel um mich steigt; Mein Busen fühlt sich jugendlich erschüttert Vom Zauberhauch der euren Zug umwittert. Ihr bringt mit euch die Bilder froher Tage, Und manche liebe Schatten steigen auf; Gleich einer alten, halbverklungnen Sage, Kommt erste Lieb’ und Freundschaft mit herauf; Der Schmerz wird neu, es wiederholt die Klage Des Lebens labyrinthisch irren Lauf, Und nennt die Guten, die, um schöne Stunden Vom Glück getäuscht, vor mir hinweggeschwunden. Sie hören nicht die folgenden Gesänge, Die Seelen, denen ich die ersten sang, Zerstoben ist das freundliche Gedränge, Verklungen ach! der erste Wiederklang. Mein Leid ertönt der unbekannten Menge, Ihr Beyfall selbst macht meinem Herzen bang, Und was sich sonst an meinem Lied erfreuet, Wenn es noch lebt, irrt in der Welt zerstreuet. Und mich ergreift ein längst entwöhntes Sehnen Nach jenem stillen, ernsten Geisterreich, Es schwebet nun, in unbestimmten Tönen, Mein lispelnd Lied, der Äolsharfe gleich, Ein Schauer faßt mich, Thräne folgt den Thränen, Das strenge Herz es fühlt sich mild und weich; Was ich besitze seh’ ich wie im weiten, Und was verschwand wird mir zu Wirklichkeiten.
Vorspielauf dem Theater Director, Theaterdichter, lustige Person Director Ihr beyden die ihr mir so oft, In Noth und Trübsal, beygestanden, Sagt was ihr wohl, in deutschen Landen, Von unsrer Unternehmung hofft? Ich wünschte sehr der Menge zu behagen, Besonders weil sie lebt und leben läßt. Die Pfosten sind, die Breter aufgeschlagen, Und jedermann erwartet sich ein Fest. Sie sitzen schon, mit hohen Augenbraunen, Gelassen da und möchten gern erstaunen. Ich weiß wie man den Geist des Volks versöhnt; Doch so verlegen bin ich nie gewesen; Zwar sind sie an das Beste nicht gewöhnt, Allein sie haben schrecklich viel gelesen. Wie machen wir’s? daß alles frisch und neu Und mit Bedeutung auch gefällig sey. Denn freylich mag ich gern die Menge sehen, Wenn sich der Strom nach unsrer Bude drängt, Und mit gewaltig wiederholten Wehen, Sich durch die enge Gnadenpforte zwängt; Bey hellem Tage, schon vor Vieren, Mit Stößen sich bis an die Kasse ficht Und, wie in Hungersnoth um Brot an Beckerthüren, Um ein Billet sich fast die Hälse bricht. Dieß Wunder wirkt auf so verschiedne Leute Der Dichter nur; mein Freund, o! thu es heute. Dichter O sprich mir nicht von jener bunten Menge, Bey deren Anblick uns der Geist entflieht. Verhülle mir das wogende Gedränge, Das wider Willen uns zum Strudel zieht. Nein, führe mich zur stillen Himmelsenge, Wo nur dem Dichter reine Freude blüht; Wo Lieb’ und Freundschaft unsres Herzens Segen Mit Götterhand erschaffen und erpflegen. Ach! was in tiefer Brust uns da entsprungen, Was sich die Lippe schüchtern vorgelallt, Mißrathen jetzt und jetzt vielleicht gelungen, Verschlingt des wilden Augenblicks Gewalt. Oft wenn es erst durch Jahre durchgedrungen Erscheint es in vollendeter Gestalt. Was glänzt ist für den Augenblick geboren, Das Ächte bleibt der Nachwelt unverloren. Lustige Person Wenn ich nur nichts von Nachwelt hören sollte. Gesetzt daß ich von Nachwelt reden wollte, Wer machte denn der Mitwelt Spaß? Den will sie doch und soll ihn haben. Die Gegenwart von einem braven Knaben Ist, dächt’ ich, immer auch schon was. Wer sich behaglich mitzutheilen weiß, Den wird des Volkes Laune nicht erbittern; Er wünscht sich einen großen Kreis, Um ihn gewisser zu erschüttern. Drum seyd nur brav und zeigt euch musterhaft, Laßt Phantasie, mit allen ihren Chören, Vernunft, Verstand, Empfindung, Leidenschaft, Doch, merkt euch wohl! nicht ohne Narrheit hören. Director Besonders aber laßt genug geschehn! Man kommt zu schaun, man will am liebsten sehn. Wird vieles vor den Augen abgesponnen, So daß die Menge staunend gaffen kann, Da habt ihr in der Breite gleich gewonnen, Ihr seyd ein vielgeliebter Mann. Die Masse könnt ihr nur durch Masse zwingen, Ein jeder sucht sich endlich selbst was aus. Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen; Und jeder geht zufrieden aus dem Haus. Gebt ihr ein Stück, so gebt es gleich in Stücken! Solch ein Ragout es muß euch glücken; Leicht ist es vorgelegt, so leicht als ausgedacht. Was hilft’s wenn ihr ein Ganzes dargebracht, Das Publikum wird es euch doch zerpflücken. Dichter Ihr fühlet nicht wie schlecht ein solches Handwerk sey! Wie wenig das den ächten Künstler zieme! Der saubern Herren Pfuscherey Ist, merk’ ich, schon bey euch Maxime. Director Ein solcher Vorwurf läßt mich ungekränkt; Ein Mann, der recht zu wirken denkt, Muß auf das beste Werkzeug halten. Bedenkt, ihr habet weiches Holz zu spalten, Und seht nur hin für wen ihr schreibt! Wenn diesen Langeweile treibt, Kommt jener satt vom übertischten Mahle, Und, was das allerschlimmste bleibt, Gar mancher kommt vom Lesen der Journale. Man eilt zerstreut zu uns, wie zu den Maskenfesten, Und Neugier nur beflügelt jeden Schritt; Die Damen geben sich und ihren Putz zum besten Und spielen ohne Gage mit. Was träumet ihr auf eurer Dichter-Höhe? Was macht ein volles Haus euch froh? Beseht die Gönner in der Nähe! Halb sind sie kalt, halb sind sie roh. Der, nach dem Schauspiel, hofft ein Kartenspiel, Der eine wilde Nacht an einer Dirne Busen. Was plagt ihr armen Thoren viel, Zu solchem Zweck, die holden Musen? Ich sag’ euch, gebt nur mehr, und immer, immer mehr, So könnt ihr euch vom Ziele nie verirren, Sucht nur die Menschen zu verwirren, Sie zu befriedigen ist schwer – – Was fällt euch an? Entzückung oder Schmerzen? Dichter Geh hin und such dir einen andern Knecht! Der Dichter sollte wohl das höchste Recht, Das Menschenrecht, das ihm Natur vergönnt, Um deinetwillen freventlich verscherzen! Wodurch bewegt er alle Herzen? Wodurch besiegt er jedes Element? Ist es der Einklang nicht? der aus dem Busen dringt, Und in sein Herz die Welt zurücke schlingt. Wenn die Natur des Fadens ew’ge Länge, Gleichgültig drehend, auf die Spindel zwingt, Wenn aller Wesen unharmon’sche Menge Verdrießlich durch einander klingt; Wer theilt die fließend immer gleiche Reihe Belebend ab, daß sie sich rythmisch regt? Wer ruft das Einzelne zur allgemeinen Weihe? Wo es in herrlichen Accorden schlägt, Wer läßt den Sturm zu Leidenschaften wüthen? Das Abendroth im ernsten Sinne glühn? Wer schüttet alle schönen Frühlingsblüten Auf der Geliebten Pfade hin? Wer flicht die unbedeutend grünen Blätter Zum Ehrenkranz Verdiensten jeder Art? Wer sichert den Olymp? vereinet Götter? Des Menschen Kraft im Dichter offenbart. Lustige Person So braucht sie denn die schönen Kräfte Und treibt die dicht’rischen Geschäfte, Wie man ein Liebesabenteuer treibt. Zufällig naht man sich, man fühlt, man bleibt Und nach und nach wird man verflochten; Es wächst das Glück, dann wird es angefochten, Man ist entzückt, nun kommt der Schmerz heran, Und eh man sich’s versieht ist’s eben ein Roman. Laßt uns auch so ein Schauspiel geben! Greift nur hinein ins volle Menschenleben! Ein jeder lebt’s, nicht vielen ist’s bekannt, Und wo ihr’s packt, da ist’s interessant. In bunten Bildern wenig Klarheit, Viel Irrthum und ein Fünkchen Wahrheit, So wird der beste Trank gebraut, Der alle Welt erquickt und auferbaut. Dann sammelt sich der Jugend schönste Blüte Vor eurem Spiel und lauscht der Offenbarung, Dann sauget jedes zärtliche Gemüthe Aus eurem Werk sich melanchol’sche Nahrung; Dann wird bald dies bald jenes aufgeregt, Ein jeder sieht was er im Herzen trägt. Noch sind sie gleich bereit zu weinen und zu lachen, Sie ehren noch den Schwung, erfreuen sich am Schein; Wer fertig ist, dem ist nichts recht zu machen, Ein Werdender wird immer dankbar seyn. Dichter So gieb mir auch die Zeiten wieder, Da ich noch selbst im Werden war, Da sich ein Quell gedrängter Lieder Ununterbrochen neu gebar, Da Nebel mir die Welt verhüllten, Die Knospe Wunder noch versprach, Da ich die tausend Blumen brach, Die alle Thäler reichlich füllten. Ich hatte nichts und doch genug, Den Drang nach Wahrheit und die Lust am Trug. Gieb ungebändigt jene Triebe, Das tiefe schmerzenvolle Glück, Des Hasses Kraft, die Macht der Liebe, Gieb meine Jugend mir zurück! Lustige Person Der Jugend, guter Freund, bedarfst du allenfalls Wenn dich in Schlachten Feinde drängen, Wenn mit Gewalt an deinen Hals Sich allerliebste Mädchen hängen, Wenn fern des schnellen Laufes Kranz Vom schwer erreichten Ziele winket, Wenn nach dem heftgen Wirbeltanz Die Nächte schmausend man vertrinket. Doch ins bekannte Saitenspiel Mit Muth und Anmuth einzugreifen, Nach einem selbgesteckten Ziel Mit holdem Irren hinzuschweifen, Das, alte Herrn, ist eure Pflicht, Und wir verehren euch darum nicht minder. Das Alter macht nicht kindisch, wie man spricht, Es findet uns nur noch als wahre Kinder. Director Der Worte sind genug gewechselt, Laßt mich auch endlich Thaten sehn; Indeß ihr Complimente drechselt, Kann etwas nützliches geschehn. Was hilft es viel von Stimmung reden? Dem Zaudernden erscheint sie nie. Gebt ihr euch einmal für Poeten, So kommandirt die Poesie. Euch ist bekannt was wir bedürfen, Wir wollen stark Getränke schlürfen; Nun braut mir unverzüglich dran! Was heute nicht geschieht, ist Morgen nicht gethan, Und keinen Tag soll man verpassen, Das Mögliche soll der Entschluß Beherzt sogleich beym Schopfe fassen, Er will es dann nicht fahren lassen, Und wirket weiter, weil er muß. Ihr wißt, auf unsern deutschen Bühnen Probirt ein jeder was er mag; Drum schonet mir an diesem Tag Prospecte nicht und nicht Maschinen. Gebraucht das groß’ und kleine Himmelslicht, Die Sterne dürfet ihr verschwenden; An Wasser, Feuer, Felsenwänden, An Thier und Vögeln fehlt es nicht. So schreitet in dem engen Breterhaus Den ganzen Kreis der Schöpfung aus, Und wandelt, mit bedächtger Schnelle, Vom Himmel, durch die Welt, zur Hölle.
Prologim Himmel Der Herr, die himmlischen Heerscharen, nachher Mephistopheles Die drey Erzengel treten vor. Raphael Die Sonne tönt, nach alter Weise, In Brudersphären Wettgesang, Und ihre vorgeschriebne Reise Vollendet sie mit Donnergang. Ihr Anblick giebt den Engeln Stärke, Wenn keiner sie ergründen mag. Die unbegreiflich hohen Werke Sind herrlich wie am ersten Tag. Gabriel Und schnell und unbegreiflich schnelle Dreht sich umher der Erde Pracht; Es wechselt Paradieses-Helle Mit tiefer schauervoller Nacht; Es schäumt das Meer in breiten Flüssen Am tiefen Grund der Felsen auf, Und Fels und Meer wird fortgerissen In ewig schnellem Sphärenlauf. Michael Und Stürme brausen um die Wette Vom Meer aufs Land vom Land aufs Meer, Und bilden wüthend eine Kette Der tiefsten Wirkung rings umher. Da flammt ein blitzendes Verheeren Dem Pfade vor des Donnerschlags. Doch deine Boten, Herr, verehren Das sanfte Wandeln deines Tags. Zu Drey Der Anblick giebt den Engeln Stärke Da keiner dich ergründen mag, Und alle deine hohen Werke Sind herrlich wie am ersten Tag. Mephistopheles Da du, o Herr, dich einmal wieder nahst Und fragst wie alles sich bey uns befinde, Und du mich sonst gewöhnlich gerne sahst; So siehst du mich auch unter dem Gesinde. Verzeih, ich kann nicht hohe Worte machen, Und wenn mich auch der ganze Kreis verhöhnt; Mein Pathos brächte dich gewiß zum lachen, Hättst du dir nicht das Lachen abgewöhnt. Von Sonn’ und Welten weiß ich nichts zu sagen, Ich sehe nur wie sich die Menschen plagen. Der kleine Gott der Welt bleibt stets von gleichem Schlag, Und ist so wunderlich als wie am ersten Tag. Ein wenig besser würd’ er leben, Hättst du ihm nicht den Schein des Himmelslichts gegeben; Er nennts Vernunft und braucht’s allein Nur thierischer als jedes Thier zu seyn. Er scheint mir, mit Verlaub von Ew. Gnaden, Wie eine der langbeinigen Cicaden, Die immer fliegt und fliegend springt Und gleich im Gras ihr altes Liedchen singt; Und läg’ er nur noch immer in dem Grase! In jeden Quark begräbt er seine Nase. Der Herr Hast du mir weiter nichts zu sagen? Kommst du nur immer anzuklagen? Ist auf der Erde ewig dir nichts recht? Mephistopheles Nein Herr! ich find’ es dort, wie immer, herzlich schlecht. Die Menschen dauern mich in ihren Jammertagen, Ich mag sogar die Armen selbst nicht plagen. Der Herr Kennst du den Faust? Mephistopheles Den Doctor? Der Herr Meinen Knecht! Mephistopheles Fürwahr! er dient euch auf besondre Weise. Nicht irdisch ist des Thoren Trank noch Speise. Ihn treibt die Gährung in die Ferne, Er ist sich seiner Tollheit halb bewußt; Vom Himmel fordert er die schönsten Sterne, Und von der Erde jede höchste Lust, Und alle Näh’ und alle Ferne Befriedigt nicht die tiefbewegte Brust. Der Herr Wenn er mir jetzt auch nur verworren dient; So werd’ ich ihn bald in die Klarheit führen. Weiß doch der Gärtner, wenn das Bäumchen grünt, Daß Blüt’ und Frucht die künft’gen Jahre zieren. Mephistopheles Was wettet ihr? den sollt ihr noch verlieren! Wenn ihr mir die Erlaubniß gebt Ihn meine Straße sacht zu führen. Der Herr So lang’ er auf der Erde lebt, So lange sey dir’s nicht verboten. Es irrt der Mensch so lang er strebt. Mephistopheles Da dank’ ich euch; denn mit den Todten Hab’ ich mich niemals gern befangen. An meisten lieb’ ich mir die vollen frischen Wangen. Für einen Leichnam bin ich nicht zu Haus; Mir geht es wie der Katze mit der Maus. Der Herr Nun gut, es sey dir überlassen! Zieh diesen Geist von seinem Urquell ab, Und führ’ ihn, kannst du ihn erfassen, Auf deinem Wege mit herab, Und steh’ beschämt, wenn du bekennen mußt: Ein guter Mensch, in seinem dunkeln Drange, Ist sich des rechten Weges wohl bewußt. Mephistopheles Schon gut! nur dauert es nicht lange. Mir ist für meine Wette gar nicht bange. Wenn ich zu meinem Zweck gelange, Erlaubt ihr mir Triumph aus voller Brust. Staub soll er fressen, und mit Lust, Wie meine Muhme, die berühmte Schlange. Der Herr Du darfst auch da nur frey erscheinen; Ich habe deines gleichen nie gehaßt. Von allen Geistern die verneinen Ist mir der Schalk am wenigsten zur Last. Des Menschen Thätigkeit kann allzuleicht erschlaffen, Er liebt sich bald die unbedingte Ruh; Drum geb’ ich gern ihm den Gesellen zu, Der reizt und wirkt, und muß, als Teufel, schaffen. Doch ihr, die ächten Göttersöhne, Erfreut euch der lebendig reichen Schöne! Das Werdende, das ewig wirkt und lebt, Umfaß’ euch mit der Liebe holden Schranken, Und was in schwankender Erscheinung schwebt, Befestiget mit dauernden Gedanken. Der Himmel schließt, die Erzengel vertheilen sich, Mephistopheles allein Von Zeit zu Zeit seh’ ich den Alten gern, Und hüte mich mit ihm zu brechen. Es ist gar hübsch von einem großen Herrn So menschlich mit dem Teufel selbst zu sprechen.
Der TragödieErster Theil
Nacht In einem hochgewölbten, engen, gothischen Zimmer Faust unruhig auf seinem Sessel am Pulte Faust Habe nun, ach! Philosophie, Juristerey und Medicin, Und leider auch Theologie! Durchaus studirt, mit heißem Bemühn. Da steh’ ich nun, ich armer Thor! Und so klug als wie zuvor; Heiße Magister, heiße Doctor gar, Und ziehe schon an die zehen Jahr, Herauf, herab und quer und krumm, Meine Schüler an der Nase herum – Und sehe, daß wir nichts wissen können! Das will mir schier das Herz verbrennen. Zwar bin ich gescheidter als alle die Laffen, Doctoren, Magister, Schreiber und Pfaffen; Mich plagen keine Scrupel noch Zweifel, Fürchte mich weder vor Hölle noch Teufel – Dafür ist mir auch alle Freud’ entrissen, Bilde mir nicht ein was rechts zu wissen, Bilde mir nicht ein, ich könnte was lehren, Die Menschen zu bessern und zu bekehren. Auch hab’ ich weder Gut noch Geld, Noch Ehr’ und Herrlichkeit der Welt. Es möchte kein Hund so länger leben! Drum hab’ ich mich der Magie ergeben, Ob mir durch Geistes Kraft und Mund Nicht manch Geheimniß würde kund; Daß ich nicht mehr mit sauerm Schweiß, Zu sagen brauche, was ich nicht weiß; Daß ich erkenne, was die Welt Im Innersten zusammenhält, Schau’ alle Wirkenskraft und Samen, Und thu’ nicht mehr in Worten kramen. O sähst du, voller Mondenschein, Zum letztenmal auf meine Pein, Den ich so manche Mitternacht An diesem Pult herangewacht: Dann über Büchern und Papier, Trübsel’ger Freund, erschienst du mir! Ach! könnt’ ich doch auf Berges-Höh’n, In deinem lieben Lichte gehn, Um Bergeshöhle mit Geistern schweben, Auf Wiesen in deinem Dämmer weben, Von allem Wissensqualm entladen, In deinem Thau gesund mich baden! Weh! steck’ ich in dem Kerker noch? Verfluchtes, dumpfes Mauerloch! Wo selbst das liebe Himmelslicht Trüb’ durch gemahlte Scheiben bricht. Beschränkt mit diesem Bücherhauf, Den Würme nagen, Staub bedeckt, Den, bis an’s hohe Gewölb’ hinauf, Ein angeraucht Papier umsteckt; Mit Gläsern, Büchsen rings umstellt, Mit Instrumenten vollgepfropft, Urväter Hausrath drein gestopft – Das ist deine Welt! das heißt eine Welt! Und fragst du noch, warum dein Herz Sich bang’ in deinem Busen klemmt? Warum ein unerklärter Schmerz Dir alle Lebensregung hemmt? Statt der lebendigen Natur, Da Gott die Menschen schuf hinein, Umgiebt in Rauch und Moder nur Dich Thiergeripp’ und Todtenbein. Flieh! auf! hinaus ins weite Land! Und dieß geheimnißvolle Buch, Von Nostradamus eigner Hand, Ist dir es nicht Geleit genug? Erkennest dann der Sterne Lauf, Und wenn Natur dich unterweist, Dann geht die Seelenkraft dir auf, Wie spricht ein Geist zum andern Geist. Umsonst, daß trocknes Sinnen hier Die heil’gen Zeichen dir erklärt, Ihr schwebt, ihr Geister, neben mir, Antwortet mir, wenn ihr mich hört! Er schlägt das Buch auf und erblickt das Zeichen des Makrokosmus. Ha! welche Wonne fließt in diesem Blick Auf einmal mir durch alle meine Sinnen! Ich fühle junges, heil’ges Lebensglück Neuglühend mir durch Nerv’ und Adern rinnen. War es ein Gott, der diese Zeichen schrieb? Die mir das innre Toben stillen, Das arme Herz mit Freude füllen, Und mit geheimnißvollem Trieb, Die Kräfte der Natur rings um mich her enthüllen. Bin ich ein Gott? Mir wird so licht! Ich schau’ in diesen reinen Zügen Die wirkende Natur vor meiner Seele liegen. Jetzt erst erkenn’ ich was der Weise spricht: „Die Geisterwelt ist nicht verschlossen; „Dein Sinn ist zu, dein Herz ist todt! „Auf bade, Schüler, unverdrossen, „Die ird’sche Brust im Morgenroth!“ Er beschaut das Zeichen. Wie alles sich zum Ganzen webt, Eins in dem andern wirkt und lebt! Wie Himmelskräfte auf und nieder steigen Und sich die goldnen Eimer reichen! Mit segenduftenden Schwingen Vom Himmel durch die Erde dringen, Harmonisch all’ das All durchklingen! Welch Schauspiel! aber ach! ein Schauspiel nur! Wo faß’ ich dich, unendliche Natur? Euch Brüste, wo? Ihr Quellen alles Lebens, An denen Himmel und Erde hängt, Dahin die welke Brust sich drängt – Ihr quellt, ihr tränkt, und schmacht’ ich so vergebens? Er schlägt unwillig das Buch um, und erblickt das Zeichen des Erdgeistes. Wie anders wirkt dieß Zeichen auf mich ein! Du, Geist der Erde, bist mir näher; Schon fühl’ ich meine Kräfte höher, Schon glüh’ ich wie von neuem Wein, Ich fühle Muth, mich in die Welt zu wagen, Der Erde Weh, der Erde Glück zu tragen, Mit Stürmen mich herumzuschlagen, Und in des Schiffbruchs Knirschen nicht zu zagen, Es wölkt sich über mir – Der Mond verbirgt sein Licht – Die Lampe schwindet! Es dampft! – Es zucken rothe Strahlen Mir um das Haupt – Es weht Ein Schauer vom Gewölb’ herab Und faßt mich an! Ich fühl’s, du schwebst um mich, erflehter Geist. Enthülle dich! Ha! wie’s in meinem Herzen reißt! Zu neuen Gefühlen All’ meine Sinnen sich erwühlen! Ich fühle ganz mein Herz dir hingegeben! Du mußt! du mußt! und kostet’ es mein Leben! Er faßt das Buch und spricht das Zeichen des Geistes geheimnißvoll aus. Es zuckt eine röthliche Flamme, der Geist erscheint in der Flamme. Geist Wer ruft mir? Faust abgewendet Schreckliches Gesicht! Geist Du hast mich mächtig angezogen, An meiner Sphäre lang’ gesogen, Und nun – Faust Weh! ich ertrag’ dich nicht! Geist Du flehst erathmend mich zu schauen, Meine Stimme zu hören, mein Antlitz zu sehn, Mich neigt dein mächtig Seelenflehn, Da bin ich! – Welch erbärmlich Grauen Faßt Übermenschen dich! Wo ist der Seele Ruf? Wo ist die Brust? die eine Welt in sich erschuf, Und trug und hegte; die mit Freudebeben Erschwoll, sich uns, den Geistern, gleich zu heben. Wo bist du, Faust? deß Stimme mir erklang, Der sich an mich mit allen Kräften drang? Bist Du es? der, von meinem Hauch umwittert, In allen Lebenstiefen zittert, Ein furchtsam weggekrümmter Wurm! Faust Soll ich dir, Flammenbildung, weichen? Ich bin’s, bin Faust, bin deines gleichen! Geist In Lebensfluthen, im Thatensturm Wall’ ich auf und ab, Webe hin und her! Geburt und Grab, Ein ewiges Meer, Ein wechselnd Weben, Ein glühend Leben, So schaff’ ich am sausenden Webstuhl der Zeit, Und wirke der Gottheit lebendiges Kleid. Faust Der du die weite Welt umschweifst, Geschäftiger Geist, wie nah fühl’ ich mich dir! Geist Du gleichst dem Geist, den du begreifst, Nicht mir! Verschwindet Faust zusammenstürzend Nicht dir! Wem denn? Ich Ebenbild der Gottheit! Und nicht einmal dir! Es klopft. O Tod! ich kenn’s – das ist mein Famulus – Es wird mein schönstes Glück zu nichte! Daß diese Fülle der Gesichte Der trockne Schleicher stören muß! Wagner im Schlafrocke und der Nachtmütze, eine Lampe in der Hand. Faust wendet sich unwillig. Wagner Verzeiht! ich hör’ euch declamiren; Ihr las’t gewiß ein griechisch Trauerspiel? In dieser Kunst möcht’ ich ’was profitiren, Denn heut zu Tage wirkt das viel. Ich hab’ es öfters rühmen hören, Ein Komödiant könnt’ einen Pfarrer lehren. Faust Ja, wenn der Pfarrer ein Komödiant ist; Wie das denn wohl zu Zeiten kommen mag. Wagner Ach! wenn man so in sein Museum gebannt ist, Und sieht die Welt kaum einen Feyertag, Kaum durch ein Fernglas, nur von weiten, Wie soll man sie durch Überredung leiten? Faust Wenn ihr’s nicht fühlt, ihr werdet’s nicht erjagen, Wenn es nicht aus der Seele dringt, Und mit urkräftigem Behagen Die Herzen aller Hörer zwingt. Sitzt ihr nur immer! leimt zusammen, Braut ein Ragout von andrer Schmaus, Und blas’t die kümmerlichen Flammen Aus eurem Aschenhäufchen ’raus! Bewund’rung von Kindern und Affen, Wenn euch darnach der Gaumen steht; Doch werdet ihr nie Herz zu Herzen schaffen, Wenn es euch nicht von Herzen geht. Wagner Allein der Vortrag macht des Redners Glück; Ich fühl’ es wohl, noch bin ich weit zurück. Faust Such’ Er den redlichen Gewinn! Sey er kein schellenlauter Thor! Es trägt Verstand und rechter Sinn Mit wenig Kunst sich selber vor; Und wenn’s euch Ernst ist was zu sagen, Ist’s nöthig Worten nachzujagen? Ja, eure Reden, die so blinkend sind, In denen ihr der Menschheit Schnitzel kräuselt, Sind unerquicklich wie der Nebelwind, Der herbstlich durch die dürren Blätter säuselt! Wagner Ach Gott! die Kunst ist lang; Und kurz ist unser Leben. Mir wird, bey meinem kritischen Bestreben, Doch oft um Kopf und Busen bang’. Wie schwer sind nicht die Mittel zu erwerben, Durch die man zu den Quellen steigt! Und eh’ man nur den halben Weg erreicht, Muß wohl ein armer Teufel sterben. Faust Das Pergament, ist das der heilge Bronnen, Woraus ein Trunk den Durst auf ewig stillt? Erquickung hast du nicht gewonnen, Wenn sie dir nicht aus eigner Seele quillt. Wagner Verzeiht! es ist ein groß Ergetzen, Sich in den Geist der Zeiten zu versetzen; Zu schauen, wie vor uns ein weiser Mann gedacht, Und wie wir’s dann zuletzt so herrlich weit gebracht. Faust O ja, bis an die Sterne weit! Mein Freund, die Zeiten der Vergangenheit Sind uns ein Buch mit sieben Siegeln. Was ihr den Geist der Zeiten heißt, Das ist im Grund der Herren eigner Geist, In dem die Zeiten sich bespiegeln. Da ist’s dann wahrlich oft ein Jammer! Man läuft euch bey dem ersten Blick davon. Ein Kehrichtfaß und eine Rumpelkammer, Und höchstens eine Haupt- und Staatsaction, Mit trefflichen, pragmatischen Maximen, Wie sie den Puppen wohl im Munde ziemen! Wagner Allein die Welt! des Menschen Herz und Geist! Möcht’ jeglicher doch was davon erkennen. Faust Ja was man so erkennen heißt! Wer darf das Kind beym rechten Namen nennen? Die wenigen, die was davon erkannt, Die thöricht g’nug ihr volles Herz nicht wahrten, Dem Pöbel ihr Gefühl, ihr Schauen offenbarten, Hat man von je gekreutzigt und verbrannt. Ich bitt’ euch, Freund, es ist tief in der Nacht, Wir müssen’s dießmal unterbrechen. Wagner Ich hätte gern nur immer fortgewacht, Um so gelehrt mit euch mich zu besprechen. Doch Morgen, als am ersten Ostertage, Erlaubt mir ein’ und andre Frage. Mit Eifer hab’ ich mich der Studien beflissen, Zwar weiß ich viel, doch möcht’ ich alles wissen. ab Faust allein Wie nur dem Kopf nicht alle Hoffnung schwindet, Der immerfort an schaalem Zeuge klebt, Mit gier’ger Hand nach Schätzen gräbt, Und froh ist, wenn er Regenwürmer findet! Darf eine solche Menschenstimme hier, Wo Geisterfülle mich umgab, ertönen? Doch ach! für dießmal dank’ ich dir, Dem ärmlichsten von allen Erdensöhnen. Du rissest mich von der Verzweiflung los, Die mir die Sinne schon zerstören wollte. Ach! die Erscheinung war so Riesen-groß, Daß ich mich recht als Zwerg empfinden sollte. Ich, Ebenbild der Gottheit, das sich schon Ganz nah gedünkt dem Spiegel ew’ger Wahrheit, Sein selbst genoß, in Himmelsglanz und Klarheit, Und abgestreift den Erdensohn; Ich, mehr als Cherub, dessen freye Kraft Schon durch die Adern der Natur zu fließen Und, schaffend, Götterleben zu genießen Sich ahndungsvoll vermaß, wie muß ich’s büßen! Ein Donnerwort hat mich hinweggerafft. Nicht darf ich dir zu gleichen mich vermessen. Hab’ ich die Kraft dich anzuziehn besessen; So hatt’ ich dich zu halten keine Kraft. In jenem sel’gen Augenblicke Ich fühlte mich so klein, so groß, Du stießest grausam mich zurücke, Ins ungewisse Menschenloos. Wer lehret mich? was soll ich meiden? Soll ich gehorchen jenem Drang? Ach! unsre Thaten selbst, so gut als unsre Leiden, Sie hemmen unsres Lebens Gang. Dem herrlichsten, was auch der Geist empfangen, Drängt immer fremd und fremder Stoff sich an; Wenn wir zum Guten dieser Welt gelangen, Dann heißt das Beßre Trug und Wahn. Die uns das Leben gaben, herrliche Gefühle Erstarren in dem irdischen Gewühle. Wenn Phantasie sich sonst, mit kühnem Flug, Und hoffnungsvoll zum Ewigen erweitert, So ist ein kleiner Raum ihr nun genug, Wenn Glück auf Glück im Zeitenstrudel scheitert. Die Sorge nistet gleich im tiefen Herzen, Dort wirket sie geheime Schmerzen, Unruhig wiegt sie sich und störet Lust und Ruh; Sie deckt sich stets mit neuen Masken zu, Sie mag als Haus und Hof, als Weib und Kind erscheinen, Als Feuer, Wasser, Dolch und Gift; Du bebst vor allem was nicht trifft, Und was du nie verlierst das mußt du stets beweinen. Den Göttern gleich’ ich nicht! zu tief ist es gefühlt; Dem Wurme gleich’ ich, der den Staub durchwühlt; Den, wie er sich im Staube nährend lebt, Des Wandrers Tritt vernichtet und begräbt. Ist es nicht Staub? was diese hohe Wand, Aus hundert Fächern, mir verenget; Der Trödel, der mit tausendfachem Tand, In dieser Mottenwelt mich dränget? Hier soll ich finden was mir fehlt? Soll ich vielleicht in tausend Büchern lesen, Daß überall die Menschen sich gequält, Daß hie und da ein Glücklicher gewesen? – Was grinsest du mir hohler Schädel her? Als daß dein Hirn, wie meines, einst verwirret, Den leichten Tag gesucht und in der Dämmrung schwer, Mit Lust nach Wahrheit, jämmerlich geirret. Ihr Instrumente freylich, spottet mein, Mit Rad und Kämmen, Walz’ und Bügel. Ich stand am Thor, ihr solltet Schlüssel seyn; Zwar euer Bart ist kraus, doch hebt ihr nicht die Riegel. Geheimnißvoll am lichten Tag Läßt sich Natur des Schleyers nicht berauben, Und was sie deinem Geist nicht offenbaren mag, Das zwingst du ihr nicht ab mit Hebeln und mit Schrauben. Du alt Geräthe das ich nicht gebraucht, Du stehst nur hier, weil dich mein Vater brauchte. Du alte Rolle, du wirst angeraucht, So lang an diesem Pult die trübe Lampe schmauchte. Weit besser hätt’ ich doch mein weniges verpraßt, Als mit dem wenigen belastet hier zu schwitzen! Was du ererbt von deinen Vätern hast Erwirb es, um es zu besitzen. Was man nicht nützt ist eine schwere Last, Nur was der Augenblick erschafft, das kann er nützen. Doch warum heftet sich mein Blick auf jene Stelle? Ist jenes Fläschchen dort den Augen ein Magnet? Warum wird mir auf einmal lieblich helle? Als wenn im nächt’gen Wald uns Mondenglanz umweht. Ich grüße dich, du einzige Phiole! Die ich mit Andacht nun herunterhole, In dir verehr’ ich Menschenwitz und Kunst. Du Inbegriff der holden Schlummersäfte, Du Auszug aller tödlich feinen Kräfte, Erweise deinem Meister deine Gunst! Ich sehe dich, es wird der Schmerz gelindert, Ich fasse dich, das Streben wird gemindert, Des Geistes Fluthstrom ebbet nach und nach. Ins hohe Meer werd’ ich hinausgewiesen, Die Spiegelfluth erglänzt zu meinen Füßen, Zu neuen Ufern lockt ein neuer Tag. Ein Feuerwagen schwebt, auf leichten Schwingen, An mich heran! Ich fühle mich bereit Auf neuer Bahn den Äther zu durchdringen, Zu neuen Sphären reiner Thätigkeit. Dieß hohe Leben, diese Götterwonne! Du, erst noch Wurm, und die verdienest du? Ja, kehre nur der holden Erdensonne Entschlossen deinen Rücken zu! Vermesse dich die Pforten aufzureißen, Vor denen jeder gern vorüber schleicht. Hier ist es Zeit durch Thaten zu beweisen, Daß Mannes-Würde nicht der Götterhöhe weicht, Vor jener dunkeln Höhle nicht zu beben, In der sich Phantasie zu eigner Quaal verdammt, Nach jenem Durchgang hinzustreben, Um dessen engen Mund die ganze Hölle flammt; Zu diesem Schritt sich heiter zu entschließen Und, wär’ es mit Gefahr, ins Nichts dahin zu fließen. Nun komm herab, krystallne reine Schaale! Hervor aus deinem alten Futterale, An die ich viele Jahre nicht gedacht. Du glänztest bey der Väter Freudenfeste, Erheitertest die ernsten Gäste, Wenn einer dich dem andern zugebracht. Der vielen Bilder künstlich reiche Pracht, Des Trinkers Pflicht, sie reimweis zu erklären, Auf Einen Zug die Höhlung auszuleeren, Erinnert mich an manche Jugend-Nacht, Ich werde jetzt dich keinem Nachbar reichen, Ich werde meinen Witz an deiner Kunst nicht zeigen, Hier ist ein Saft, der eilig trunken macht. Mit brauner Flut erfüllt er deine Höhle. Den ich bereitet, den ich wähle, Der letzte Trunk sey nun, mit ganzer Seele, Als festlich hoher Gruß, dem Morgen zugebracht! Er setzt die Schale an den Mund. Glockenklang und Chorgesang Chor der Engel Christ ist erstanden! Freude dem Sterblichen, Den die verderblichen, Schleichenden, erblichen Mängel umwanden. Faust Welch tiefes Summen, welch ein heller Ton, Zieht mit Gewalt das Glas von meinem Munde? Verkündiget ihr dumpfen Glocken schon Des Osterfestes erste Feyerstunde? Ihr Chöre singt ihr schon den tröstlichen Gesang? Der einst, um Grabes Nacht, von Engelslippen klang, Gewißheit einem neuen Bunde. Chor der Weiber Mit Spezereyen Hatten wir ihn gepflegt, Wir seine Treuen Hatten ihn hingelegt; Tücher und Binden Reinlich umwanden wir, Ach! und wir finden Christ nicht mehr hier. Chor der Engel Christ ist erstanden! Selig der Liebende, Der die Betrübende, Heilsam’ und übende Prüfung bestanden. Faust Was sucht ihr, mächtig und gelind, Ihr Himmelstöne mich am Staube? Klingt dort umher, wo weiche Menschen sind. Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube; Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind. Zu jenen Sphären wag’ ich nicht zu streben, Woher die holde Nachricht tönt; Und doch, an diesen Klang von Jugend auf gewöhnt, Ruft er auch jetzt zurück mich in das Leben. Sonst stürzte sich der Himmels-Liebe Kuß Auf mich herab, in ernster Sabathstille; Da klang so ahndungsvoll des Glockentones Fülle, Und ein Gebet war brünstiger Genuß; Ein unbegreiflich holdes Sehnen Trieb mich durch Wald und Wiesen hinzugehn, Und unter tausend heißen Thränen, Fühlt’ ich mir eine Welt entstehn. Dieß Lied verkündete der Jugend muntre Spiele, Der Frühlingsfeyer freyes Glück; Erinnrung hält mich nun, mit kindlichem Gefühle, Vom letzten, ernsten Schritt zurück. O! tönet fort ihr süßen Himmelslieder! Die Thräne quillt, die Erde hat mich wieder! Chor der Jünger Hat der Begrabene Schon sich nach oben, Lebend Erhabene, Herrlich erhoben; Ist er in Werdelust Schaffender Freude nah; Ach! an der Erde Brust, Sind wir zum Leide da. Ließ er die Seinen Schmachtend uns hier zurück; Ach! wir beweinen Meister dein Glück! Chor der Engel Christ ist erstanden, Aus der Verwesung Schoos. Reißet von Banden Freudig euch los! Thätig ihn preisenden, Liebe beweisenden, Brüderlich speisenden, Predigend reisenden, Wonne verheißenden Euch ist der Meister nah’, Euch ist er da!
Vor dem Thor Spaziergänger aller Artziehen hinaus Einige Handwerksbursche Warum denn dort hinaus? Andre Wir gehn hinaus auf’s Jägerhaus. Die Ersten Wir aber wollen nach der Mühle wandern. Ein Handwerksbursch Ich rath’ euch nach dem Wasserhof zu gehn. Zweyter Der Weg dahin ist gar nicht schön. Die Zweyten Was thust denn du? Ein Dritter Ich gehe mit den andern. Vierter Nach Burgdorf kommt herauf, gewiß dort findet ihr Die schönsten Mädchen und das beste Bier, Und Händel von der ersten Sorte. Fünfter Du überlustiger Gesell, Juckt dich zum drittenmal das Fell? Ich mag nicht hin, mir graut es vor dem Orte. Dienstmädchen Nein, nein! ich gehe nach der Stadt zurück. Andre Wir finden ihn gewiß bey jenen Pappeln stehen. Erste Das ist für mich kein großes Glück; Er wird an deiner Seite gehen, Mit dir nur tanzt er auf dem Plan. Was gehn mich deine Freuden an! Andre Heut ist er sicher nicht allein, Der Krauskopf, sagt er, würde bey ihm seyn. Schüler Blitz wie die wackern Dirnen schreiten! Herr Bruder komm! wir müssen sie begleiten. Ein starkes Bier, ein beizender Toback, Und eine Magd im Putz das ist nun mein Geschmack. Bürgermädchen Da sieh mir nur die schönen Knaben! Es ist wahrhaftig eine Schmach, Gesellschaft könnten sie die allerbeste haben, Und laufen diesen Mägden nach! Zweyter Schüler zum ersten Nicht so geschwind! dort hinten kommen zwey, Sie sind gar niedlich angezogen, ’s ist meine Nachbarin dabey; Ich bin dem Mädchen sehr gewogen. Sie gehen ihren stillen Schritt Und nehmen uns doch auch am Ende mit. Erster Herr Bruder nein! Ich bin nicht gern genirt. Geschwind! daß wir das Wildpret nicht verlieren. Die Hand, die Samstags ihren Besen führt, Wird Sontags dich am besten caressiren. Bürger Nein, er gefällt mir nicht der neue Burgemeister! Nun, da er’s ist, wird er nur täglich dreister. Und für die Stadt was thut denn er? Wird es nicht alle Tage schlimmer? Gehorchen soll man mehr als immer, Und zahlen mehr als je vorher. Bettler singt Ihr guten Herrn, ihr schönen Frauen, So wohlgeputzt und backenroth, Belieb’ es euch mich anzuschauen, Und seht und mildert meine Noth! Laßt hier mich nicht vergebens leyern! Nur der ist froh, der geben mag. Ein Tag den alle Menschen feyern, Er sey für mich ein Ärndetag. Andrer Bürger Nichts bessers weiß ich mir an Sonn- und Feyertagen, Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrey, Wenn hinten, weit, in der Türkey, Die Völker auf einander schlagen. Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten; Dann kehrt man Abends froh nach Haus, Und segnet Fried’ und Friedenszeiten. Dritter Bürger Herr Nachbar, ja! so laß ich’s auch geschehn, Sie mögen sich die Köpfe spalten, Mag alles durch einander gehn; Doch nur zu Hause bleib’s beym Alten. Alte zu den Bürgermädchen Ey! wie geputzt! das schöne junge Blut! Wer soll sich nicht in euch vergaffen? – Nur nicht so stolz! es ist schon gut! Und was ihr wünscht das wüßt’ ich wohl zu schaffen. Bürgermädchen Agathe fort! ich nehme mich in Acht Mit solchen Hexen öffentlich zu gehen; Sie ließ mich zwar, in Sanct Andreas Nacht, Den künftgen Liebsten leiblich sehen. Die Andre Mir zeigte sie ihn im Krystall, Soldatenhaft, mit mehreren Verwegnen; Ich seh’ mich um, ich such’ ihn überall, Allein mir will er nicht begegnen. Soldaten Burgen mit hohen Mauern und Zinnen, Mädchen mit stolzen Höhnenden Sinnen Möcht’ ich gewinnen! Kühn ist das Mühen, Herrlich der Lohn! Und die Trompete Lassen wir werben, Wie zu der Freude, So zum Verderben. Das ist ein Stürmen! Das ist ein Leben! Mädchen und Burgen Müssen sich geben. Kühn ist das Mühen, Herrlich der Lohn! Und die Soldaten Ziehen davon. Faust und Wagner Faust Vom Eise befreyt sind Strom und Bäche, Durch des Frühlings holden, belebenden Blick, Im Thale grünet Hoffnungs-Glück; Der alte Winter, in seiner Schwäche, Zog sich in rauhe Berge zurück. Von dorther sendet er, fliehend, nur Ohnmächtige Schauer körnigen Eises In Streifen über die grünende Flur; Aber die Sonne duldet kein Weißes, Überall regt sich Bildung und Streben, Alles will sie mit Farben beleben; Doch an Blumen fehlts im Revier, Sie nimmt geputzte Menschen dafür. Kehre dich um, von diesen Höhen Nach der Stadt zurück zu sehen. Aus dem hohlen finstren Thor Dringt ein buntes Gewimmel hervor. Jeder sonnt sich heute so gern. Sie feyern die Auferstehung des Herrn, Denn sie sind selber auferstanden, Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern, Aus Handwerks- und Gewerbes Banden, Aus dem Druck von Giebeln und Dächern, Aus der Straßen quetschender Enge, Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht Sind sie alle ans Licht gebracht. Sieh nur sieh! wie behend sich die Menge Durch die Gärten und Felder zerschlägt, Wie der Fluß, in Breit’ und Länge, So manchen lustigen Nachen bewegt, Und, bis zum Sinken überladen, Entfernt sich dieser letzte Kahn. Selbst von des Berges fernen Pfaden Blinken uns farbige Kleider an. Ich höre schon des Dorfs Getümmel, Hier ist des Volkes wahrer Himmel, Zufrieden jauchzet groß und klein: Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s seyn. Wagner Mit euch, Herr Doctor, zu spazieren Ist ehrenvoll und ist Gewinn; Doch würd’ ich nicht allein mich her verlieren, Weil ich ein Feind von allem Rohen bin. Das Fiedeln, Schreien, Kegelschieben, Ist mir ein gar verhaßter Klang; Sie toben wie vom bösen Geist getrieben Und nennen’s Freude, nennen’s Gesang. Bauern unter der Linde Tanz und Gesang Der Schäfer putzte sich zum Tanz, Mit bunter Jacke, Band und Kranz, Schmuck war er angezogen. Schon um die Linde war es voll Und alles tanzte schon wie toll. Juchhe! Juchhe! Juchheisa! Heisa! He! So ging der Fiedelbogen. Er drückte hastig sich heran, Da stieß er an ein Mädchen an, Mit seinem Ellenbogen; Die frische Dirne kehrt sich um Und sagte: nun das find’ ich dumm! Juchhe! Juchhe! Juchheisa! Heisa! He! Seyd nicht so ungezogen. Doch hurtig in dem Kreise ging’s, Sie tanzten rechts sie tanzten links Und alle Röcke flogen. Sie wurden roth, sie wurden warm Und ruhten athmend Arm in Arm, Juchhe! Juchhe! Juchheisa! Heisa! He! Und Hüft’ an Ellenbogen. Und thu mir doch nicht so vertraut! Wie mancher hat nicht seine Braut Belogen und betrogen! Er schmeichelte sie doch bey Seit’ Und von der Linde scholl es weit: Juchhe! Juchhe! Juchheisa! Heisa! He! Geschrei und Fiedelbogen. Alter Bauer Herr Doctor, das ist schön von euch, Daß ihr uns heute nicht verschmäht, Und unter dieses Volksgedräng’, Als ein so Hochgelahrter, geht. So nehmet auch den schönsten Krug, Den wir mit frischem Trunk gefüllt, Ich bring’ ihn zu und wünsche laut, Daß er nicht nur den Durst euch stillt; Die Zahl der Tropfen, die er hegt, Sey euren Tagen zugelegt. Faust Ich nehme den Erquickungs-Trank, Erwiedr’ euch allen Heil und Dank. Das Volk sammelt sich im Kreis umher. Alter Bauer Fürwahr es ist sehr wohl gethan, Daß ihr am frohen Tag erscheint; Habt ihr es vormals doch mit uns An bösen Tagen gut gemeynt! Gar mancher steht lebendig hier, Den euer Vater noch zuletzt Der heißen Fieberwuth entriß, Als er der Seuche Ziel gesetzt. Auch damals ihr, ein junger Mann, Ihr gingt in jedes Krankenhaus, Gar manche Leiche trug man fort, Ihr aber kamt gesund heraus, Bestandet manche harte Proben; Dem Helfer half der Helfer droben. Alle Gesundheit dem bewährten Mann, Daß er noch lange helfen kann! Faust Vor jenem droben steht gebückt, Der helfen lehrt und Hülfe schickt. Er geht mit Wagnern weiter. Wagner Welch ein Gefühl mußt du, o großer Mann! Bey der Verehrung dieser Menge haben! O! glücklich! wer von seinen Gaben Solch einen Vortheil ziehen kann. Der Vater zeigt dich seinem Knaben, Ein jeder fragt und drängt und eilt, Die Fiedel stockt, der Tänzer weilt. Du gehst, in Reihen stehen sie, Die Mützen fliegen in die Höh’; Und wenig fehlt, so beugten sich die Knie, Als käm’ das Venerabile. Faust Nur wenig Schritte noch hinauf zu jenem Stein, Hier wollen wir von unsrer Wandrung rasten. Hier saß ich oft gedankenvoll allein Und quälte mich mit Beten und mit Fasten. An Hoffnung reich, im Glauben fest, Mit Thränen, Seufzen, Händeringen Dacht’ ich das Ende jener Pest Vom Herrn des Himmels zu erzwingen. Der Menge Beyfall tönt mir nun wie Hohn. O könntest du in meinem Innern lesen, Wie wenig Vater und Sohn Solch eines Ruhmes werth gewesen! Mein Vater war ein dunkler Ehrenmann, Der über die Natur und ihre heilgen Kreise, In Redlichkeit, jedoch auf seine Weise, Mit grillenhafter Mühe sann. Der, in Gesellschaft von Adepten, Sich in die schwarze Küche schloß, Und, nach unendlichen Recepten, Das Widrige zusammengoß. Da ward ein rother Leu, ein kühner Freyer, Im lauen Bad, der Lilie vermählt Und beyde dann, mit offnem Flammenfeuer, Aus einem Brautgemach ins andere gequält. Erschien darauf, mit bunten Farben, Die junge Königin im Glas, Hier war die Arzeney, die Patienten starben, Und niemand fragte: wer genas? So haben wir, mit höllischen Latwergen, In diesen Thälern, diesen Bergen, Weit schlimmer als die Pest getobt. Ich habe selbst den Gift an Tausende gegeben, Sie welkten hin, ich muß erleben Daß man die frechen Mörder lobt. Wagner Wie könnt ihr euch darum betrüben! Thut nicht ein braver Mann genug; Die Kunst, die man ihm übertrug, Gewissenhaft und pünctlich auszuüben. Wenn du, als Jüngling, deinen Vater ehrst, So wirst du gern von ihm empfangen; Wenn du, als Mann, die Wissenschaft vermehrst, So kann dein Sohn zu höhrem Ziel gelangen. Faust O! glücklich! wer noch hoffen kann Aus diesem Meer des Irrthums aufzutauchen. Was man nicht weiß das eben brauchte man, Und was man weiß kann man nicht brauchen. Doch laß uns dieser Stunde schönes Gut, Durch solchen Trübsinn, nicht verkümmern! Betrachte wie, in Abendsonne-Glut, Die grünumgebnen Hütten schimmern. Sie rückt und weicht, der Tag ist überlebt, Dort eilt sie hin und fördert neues Leben. O! daß kein Flügel mich vom Boden hebt, Ihr nach und immer nach zu streben. Ich säh’ im ewigen Abendstrahl Die stille Welt zu meinen Füßen, Entzündet alle Höhn, beruhigt jedes Thal, Den Silberbach in goldne Ströme fließen. Nicht hemmte dann den göttergleichen Lauf Der wilde Berg mit allen seinen Schluchten; Schon thut das Meer sich mit erwärmten Buchten Vor den erstaunten Augen auf. Doch scheint die Göttin endlich wegzusinken; Allein der neue Trieb erwacht, Ich eile fort ihr ew’ges Licht zu trinken, Vor mir den Tag, und hinter mir die Nacht, Den Himmel über mir und unter mir die Wellen. Ein schöner Traum, indessen sie entweicht. Ach! zu des Geistes Flügeln wird so leicht Kein körperlicher Flügel sich gesellen. Doch ist es jedem eingeboren, Daß sein Gefühl hinauf und vorwärts dringt, Wenn über uns, im blauen Raum verloren, Ihr schmetternd Lied die Lerche singt; Wenn über schroffen Fichtenhöhen Der Adler ausgebreitet schwebt, Und über Flächen, über Seen, Der Kranich nach der Heimat strebt. Wagner Ich hatte selbst oft grillenhafte Stunden, Doch solchen Trieb hab’ ich noch nie empfunden. Man sieht sich leicht an Wald und Feldern satt, Des Vogels Fittig werd’ ich nie beneiden. Wie anders tragen uns die Geistesfreuden, Von Buch zu Buch, von Blatt zu Blatt! Da werden Winternächte hold und schön, Ein selig Leben wärmet alle Glieder, Und ach! entrollst du gar ein würdig Pergamen; So steigt der ganze Himmel zu dir nieder. Faust Du bist dir nur des einen Triebs bewußt, O lerne nie den andern kennen! Zwey Seelen wohnen, ach! in meiner Brust, Die eine will sich von der andern trennen; Die eine hält, in derber Liebeslust, Sich an die Welt, mit klammernden Organen; Die andre hebt gewaltsam sich vom Dust, Zu den Gefilden hoher Ahnen. O giebt es Geister in der Luft, Die zwischen Erd’ und Himmel herrschend weben, So steiget nieder aus dem goldnen Duft Und führt mich weg, zu neuem buntem Leben! Ja, wäre nur ein Zaubermantel mein! Und trüg’ er mich in fremde Länder, Mir sollt’ er, um die köstlichsten Gewänder, Nicht feil um einen Königsmantel seyn. Wagner Berufe nicht die wohlbekannte Schaar, Die, strömend, sich im Dunstkreis überbreitet, Dem Menschen tausendfältige Gefahr, Von allen Enden her, bereitet. Von Norden dringt der scharfe Geisterzahn Auf dich herbey, mit pfeilgespitzten Zungen; Von Morgen ziehn, vertrocknend, sie heran, Und nähren sich von deinen Lungen; Wenn sie der Mittag aus der Wüste schickt, Die Glut auf Glut um deinen Scheitel häufen, So bringt der West den Schwarm, der erst erquickt, Um dich und Feld und Aue zu ersäufen. Sie hören gern, zum Schaden froh gewandt, Gehorchen gern, weil sie uns gern betrügen, Sie stellen wie vom Himmel sich gesandt, Und lispeln englisch, wenn sie lügen. Doch gehen wir! ergraut ist schon die Welt, Die Luft gekühlt, der Nebel fällt! Am Abend schätzt man erst das Haus. – Was stehst du so und blickst erstaunt hinaus? Was kann dich in der Dämmrung so ergreifen? Faust Siehst du den schwarzen Hund durch Saat und Stoppel streifen? Wagner Ich sah ihn lange schon, nicht wichtig schien er mir. Faust Betracht’ ihn recht! für was hältst du das Thier? Wagner Für einen Pudel, der auf seine Weise Sich auf der Spur des Herren plagt. Faust Bemerkst du, wie in weitem Schneckenkreise Er um uns her und immer näher jagt? Und irr’ ich nicht, so zieht ein Feuerstrudel Auf seinen Pfaden hinterdrein. Wagner Ich sehe nichts als einen schwarzen Pudel, Es mag bey euch wohl Augentäuschung seyn. Faust Mir scheint es, daß er magisch leise Schlingen, Zu künftgem Band, um unsre Füße zieht. Wagner Ich seh’ ihn ungewiß und furchtsam uns umspringen, Weil er, statt seines Herrn, zwey Unbekannte sieht. Faust Der Kreis wird eng, schon ist er nah! Wagner Du siehst! ein Hund, und kein Gespenst ist da. Er knurrt und zweifelt, legt sich auf den Bauch, Er wedelt. Alles Hunde Brauch. Faust Geselle dich zu uns! Komm hier! Wagner Es ist ein pudelnärrisch Thier. Du stehest still, er wartet auf; Du sprichst ihn an, er strebt an dir hinauf; Verliere was, er wird es bringen, Nach deinem Stock ins Wasser springen. Faust Du hast wohl recht, ich finde nicht die Spur Von einem Geist, und alles ist Dressur. Wagner Dem Hunde, wenn er gut gezogen, Wird selbst ein weiser Mann gewogen. Ja deine Gunst verdient er ganz und gar Er, der Studenten trefflicher Scolar. Sie gehen in das Stadt-Thor.
Studirzimmer Faust mit dem Pudel hereintretend Verlassen hab’ ich Feld und Auen, Die eine tiefe Nacht bedeckt, Mit ahndungsvollem heil’gem Grauen In uns die bessre Seele weckt. Entschlafen sind nun wilde Triebe, Mit jedem ungestümen Thun; Es reget sich die Menschenliebe, Die Liebe Gottes regt sich nun. Sey ruhig Pudel! renne nicht hin und wieder! An der Schwelle was schnoperst du hier? Lege dich hinter den Ofen nieder, Mein bestes Kissen geb’ ich dir. Wie du draußen auf dem bergigen Wege, Durch Rennen und Springen, ergetzt uns hast, So nimm nun auch von mir die Pflege, Als ein willkommner stiller Gast. Ach wenn in unsrer engen Zelle Die Lampe freundlich wieder brennt, Dann wird’s in unserm Busen helle, Im Herzen, das sich selber kennt. Vernunft fängt wieder an zu sprechen, Und Hoffnung wieder an zu blühn, Man sehnt sich nach des Lebens Bächen, Ach! nach des Lebens Quelle hin. Knurre nicht Pudel! Zu den heiligen Tönen, Die jetzt meine ganze Seel’ umfassen, Will der thierische Laut nicht passen. Wir sind gewohnt, daß die Menschen verhöhnen Was sie nicht verstehn, Daß sie vor dem Guten und Schönen, Das ihnen oft beschwerlich ist, murren; Will es der Hund, wie sie, beknurren? Aber ach! schon fühl’ ich, bey dem besten Willen, Befriedigung nicht mehr aus dem Busen quillen. Aber warum muß der Strom so bald versiegen, Und wir wieder im Durste liegen? Davon hab’ ich so viel Erfahrung. Doch dieser Mangel läßt sich ersetzen, Wir lernen das Überirdische schätzen, Wir sehnen uns nach Offenbarung, Die nirgends würd’ger und schöner brennt, Als in dem neuen Testament. Mich drängt’s den Grundtext aufzuschlagen, Mit redlichem Gefühl einmal Das heilige Original In mein geliebtes Deutsch zu übertragen. Er schlägt ein Volum auf und schickt sich an. Geschrieben steht: „im Anfang war das Wort!“ Hier stock’ ich schon! Wer hilft mir weiter fort? Ich kann das Wort so hoch unmöglich schätzen, Ich muß es anders übersetzen, Wenn ich vom Geiste recht erleuchtet bin. Geschrieben steht: im Anfang war der Sinn. Bedenke wohl die erste Zeile, Daß deine Feder sich nicht übereile! Ist es der Sinn, der alles wirkt und schafft? Es sollte stehn: im Anfang war die Kraft! Doch, auch indem ich dieses niederschreibe, Schon warnt mich was, daß ich dabey nicht bleibe. Mir hilft der Geist! auf einmal seh’ ich Rath Und schreibe getrost: im Anfang war die That! Soll ich mit dir das Zimmer theilen, Pudel, so laß das Heulen, So laß das Bellen! Solch einen störenden Gesellen Mag ich nicht in der Nähe leiden. Einer von uns beyden Muß die Zelle meiden. Ungern heb’ ich das Gastrecht auf, Die Thür’ ist offen, hast freyen Lauf. Aber was muß ich sehen! Kann das natürlich geschehen? Ist es Schatten? ist’s Wirklichkeit? Wie wird mein Pudel lang und breit! Er hebt sich mit Gewalt, Das ist nicht eines Hundes Gestalt! Welch ein Gespenst bracht’ ich ins Haus! Schon sieht er wie ein Nilpferd aus, Mit feurigen Augen, schrecklichem Gebiß. O! du bist mir gewiß! Für solche halbe Höllenbrut Ist Salomonis Schlüssel gut. Geister auf dem Gange Drinnen gefangen ist einer! Bleibet haußen, folg’ ihm keiner! Wie im Eisen der Fuchs, Zagt ein alter Höllenluchs. Aber gebt Acht! Schwebet hin, schwebet wieder, Auf und nieder, Und er hat sich losgemacht. Könnt ihr ihm nützen, Laßt ihn nicht sitzen! Denn er that uns allen Schon viel zu Gefallen. Faust Erst zu begegnen dem Thiere, Brauch’ ich den Spruch der Viere: Salamander soll glühen, Undene sich winden, Silphe verschwinden, Kobold sich mühen. Wer sie nicht kennte Die Elemente, Ihre Kraft Und Eigenschaft, Wäre kein Meister Über die Geister. Verschwind’ in Flammen Salamander! Rauschend fließe zusammen Undene! Leucht’ in Meteoren-Schöne Silphe! Bring’ häußliche Hülfe Incubus! incubus! Tritt hervor und mache den Schluß. Keines der Viere Steckt in dem Thiere. Es liegt ganz ruhig und grins’t mich an, Ich hab’ ihm noch nicht weh gethan. Du sollst mich hören Stärker beschwören. Bist du Geselle Ein Flüchtling der Hölle? So sieh dies Zeichen! Dem sie sich beugen Die schwarzen Schaaren. Schon schwillt es auf mit borstigen Haaren. Verworfnes Wesen! Kannst du ihn lesen? Den nie entsprossnen, Unausgesprochnen, Durch alle Himmel gegossnen, Freventlich durchstochnen. Hinter den Ofen gebannt Schwillt es wie ein Elephant, Den ganzen Raum füllt es an, Es will zum Nebel zerfließen. Steige nicht zur Decke hinan! Lege dich zu des Meisters Füßen! Du siehst daß ich nicht vergebens drohe. Ich versenge dich mit heiliger Lohe! Erwarte nicht Das dreymal glühende Licht! Erwarte nicht Die stärkste von meinen Künsten! Mephistopheles tritt, indem der Nebel fällt, gekleidet wie ein fahrender Scholastikus, hinter dem Ofen hervor. Wozu der Lärm? was steht dem Herrn zu Diensten? Faust Das also war des Pudels Kern! Ein fahrender Scolast? Der Casus macht mich lachen. Mephistopheles Ich salutire den gelehrten Herrn! Ihr habt mich weidlich schwitzen machen. Faust Wie nennst du dich? Mephistopheles Die Frage scheint mir klein, Für einen der das Wort so sehr verachtet, Der, weit entfernt von allem Schein, Nur in der Wesen Tiefe trachtet. Faust Bey euch, ihr Herrn, kann man das Wesen Gewöhnlich aus dem Namen lesen, Wo es sich allzudeutlich weis’t, Wenn man euch Fliegengott, Verderber, Lügner heißt. Nun gut wer bist du denn? Mephistopheles Ein Theil von jener Kraft, Die stets das Böse will und stets das Gute schafft. Faust Was ist mit diesem Räthselwort gemeynt? Mephistopheles Ich bin der Geist der stets verneint! Und das mit Recht; denn alles was entsteht Ist werth daß es zu Grunde geht; Drum besser wär’s daß nichts entstünde. So ist denn alles was ihr Sünde, Zerstörung, kurz das Böse nennt, Mein eigentliches Element. Faust Du nennst dich einen Theil, und stehst doch ganz vor mir? Mephistopheles Bescheidne Wahrheit sprech’ ich dir. Wenn sich der Mensch, die kleine Narrenwelt, Gewöhnlich für ein Ganzes hält; Ich bin ein Theil des Theils, der Anfangs alles war, Ein Theil der Finsterniß, die sich das Licht gebar, Das stolze Licht, das nun der Mutter Nacht Den alten Rang, den Raum ihr streitig macht, Und doch gelingt’s ihm nicht, da es, so viel es strebt, Verhaftet an den Körpern klebt. Von Körpern strömt’s, die Körper macht es schön, Ein Körper hemmt’s auf seinem Gange, So, hoff’ ich, dauert es nicht lange Und mit den Körpern wird’s zu Grunde gehn. Faust Nun kenn’ ich deine würd’gen Pflichten! Du kannst im Großen nichts vernichten Und fängst es nun im Kleinen an. Mephistopheles Und freylich ist nicht viel damit gethan. Was sich dem Nichts entgegenstellt, Das Etwas, diese plumpe Welt, So viel als ich schon unternommen Ich wußte nicht ihr beyzukommen, Mit Wellen, Stürmen, Schütteln, Brand, Geruhig bleibt am Ende Meer und Land! Und dem verdammten Zeug, der Thier- und Menschenbrut, Dem ist nun gar nichts anzuhaben, Wie viele hab’ ich schon begraben! Und immer zirkulirt ein neues, frisches Blut. So geht es fort, man möchte rasend werden! Der Luft, dem Wasser, wie der Erden Entwinden tausend Keime sich, Im Trocknen, Feuchten, Warmen, Kalten! Hätt’ ich mir nicht die Flamme vorbehalten; Ich hätte nichts apart’s für mich. Faust So setzest du der ewig regen, Der heilsam schaffenden Gewalt Die kalte Teufelsfaust entgegen, Die sich vergebens tückisch ballt! Was anders suche zu beginnen Des Chaos wunderlicher Sohn! Mephistopheles Wir wollen wirklich uns besinnen, Die nächstenmale mehr davon! Dürft’ ich wohl diesmal mich entfernen? Faust Ich sehe nicht warum du fragst. Ich habe jetzt dich kennen lernen, Besuche nun mich wie du magst. Hier ist das Fenster, hier die Thüre, Ein Rauchfang ist dir auch gewiß. Mephistopheles Gesteh’ ichs nur! daß ich hinausspaziere Verbietet mir ein kleines Hinderniß, Der Drudenfuß auf eurer Schwelle – Faust Das Pentagramma macht dir Pein? Ey sage mir, du Sohn der Hölle, Wenn das dich bannt, wie kamst du denn herein? Wie ward ein solcher Geist betrogen? Mephistopheles Beschaut es recht! es ist nicht gut gezogen; Der eine Winkel, der nach außen zu, Ist, wie du siehst, ein wenig offen. Faust Das hat der Zufall gut getroffen! Und mein Gefangner wärst denn du? Das ist von ohngefähr gelungen! Mephistopheles Der Pudel merkte nichts als er hereingesprungen, Die Sache sieht jetzt anders aus; Der Teufel kann nicht aus dem Haus. Faust Doch warum gehst du nicht durchs Fenster? Mephistopheles ’s ist ein Gesetz der Teufel und Gespenster: Wo sie hereingeschlüpft, da müssen sie hinaus. Das erste steht uns frey, beym zweyten sind wir Knechte. Faust Die Hölle selbst hat ihre Rechte? Das find’ ich gut, da ließe sich ein Packt, Und sicher wohl, mit euch ihr Herren schließen? Mephistopheles Was man verspricht, das sollst du rein genießen, Dir wird davon nichts abgezwackt. Doch das ist nicht so kurz zu fassen, Und wir besprechen das zunächst; Doch jetzo bitt’ ich, hoch und höchst, Für diesesmal mich zu entlassen. Faust So bleibe doch noch einen Augenblick, Um mir erst gute Mähr zu sagen. Mephistopheles Jetzt laß mich los! ich komme bald zurück, Dann magst du nach Belieben fragen. Faust Ich habe dir nicht nachgestellt, Bist du doch selbst ins Garn gegangen. Den Teufel halte wer ihn hält! Er wird ihn nicht sobald zum zweytenmale fangen. Mephistopheles Wenn dir’s beliebt, so bin ich auch bereit Dir zur Gesellschaft hier zu bleiben; Doch mit Bedingniß, dir die Zeit, Durch meine Künste, würdig zu vertreiben. Faust Ich seh’ es gern, das steht dir frey; Nur daß die Kunst gefällig sey! Mephistopheles Du wirst, mein Freund, für deine Sinnen, In dieser Stunde mehr gewinnen, Als in des Jahres Einerley. Was dir die zarten Geister singen, Die schönen Bilder die sie bringen, Sind nicht ein leeres Zauberspiel. Auch dein Geruch wird sich ergetzen, Dann wirst du deinen Gaumen letzen, Und dann entzückt sich dein Gefühl. Bereitung braucht es nicht voran, Beysammen sind wir, fanget an! Geister Schwindet ihr dunkeln Wölbungen droben! Reizender schaue, Freundlich, der blaue Äther herein! Wären die dunkeln Wolken zerronnen! Sternelein funkeln, Mildere Sonnen Scheinen darein. Himmlischer Söhne Geistige Schöne, Schwankende Beugung Schwebet vorüber. Sehnende Neigung Folget hinüber; Und der Gewänder Flatternde Bänder Decken die Länder, Decken die Laube, Wo sich für’s Leben, Tief in Gedanken, Liebende geben. Laube bey Laube! Sprossende Ranken! Lastende Traube Stürzt in’s Behälter Drängender Kelter, Stürzen in Bächen Schäumende Weine, Rieseln durch reine, Edle Gesteine, Lassen die Höhen Hinter sich liegen, Breiten zu Seen Sich ums Genügen Grünender Hügel. Und das Geflügel Schlürfet sich Wonne, Flieget der Sonne, Flieget den hellen Inseln entgegen, Die sich auf Wellen Gauklend bewegen; Wo wir in Chören Jauchzende hören, Über den Auen Tanzende schauen, Die sich im Freyen Alle zerstreuen. Einige glimmen Über die Höhen, Andere schwimmen Über die Seen, Andere schweben; Alle zum Leben, Alle zur Ferne Liebender Sterne Seliger Huld. Mephistopheles Er schläft! So recht, ihr luft’gen, zarten Jungen! Ihr habt ihn treulich eingesungen! Für dies Concert bin ich in eurer Schuld. Du bist noch nicht der Mann den Teufel fest zu halten! Umgaukelt ihn mit süßen Traumgestalten, Versenkt ihn in ein Meer des Wahns; Doch dieser Schwelle Zauber zu zerspalten Bedarf ich eines Rattenzahns. Nicht lange brauch’ ich zu beschwören, Schon raschelt eine hier und wird sogleich mich hören. Der Herr der Ratten und der Mäuse, Der Fliegen, Frösche, Wanzen, Läuse, Befiehlt dir dich hervor zu wagen Und diese Schwelle zu benagen, So wie er sie mit Öl betupft – Da kommst du schon hervorgehupft! Nur frisch ans Werk! Die Spitze, die mich bannte, Sie sitzt ganz vornen an der Kante. Noch einen Biß, so ist’s geschehn. – Nun Fauste träume fort, bis wir uns wiedersehn. Faust erwachend Bin ich denn abermals betrogen? Verschwindet so der geisterreiche Drang? Daß mir ein Traum den Teufel vorgelogen, Und daß ein Pudel mir entsprang.
Studirzimmer Faust. Mephistopheles Faust Es klopft? Herein! Wer will mich wieder plagen? Mephistopheles Ich bin’s. Faust Herein! Mephistopheles Du mußt es dreymal sagen. Faust Herein denn! Mephistopheles So gefällst du mir. Wir werden, hoff’ ich, uns vertragen; Denn dir die Grillen zu verjagen Bin ich, als edler Junker, hier, In rothem goldverbrämten Kleide, Das Mäntelchen von starrer Seide, Die Hahnenfeder auf dem Hut, Mit einem langen, spitzen Degen, Und rathe nun dir, kurz und gut, Dergleichen gleichfalls anzulegen; Damit du, losgebunden, frey, Erfahrest was das Leben sey. Faust In jedem Kleide werd’ ich wohl die Pein Des engen Erdelebens fühlen. Ich bin zu alt, um nur zu spielen, Zu jung, um ohne Wunsch zu seyn. Was kann die Welt mir wohl gewähren? Entbehren sollst du! sollst entbehren! Das ist der ewige Gesang, Der jedem an die Ohren klingt, Den, unser ganzes Leben lang, Uns heiser jede Stunde singt. Nur mit Entsetzen wach’ ich Morgens auf, Ich möchte bittre Thränen weinen, Den Tag zu sehn, der mir in seinem Lauf Nicht Einen Wunsch erfüllen wird, nicht Einen, Der selbst die Ahndung jeder Lust Mit eigensinnigem Krittel mindert, Die Schöpfung meiner regen Brust Mit tausend Lebensfratzen hindert. Auch muß ich, wenn die Nacht sich niedersenkt, Mich ängstlich auf das Lager strecken, Auch da wird keine Rast geschenkt, Mich werden wilde Träume schrecken. Der Gott, der mir im Busen wohnt, Kann tief mein Innerstes erregen, Der über allen meinen Kräften thront, Er kann nach außen nichts bewegen; Und so ist mir das Daseyn eine Last, Der Tod erwünscht, das Leben mir verhaßt. Mephistopheles Und doch ist nie der Tod ein ganz willkommner Gast. Faust O seelig der! dem er im Siegesglanze Die blutgen Lorbeern um die Schläfe windet, Den er, nach rasch durchrastem Tanze, In eines Mädchens Armen findet. O wär’ ich vor des hohen Geistes Kraft Entzückt, entseelt dahin gesunken! Mephistopheles Und doch hat Jemand einen braunen Saft, In jener Nacht, nicht ausgetrunken. Faust Das Spioniren, scheint’s, ist deine Lust. Mephistopheles Allwissend bin ich nicht; doch viel ist mir bewußt. Faust Wenn aus dem schrecklichen Gewühle Ein süß bekannter Ton mich zog, Den Rest von kindlichem Gefühle Mit Anklang froher Zeit betrog; So fluch’ ich allem was die Seele Mit Lock- und Gaukelwerk umspannt, Und sie in diese Trauerhöle Mit Blend- und Schmeichelkräften bannt! Verflucht voraus die hohe Meinung, Womit der Geist sich selbst umfängt! Verflucht das Blenden der Erscheinung, Die sich an unsre Sinne drängt! Verflucht was uns in Träumen heuchelt, Des Ruhms, der Namensdauer Trug! Verflucht was als Besitz uns schmeichelt, Als Weib und Kind, als Knecht und Pflug! Verflucht sey Mammon, wenn mit Schätzen Er uns zu kühnen Thaten regt, Wenn er zu müßigem Ergetzen Die Polster uns zurechte legt! Fluch sey dem Balsamsaft der Trauben! Fluch jener höchsten Liebeshuld! Fluch sey der Hoffnung! Fluch dem Glauben, Und Fluch vor allen der Geduld! Geisterchor unsichtbar Weh! weh! Du hast sie zerstört, Die schöne Welt, Mit mächtiger Faust, Sie stürzt, sie zerfällt! Ein Halbgott hat sie zerschlagen! Wir tragen Die Trümmern ins Nichts hinüber, Und klagen Über die verlorne Schöne. Mächtiger Der Erdensöhne, Prächtiger Baue sie wieder, In deinem Busen baue sie auf! Neuen Lebenslauf Beginne, Mit hellem Sinne, Und neue Lieder Tönen darauf! Mephistopheles Dies sind die kleinen Von den Meinen. Höre, wie zu Lust und Thaten Altklug sie rathen! In die Welt weit, Aus der Einsamkeit, Wo Sinnen und Säfte stocken, Wollen sie dich locken. Hör’ auf mit deinem Gram zu spielen, Der, wie ein Geyer, dir am Leben frißt; Die schlechteste Gesellschaft läßt dich fühlen Daß du ein Mensch mit Menschen bist. Doch so ist’s nicht gemeynt Dich unter das Pack zu stoßen. Ich bin keiner von den Großen; Doch willst du, mit mir vereint, Deine Schritte durchs Leben nehmen; So will ich mich gern bequemen Dein zu seyn, auf der Stelle. Ich bin dein Geselle Und, mach’ ich dir’s recht, Bin ich dein Diener, bin dein Knecht! Faust Und was soll ich dagegen dir erfüllen? Mephistopheles Dazu hast du noch eine lange Frist. Faust Nein nein! der Teufel ist ein Egoist Und thut nicht leicht um Gottes Willen Was einem andern nützlich ist. Sprich die Bedingung deutlich aus; Ein solcher Diener bringt Gefahr ins Haus. Mephistopheles Ich will mich hier zu deinem Dienst verbinden, Auf deinen Wink nicht rasten und nicht ruhn; Wenn wir uns drüben wieder finden, So sollst du mir das Gleiche thun. Faust Das Drüben kann mich wenig kümmern, Schlägst du erst diese Welt zu Trümmern, Die andre mag darnach entstehn. Aus dieser Erde quillen meine Freuden, Und diese Sonne scheinet meinen Leiden; Kann ich mich erst von ihnen scheiden, Dann mag was will und kann geschehn. Davon will ich nichts weiter hören, Ob man auch künftig haßt und liebt, Und ob es auch in jenen Sphären Ein Oben oder Unten giebt. Mephistopheles In diesem Sinne kannst du’s wagen. Verbinde dich; du sollst, in diesen Tagen, Mit Freuden meine Künste sehn, Ich gebe dir was noch kein Mensch gesehn. Faust Was willst du armer Teufel geben? Ward eines Menschen Geist, in seinem hohen Streben, Von deines Gleichen je gefaßt? Doch hast du Speise die nicht sättigt, hast Du rothes Gold, das ohne Rast, Quecksilber gleich, dir in der Hand zerrinnt, Ein Spiel, bey dem man nie gewinnt, Ein Mädchen, das an meiner Brust Mit Äugeln schon dem Nachbar sich verbindet, Der Ehre schöne Götterlust, Die, wie ein Meteor, verschwindet. Zeig mir die Frucht die fault, eh’ man sie bricht, Und Bäume die sich täglich neu begrünen! Mephistopheles Ein solcher Auftrag schreckt mich nicht, Mit solchen Schätzen kann ich dienen. Doch, guter Freund, die Zeit kommt auch heran Wo wir was Gut’s in Ruhe schmausen mögen. Faust Werd’ ich beruhigt je mich auf ein Faulbett legen; So sey es gleich um mich gethan! Kannst du mich schmeichelnd je belügen, Daß ich mir selbst gefallen mag, Kannst du mich mit Genuß betrügen; Das sey für mich der letzte Tag! Die Wette biet’ ich! Mephistopheles Top! Faust Und Schlag auf Schlag! Werd’ ich zum Augenblicke sagen: Verweile doch! du bist so schön! Dann magst du mich in Fesseln schlagen, Dann will ich gern zu Grunde gehn! Dann mag die Todtenglocke schallen, Dann bist du deines Dienstes frey, Die Uhr mag stehn, der Zeiger fallen, Es sey die Zeit für mich vorbey! Mephistopheles Bedenk’ es wohl, wir werden’s nicht vergessen. Faust Dazu hast du ein volles Recht; Ich habe mich nicht freventlich vermessen. Wie ich beharre bin ich Knecht, Ob dein, was frag’ ich, oder wessen. Mephistopheles Ich werde heute gleich, beym Doctorschmaus, Als Diener, meine Pflicht erfüllen. Nur eins! – um Lebens oder Sterbens willen, Bitt’ ich mir ein Paar Zeilen aus. Faust Auch was geschriebnes forderst du Pedant? Hast du noch keinen Mann, nicht Mannes-Wort gekannt? Ist’s nicht genug, daß mein gesprochnes Wort Auf ewig soll mit meinen Tagen schalten? Ras’t nicht die Welt in allen Strömen fort, Und mich soll ein Versprechen halten? Doch dieser Wahn ist uns ins Herz gelegt, Wer mag sich gern davon befreyen? Beglückt wer Treue rein im Busen trägt, Kein Opfer wird ihn je gereuen! Allein ein Pergament, beschrieben und beprägt, Ist ein Gespenst vor dem sich alle scheuen. Das Wort erstirbt schon in der Feder, Die Herrschaft führen Wachs und Leder. Was willst du böser Geist von mir? Erz, Marmor, Pergament, Papier? Soll ich mit Griffel, Meißel, Feder schreiben? Ich gebe jede Wahl dir frey. Mephistopheles Wie magst du deine Rednerey Nur gleich so hitzig übertreiben? Ist doch ein jedes Blättchen gut. Du unterzeichnest dich mit einem Tröpfchen Blut. Faust Wenn dieß dir völlig G’nüge thut, So mag es bey der Fratze bleiben. Mephistopheles Blut ist ein ganz besondrer Saft. Faust Nur keine Furcht, daß ich dieß Bündniß breche! Das Streben meiner ganzen Kraft Ist g’rade das was ich verspreche. Ich habe mich zu hoch gebläht, In deinen Rang gehör’ ich nur. Der große Geist hat mich verschmäht, Vor mir verschließt sich die Natur. Des Denkens Faden ist zerrissen, Mir ekelt lange vor allem Wissen. Laß in den Tiefen der Sinnlichkeit Uns glühende Leidenschaften stillen! In undurchdrungnen Zauberhüllen Sey jedes Wunder gleich bereit! Stürzen wir uns in das Rauschen der Zeit In’s Rollen der Begebenheit! Da mag denn Schmerz und Genuß, Gelingen und Verdruß, Mit einander wechseln wie es kann; Nur rastlos bethätigt sich der Mann. Mephistopheles Euch ist kein Maß und Ziel gesetzt. Beliebt’s euch überall zu naschen, Im Fliehen etwas zu erhaschen; Bekomm euch wohl was euch ergetzt. Nur greift mir zu und seyd nicht blöde! Faust Du hörest ja, von Freud’ ist nicht die Rede. Dem Taumel weih’ ich mich, dem schmerzlichsten Genuß, Verliebtem Haß, erquickendem Verdruß. Mein Busen, der vom Wissensdrang geheilt ist, Soll keinen Schmerzen künftig sich verschließen, Und was der ganzen Menschheit zugetheilt ist, Will ich in meinem innern Selbst genießen, Mit meinem Geist das Höchst’ und Tiefste greifen, Ihr Wohl und Weh auf meinen Busen häufen, Und so mein eigen Selbst zu ihrem Selbst erweitern, Und, wie sie selbst, am End’ auch ich zerscheitern. Mephistopheles O glaube mir, der manche tausend Jahre An dieser harten Speise kaut, Daß von der Wiege bis zur Bahre Kein Mensch den alten Sauerteig verdaut! Glaub’ unser einem, dieses Ganze Ist nur für einen Gott gemacht! Er findet sich in einem ew’gen Glanze, Uns hat er in die Finsterniß gebracht, Und euch taugt einzig Tag und Nacht. Faust Allein ich will! Mephistopheles Das läßt sich hören! Doch nur vor Einem ist mir bang’; Die Zeit ist kurz, die Kunst ist lang. Ich dächt’, ihr ließet euch belehren. Associirt euch mit einem Poeten, Laßt den Herrn in Gedanken schweifen, Und alle edlen Qualitäten Auf euren Ehren-Scheitel häufen, Des Löwen Muth, Des Hirsches Schnelligkeit, Des Italiäners feurig Blut, Des Nordens Dau’rbarkeit. Laßt ihn euch das Geheimniß finden, Großmuth und Arglist zu verbinden, Und euch, mit warmen Jugendtrieben, Nach einem Plane, zu verlieben. Möchte selbst solch einen Herren kennen, Würd’ ihn Herrn Mikrokosmus nennen. Faust Was bin ich denn? wenn es nicht möglich ist Der Menschheit Krone zu erringen, Nach der sich alle Sinne dringen. Mephistopheles Du bist am Ende – was du bist. Setz’ dir Perrücken auf von Millionen Locken, Setz’ deinen Fuß auf ellenhohe Socken, Du bleibst doch immer was du bist. Faust Ich fühl’s, vergebens hab’ ich alle Schätze Des Menschengeist’s auf mich herbeygerafft, Und wenn ich mich am Ende niedersetze, Quillt innerlich doch keine neue Kraft; Ich bin nicht um ein Haar breit höher, Bin dem Unendlichen nicht näher. Mephistopheles Mein guter Herr, ihr seht die Sachen, Wie man die Sachen eben sieht; Wir müssen das gescheidter machen, Eh’ uns des Lebens Freude flieht. Was Henker! freylich Händ’ und Füße Und Kopf und H — — die sind dein; Doch alles was ich frisch genieße, Ist das drum weniger mein? Wenn ich sechs Hengste zahlen kann, Sind ihre Kräfte nicht die meine? Ich renne zu und bin ein rechter Mann, Als hätt’ ich vier und zwanzig Beine. Drum frisch! laß alles Sinnen seyn, Und g’rad’ mit in die Welt hinein! Ich sag’ es dir: ein Kerl der speculirt, Ist wie ein Thier, auf dürrer Heide Von einem bösen Geist im Kreis herum geführt, Und rings umher liegt schöne grüne Weide. Faust Wie fangen wir das an? Mephistopheles Wir gehen eben fort. Was ist das für ein Marterort? Was heißt das für ein Leben führen, Sich und die Jungens ennuyiren? Laß du das dem Herrn Nachbar Wanst! Was willst du dich das Stroh zu dreschen plagen? Das beste, was du wissen kannst, Darfst du den Buben doch nicht sagen. Gleich hör’ ich einen auf dem Gange! Faust Mir ist’s nicht möglich ihn zu sehn. Mephistopheles Der arme Knabe wartet lange, Der darf nicht ungetröstet gehn. Komm, gib mir deinen Rock und Mütze; Die Maske muß mir köstlich stehn. Er kleidet sich um. Nun überlaß es meinem Witze! Ich brauche nur ein Viertelstündchen Zeit; Indessen mache dich zur schönen Fahrt bereit! Faust ab Mephistopheles in Faust’s langem Kleide Verachte nur Vernunft und Wissenschaft, Des Menschen allerhöchste Kraft, Laß nur in Blend- und Zauberwerken Dich von dem Lügengeist bestärken, So hab’ ich dich schon unbedingt – Ihm hat das Schicksal einen Geist gegeben, Der ungebändigt immer vorwärts dringt, Und dessen übereiltes Streben Der Erde Freuden überspringt. Den schlepp’ ich durch das wilde Leben, Durch flache Unbedeutenheit, Er soll mir zappeln, starren, kleben, Und seiner Unersättlichkeit Soll Speis’ und Trank vor gier’gen Lippen schweben; Er wird Erquickung sich umsonst erflehn, Und hätt’ er sich auch nicht dem Teufel übergeben, Er müßte doch zu Grunde gehn! Ein Schüler tritt auf Schüler Ich bin alhier erst kurze Zeit, Und komme voll Ergebenheit, Einen Mann zu sprechen und zu kennen, Den alle mir mit Ehrfurcht nennen. Mephistopheles Eure Höflichkeit erfreut mich sehr! Ihr seht einen Mann wie andre mehr. Habt ihr euch sonst schon umgethan? Schüler Ich bitt’ euch, nehmt euch meiner an! Ich komme mit allem guten Muth, Leidlichem Geld und frischem Blut; Meine Mutter wollte mich kaum entfernen; Möchte gern’ was rechts hieraußen lernen. Mephistopheles Da seyd ihr eben recht am Ort. Schüler Aufrichtig, möchte schon wieder fort: In diesen Mauern, diesen Hallen, Will es mir keineswegs gefallen. Es ist ein gar beschränkter Raum, Man sieht nichts Grünes, keinen Baum, Und in den Sälen, auf den Bänken, Vergeht mir Hören, Seh’n und Denken. Mephistopheles Das kommt nur auf Gewohnheit an. So nimmt ein Kind der Mutter Brust Nicht gleich im Anfang willig an, Doch bald ernährt es sich mit Lust. So wird’s euch an der Weisheit Brüsten Mit jedem Tage mehr gelüsten. Schüler An ihrem Hals will ich mit Freuden hangen; Doch sagt mir nur, wie kann ich hingelangen? Mephistopheles Erklärt euch, eh’ ihr weiter geht, Was wählt ihr für eine Facultät? Schüler Ich wünschte recht gelehrt zu werden, Und möchte gern, was auf der Erden Und in dem Himmel ist, erfassen, Die Wissenschaft und die Natur. Mephistopheles Da seyd ihr auf der rechten Spur; Doch müßt ihr euch nicht zerstreuen lassen. Schüler Ich bin dabey mit Seel’ und Leib; Doch freylich würde mir behagen Ein wenig Freyheit und Zeitvertreib, An schönen Sommerfeiertagen. Mephistopheles Gebraucht der Zeit, sie geht so schnell von hinnen, Doch Ordnung lehrt euch Zeit gewinnen. Mein theurer Freund, ich rath’ euch drum Zuerst Collegium Logicum. Da wird der Geist euch wohl dressirt, In spanische Stiefeln eingeschnürt, Daß er bedächtiger so fort an Hinschleiche die Gedankenbahn, Und nicht etwa, die Kreuz’ und Quer, Irlichtelire hin und her. Dann lehret man euch manchen Tag, Daß, was ihr sonst auf einen Schlag Getrieben, wie Essen und Trinken frey, Eins! Zwey! Drey! dazu nöthig sey. Zwar ist’s mit der Gedanken-Fabrik Wie mit einem Weber-Meisterstück, Wo Ein Tritt tausend Fäden regt, Die Schifflein herüber hinüber schießen, Die Fäden ungesehen fließen, Ein Schlag tausend Verbindungen schlägt: Der Philosoph der tritt herein, Und beweis’t euch, es müßt’ so seyn: Das Erst’ wär’ so, das Zweyte so, Und drum das Dritt’ und Vierte so; Und wenn das Erst’ und Zweyt’ nicht wär’, Das Dritt’ und Viert’ wär’ nimmermehr. Das preisen die Schüler aller Orten, Sind aber keine Weber geworden. Wer will was lebendig’s erkennen und beschreiben, Sucht erst den Geist heraus zu treiben, Dann hat er die Theile in seiner Hand, Fehlt leider! nur das geistige Band. Encheiresin naturae nennt’s die Chimie, Spottet ihrer selbst und weiß nicht wie. Schüler Kann euch nicht eben ganz verstehen. Mephistopheles Das wird nächstens schon besser gehen, Wenn ihr lernt alles reduciren Und gehörig klassificiren. Schüler Mir wird von alle dem so dumm, Als ging’ mir ein Mühlrad im Kopf herum. Mephistopheles Nachher, vor allen andern Sachen Müßt ihr euch an die Metaphysik machen! Da seht, daß ihr tiefsinnig faßt, Was in des Menschen Hirn nicht paßt; Für, was drein geht und nicht drein geht, Ein prächtig Wort zu Diensten steht. Doch vorerst dieses halbe Jahr Nehmt ja der besten Ordnung wahr. Fünf Stunden habt ihr jeden Tag; Seyd drinnen mit dem Glockenschlag! Habt euch vorher wohl präparirt, Paragraphos wohl einstudirt, Damit ihr nachher besser seht, Daß er nichts sagt, als was im Buche steht; Doch euch des Schreibens ja befleißt, Als dictirt’ euch der Heilig’ Geist! Schüler Das sollt ihr mir nicht zweymal sagen! Ich denke mir wie viel es nützt; Denn, was man schwarz auf weiß besitzt, Kann man getrost nach Hause tragen. Mephistopheles Doch wählt mir eine Facultät! Schüler Zur Rechtsgelehrsamkeit kann ich mich nicht bequemen. Mephistopheles Ich kann es euch so sehr nicht übel nehmen, Ich weiß wie es um diese Lehre steht. Es erben sich Gesetz’ und Rechte Wie eine ew’ge Krankheit fort, Sie schleppen von Geschlecht sich zum Geschlechte, Und rücken sacht von Ort zu Ort. Vernunft wird Unsinn, Wohlthat Plage; Weh dir, daß du ein Enkel bist! Vom Rechte, das mit uns geboren ist, Von dem ist leider! nie die Frage. Schüler Mein Abscheu wird durch euch vermehrt. O glücklich der! den ihr belehrt. Fast möcht’ ich nun Theologie studiren. Mephistopheles Ich wünschte nicht euch irre zu führen. Was diese Wissenschaft betrifft, Es ist so schwer den falschen Weg zu meiden, Es liegt in ihr so viel verborgnes Gift, Und von der Arzeney ists kaum zu unterscheiden. Am besten ist’s auch hier, wenn ihr nur Einen hört, Und auf des Meisters Worte schwört. Im Ganzen – haltet euch an Worte! Dann geht ihr durch die sichre Pforte Zum Tempel der Gewißheit ein. Schüler Doch ein Begriff muß bey dem Worte seyn. Mephistopheles Schon gut! Nur muß man sich nicht allzu ängstlich quälen; Denn eben wo Begriffe fehlen, Da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein. Mit Worten läßt sich trefflich streiten, Mit Worten ein System bereiten, An Worte läßt sich trefflich glauben, Von einem Wort läßt sich kein Jota rauben. Schüler Verzeiht, ich halt’ euch auf mit vielen Fragen, Allein ich muß euch noch bemüh’n. Wollt ihr mir von der Medicin Nicht auch ein kräftig Wörtchen sagen? Drey Jahr’ ist eine kurze Zeit, Und, Gott! das Feld ist gar zu weit. Wenn man einen Fingerzeig nur hat, Läßt sich’s schon eher weiter fühlen. Mephistopheles für sich Ich bin des trocknen Tons nun satt, Muß wieder recht den Teufel spielen. Laut Der Geist der Medicin ist leicht zu fassen; Ihr durchstudirt die groß’ und kleine Welt, Um es am Ende gehn zu lassen, Wie’s Gott gefällt. Vergebens daß ihr ringsum wissenschaftlich schweift, Ein jeder lernt nur was er lernen kann; Doch der den Augenblick ergreift, Das ist der rechte Mann. Ihr seyd noch ziemlich wohlgebaut, An Kühnheit wird’s euch auch nicht fehlen, Und wenn ihr euch nur selbst vertraut, Vertrauen euch die andern Seelen. Besonders lernt die Weiber führen; Es ist ihr ewig Weh und Ach So tausendfach Aus Einem Puncte zu curiren, Und wenn ihr halbweg ehrbar thut, Dann habt ihr sie all’ unter’m Hut. Ein Titel muß sie erst vertraulich machen, Daß eure Kunst viel Künste übersteigt; Zum Willkomm’ tappt ihr dann nach allen Siebensachen, Um die ein andrer viele Jahre streicht, Versteht das Pülslein wohl zu drücken, Und fasset sie, mit feurig schlauen Blicken, Wohl um die schlanke Hüfte frey, Zu seh’n, wie fest geschnürt sie sey. Schüler Das sieht schon besser aus! Man sieht doch wo und wie. Mephistopheles Grau, theurer Freund, ist alle Theorie, Und grün des Lebens goldner Baum. Schüler Ich schwör’ euch zu, mir ist’s als wie ein Traum. Dürft’ ich euch wohl ein andermal beschweren, Von eurer Weisheit auf den Grund zu hören? Mephistopheles Was ich vermag, soll gern geschehn. Schüler Ich kann unmöglich wieder gehn, Ich muß euch noch mein Stammbuch überreichen. Gönn’ eure Gunst mir dieses Zeichen! Mephistopheles Sehr wohl. Er schreibt und giebt’s. Schüler lies’t Eritis sicut Deus, scientes bonum et malum. Macht’s ehrerbietieg zu und empfiehlt sich. Mephistopheles Folg’ nur dem alten Spruch und meiner Muhme der Schlange, Dir wird gewiß einmal bey deiner Gottähnlichkeit bange! Faust tritt auf Faust Wohin soll es nun gehn? Mephistopheles Wohin es dir gefällt. Wir sehn die kleine, dann die große Welt. Mit welcher Freude, welchem Nutzen, Wirst du den Cursum durchschmarutzen! Faust Allein bey meinem langen Bart Fehlt mir die leichte Lebensart. Es wird mir der Versuch nicht glücken; Ich wußte nie mich in die Welt zu schicken, Vor andern fühl’ ich mich so klein; Ich werde stets verlegen seyn. Mephistopheles Mein guter Freund, das wird sich alles geben; Sobald du dir vertraust, sobald weißt du zu leben. Faust Wie kommen wir denn aus dem Haus? Wo hast du Pferde, Knecht und Wagen? Mephistopheles Wir breiten nur den Mantel aus, Der soll uns durch die Lüfte tragen. Du nimmst bey diesem kühnen Schritt Nur keinen großen Bündel mit. Ein Bißchen Feuerluft, die ich bereiten werde, Hebt uns behend von dieser Erde. Und sind wir leicht, so geht es schnell hinauf; Ich gratulire dir zum neuen Lebenslauf!
Auerbachs Keller in Leipzig Zeche lustiger Gesellen Frosch Will keiner trinken? keiner lachen? Ich will euch lehren Gesichter machen! Ihr seyd ja heut wie nasses Stroh, Und brennt sonst immer lichterloh. Brander Das liegt an dir; du bringst ja nichts herbey, Nicht eine Dummheit, keine Sauerey. Frosch gießt ihm ein Glas Wein über den Kopf Da hast du beydes! Brander Doppelt Schwein! Frosch Ihr wollt’ es ja, man soll es seyn! Siebel Zur Thür hinaus wer sich entzweyt! Mit offner Brust singt Runda, sauft und schreyt! Auf! Holla! Ho! Altmayer Weh mir, ich bin verloren! Baumwolle her! der Kerl sprengt mir die Ohren. Siebel Wenn das Gewölbe wiederschallt, Fühlt man erst recht des Basses Grundgewalt. Frosch So recht, hinaus mit dem der etwas übel nimmt! A! tara lara da! Altmayer A! tara lara da! Frosch Die Kehlen sind gestimmt. Singt Das liebe, heil’ge Röm’sche Reich, Wie hält’s nur noch zusammen? Brander Ein garstig Lied! Pfuy! ein politisch Lied! Ein leidig Lied! Dankt Gott mit jedem Morgen Daß ihr nicht braucht für’s Röm’sche Reich zu sorgen! Ich halt’ es wenigstens für reichlichen Gewinn, Daß ich nicht Kaiser oder Kanzler bin. Doch muß auch uns ein Oberhaupt nicht fehlen; Wir wollen einen Papst erwählen. Ihr wißt, welch eine Qualität Den Ausschlag giebt, den Mann erhöht. Frosch singt Schwing’ dich auf, Frau Nachtigall, Grüß’ mir mein Liebchen zehentausendmal. Siebel Dem Liebchen keinen Gruß! ich will davon nichts hören! Frosch Dem Liebchen Gruß und Kuß! du wirst mir’s nicht verwehren! Singt Riegel auf! in stiller Nacht. Riegel auf! der Liebste wacht. Riegel zu! des Morgens früh. Siebel Ja, singe, singe nur, und lob’ und rühme sie! Ich will zu meiner Zeit schon lachen. Sie hat mich angeführt, dir wird sie’s auch so machen. Zum Liebsten sey ein Kobold ihr bescheert! Der mag mit ihr auf einem Kreuzweg schäkern; Ein alter Bock, wenn er vom Blocksberg kehrt, Mag im Galopp noch gute Nacht ihr meckern! Ein braver Kerl von echtem Fleisch und Blut Ist für die Dirne viel zu gut. Ich will von keinem Gruße wissen, Als ihr die Fenster eingeschmissen! Brander auf den Tisch schlagend Paßt auf! paßt auf! Gehorchet mir! Ihr Herrn gesteht, ich weiß zu leben, Verliebte Leute sitzen hier, Und diesen muß, nach Standsgebühr, Zur guten Nacht ich was zum Besten geben. Gebt Acht! Ein Lied vom neusten Schnitt! Und singt den Rundreim kräftig mit! Er singt. Es war eine Ratt’ im Kellernest, Lebte nur von Fett und Butter, Hatte sich ein Ränzlein angemäst’t, Als wie der Doctor Luther. Die Köchinn hatt’ ihr Gift gestellt; Da ward’s so eng’ ihr in der Welt, Als hätte sie Lieb’ im Leibe. Chorus jauchzend Als hätte sie Lieb’ im Leibe. Brander Sie fuhr herum, sie fuhr heraus, Und soff aus allen Pfützen, Zernagt’, zerkratzt’ das ganze Haus, Wollte nichts ihr Wüthen nützen; Sie thät gar manchen Ängstesprung, Bald hatte das arme Thier genung, Als hätt’ es Lieb’ im Leibe. Chorus Als hätt’ es Lieb’ im Leibe. Brander Sie kam für Angst am hellen Tag Der Küche zugelaufen, Fiel an den Heerd und zuckt’ und lag, Und thät erbärmlich schnaufen. Da lachte die Vergifterinn noch: Ha! sie pfeift auf dem letzten Loch, Als hätte sie Lieb’ im Leibe. Chorus Als hätte sie Lieb’ im Leibe. Siebel Wie sich die platten Bursche freuen! Es ist mir eine rechte Kunst, Den armen Ratten Gift zu streuen! Brander Sie stehn wohl sehr in deiner Gunst? Altmayer Der Schmerbauch mit der kahlen Platte! Das Unglück macht ihn zahm und mild; Er sieht in der geschwollnen Ratte Sein ganz natürlich Ebenbild. Faust und Mephistopheles Mephistopheles Ich muß dich nun vor allen Dingen In lustige Gesellschaft bringen, Damit du siehst, wie leicht sich’s leben läßt. Dem Volke hier wird jeder Tag ein Fest. Mit wenig Witz und viel Behagen Dreht jeder sich im engen Zirkeltanz, Wie junge Katzen mit dem Schwanz. Wenn sie nicht über Kopfweh klagen, So lang’ der Wirth nur weiter borgt, Sind sie vergnügt und unbesorgt. Brander Die kommen eben von der Reise, Man sieht’s an ihrer wunderlichen Weise; Sie sind nicht eine Stunde hier. Frosch Wahrhaftig du hast Recht! Mein Leipzig lob’ ich mir! Es ist ein klein Paris, und bildet seine Leute. Siebel Für was siehst du die Fremden an? Frosch Laßt mich nur gehn! bey einem vollen Glase, Zieh’ ich, wie einen Kinderzahn, Den Burschen leicht die Würmer aus der Nase. Sie scheinen mir aus einem edlen Haus, Sie sehen stolz und unzufrieden aus. Brander Marktschreyer sind’s gewiß, ich wette! Altmayer Vielleicht. Frosch Gib Acht, ich schraube sie! Mephistopheles zu Faust Den Teufel spürt das Völkchen nie, Und wenn er sie beym Kragen hätte. Faust Seyd uns gegrüßt, ihr Herrn! Siebel Viel Dank zum Gegengruß. Leise, Mephistopheles von der Seite ansehend Was hinkt der Kerl auf Einem Fuß? Mephistopheles Ist es erlaubt, uns auch zu euch zu setzen? Statt eines guten Trunks, den man nicht haben kann, Soll die Gesellschaft uns ergetzen. Altmayer Ihr scheint ein sehr verwöhnter Mann. Frosch Ihr seyd wohl spät von Rippach aufgebrochen? Habt ihr mit Herren Hans noch erst zu Nacht gespeis’t? Mephistopheles Heut sind wir ihn vorbey gereis’t; Wir haben ihn das letztemal gesprochen. Von seinen Vettern wußt’ er viel zu sagen, Viel Grüße hat er uns an jeden aufgetragen. Er neigt sich gegen Frosch. Altmayer leise Da hast du’s! der versteht’s! Siebel Ein pfiffiger Patron! Frosch Nun, warte nur, ich krieg’ ihn schon! Mephistopheles Wenn ich nicht irrte, hörten wir Geübte Stimmen Chorus singen? Gewiß, Gesang muß trefflich hier Von dieser Wölbung wiederklingen! Frosch Seyd ihr wohl gar ein Virtuos? Mephistopheles O nein! die Kraft ist schwach, allein die Lust ist groß. Altmayer Gebt uns ein Lied! Mephistopheles Wenn ihr begehrt, die Menge. Siebel Nur auch ein nagelneues Stück! Mephistopheles Wir kommen erst aus Spanien zurück, Dem schönen Land des Weins und der Gesänge. Singt Es war einmal ein König, Der hatt’ einen großen Floh – Frosch Horcht! Einen Floh! Habt ihr das wohl gefaßt? Ein Floh ist mir ein saub’rer Gast. Mephistopheles singt Es war einmal ein König, Der hatt’ einen großen Floh, Den liebt’ er gar nicht wenig, Als wie seinen eignen Sohn. Da rief er seinen Schneider, Der Schneider kam heran. Da miß dem Junker Kleider, Und miß ihm Hosen an! Brander Vergeßt nur nicht dem Schneider einzuschärfen, Daß er mir auf’s genauste mißt, Und daß, so lieb sein Kopf ihm ist, Die Hosen keine Falten werfen! Mephistopheles In Sammet und in Seide War er nun angethan, Hatte Bänder auf dem Kleide, Hatt’ auch ein Kreuz daran, Und war sogleich Minister, Und hatt’ einen großen Stern. Da wurden seine Geschwister Bey Hof’ auch große Herrn. Und Herrn und Frau’n am Hofe, Die waren sehr geplagt, Die Königinn und die Zofe Gestochen und genagt, Und durften sie nicht knicken, Und weg sie jucken nicht. Wir knicken und ersticken Doch gleich wenn einer sticht. Chorus jauchzend Wir knicken und ersticken Doch gleich wenn einer sticht. Frosch Bravo! Bravo! Das war schön! Siebel So soll es jedem Floh ergehn! Brander Spitzt die Finger und packt sie fein! Altmayer Es lebe die Freyheit! Es lebe der Wein! Mephistopheles Ich tränke gern ein Glas, die Freyheit hoch zu ehren, Wenn eure Weine nur ein Bißchen besser wären. Siebel Wir mögen das nicht wieder hören! Mephistopheles Ich fürchte nur der Wirth beschweret sich, Sonst gäb’ ich diesen werthen Gästen Aus unserm Keller was zum Besten. Siebel Nur immer her! ich nehm’s auf mich. Frosch Schafft ihr ein gutes Glas, so wollen wir euch loben. Nur gebt nicht gar zu kleine Proben; Denn wenn ich judiciren soll, Verlang’ ich auch das Maul recht voll. Altmayer leise Sie sind vom Rheine, wie ich spüre. Mephistopheles Schafft einen Bohrer an! Brander Was soll mit dem geschehn? Ihr habt doch nicht die Fässer vor der Thüre? Altmayer Dahinten hat der Wirth ein Körbchen Werkzeug stehn. Mephistopheles nimmt den Bohrer zu Frosch Nun sagt, was wünschet ihr zu schmecken? Frosch Wie meynt ihr das? Habt ihr so mancherley? Mephistopheles Ich stell’ es einem jeden frey. Altmayer zu Frosch Aha! du fängst schon an die Lippen abzulecken. Frosch Gut! wenn ich wählen soll, so will ich Rheinwein haben. Das Vaterland verleiht die allerbesten Gaben. Mephistopheles indem er an dem Platz, wo Frosch sitzt, ein Loch in den Tischrand bohrt Verschafft ein wenig Wachs, die Pfropfen gleich zu machen! Altmayer Ach das sind Taschenspielersachen. Mephistopheles zu Brander Und ihr? Brander Ich will Champagner Wein, Und recht mussirend soll er seyn! Mephistophelesbohrt, einer hat indessen die Wachspropfen gemacht und verstopft. Brander Man kann nicht stets das Fremde meiden, Das Gute liegt uns oft so fern. Ein echter deutscher Mann mag keinen Franzen leiden, Doch ihre Weine trinkt er gern. Siebel indem sich Mephistopheles seinem Platze nähert Ich muß gestehn, den sauren mag ich nicht, Gebt mir ein Glas vom echten süßen! Mephistopheles bohrt Euch soll sogleich Tokayer fließen. Altmayer Nein, Herren, seht mir in’s Gesicht! Ich seh’ es ein, ihr habt uns nur zum Besten. Mephistopheles Ey! Ey! Mit solchen edlen Gästen Wär’ es ein Bißchen viel gewagt. Geschwind! Nur grad’ heraus gesagt! Mit welchem Weine kann ich dienen? Altmayer Mit jedem! Nur nicht lang gefragt. Nachdem die Löcher alle gebohrt und verstopft sind, Mephistopheles mit seltsamen Geberden Trauben trägt der Weinstock! Hörner der Ziegenbock; Der Wein ist saftig, Holz die Reben, Der hölzerne Tisch kann Wein auch geben. Ein tiefer Blick in die Natur! Hier ist ein Wunder, glaubet nur! Nun zieht die Pfropfen und genießt! Alle indem sie die Pfropfen ziehen, und jedem der verlangte Wein in’s Glas läuft O schöner Brunnen, der uns fließt! Mephistopheles Nur hütet euch, daß ihr mir nichts vergießt! Sie trinken wiederholt. Alle singen Uns ist ganz kannibalisch wohl, Als wie fünf hundert Säuen! Mephistopheles Das Volk ist frey, seht an, wie wohl’s ihm geht! Faust Ich hätte Lust nun abzufahren. Mephistopheles Gib nur erst Acht, die Bestialität Wird sich gar herrlich offenbaren. Siebel trinkt unvorsichtig, der Wein fließt auf die Erde, und wird zur Flamme. Helft! Feuer! helft! die Hölle brennt! Mephistopheles die Flamme besprechend Sey ruhig, freundlich Element! zu dem Gesellen Für dießmal war es nur ein Tropfen Fegefeuer. Siebel Was soll das seyn? Wart! ihr bezahlt es theuer! Es scheinet, daß ihr uns nicht kennt. Frosch Laß er uns das zum zweytenmale bleiben! Altmayer Ich dächt’, wir hießen ihn ganz sachte seitwärts gehn. Siebel Was Herr? Er will sich unterstehn, Und hier sein Hokuspokus treiben? Mephistopheles Still, altes Weinfaß! Siebel Besenstiel! Du willst uns gar noch grob begegnen? Brander Wart nur! es sollen Schläge regnen. Altmayer zieht einen Pfropf aus dem Tisch, es springt ihm Feuer entgegen. Ich brenne! ich brenne! Siebel Zauberey! Stoßt zu! der Kerl ist vogelfrey! Sie ziehen die Messer und gehn auf Mephistopheles los. Mephistopheles mit ernsthafter Geberde Falsch Gebild und Wort Verändern Sinn und Ort! Seyd hier und dort! Sie stehn erstaunt und sehn einander an. Altmayer Wo bin ich? Welches schöne Land! Frosch Weinberge! Seh’ ich recht? Siebel Und Trauben gleich zur Hand! Brander Hier unter diesem grünen Laube, Seht, welch ein Stock! Seht, welche Traube! Er faßt Siebeln bei der Nase. Die andern thun es wechselseitig und heben die Messer. Mephistopheles wie oben Irrthum, laß los der Augen Band! Und merkt euch, wie der Teufel spaße. Er verschwindet mit Faust, die Gesellen fahren aus einander. Siebel Was giebt’s? Altmayer Wie? Frosch War das deine Nase? Brander zu Siebel Und deine hab’ ich in der Hand! Altmayer Es war ein Schlag, der ging durch alle Glieder! Schafft einen Stuhl, ich sinke nieder! Frosch Nein, sagt mir nur, was ist geschehn? Siebel Wo ist der Kerl? Wenn ich ihn spüre, Er soll mir nicht lebendig gehn! Altmayer Ich hab’ ihn selbst hinaus zur Kellerthüre – Auf einem Fasse reiten sehn – – Es liegt mir bleyschwer in den Füßen. Sich nach dem Tische wendend Mein! Sollte wohl der Wein noch fließen? Siebel Betrug war alles, Lug und Schein. Frosch Mir däuchte doch als tränk’ ich Wein. Brander Aber wie war es mit den Trauben? Altmayer Nun sag’ mir eins, man soll kein Wunder glauben!
Hexenküche Auf einem niedrigen Herde steht ein großer Kessel über dem Feuer. In dem Dampfe, der davon in die Höhe steigt, zeigen sich verschiedne Gestalten. Eine Meerkatze sitzt bey dem Kessel und schäumt ihn, und sorgt daß er nicht überläuft. Der Meerkater mit den Jungen sitzt darneben und wärmt sich. Wände und Decke sind mit dem seltsamsten Hexenhausrath ausgeschmückt. Faust. Mephistopheles Faust Mir widersteht das tolle Zauberwesen! Versprichst du mir, ich soll genesen, In diesem Wust von Raserey? Verlang’ ich Rath von einem alten Weibe? Und schafft die Sudelköcherey Wohl dreyßig Jahre mir vom Leibe? Weh mir, wenn du nichts bessers weißt! Schon ist die Hoffnung mir verschwunden. Hat die Natur und hat ein edler Geist Nicht irgend einen Balsam ausgefunden? Mephistopheles Mein Freund, nun sprichst du wieder klug! Doch zu verjüngen, gibt’s auch ein natürlich Mittel; Allein es steht in einem andern Buch, Und ist ein wunderlich Capitel. Faust Ich will es wissen. Mephistopheles Gut! Ein Mittel, ohne Geld Und Arzt und Zauberey, zu haben: Begib dich gleich hinaus aufs Feld, Fang’ an zu hacken und zu graben, Erhalte dich und deinen Sinn In einem ganz beschränkten Kreise, Ernähre dich mit ungemischter Speise, Leb’ mit dem Vieh als Vieh, und acht’ es nicht für Raub, Den Acker, den du ärndest, selbst zu düngen; Das ist das beste Mittel, glaub’, Auf achtzig Jahr dich zu verjüngen! Faust Das bin ich nicht gewöhnt, ich kann mich nicht bequemen, Den Spaten in die Hand zu nehmen, Das enge Leben steht mir gar nicht an. Mephistopheles So muß denn doch die Hexe dran. Faust Warum denn just das alte Weib? Kannst du den Trank nicht selber brauen? Mephistopheles Das wär’ ein schöner Zeitvertreib! Ich wollt’ indeß wohl tausend Brücken bauen. Nicht Kunst und Wissenschaft allein, Geduld will bey dem Werke seyn. Ein stiller Geist ist Jahre lang geschäftig, Die Zeit nur macht die feine Gährung kräftig. Und alles was dazu gehört Es sind gar wunderbare Sachen! Der Teufel hat sie’s zwar gelehrt; Allein der Teufel kann’s nicht machen. Die Thiere erblickend Sieh, welch ein zierliches Geschlecht! Das ist die Magd! das ist der Knecht! Zu den Thieren Es scheint, die Frau ist nicht zu Hause? Die Thiere Beym Schmause, Aus dem Haus Zum Schornstein hinaus! Mephistopheles Wie lange pflegt sie wohl zu schwärmen? Die Thiere So lange wir uns die Pfoten wärmen. Mephistopheles zu Faust Wie findest du die zarten Thiere? Faust So abgeschmackt, als ich nur jemand sah! Mephistopheles Nein, ein Discours wie dieser da, Ist g’rade der, den ich am liebsten führe! Zu den Thieren So sagt mir doch, verfluchte Puppen! Was quirlt ihr in dem Brey herum? Thiere Wir kochen breite Bettelsuppen. Mephistopheles Da habt ihr ein groß Publicum. Der Kater macht sich herbey und schmeichelt dem Mephistopheles O würfle nur gleich, Und mache mich reich, Und laß mich gewinnen! Gar schlecht ist’s bestellt, Und wär’ ich bey Geld, So wär’ ich bey Sinnen. Mephistopheles Wie glücklich würde sich der Affe schätzen, Könnt’ er nur auch ins Lotto setzen! Indessen haben die jungen Meerkätzchen mit einer großen Kugel gespielt und rollen sie hervor. Der Kater Das ist die Welt; Sie steigt und fällt Und rollt beständig; Sie klingt wie Glas; Wie bald bricht das? Ist hohl inwendig, Hier glänzt sie sehr, Und hier noch mehr, Ich bin lebendig! Mein lieber Sohn, Halt dich davon! Du mußt sterben! Sie ist von Thon, Es giebt Scherben. Mephistopheles Was soll das Sieb? Der Kater holt es herunter Wärst du ein Dieb, Wollt’ ich dich gleich erkennen. Er läuft zur Kätzinn und läßt sie durchsehen. Sieh durch das Sieb! Erkennst du den Dieb, Und darfst ihn nicht nennen? Mephistopheles sich dem Feuer nähernd Und dieser Topf? Kater und Kätzinn Der alberne Tropf! Er kennt nicht den Topf, Er kennt nicht den Kessel! Mephistopheles Unhöfliches Thier! Der Kater Den Wedel nimm hier, Und setz’ dich in Sessel! Er nöthigt den Mephistopheles zu sitzen. Faust welcher diese Zeit über vor einem Spiegel gestanden, sich ihm bald genähert, bald sich von ihm entfernt hat. Was seh’ ich? Welch ein himmlisch Bild Zeigt sich in diesem Zauberspiegel! O Liebe, leihe mir den schnellsten deiner Flügel, Und führe mich in ihr Gefild! Ach wenn ich nicht auf dieser Stelle bleibe, Wenn ich es wage nah’ zu gehn, Kann ich sie nur als wie im Nebel sehn! – Das schönste Bild von einem Weibe! Ist’s möglich, ist das Weib so schön? Muß’ ich an diesem hingestreckten Leibe Den Inbegriff von allen Himmeln sehn? So etwas findet sich auf Erden? Mephistopheles Natürlich, wenn ein Gott sich erst sechs Tage plagt, Und selbst am Ende Bravo sagt, Da muß es was gescheidtes werden. Für dießmal sieh dich immer satt; Ich weiß dir so ein Schätzchen auszuspüren, Und selig wer das gute Schicksal hat, Als Bräutigam sie heim zu führen! Faust sieht immmerfort in den Spiegel. Mephistopheles, sich in dem Sessel dehnend und mit dem Wedel spielend, fährt fort zu sprechen. Hier sitz’ ich wie der König auf dem Throne, Den Zepter halt’ ich hier, es fehlt nur noch die Krone. Die Thiere welche bisher allerley wunderliche Bewegungen durch einander gemacht haben, bringen dem Mephistopheles eine Krone mit großem Geschrey O sey doch so gut, Mit Schweiß und mit Blut Die Krone zu leimen! Sie gehn ungeschickt mit der Krone um und zerbrechen sie in zwey Stücke, mit welchen sie herumspringen. Nun ist es geschehn! Wir reden und sehn, Wir hören und reimen; Faust gegen den Spiegel Weh mir! ich werde schier verrückt. Mephistopheles auf die Thiere deutend Nun fängt mir an fast selbst der Kopf zu schwanken. Die Thiere Und wenn es uns glückt, Und wenn es sich schickt, So sind es Gedanken! Faust wie oben Mein Busen fängt mir an zu brennen! Entfernen wir uns nur geschwind! Mephistopheles in obiger Stellung Nun, wenigstens muß man bekennen, Daß es aufrichtige Poeten sind. Der Kessel, welchen die Kätzinn bisher ausser Acht gelassen, fängt an überzulaufen; es entsteht eine grosse Flamme, welche zum Schornstein hinaus schlägt. Die Hexe kommt durch die Flamme mit entsetzlichem Geschrey herunter gefahren. Die Hexe Au! Au! Au! Au! Verdammtes Thier! verfluchte Sau! Versäumst den Kessel, versengst die Frau! Verfluchtes Thier! Faust und Mephistopheles erblickend Was ist das hier? Wer seyd ihr hier? Was wollt ihr da? Wer schlich sich ein? Die Feuerpein Euch in’s Gebein! Sie fährt mit dem Schaumlöffel in den Kessel, und spritzt Flammen nach Faust, Mephistopheles und den Thieren. Die Thiere winseln. Mephistopheles welcher den Wedel, den er in der Hand hält, umkehrt, und unter die Gläser und Töpfe schlägt Entzwey! entzwey! Da liegt der Brey! Da liegt das Glas! Es ist nur Spaß, Der Tact, du Aas, Zu deiner Melodey. Indem die Hexe voll Grimm und Entsetzen zurücktritt. Erkennst du mich? Gerippe! Scheusal du! Erkennst du deinen Herrn und Meister? Was hält mich ab, so schlag’ ich zu, Zerschmettre dich und deine Katzen-Geister! Hast du vor’m rothen Wamms nicht mehr Respect? Kannst du die Hahnenfeder nicht erkennen? Hab’ ich dieß Angesicht versteckt? Soll ich mich etwa selber nennen? Die Hexe O Herr, verzeiht den rohen Gruß! Sah’ ich doch keinen Pferdefuß. Wo sind denn eure beyden Raben? Mephistopheles Für dießmal kamst du so davon; Denn freylich ist es eine Weile schon, Daß wir uns nicht gesehen haben. Auch die Cultur, die alle Welt beleckt, Hat auf den Teufel sich erstreckt; Das nordische Phantom ist nun nicht mehr zu schauen, Wo siehst du Hörner, Schweif und Klauen? Und was den Fuß betrifft, den ich nicht missen kann, Der würde mir bey Leuten schaden; Darum bedien’ ich mich, wie mancher junge Mann, Seit vielen Jahren falscher Waden. Die Hexe tanzend Sinn und Verstand verlier’ ich schier, Seh’ ich den Junker Satan wieder hier! Mephistopheles Den Nahmen, Weib, verbitt’ ich mir! Die Hexe Warum? Was hat er euch gethan? Mephistopheles Er ist schon lang’ in’s Fabelbuch geschrieben; Allein die Menschen sind nichts besser dran, Den Bösen sind sie los, die Bösen sind geblieben. Du nennst mich Herr Baron, so ist die Sache gut; Ich bin ein Cavalier, wie andre Cavaliere. Du zweifelst nicht an meinem edlen Blut; Sieh her, das ist das Wapen, das ich führe! Er macht eine unanständige Gebärde. Die Hexe lacht unmäßig Ha! Ha! Das ist in eurer Art! Ihr seyd ein Schelm, wie ihr nur immer war’t! Mephistopheles zu Faust Mein Freund, das lerne wohl verstehn! Dieß ist die Art mit Hexen umzugehn. Die Hexe Nun sagt, ihr Herren, was ihr schafft. Mephistopheles Ein gutes Glas von dem bekannten Saft! Doch muß ich euch um’s ält’ste bitten; Die Jahre doppeln seine Kraft. Die Hexe Gar gern! Hier hab’ ich eine Flasche, Aus der ich selbst zuweilen nasche, Die auch nicht mehr im mind’sten stinkt; Ich will euch gern ein Gläschen geben. Leise Doch wenn es dieser Mann unvorbereitet trinkt, So kann er, wißt ihr wohl, nicht eine Stunde leben. Mephistopheles Es ist ein guter Freund, dem es gedeihen soll; Ich gönn’ ihm gern das beste deiner Küche. Zieh deinen Kreis, sprich deine Sprüche, Und gieb ihm eine Tasse voll! Die Hexemit seltsamen Geberden, zieht einen Kreis und stellt wunderbare Sachen hinein; indessen fangen die Gläser an zu klingen, die Kessel zu tönen, und machen Musik. Zuletzt bringt sie ein großes Buch, stellt die Meerkatzen in den Kreis, die ihr zum Pult dienen und die Fackel halten müssen. Sie winkt Fausten, zu ihr zu treten. Faust zu Mephistopheles Nein, sage mir, was soll das werden? Das tolle Zeug, die rasenden Geberden, Der abgeschmackteste Betrug Sind mir bekannt, verhaßt genug. Mephistopheles Ey Possen! Das ist nur zum Lachen; Sey nur nicht ein so strenger Mann! Sie muß als Arzt ein Hokuspokus machen, Damit der Saft dir wohl gedeihen kann. Er nöthigt Fausten in den Kreis zu treten. Die Hexe mit großer Emphase fängt an aus dem Buche zu declamiren Du mußt verstehn! Aus Eins mach’ Zehn, Und Zwey laß gehn, Und Drey mach’ gleich, So bist du reich. Verlier’ die Vier! Aus Fünf und Sechs, So sagt die Hex’, Mach’ Sieben und Acht, So ist’s vollbracht: Und Neun ist Eins, Und Zehn ist keins. Das ist das Hexen-Einmal-Eins! Faust Mich dünkt, die Alte spricht im Fieber. Mephistopheles Das ist noch lange nicht vorüber, Ich kenn’ es wohl, so klingt das ganze Buch; Ich habe manche Zeit damit verloren, Denn ein vollkommner Widerspruch Bleibt gleich geheimnißvoll für Kluge wie für Thoren. Mein Freund, die Kunst ist alt und neu. Es war die Art zu allen Zeiten, Durch Drey und Eins, und Eins und Drey Irrthum statt Wahrheit zu verbreiten. So schwätzt und lehrt man ungestört; Wer will sich mit den Narr’n befassen? Gewöhnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Worte hört, Es müsse sich dabey doch auch was denken lassen. Die Hexe fährt fort Die hohe Kraft Der Wissenschaft, Der ganzen Welt verborgen! Und wer nicht denkt, Dem wird sie geschenkt, Er hat sie ohne Sorgen. Faust Was sagt sie uns für Unsinn vor? Es wird mir gleich der Kopf zerbrechen. Mich dünkt, ich hör’ ein ganzes Chor Von hundert tausend Narren sprechen. Mephistopheles Genug, genug, o treffliche Sibylle! Gib deinen Trank herbey, und fülle Die Schale rasch bis an den Rand hinan; Denn meinem Freund wird dieser Trunk nicht schaden: Er ist ein Mann von vielen Graden, Der manchen guten Schluck gethan. Die Hexemit vielen Ceremonien, schenkt den Trank in eine Schale; wie sie Faust an den Mund bringt, entsteht eine leichte Flamme. Mephistopheles Nur frisch hinunter! Immer zu! Es wird dir gleich das Herz erfreuen. Bist mit dem Teufel du und du, Und willst dich vor der Flamme scheuen? Die Hexe lös’t den Kreis Faust tritt heraus Mephistopheles Nun frisch hinaus! Du darfst nicht ruhn. Die Hexe Mög’ euch das Schlückchen wohl behagen! Mephistopheles zur Hexe Und kann ich dir was zu Gefallen thun; So darfst du mir’s nur auf Walpurgis sagen. Die Hexe Hier ist ein Lied! wenn ihr’s zuweilen singt, So werdet ihr besondre Würkung spüren. Mephistopheles zu Faust Komm nur geschwind und laß dich führen; Du mußt nothwendig transpiriren, Damit die Kraft durch inn- und äußres dringt. Den edlen Müßiggang lehr’ ich hernach dich schätzen, Und bald empfindest du mit innigem Ergetzen, Wie sich Cupido regt und hin und wieder springt. Faust Laß mich nur schnell noch in den Spiegel schauen! Das Frauenbild war gar zu schön! Mephistopheles Nein! Nein! Du sollst das Muster aller Frauen Nun bald leibhaftig vor dir seh’n. Leise Du siehst, mit diesem Trank im Leibe, Bald Helenen in jedem Weibe.
Straße Faust. Margarete vorüber gehend Faust Mein schönes Fräulein, darf ich wagen, Meinen Arm und Geleit Ihr anzutragen? Margarete Bin weder Fräulein, weder schön, Kann ungeleitet nach Hause gehn. Sie macht sich los und ab. Faust Beym Himmel, dieses Kind ist schön! So etwas hab’ ich nie gesehn. Sie ist so sitt- und tugendreich, Und etwas schnippisch doch zugleich. Der Lippe Roth, der Wange Licht, Die Tage der Welt vergess’ ich’s nicht! Wie sie die Augen niederschlägt, Hat tief sich in mein Herz geprägt; Wie sie kurz angebunden war, Das ist nun zum Entzücken gar! Mephistopheles tritt auf Faust Hör, du mußt mir die Dirne schaffen! Mephistopheles Nun, welche? Faust Sie ging just vorbey. Mephistopheles Da die? Sie kam von ihrem Pfaffen, Der sprach sie aller Sünden frey; Ich schlich mich hart am Stuhl vorbey, Es ist ein gar unschuldig Ding, Das eben für nichts zur Beichte ging; Über die hab’ ich keine Gewalt! Faust Ist über vierzehn Jahr doch alt. Mephistopheles Du sprichst ja wie Hans Liederlich, Der begehrt jede liebe Blum’ für sich, Und dünkelt ihm, es wär’ kein’ Ehr’ Und Gunst, die nicht zu pflücken wär’; Geht aber doch nicht immer an. Faust Mein Herr Magister Lobesan, Laß er mich mit dem Gesetz in Frieden! Und das sag’ ich ihm kurz und gut, Wenn nicht das süße junge Blut Heut’ Nacht in meinen Armen ruht; So sind wir um Mitternacht geschieden. Mephistopheles Bedenkt was gehn und stehen mag! Ich brauche wenigstens vierzehn Tag’ Nur die Gelegenheit auszuspüren. Faust Hätt’ ich nur sieben Stunden Ruh, Brauchte den Teufel nicht dazu, So ein Geschöpfchen zu verführen. Mephistopheles Ihr sprecht schon fast wie ein Franzos; Doch bitt’ ich, laßt’s euch nicht verdrießen: Was hilft’s nur g’rade zu genießen? Die Freud’ ist lange nicht so groß, Als wenn ihr erst herauf, herum, Durch allerley Brimborium, Das Püppchen geknetet und zugericht’t, Wie’s lehret manche welsche Geschicht’. Faust Hab’ Appetit auch ohne das. Mephistopheles Jetzt ohne Schimpf und ohne Spaß. Ich sag’ euch, mit dem schönen Kind Geht’s ein-für allemal nicht geschwind. Mit Sturm ist da nichts einzunehmen; Wir müssen uns zur List bequemen. Faust Schaff’ mir etwas vom Engelsschatz! Führ’ mich an ihren Ruheplatz! Schaff’ mir ein Halstuch von ihrer Brust, Ein Strumpfband meiner Liebeslust! Mephistopheles Damit ihr seht, daß ich eurer Pein Will förderlich und dienstlich seyn; Wollen wir keinen Augenblick verlieren, Will euch noch heut’ in ihr Zimmer führen. Faust Und soll sie sehn? sie haben? Mephistopheles Nein! Sie wird bey einer Nachbarinn seyn. Indessen könnt ihr ganz allein An aller Hoffnung künft’ger Freuden In ihrem Dunstkreis satt euch weiden. Faust Können wir hin? Mephistopheles Es ist noch zu früh. Faust Sorg’ du mir für ein Geschenk für sie. ab Mephistopheles Gleich schenken? Das ist brav! Da wird er reüssiren! Ich kenne manchen schönen Platz Und manchen alt vergrabnen Schatz, Ich muß ein Bißchen revidiren. ab
Abend Ein kleines reinliches Zimmer Margarete ihre Zöpfe flechtend und aufbindend Ich gäb’ was drum, wenn ich nur wüßt’, Wer heut der Herr gewesen ist! Er sah gewiß recht wacker aus, Und ist aus einem edlen Haus; Das konnt’ ich ihm an der Stirne lesen – Er wär’ auch sonst nicht so keck gewesen. ab Mephistopheles. Faust Mephistopheles Herein, ganz leise, nur herein! Faust nach einigem Stillschweigen Ich bitte dich, laß mich allein! Mephistopheles herumspürend Nicht jedes Mädchen hält so rein. ab Faust rings aufschauend Willkommen süßer Dämmerschein! Der du dieß Heiligthum durchwebst. Ergreif mein Herz, du süße Liebespein! Die du vom Thau der Hoffnung schmachtend lebst. Wie athmet rings Gefühl der Stille, Der Ordnung, der Zufriedenheit! In dieser Armuth welche Fülle! In diesem Kerker welche Seligkeit! Er wirft sich auf den ledernen Sessel am Bette. O nimm mich auf! der du die Vorwelt schon Bey Freud’ und Schmerz in offnen Arm empfangen! Wie oft, ach! hat an diesem Väter-Thron Schon eine Schaar von Kindern rings gehangen! Vielleicht hat, dankbar für den heil’gen Christ, Mein Liebchen hier, mit vollen Kinderwangen, Dem Ahnherrn fromm die welke Hand geküßt. Ich fühl’, o Mädchen, deinen Geist Der Füll’ und Ordnung um mich säuseln, Der mütterlich dich täglich unterweis’t, Den Teppich auf den Tisch dich reinlich breiten heißt, Sogar den Sand zu deinen Füßen kräuseln. O liebe Hand! so göttergleich! Die Hütte wird durch dich ein Himmelreich. Und hier! Er hebt einen Bettvorhang auf. Was faßt mich für ein Wonnegraus! Hier möcht’ ich volle Stunden säumen. Natur! Hier bildetest in leichten Träumen Den eingebornen Engel aus; Hier lag das Kind! mit warmem Leben Den zarten Busen angefüllt, Und hier mit heilig reinem Weben Entwirkte sich das Götterbild! Und du! Was hat dich hergeführt? Wie innig fühl’ ich mich gerührt! Was willst du hier? Was wird das Herz dir schwer? Armsel’ger Faust! ich kenne dich nicht mehr. Umgiebt mich hier ein Zauberduft? Mich drang’s so g’rade zu genießen, Und fühle mich in Liebestraum zerfließen! Sind wir ein Spiel von jedem Druck der Luft? Und träte sie den Augenblick herein, Wie würdest du für deinen Frevel büßen! Der große Hans, ach wie so klein! Läg’, hingeschmolzen, ihr zu Füßen. Mephistopheles Geschwind! ich seh’ sie unten kommen. Faust Fort! Fort! Ich kehre nimmermehr! Mephistopheles Hier ist ein Kästchen leidlich schwer, Ich hab’s wo anders hergenommen. Stellt’s hier nur immer in den Schrein, Ich schwör’ euch, ihr vergehn die Sinnen; Ich that euch Sächelchen hinein, Um eine andre zu gewinnen. Zwar Kind ist Kind und Spiel ist Spiel. Faust Ich weiß nicht, soll ich? Mephistopheles Fragt ihr viel? Meint ihr vielleicht den Schatz zu wahren? Dann rath’ ich eurer Lüsternheit Die liebe schöne Tageszeit, Und mir die weitre Müh’ zu sparen. Ich hoff’ nicht daß ihr geitzig seyd! Ich kratz’ den Kopf, reib’ an den Händen – Er stellt das Kästchen in den Schrein und drückt das Schloß wieder zu. Nur fort! geschwind! – Um euch das süße junge Kind Nach Herzens Wunsch und Will’ zu wenden; Und ihr seht drein, Als solltet ihr in den Hörsal hinein, Als stünd’ leibhaftig vor euch da Physik und Metaphysika! Nur fort! – ab Margarete mit einer Lampe Es ist so schwül, so dumpfig hie, Sie macht das Fenster auf. Und ist doch eben so warm nicht drauß’. Es wird mir so, ich weiß’ nicht wie – Ich wollt’, die Mutter käm’ nach Haus. Mir läuft ein Schauer über’n Leib – Bin doch ein thöricht furchtsam Weib! Sie fängt an zu singen, indem sie sich auszieht. Es war ein König in Thule Gar treu bis an das Grab, Dem sterbend seine Buhle Einen goldnen Becher gab. Es ging ihm nichts darüber, Er leert ihn jeden Schmaus; Die Augen gingen ihm über, So oft er trank daraus. Und als er kam zu sterben, Zählt’ er seine Städt’ im Reich, Gönnt’ alles seinem Erben, Den Becher nicht zugleich. Er saß beym Königsmahle, Die Ritter um ihn her, Auf hohem Väter-Saale, Dort auf dem Schloß am Meer. Dort stand der alte Zecher, Trank letzte Lebensgluth, Und warf den heiligen Becher Hinunter in die Fluth. Er sah ihn stürzen, trinken Und sinken tief ins Meer, Die Augen thäten ihm sinken, Trank nie einen Tropfen mehr. Sie eröffnet den Schrein, ihre Kleider einzuräumen, und erblickt das Schmuckkästchen. Wie kommt das schöne Kästchen hier herein? Ich schloß doch ganz gewiß den Schrein. Es ist doch wunderbar! Was mag wohl drinne seyn? Vielleicht bracht’s jemand als ein Pfand, Und meine Mutter lieh darauf. Da hängt ein Schlüsselchen am Band, Ich denke wohl, ich mach’ es auf! Was ist das? Gott im Himmel! schau, So was hab’ ich mein’ Tage nicht gesehn! Ein Schmuck! Mit dem könnt’ eine Edelfrau Am höchsten Feiertage gehn. Wie sollte mir die Kette stehn? Wem mag die Herrlichkeit gehören? Sie putzt sich damit auf und tritt vor den Spiegel. Wenn nur die Ohrring’ meine wären! Man sieht doch gleich ganz anders drein. Was hilft euch Schönheit, junges Blut? Das ist wohl alles schön und gut, Allein man läßt’s auch alles seyn; Man lobt euch halb mit Erbarmen. Nach Golde drängt, Am Golde hängt Doch alles. Ach wir Armen!
Spazirgang Faust in Gedanken auf und ab gehend. Zu ihm Mephistopheles Mephistopheles Bey aller verschmähten Liebe! Beym höllischen Elemente! Ich wollt’, ich wüßte ’was ärgers, daß ich’s fluchen könnte! Faust Was hast? was kneipt dich denn so sehr? So kein Gesicht sah’ ich in meinem Leben! Mephistopheles Ich möcht’ mich gleich dem Teufel übergeben, Wenn ich nur selbst kein Teufel wär’! Faust Hat sich dir was im Kopf verschoben? Dich kleidet’s, wie ein Rasender zu toben! Mephistopheles Denkt nur, den Schmuck für Gretchen angeschafft, Den hat ein Pfaff hinweggerafft! – Die Mutter kriegt das Ding zu schauen, Gleich fängt’s ihr heimlich an zu grauen: Die Frau hat gar einen feinen Geruch, Schnuffelt immer im Gebetbuch, Und riecht’s einem jeden Möbel an, Ob das Ding heilig ist oder profan; Und an dem Schmuck da spürt sie’s klar, Daß dabey nicht viel Segen war. Mein Kind, rief sie, ungerechtes Gut Befängt die Seele, zehrt auf das Blut. Wollen’s der Mutter Gottes weihen, Wird uns mit Himmels-Manna erfreuen! Margretlein zog ein schiefes Maul, Ist halt, dacht’ sie, ein geschenkter Gaul, Und wahrlich! gottlos ist nicht der, Der ihn so fein gebracht hierher. Die Mutter ließ einen Pfaffen kommen; Der hatte kaum den Spaß vernommen, Ließ sich den Anblick wohl behagen. Er sprach: So ist man recht gesinnt! Wer überwindet der gewinnt. Die Kirche hat einen guten Magen, Hat ganze Länder aufgefressen, Und doch noch nie sich übergessen; Die Kirch’ allein, meine lieben Frauen, Kann ungerechtes Gut verdauen. Faust Das ist ein allgemeiner Brauch, Ein Jud’ und König kann es auch. Mephistopheles Strich drauf ein Spange, Kett’ und Ring’, Als wären’s eben Pfifferling’, Dankt’ nicht weniger und nicht mehr, Als ob’s ein Korb voll Nüsse wär’, Versprach ihnen allen himmlischen Lohn – Und sie waren sehr erbaut davon. Faust Und Gretchen? Mephistopheles Sitzt nun unruhvoll, Weiß weder was sie will noch soll, Denkt an’s Geschmeide Tag und Nacht, Noch mehr an den, der’s ihr gebracht. Faust Des Liebchens Kummer thut mir leid. Schaff’ du ihr gleich ein neu Geschmeid’! Am ersten war ja so nicht viel. Mephistopheles O ja, dem Herrn ist alles Kinderspiel! Faust Und mach’, und richt’s nach meinem Sinn! Häng’ dich an ihre Nachbarinn. Sey Teufel doch nur nicht wie Brey, Und schaff’ einen neuen Schmuck herbey! Mephistopheles Ja, gnäd’ger Herr, von Herzen gerne. Faust ab Mephistopheles So ein verliebter Thor verpufft Euch Sonne, Mond und alle Sterne Zum Zeitvertreib dem Liebchen in die Luft. ab
Der Nachbarinn Haus Marthe allein Gott verzeih’s meinem lieben Mann, Er hat an mir nicht wohl gethan! Geht da stracks in die Welt hinein, Und läßt mich auf dem Stroh allein. Thät’ ihn doch wahrlich nicht betrüben, Thät’ ihn, weiß Gott, recht herzlich lieben. Sie weint. Vielleicht ist er gar todt! – O Pein! – – Hätt’ ich nur einen Todtenschein! Margarete kommt Margarete Frau Marthe! Marthe Gretelchen, was soll’s? Margarete Fast sinken mir die Kniee nieder! Da find’ ich so ein Kästchen wieder In meinem Schrein, von Ebenholz, Und Sachen herrlich ganz und gar, Weit reicher als das erste war. Marthe Das muß sie nicht der Mutter sagen; Thät’s wieder gleich zur Beichte tragen. Margarete Ach seh’ sie nur! ach schau’ sie nur! Marthe putzt sie auf O du glücksel’ge Creatur! Margarete Darf mich, leider, nicht auf der Gassen, Noch in der Kirche mit sehen lassen. Marthe Komm du nur oft zu mir herüber, Und leg’ den Schmuck hier heimlich an; Spazier’ ein Stündchen lang dem Spiegelglas vorüber, Wir haben unsre Freude dran; Und dann gibt’s einen Anlaß, gibt’s ein Fest, Wo man’s so nach und nach den Leuten sehen läßt. Ein Kettchen erst, die Perle dann in’s Ohr; Die Mutter sieht’s wohl nicht, man macht ihr auch was vor. Margarete Wer konnte nur die beyden Kästchen bringen? Es geht nicht zu mit rechten Dingen! Es klopft. Margarete Ach Gott! mag das meine Mutter seyn? Marthe durchs Vorhängel guckend Es ist ein fremder Herr – Herein! Mephistopheles tritt auf Mephistopheles Bin so frey g’rad’ herein zu treten, Muß bey den Frauen Verzeihn erbeten. Tritt ehrerbietig vor Margareten zurück. Wollte nach Frau Marthe Schwerdlein fragen! Marthe Ich bin’s, was hat der Herr zu sagen? Mephistopheles leise zu ihr Ich kenne Sie jetzt, mir ist das genug; Sie hat da gar vornehmen Besuch. Verzeiht die Freyheit die ich genommen, Will Nachmittage wieder kommen. Marthe laut Denk’, Kind, um alles in der Welt! Der Herr dich für ein Fräulein hält. Margarete Ich bin ein armes junges Blut; Ach Gott! der Herr ist gar zu gut: Schmuck und Geschmeide sind nicht mein. Mephistopheles Ach, es ist nicht der Schmuck allein; Sie hat ein Wesen, einen Blick so scharf! Wie freut mich’s, daß ich bleiben darf. Marthe Was bringt Er denn? Verlange sehr – Mephistopheles Ich wollt’ ich hätt’ eine frohere Mähr’! Ich hoffe, Sie läßt mich’s drum nicht büßen: Ihr Mann ist todt und läßt Sie grüßen. Marthe Ist todt? das treue Herz! O weh! Mein Mann ist todt! Ach ich vergeh’! Margarete Ach! liebe Frau, verzweifelt nicht! Mephistopheles So hört die traurige Geschicht’! Margarete Ich möchte drum mein’ Tag’ nicht lieben, Würde mich Verlust zu Tode betrüben. Mephistopheles Freud’ muß Leid, Leid muß Freude haben. Marthe Erzählt mir seines Lebens Schluß! Mephistopheles Er liegt in Padua begraben Bey’m heiligen Antonius, An einer wohlgeweihten Stätte Zum ewig kühlen Ruhebette. Marthe Habt ihr sonst nichts an mich zu bringen? Mephistopheles Ja, eine Bitte, groß und schwer; Laß Sie doch ja für ihn dreyhundert Messen singen! Im übrigen sind meine Taschen leer. Marthe Was! nicht ein Schaustück? Kein Geschmeid’? Was jeder Handwerksbursch im Grund des Säckels spart, Zum Angedenken aufbewahrt, Und lieber hungert lieber bettelt! Mephistopheles Madam, es thut mir herzlich leid; Allein er hat sein Geld wahrhaftig nicht verzettelt. Auch er bereute seine Fehler sehr, Ja, und bejammerte sein Unglück noch viel mehr. Margarete Ach! daß die Menschen so unglücklich sind! Gewiß ich will für ihn manch Requiem noch beten. Mephistopheles Ihr wäret werth, gleich in die Eh’ zu treten: Ihr seyd ein liebenswürdig Kind. Margarete Ach nein, das geht jetzt noch nicht an. Mephistopheles Ist’s nicht ein Mann, sey’s derweil’ ein Galan. ’s ist eine der größten Himmelsgaben, So ein lieb Ding im Arm zu haben. Margarete Das ist des Landes nicht der Brauch. Mephistopheles Brauch oder nicht! es gibt sich auch. Marthe Erzählt mir doch! Mephistopheles Ich stand an seinem Sterbebette, Es war was besser als von Mist, Von halbgefaultem Stroh; allein er starb als Christ, Und fand, daß er weit mehr noch auf der Zeche hätte. Wie, rief er, muß ich mich von Grund aus hassen, So mein Gewerb, mein Weib so zu verlassen! Ach! die Erinnerung tödtet mich. Vergäb’ sie mir nur noch in diesem Leben! – Marthe weinend Der gute Mann! ich hab’ ihm längst vergeben. Mephistopheles Allein, weiß Gott! sie war mehr Schuld als ich. Marthe Das lügt er! Was! am Rand des Grab’s zu lügen! Mephistopheles Er fabelte gewiß in letzten Zügen, Wenn ich nur halb ein Kenner bin. Ich hatte, sprach er, nicht zum Zeitvertreib zu gaffen, Erst Kinder, und dann Brot für sie zu schaffen, Und Brot im allerweit’sten Sinn, Und konnte nicht einmal mein Theil in Frieden essen. Marthe Hat er so aller Treu’, so aller Lieb’ vergessen, Der Plackerey bey Tag und Nacht! Mephistopheles Nicht doch, er hat euch herzlich dran gedacht. Er sprach: Als ich nun weg von Malta ging, Da betet’ ich für Frau und Kinder brünstig; Uns war denn auch der Himmel günstig, Daß unser Schiff ein Türkisch Fahrzeug fing, Das einen Schatz des großen Sultans führte. Da ward der Tapferkeit ihr Lohn, Und ich empfing denn auch, wie sich’s gebührte, Mein wohlgemess’nes Theil davon. Marthe Ey wie? Ey wo? Hat er’s vielleicht vergraben? Mephistopheles Wer weiß, wo nun es die vier Winde haben. Ein schönes Fräulein nahm sich seiner an, Als er in Napel fremd umher spazirte; Sie hat an ihm viel Lieb’s und Treu’s gethan, Daß er’s bis an sein selig Ende spürte. Marthe Der Schelm! der Dieb an seinen Kindern! Auch alles Elend, alle Noth Konnt’ nicht sein schändlich Leben hindern! Mephistopheles Ja seht! dafür ist er nun todt. Wär’ ich nun jetzt an eurem Platze; Betraurt’ ich ihn ein züchtig Jahr, Visirte dann unterweil’ nach einem neuen Schatze. Marthe Ach Gott! wie doch mein erster war, Find’ ich nicht leicht auf dieser Welt den andern! Es konnte kaum ein herziger Närrchen seyn. Er liebte nur das allzuviele Wandern, Und fremde Weiber, und fremden Wein, Und das verfluchte Würfelspiel. Mephistopheles Nun, nun, so konnt’ es gehn und stehen, Wenn er euch ungefähr so viel Von seiner Seite nachgesehen. Ich schwör’ euch zu, mit dem Beding Wechselt’ ich selbst mit euch den Ring! Marthe O es beliebt dem Herrn zu scherzen! Mephistopheles für sich Nun mach’ ich mich bey Zeiten fort! Die hielte wohl den Teufel selbst beym Wort. zu Gretchen Wie steht es denn mit Ihrem Herzen? Margarete Was meint der Herr damit? Mephistopheles für sich Du gut’s, unschuldig’s Kind! Laut Lebt wohl ihr Frauen! Margarete Lebt wohl! Marthe O sagt mir doch geschwind! Ich möchte gern ein Zeugniß haben, Wo, wie und wann mein Schatz gestorben und begraben. Ich bin von je der Ordnung Freund gewesen, Möcht’ ihn auch todt im Wochenblättchen lesen. Mephistopheles Ja, gute Frau, durch zweyer Zeugen Mund Wird allerwegs die Wahrheit kund; Habe noch gar einen feinen Gesellen, Den will ich euch vor den Richter stellen. Ich bring’ ihn her. Marthe O thut das ja! Mephistopheles Und hier die Jungfrau ist auch da? – Ein braver Knab’! ist viel gereis’t, Fräuleins alle Höflichkeit erweis’t. Margarete Müßte vor dem Herren schamroth werden. Mephistopheles Vor keinem Könige der Erden. Marthe Da hinter’m Haus in meinem Garten Wollen wir der Herrn heut’ Abend warten.
Straße Faust. Mephistopheles Faust Wie ist’s? Will’s fördern? Will’s bald gehn? Mephistopheles Ah bravo! Find’ ich euch in Feuer? In kurzer Zeit ist Gretchen euer. Heut’ Abend sollt ihr sie bey Nachbar’ Marthen sehn: Das ist ein Weib wie auserlesen Zum Kuppler- und Zigeunerwesen! Faust So recht! Mephistopheles Doch wird auch was von uns begehrt. Faust Ein Dienst ist wohl des andern werth. Mephistopheles Wir legen nur ein gültig Zeugniß nieder, Daß ihres Ehherrn ausgereckte Glieder In Padua an heil’ger Stätte ruhn. Faust Sehr klug! Wir werden erst die Reise machen müssen! Mephistopheles Sancta Simplicitas! darum ist’s nicht zu thun; Bezeugt nur ohne viel zu wissen. Faust Wenn Er nichts bessers hat, so ist der Plan zerrissen. Mephistopheles O heil’ger Mann! Da wär’t ihr’s nun! Ist es das erstemal in eurem Leben, Daß ihr falsch Zeugniß abgelegt? Habt ihr von Gott, der Welt und was sich d’rin bewegt, Vom Menschen, was sich ihm in Kopf und Herzen regt, Definitionen nicht mit großer Kraft gegeben? Mit frecher Stirne, kühner Brust? Und wollt ihr recht in’s Innre gehen, Habt ihr davon, ihr müßt es g’rad’ gestehen, So viel als von Herrn Schwerdleins Tod gewußt! Faust Du bist und bleibst ein Lügner, ein Sophiste. Mephistopheles Ja, wenn man’s nicht ein Bißchen tiefer wüßte. Denn morgen wirst in allen Ehren Das arme Gretchen nicht bethören, Und alle Seelenlieb’ ihr schwören? Faust Und zwar von Herzen. Mephistopheles Gut und schön! Dann wird von ewiger Treu’ und Liebe, Von einzig überallmächt’gem Triebe – Wird das auch so von Herzen gehn? Faust Laß das! Es wird! – Wenn ich empfinde, Für das Gefühl, für das Gewühl Nach Namen suche, keinen finde, Dann durch die Welt mit allen Sinnen schweife, Nach allen höchsten Worten greife, Und diese Gluth, von der ich brenne, Unendlich, ewig, ewig nenne, Ist das ein teuflisch Lügenspiel? Mephistopheles Ich hab’ doch Recht! Faust Hör’! merk’ dir dieß – Ich bitte dich, und schone meine Lunge – Wer Recht behalten will und hat nur eine Zunge, Behält’s gewiß. Und komm’, ich hab’ des Schwätzens Überdruß, Denn du hast Recht, vorzüglich weil ich muß.
Garten Margarete an Faustens Arm, Marthe mit Mephistopheles auf und ab spazirend Margarete Ich fühl’ es wohl, daß mich der Herr nur schont, Herab sich läßt, mich zu beschämen. Ein Reisender ist so gewohnt Aus Gütigkeit fürlieb zu nehmen, Ich weiß zu gut, daß solch’ erfahrnen Mann Mein arm Gespräch nicht unterhalten kann. Faust Ein Blick von dir, Ein Wort mehr unterhält, Als alle Weisheit dieser Welt. Er küßt ihre Hand. Margarete Incommodirt euch nicht! Wie könnt ihr sie nur küssen? Sie ist so garstig, ist so rauh! Was hab’ ich nicht schon alles schaffen müssen! Die Mutter ist gar zu genau. Gehn vorüber Marthe Und ihr, mein Herr, ihr reis’t so immer fort? Mephistopheles Ach, daß Gewerb’ und Pflicht uns dazu treiben! Mit wie viel Schmerz verläßt man manchen Ort, Und darf doch nun einmal nicht bleiben! Marthe In raschen Jahren geht’s wohl an, So um und um frey durch die Welt zu streifen; Doch kömmt die böse Zeit heran, Und sich als Hagestolz allein zum Grab’ zu schleifen, Das hat noch keinem wohl gethan. Mephistopheles Mit Grausen seh’ ich das von weiten. Marthe Drum, werther Herr, berathet euch in Zeiten. Gehn vorüber Margarete Ja, aus den Augen aus dem Sinn! Die Höflichkeit ist euch geläufig; Allein ihr habt der Freunde häufig, Sie sind verständiger als ich bin. Faust O Beste! glaube, was man so verständig nennt, Ist oft mehr Eitelkeit und Kurzsinn. Margarete Wie? Faust Ach, daß die Einfalt, daß die Unschuld nie Sich selbst und ihren heil’gen Werth erkennt! Daß Demuth, Niedrigkeit, die höchsten Gaben Der liebevoll austheilenden Natur – Margarete Denkt ihr an mich ein Augenblickchen nur, Ich werde Zeit genug an euch zu denken haben. Faust Ihr seyd wohl viel allein? Margarete Ja, unsre Wirthschaft ist nur klein, Und doch will sie versehen seyn. Wir haben keine Magd; muß kochen, fegen, stricken Und nähn, und laufen früh und spat; Und meine Mutter ist in allen Stücken So accurat! Nicht daß sie just so sehr sich einzuschränken hat; Wir könnten uns weit eh’r als andre regen: Mein Vater hinterließ ein hübsch Vermögen, Ein Häuschen und ein Gärtchen vor der Stadt. Doch hab’ ich jetzt so ziemlich stille Tage; Mein Bruder ist Soldat, Mein Schwesterchen ist todt. Ich hatte mit dem Kind wohl meine liebe Noth; Doch übernähm’ ich gern noch einmal alle Plage, So lieb war mir das Kind. Faust Ein Engel, wenn dir’s glich. Margarete Ich zog es auf, und herzlich liebt’ es mich. Es war nach meines Vaters Tod geboren. Die Mutter gaben wir verloren, So elend wie sie damals lag, Und sie erholte sich sehr langsam, nach und nach. Da konnte sie nun nicht d’ran denken Das arme Würmchen selbst zu tränken, Und so erzog ich’s ganz allein, Mit Milch und Wasser; so ward’s mein. Auf meinem Arm, in meinem Schoos War’s freundlich, zappelte, ward groß. Faust Du hast gewiß das reinste Glück empfunden. Margarete Doch auch gewiß gar manche schwere Stunden. Des Kleinen Wiege stand zu Nacht An meinem Bett’, es durfte kaum sich regen, War ich erwacht; Bald mußt’ ich’s tränken, bald es zu mir legen, Bald, wenn’s nicht schwieg, vom Bett’ aufstehn, Und tänzelnd in der Kammer auf und nieder gehn, Und früh am Tage schon am Waschtrog stehn; Dann auf dem Markt und an dem Herde sorgen, Und immer fort wie heut so morgen. Da geht’s, mein Herr, nicht immer muthig zu; Doch schmeckt dafür das Essen, schmeckt die Ruh. Gehn vorüber Marthe Die armen Weiber sind doch übel dran: Ein Hagestolz ist schwerlich zu bekehren. Mephistopheles Es käme nur auf eures gleichen an, Mich eines bessern zu belehren. Marthe Sagt g’rad’, mein Herr, habt ihr noch nichts gefunden? Hat sich das Herz nicht irgendwo gebunden? Mephistopheles Das Sprichwort sagt: Ein eigner Herd, Ein braves Weib, sind Gold und Perlen werth. Marthe Ich meine, ob ihr niemals Lust bekommen? Mephistopheles Man hat mich überall recht höflich aufgenommen. Marthe Ich wollte sagen: ward’s nie Ernst in eurem Herzen? Mephistopheles Mit Frauen soll man sich nie unterstehn zu scherzen. Marthe Ach, ihr versteht mich nicht! Mephistopheles Das thut mir herzlich leid! Doch ich versteh’ – daß ihr sehr gütig seyd. Gehn vorüber Faust Du kanntest mich, o kleiner Engel, wieder, Gleich als ich in den Garten kam? Margarete Saht ihr es nicht? ich schlug die Augen nieder. Faust Und du verzeihst die Freyheit, die ich nahm? Was sich die Frechheit unterfangen, Als du jüngst aus dem Dom gegangen. Margarete Ich war bestürzt, mir war das nie geschehn; Es konnte niemand von mir übels sagen. Ach, dacht’ ich, hat er in deinem Betragen Was freches, unanständiges gesehn? Es schien ihn gleich nur anzuwandeln, Mit dieser Dirne g’rade hin zu handeln. Gesteh’ ich’s doch! Ich wußte nicht was sich Zu eurem Vortheil hier zu regen gleich begonnte; Allein gewiß, ich war recht bös’ auf mich, Daß ich auf euch nicht böser werden konnte. Faust Süß Liebchen! Margarete Laßt einmal! Sie pflückt eine Sternblume und zupft die Blätter ab, eins nach dem andern. Faust Was soll das? Einen Strauß? Margarete Nein, es soll nur ein Spiel. Faust Wie? Margarete Geht! ihr lacht mich aus. Sie rupft und murmelt. Faust Was murmelst du? Margarete halb laut Er liebt mich – liebt mich nicht. Faust Du holdes Himmels-Angesicht! Margarete fährt fort Liebt mich – Nicht – Liebt mich – Nicht – Das lezte Blatt ausrupfend, mit holder Freude Er liebt mich! Faust Ja, mein Kind! Laß dieses Blumenwort Dir Götter-Ausspruch seyn. Er liebt dich! Verstehst du, was das heißt? Er liebt dich! Er faßt ihre beyden Hände. Margarete Mich überläuft’s! Faust O schaudre nicht! Laß diesen Blick, Laß diesen Händedruck dir sagen, Was unaussprechlich ist: Sich hinzugeben ganz und eine Wonne Zu fühlen, die ewig seyn muß! Ewig! – Ihr Ende würde Verzweiflung seyn. Nein, kein Ende! Kein Ende! Margaretedrückt ihm die Hände, macht sich los und läuft weg. Er steht einen Augenblick in Gedanken, dann folgt er ihr. Marthe kommend Die Nacht bricht an. Mephistopheles Ja, und wir wollen fort. Marthe Ich bät’ euch länger hier zu bleiben, Allein es ist ein gar zu böser Ort. Es ist als hätte niemand nichts zu treiben Und nichts zu schaffen, Als auf des Nachbarn Schritt und Tritt zu gaffen, Und man kommt in’s Gered’, wie man sich immer stellt. Und unser Pärchen? Mephistopheles Ist den Gang dort aufgeflogen. Muthwill’ge Sommervögel! Marthe Er scheint ihr gewogen. Mephistopheles Und sie ihm auch. Das ist der Lauf der Welt.
Ein Gartenhäuschen Margarete springt herein, steckt sich hinter die Thür, hält die Fingerspitze an die Lippen, und guckt durch die Ritze. Margarete Er kommt! Faust kommt Ach Schelm, so neckst du mich! Treff’ ich dich! Er küßt sie. Margarete ihn fassend und den Kuß zurück gebend Bester Mann! von Herzen lieb’ ich dich! Mephistopheles klopft an Faust stampfend Wer da? Mephistopheles Gut Freund! Faust Ein Thier! Mephistopheles Es ist wohl Zeit zu scheiden. Marthe kommt Ja, es ist spät, mein Herr. Faust Darf ich euch nicht geleiten? Margarete Die Mutter würde mich – Lebt wohl! Faust Muß ich denn gehn? Lebt wohl! Marthe Ade! Margarete Auf baldig Wiedersehn! Faust und Mephistopheles ab Margarete Du lieber Gott! was so ein Mann Nicht alles alles denken kann! Beschämt nur steh’ ich vor ihm da, Und sag’ zu allen Sachen ja. Bin doch ein arm unwissend Kind, Begreife nicht was er an mir find’t. ab
Wald und Höhle Faust allein Erhabner Geist, du gabst mir, gabst mir alles, Warum ich bat. Du hast mir nicht umsonst Dein Angesicht im Feuer zugewendet. Gabst mir die herrliche Natur zum Königreich, Kraft, sie zu fühlen, zu genießen. Nicht Kalt staunenden Besuch erlaubst du nur, Vergönnest mir in ihre tiefe Brust, Wie in den Busen eines Freund’s, zu schauen. Du führst die Reihe der Lebendigen Vor mir vorbey, und lehrst mich meine Brüder Im stillen Busch, in Luft und Wasser kennen. Und wenn der Sturm im Walde braus’t und knarrt, Die Riesenfichte, stürzend, Nachbaräste Und Nachbarstämme, quetschend, nieder streift, Und ihrem Fall dumpf hohl der Hügel donnert; Dann führst du mich zur sichern Höhle, zeigst Mich dann mir selbst, und meiner eignen Brust Geheime tiefe Wunder öffnen sich. Und steigt vor meinem Blick der reine Mond Besänftigend herüber; schweben mir Von Felsenwänden, aus dem feuchten Busch, Der Vorwelt silberne Gestalten auf, Und lindern der Betrachtung strenge Lust. O daß dem Menschen nichts Vollkomm’nes wird, Empfind’ ich nun. Du gabst zu dieser Wonne, Die mich den Göttern nah’ und näher bringt, Mir den Gefährten, den ich schon nicht mehr Entbehren kann, wenn er gleich, kalt und frech, Mich vor mir selbst erniedrigt, und zu Nichts, Mit einem Worthauch, deine Gaben wandelt. Er facht in meiner Brust ein wildes Feuer Nach jenem schönen Bild geschäftig an. So tauml’ ich von Begierde zu Genuß, Und im Genuß verschmacht’ ich nach Begierde. Mephistopheles tritt auf Mephistopheles Habt ihr nun bald das Leben g’nug geführt? Wie kann’s euch in die Länge freuen? Es ist wohl gut, daß man’s einmal probirt; Dann aber wieder zu was neuen! Faust Ich wollt’, du hättest mehr zu thun, Als mich am guten Tag zu plagen. Mephistopheles Nun nun! ich laß’ dich gerne ruhn, Du darfst mir’s nicht im Ernste sagen. An dir Gesellen unhold, barsch und toll, Ist wahrlich wenig zu verlieren. Den ganzen Tag hat man die Hände voll! Was ihm gefällt und was man lassen soll, Kann man dem Herrn nie an der Nase spüren. Faust Das ist so just der rechte Ton! Er will noch Dank, daß er mich ennüyirt. Mephistopheles Wie hätt’st du, armer Erdensohn, Dein Leben ohne mich geführt? Vom Kribskrabs der Imagination Hab’ ich dich doch auf Zeiten lang curirt; Und wär’ ich nicht, so wär’st du schon Von diesem Erdball abspazirt. Was hast du da in Höhlen, Felsenritzen Dich wie ein Schuhu zu versitzen? Was schlurfst aus dumpfem Moos und triefendem Gestein, Wie eine Kröte, Nahrung ein? Ein schöner, süßer Zeitvertreib! Dir steckt der Doctor noch im Leib. Faust Verstehst du, was für neue Lebenskraft Mir dieser Wandel in der Öde schafft? Ja, würdest du es ahnden können, Du wärest Teufel g’nug mein Glück mir nicht zu gönnen. Mephistopheles Ein überirdisches Vergnügen! In Nacht und Thau auf den Gebirgen liegen, Und Erd und Himmel wonniglich umfassen, Zu einer Gottheit sich aufschwellen lassen, Der Erde Mark mit Ahndungsdrang durchwühlen, Alle sechs Tagewerk’ im Busen fühlen, In stolzer Kraft ich weiß nicht was genießen, Bald liebewonniglich in alles überfließen, Verschwunden ganz der Erdensohn, Und dann die hohe Intuition – Mit einer Geberde Ich darf nicht sagen wie – zu schließen. Faust Pfuy über dich! Mephistopheles Das will euch nicht behagen; Ihr habt das Recht gesittet pfuy zu sagen. Man darf das nicht vor keuschen Ohren nennen, Was keusche Herzen nicht entbehren können. Und kurz und gut, ich gönn’ Ihm das Vergnügen, Gelegentlich sich etwas vorzulügen; Doch lange hält Er das nicht aus. Du bist schon wieder abgetrieben, Und, währt es länger, aufgerieben In Tollheit oder Angst und Graus. Genug damit! dein Liebchen sitzt dadrinne, Und alles wird ihr eng’ und trüb’. Du kommst ihr gar nicht aus dem Sinne, Sie hat dich übermächtig lieb. Erst kam deine Liebeswuth übergeflossen, Wie vom geschmolznen Schnee ein Bächlein übersteigt; Du hast sie ihr in’s Herz gegossen, Nun ist dein Bächlein wieder seicht. Mich dünkt, anstatt in Wäldern zu thronen, Ließ es dem großen Herren gut, Das arme affenjunge Blut Für seine Liebe zu belohnen. Die Zeit wird ihr erbärmlich lang; Sie steht am Fenster, sieht die Wolken ziehn Über die alte Stadtmauer hin. Wenn ich ein Vöglein wär’! so geht ihr Gesang Tagelang, halbe Nächte lang. Einmal ist sie munter, meist betrübt, Einmal recht ausgeweint, Dann wieder ruhig, wie’s scheint, Und immer verliebt. Faust Schlange! Schlange! Mephistopheles für sich Gelt! daß ich dich fange! Faust Verruchter! hebe dich von hinnen, Und nenne nicht das schöne Weib! Bring’ die Begier zu ihrem süßen Leib Nicht wieder vor die halb verrückten Sinnen! Mephistopheles Was soll es denn? Sie meint, du seyst entfloh’n, Und halb und halb bist du es schon. Faust Ich bin ihr nah’, und wär’ ich noch so fern, Ich kann sie nie vergessen, nie verlieren; Ja, ich beneide schon den Leib des Herrn, Wenn ihre Lippen ihn indeß berühren. Mephistopheles Gar wohl, mein Freund! Ich hab’ euch oft beneidet Um’s Zwillingspaar, das unter Rosen weidet. Faust Entfliehe, Kuppler! Mephistopheles Schön! Ihr schimpft und ich muß lachen. Der Gott, der Bub’ und Mädchen schuf, Erkannte gleich den edelsten Beruf, Auch selbst Gelegenheit zu machen. Nur fort, es ist ein großer Jammer! Ihr sollt in eures Liebchens Kammer, Nicht etwa in den Tod. Faust Was ist die Himmelsfreud’ in ihren Armen? Laß mich an ihrer Brust erwarmen! Fühl’ ich nicht immer ihre Noth? Bin ich der Flüchtling nicht? der Unbehaus’te? Der Unmensch ohne Zweck und Ruh? Der wie ein Wassersturz von Fels zu Felsen braus’te Begierig wüthend nach dem Abgrund zu. Und seitwärts sie, mit kindlich dumpfen Sinnen, Im Hüttchen auf dem kleinen Alpenfeld, Und all ihr häusliches Beginnen Umfangen in der kleinen Welt. Und ich, der Gottverhaßte, hatte nicht genug, Daß ich die Felsen faßte Und sie zu Trümmern schlug! Sie, ihren Frieden mußt’ ich untergraben! Du, Hölle, mußtest dieses Opfer haben! Hilf, Teufel, mir die Zeit der Angst verkürzen, Was muß geschehn, mag’s gleich geschehn! Mag ihr Geschick auf mich zusammenstürzen Und sie mit mir zu Grunde gehn! Mephistopheles Wie’s wieder siedet, wieder glüht! Geh’ ein und tröste sie, du Thor! Wo so ein Köpfchen keinen Ausgang sieht, Stellt er sich gleich das Ende vor. Es lebe wer sich tapfer hält! Du bist doch sonst so ziemlich eingeteufelt. Nichts abgeschmackters find’ ich auf der Welt, Als einen Teufel der verzweifelt.
Gretchens Stube Gretchen am Spinnrade allein Meine Ruh’ ist hin, Mein Herz ist schwer, Ich finde sie nimmer Und nimmermehr. Wo ich ihn nicht hab’ Ist mir das Grab, Die ganze Welt Ist mir vergällt. Mein armer Kopf Ist mir verrückt, Mein armer Sinn Ist mir zerstückt. Meine Ruh’ ist hin, Mein Herz ist schwer, Ich finde sie nimmer Und nimmermehr. Nach ihm nur schau’ ich Zum Fenster hinaus, Nach ihm nur geh’ ich Aus dem Haus. Sein hoher Gang, Sein’ edle Gestalt, Seines Mundes Lächeln, Seiner Augen Gewalt, Und seiner Rede Zauberfluß, Sein Händedruck, Und ach sein Kuß! Meine Ruh’ ist hin, Mein Herz ist schwer, Ich finde sie nimmer Und nimmermehr. Mein Busen drängt Sich nach ihm hin, Ach dürft’ ich fassen Und halten ihn! Und küssen ihn So wie ich wollt’, An seinen Küssen Vergehen sollt’!
Marthens Garten Margarete. Faust Margarete Versprich mir, Heinrich! Faust Was ich kann! Margarete Nun sag’, wie hast du’s mit der Religion? Du bist ein herzlich guter Mann, Allein ich glaub’, du hält’st nicht viel davon. Faust Laß das, mein Kind! du fühlst, ich bin dir gut; Für meine Lieben ließ’ ich Leib und Blut, Will niemand sein Gefühl und seine Kirche rauben. Margarete Das ist nicht recht, man muß d’ran glauben! Faust Muß man? Margarete Ach! wenn ich etwas auf dich könnte! Du ehrst auch nicht die heil’gen Sacramente. Faust Ich ehre sie. Margarete Doch ohne Verlangen. Zur Messe, zur Beichte bist du lange nicht gegangen. Glaubst du an Gott? Faust Mein Liebchen, wer darf sagen, Ich glaub’ an Gott? Magst Priester oder Weise fragen, Und ihre Antwort scheint nur Spott Über den Frager zu seyn. Margarete So glaubst du nicht? Faust Mißhör’ mich nicht, du holdes Angesicht! Wer darf ihn nennen? Und wer bekennen: Ich glaub’ ihn. Wer empfinden? Und sich unterwinden Zu sagen: ich glaub’ ihn nicht. Der Allumfasser, Der Allerhalter, Faßt und erhält er nicht Dich, mich, sich selbst? Wölbt sich der Himmel nicht dadroben? Liegt die Erde nicht hierunten fest? Und steigen freundlich blickend Ewige Sterne nicht herauf? Schau’ ich nicht Aug’ in Auge dir, Und drängt nicht alles Nach Haupt und Herzen dir, Und webt in ewigem Geheimniß Unsichtbar sichtbar neben dir? Erfüll’ davon dein Herz, so groß es ist, Und wenn du ganz in dem Gefühle selig bist, Nenn’ es dann wie du willst, Nenn’s Glück! Herz! Liebe! Gott! Ich habe keinen Nahmen Dafür! Gefühl ist alles; Name ist Schall und Rauch, Umnebelnd Himmelsgluth. Margarete Das ist alles recht schön und gut; Ungefähr sagt das der Pfarrer auch, Nur mit ein Bißchen andern Worten. Faust Es sagen’s aller Orten Alle Herzen unter dem himmlischen Tage, Jedes in seiner Sprache; Warum nicht ich in der meinen? Margarete Wenn man’s so hört, möcht’s leidlich scheinen, Steht aber doch immer schief darum; Denn du hast kein Christenthum. Faust Lieb’s Kind! Margarete Es thut mir lang’ schon weh, Daß ich dich in der Gesellschaft seh’. Faust Wie so? Margarete Der Mensch, den du da bey dir hast, Ist mir in tiefer inn’rer Seele verhaßt: Es hat mir in meinem Leben So nichts einen Stich in’s Herz gegeben, Als des Menschen widrig Gesicht. Faust Liebe Puppe, fürcht’ ihn nicht! Margarete Seine Gegenwart bewegt mir das Blut. Ich bin sonst allen Menschen gut; Aber, wie ich mich sehne dich zu schauen, Hab’ ich vor dem Menschen ein heimlich Grauen, Und halt’ ihn für einen Schelm dazu! Gott verzeih’ mir’s, wenn ich ihm Unrecht thu’! Faust Es muß auch solche Käuze geben. Margarete Wollte nicht mit seines Gleichen leben! Kommt er einmal zur Thür herein, Sieht er immer so spöttisch drein, Und halb ergrimmt; Man sieht, daß er an nichts keinen Antheil nimmt; Es steht ihm an der Stirn’ geschrieben, Daß er nicht mag eine Seele lieben. Mir wird’s so wohl in deinem Arm, So frey, so hingegeben warm, Und seine Gegenwart schnürt mir das Inn’re zu. Faust Du ahndungsvoller Engel du! Margarete Das übermannt mich so sehr, Daß, wo er nur mag zu uns treten, Meyn’ ich sogar, ich liebte dich nicht mehr. Auch wenn er da ist, könnt’ ich nimmer beten, Und das frißt mir in’s Herz hinein; Dir, Heinrich, muß es auch so seyn. Faust Du hast nun die Antipathie! Margarete Ich muß nun fort. Faust Ach kann ich nie Ein Stündchen ruhig dir am Busen hängen, Und Brust an Brust und Seel’ in Seele drängen? Margarete Ach wenn ich nur alleine schlief! Ich ließ dir gern heut Nacht den Riegel offen; Doch meine Mutter schläft nicht tief, Und würden wir von ihr betroffen, Ich wär’ gleich auf der Stelle todt! Faust Du Engel, das hat keine Noth. Hier ist ein Fläschchen! Drey Tropfen nur In ihren Trank umhüllen Mit tiefem Schlaf gefällig die Natur. Margarete Was thu’ ich nicht um deinetwillen? Es wird ihr hoffentlich nicht schaden! Faust Würd’ ich sonst, Liebchen, dir es rathen? Margarete Seh’ ich dich, bester Mann, nur an, Weiß nicht was mich nach deinem Willen treibt, Ich habe schon so viel für dich gethan, Daß mir zu thun fast nichts mehr übrig bleibt. ab Mephistopheles tritt auf Mephistopheles Der Grasaff’! ist er weg? Faust Hast wieder spionirt? Mephistopheles Ich hab’s ausführlich wohl vernommen. Herr Doctor wurden da katechisirt; Hoff’ es soll Ihnen wohl bekommen. Die Mädels sind doch sehr interessirt, Ob einer fromm und schlicht nach altem Brauch. Sie denken, duckt er da, folgt er uns eben auch. Faust Du Ungeheuer siehst nicht ein, Wie diese treue liebe Seele Von ihrem Glauben voll, Der ganz allein Ihr selig machend ist, sich heilig quäle, Daß sie den liebsten Mann verloren halten soll. Mephistopheles Du übersinnlicher, sinnlicher Freyer, Ein Mägdelein nasführet dich. Faust Du Spottgeburt von Dreck und Feuer! Mephistopheles Und die Physiognomie versteht sie meisterlich. In meiner Gegenwart wird’s ihr sie weiß nicht wie, Mein Mäskchen da weissagt verborgnen Sinn; Sie fühlt, daß ich ganz sicher ein Genie, Vielleicht wohl gar der Teufel bin. Nun heute Nacht –? Faust Was geht dich’s an? Mephistopheles Hab’ ich doch meine Freude d’ran!
Am Brunnen Gretchen und Lieschenmit Krügen Lieschen Hast nichts von Bärbelchen gehört? Gretchen Kein Wort. Ich komm’ gar wenig unter Leute. Lieschen Gewiß, Sibylle sagt’ mir’s heute! Die hat sich endlich auch bethört. Das ist das Vornehmthun! Gretchen Wie so? Lieschen Es stinkt! Sie füttert zwey, wenn sie nun ißt und trinkt. Gretchen Ach! Lieschen So ist’s ihr endlich recht ergangen. Wie lange hat sie an dem Kerl gehangen! Das war ein Spaziren, Auf Dorf und Tanzplatz Führen, Mußt’ überall die erste seyn, Curtesirt’ ihr immer mit Pastetchen und Wein; Bild’t sich was auf ihre Schönheit ein, War doch so ehrlos sich nicht zu schämen Geschenke von ihm anzunehmen. War ein Gekos’ und ein Geschleck’; Da ist denn auch das Blümchen weg! Gretchen Das arme Ding! Lieschen Bedauerst sie noch gar! Wenn unser eins am Spinnen war, Uns Nachts die Mutter nicht hinunterließ; Stand sie bey ihrem Buhlen süß, Auf der Thürbank und im dunkeln Gang Ward’ ihnen keine Stunde zu lang. Da mag sie denn sich ducken nun, Im Sünderhemdchen Kirchbuß’ thun! Gretchen Er nimmt sie gewiß zu seiner Frau. Lieschen Er wär’ ein Narr! Ein flinker Jung’ Hat anderwärts noch Luft genung. Er ist auch fort. Gretchen Das ist nicht schön! Lieschen Kriegt sie ihn, soll’s ihr übel gehn. Das Kränzel reißen die Buben ihr, Und Häckerling streuen wir vor die Thür! ab Gretchen nach Hause gehend Wie konnt’ ich sonst so tapfer schmählen, Sah ich ein armes Mägdlein fehlen! Wie konnt’ ich über andrer Sünden Nicht Worte g’nug der Zunge finden! Wie schien mir’s schwarz, und schwärzt’s noch gar, Mir’s immer doch nicht schwarz g’nug war, Und segnet’ mich und that so groß, Und bin nun selbst der Sünde bloß! Doch – alles was dazu mich trieb, Gott! war so gut! ach war so lieb!
Zwinger In der Mauerhöhle ein Andachtsbild der Mater dolorosa, Blumenkrüge davor Gretchen steckt frische Blumen in die Krüge Ach neige, Du Schmerzenreiche, Dein Antlitz gnädig meiner Noth! Das Schwert im Herzen, Mit tausend Schmerzen Blickst auf zu deines Sohnes Tod. Zum Vater blickst du, Und Seufzer schickst du Hinauf um sein’ und deine Noth. Wer fühlet, Wie wühlet Der Schmerz mir im Gebein? Was mein armes Herz hier banget, Was es zittert, was verlanget, Weißt nur du, nur du allein! Wohin ich immer gehe, Wie weh, wie weh, wie wehe Wird mir im Busen hier! Ich bin ach kaum alleine, Ich wein’, ich wein’, ich weine, Das Herz zerbricht in mir. Die Scherben vor meinem Fenster Bethaut’ ich mit Thränen, ach! Als ich am frühen Morgen Dir diese Blumen brach. Schien hell in meine Kammer Die Sonne früh herauf, Saß ich in allem Jammer In meinem Bett’ schon auf. Hilf! rette mich von Schmach und Tod! Ach neige, Du Schmerzenreiche, Dein Antlitz gnädig meiner Noth!
Nacht Straße vor Gretchens Thüre Valentin Soldat, Gretchens Bruder Wenn ich saß bey einem Gelag, Wo mancher sich berühmen mag, Und die Gesellen mir den Flor Der Mägdlein laut gepriesen vor, Mit vollem Glas das Lob verschwemmt, Den Ellenbogen aufgestemmt; Saß ich in meiner sichern Ruh Hört’ all’ dem Schwadroniren zu. Und streiche lächelnd meinen Bart, Und kriege das volle Glas zur Hand Und sage: alles nach seiner Art! Aber ist eine im ganzen Land, Die meiner trauten Gretel gleicht, Die meiner Schwester das Wasser reicht? Top! Top! Kling! Klang! das ging herum! Die einen schrieen: er hat Recht, Sie ist die Zier vom ganzen Geschlecht! Da saßen alle die Lober stumm. Und nun! – um’s Haar sich auszuraufen Und an den Wänden hinauf zu laufen! – Mit Stichelreden, Naserümpfen Soll jeder Schurke mich beschimpfen! Soll wie ein böser Schuldner sitzen, Bey jedem Zufallswörtchen schwitzen! Und möcht’ ich sie zusammenschmeißen; Könnt’ ich sie doch nicht Lügner heißen. Was kommt heran? Was schleicht herbey? Irr’ ich nicht, es sind ihrer zwey. Ist er’s, gleich pack’ ich ihn beym Felle, Soll nicht lebendig von der Stelle! Faust. Mephistopheles Faust Wie von dem Fenster dort der Sakristey Aufwärts der Schein des ewigen Lämpchens flämmert Und schwach und schwächer seitwärts dämmert, Und Finsterniß drängt ringsum bey! So sieht’s in meinem Busen nächtig. Mephistopheles Und mir ist’s wie dem Kätzlein schmächtig, Das an den Feuerleitern schleicht, Sich leis’ dann um die Mauern streicht. Mir ist’s ganz tugendlich dabey, Ein Bißchen Diebsgelüst, ein Bißchen Rammeley. So spukt mir schon durch alle Glieder Die herrliche Walpurgisnacht. Die kommt uns übermorgen wieder, Da weiß man doch warum man wacht. Faust Rückt wohl der Schatz indessen in die Höh’? Den ich dorthinten flimmern seh’. Mephistopheles Du kannst die Freude bald erleben, Das Kesselchen herauszuheben. Ich schielte neulich so hinein, Sind herrliche Löwenthaler drein. Faust Nicht ein Geschmeide? Nicht ein Ring? Meine liebe Buhle damit zu zieren. Mephistopheles Ich sah dabey wohl so ein Ding, Als wie eine Art von Perlenschnüren. Faust So ist es recht! Mir thut es weh, Wenn ich ohne Geschenke zu ihr geh’. Mephistopheles Es sollt’ euch eben nicht verdrießen Umsonst auch etwas zu genießen. Jetzt da der Himmel voller Sterne glüht, Sollt ihr ein wahres Kunststück hören: Ich sing’ ihr ein moralisch Lied, Um sie gewisser zu bethören. Singt zur Zither Was machst du mir Vor Liebchens Thür Cathrinchen hier Bey frühem Tagesblicke? Laß, laß es seyn! Er läßt dich ein Als Mädchen ein, Als Mädchen nicht zurücke. Nehmt euch in Acht! Ist es vollbracht, Dann gute Nacht Ihr armen, armen Dinger! Habt ihr euch lieb, Thut keinem Dieb Nur nichts zu Lieb’, Als mit dem Ring am Finger. Valentin tritt vor Wen lockst du hier? beym Element! Vermaledeyter Rattenfänger! Zum Teufel erst das Instrument! Zum Teufel hinter drein den Sänger! Mephistopheles Die Zither ist entzwey! an der ist nichts zu halten. Valentin Nun soll es an ein Schedelspalten! Mephistopheles zu Faust Herr Doctor nicht gewichen! Frisch! Hart an mich an, wie ich euch führe. Heraus mit eurem Flederwisch! Nur zugestoßen! ich parire. Valentin Parire den! Mephistopheles Warum denn nicht? Valentin Auch den! Mephistopheles Gewiß! Valentin Ich glaub’ der Teufel ficht! Was ist denn das? Schon wird die Hand mir lahm. Mephistopheles zu Faust Stoß zu! Valentin fällt O weh! Mephistopheles Nun ist der Lümmel zahm! Nun aber fort! Wir müssen gleich verschwinden: Denn schon entsteht ein mörderlich Geschrey. Ich weiß mich trefflich mit der Polizey, Doch mit dem Blutbann schlecht mich abzufinden. Marthe am Fenster Heraus! Heraus! Gretchen am Fenster Herbey ein Licht! Marthe wie oben Man schilt und rauft, man schreit und ficht. Volk Da liegt schon einer todt! Marthe heraustretend Die Mörder sind sie denn entflohn? Gretchen heraustretend Wer liegt hier? Volk Deiner Mutter Sohn. Gretchen Allmächtiger! welche Noth! Valentin Ich sterbe! das ist bald gesagt Und bälder noch gethan. Was steht ihr Weiber, heult und klagt? Kommt her und hört mich an! Alle treten um ihn. Mein Gretchen sieh! du bist noch jung, Bist gar noch nicht gescheidt genung, Machst deine Sachen schlecht. Ich sag’ dir’s im Vertrauen nur: Du bist doch nun einmal eine Hur’; So sey’s auch eben recht. Gretchen Mein Bruder! Gott! Was soll mir das? Valentin Laßt unsern Herr Gott aus dem Spaß. Geschehn ist leider nun geschehn, Und wie es gehn kann, so wird’s gehn. Du fingst mit Einem heimlich an, Bald kommen ihrer mehre dran, Und wenn dich erst ein Dutzend hat, So hat dich auch die ganze Stadt. Wenn erst die Schande wird geboren, Wird sie heimlich zur Welt gebracht, Und man zieht den Schleyer der Nacht Ihr über Kopf und Ohren; Ja, man möchte sie gern ermorden. Wächst sie aber und macht sich groß, Dann geht sie auch bey Tage bloß, Und ist doch nicht schöner geworden. Je häßlicher wird ihr Gesicht, Je mehr sucht sie des Tageslicht. Ich seh’ wahrhaftig schon die Zeit, Daß alle brave Bürgersleut’ Wie von einer angesteckten Leichen Von dir, du Metze! seitab weichen. Dir soll das Herz im Leib verzagen! Wenn sie dir in die Augen sehn. Sollst keine goldne Kette mehr tragen! In der Kirche nicht mehr am Altar stehn! In einem schönen Spitzenkragen Dich nicht beym Tanze wohlbehagen! In eine finstre Jammerecken Unter Bettler und Krüpel dich verstecken, Und wenn dir denn auch Gott verzeiht, Auf Erden seyn vermaledeyt! Marthe Befehlt eure Seele Gott zu Gnaden! Wollt ihr noch Lästrung auf euch laden? Valentin Könnt’ ich dir nur an den dürren Leib Du schändlich kupplerisches Weib! Da hofft’ ich aller meiner Sünden Vergebung reiche Maß zu finden. Gretchen Mein Bruder! Welche Höllenpein! Valentin Ich sage, laß die Thränen seyn! Da du dich sprachst der Ehre los, Gabst mir den schwersten Herzensstoß. Ich gehe durch den Todesschlaf Zu Gott ein als Soldat und brav. stirbt
Dom Amt, Orgel und Gesang Gretchen unter vielem Volke. Böser Geist hinter Gretchen Böser Geist Wie anders, Gretchen, war dir’s, Als du noch voll Unschuld Hier zum Altar trat’st, Aus dem vergriffnen Büchelchen Gebete lalltest, Halb Kinderspiele, Halb Gott im Herzen! Gretchen! Wo steht dein Kopf? In deinem Herzen, Welche Missethat? Bet’st du für deiner Mutter Seele? die Durch dich zur langen, langen Pein hinüberschlief. Auf deiner Schwelle wessen Blut? – Und unter deinem Herzen Regt sich’s nicht quillend schon, Und ängstet dich und sich Mit ahndungsvoller Gegenwart? Gretchen Weh! Weh! Wär’ ich der Gedanken los, Die mir herüber und hinüber gehen Wider mich! Chor Dies irae, dies illa Solvet saeclum in favilla. Orgelton Böser Geist Grimm faßt dich! Die Posaune tönt! Die Gräber beben! Und dein Herz, Aus Aschenruh’ Zu Flammenqualen Wieder aufgeschaffen, Bebt auf! Gretchen Wär’ ich hier weg! Mir ist als ob die Orgel mir Den Athem versetzte, Gesang mein Herz Im Tiefsten lös’te. Chor Judex ergo cum sedebit, Quidquid latet adparebit, Nil inultum remanebit. Gretchen Mir wird so eng’! Die Mauern-Pfeiler Befangen mich! Das Gewölbe Drängt mich! – Luft! Böser Geist Verbirg’ dich! Sünd’ und Schande Bleibt’ nicht verborgen. Luft? Licht? Weh dir! Chor Quid sum miser tunc dicturus? Quem patronum rogaturus? Cum vix justus sit securus. Böser Geist Ihr Antlitz wenden Verklärte von dir ab. Die Hände dir zu reichen, Schauert’s den Reinen. Weh! Chor Quid sum miser tunc dicturus? Gretchen Nachbarin! Euer Fläschchen! – Sie fällt in Ohnmacht.
Walpurgisnacht Harzgebirg Gegend von Schirke und Elend Faust. Mephistopheles Mephistopheles Verlangst du nicht nach einem Besenstiele? Ich wünschte mir den allerderbsten Bock. Auf diesem Weg sind wir noch weit vom Ziele. Faust So lang’ ich mich noch frisch auf meinen Beinen fühle, Genügt mir dieser Knotenstock. Was hilft’s daß man den Weg verkürzt! – Im Labyrinth der Thäler hinzuschleichen, Dann diesen Felsen zu ersteigen, Von dem der Quell sich ewig sprudelnd stürzt, Das ist die Lust, die solche Pfade würzt! Der Frühling webt schon in den Birken Und selbst die Fichte fühlt ihn schon, Sollt’ er nicht auch auf unsre Glieder wirken? Mephistopheles Fürwahr ich spüre nichts davon! Mir ist es winterlich im Leibe, Ich wünschte Schnee und Frost auf meiner Bahn. Wie traurig steigt die unvollkommne Scheibe Des rothen Monds mit später Gluth heran! Und leuchtet schlecht, daß man bey jedem Schritte, Vor einen Baum, vor einen Felsen rennt! Erlaub’ daß ich ein Irrlicht bitte! Dort seh’ ich eins, das eben lustig brennt. He da! mein Freund! darf ich dich zu uns fodern? Was willst du so vergebens lodern? Sey doch so gut und leucht’ uns da hinauf! Irrlicht Aus Ehrfurcht, hoff’ ich, soll es mir gelingen Mein leichtes Naturell zu zwingen, Nur Zickzack geht gewöhnlich unser Lauf. Mephistopheles Ei! Ei! er denkt’s den Menschen nachzuahmen. Geh er nur g’rad’, in’s Teufels Nahmen! Sonst blas’ ich ihm sein Flacker-Leben aus. Irrlicht Ich merke wohl, ihr seyd der Herr vom Haus, Und will mich gern nach euch bequemen. Allein bedenkt! der Berg ist heute zaubertoll, Und wenn ein Irrlicht euch die Wege weisen soll, So müßt ihr’s so genau nicht nehmen. Faust, Mephistopheles, Irrlicht im Wechselgesang In die Traum- und Zaubersphäre Sind wir, scheint es, eingegangen. Führ’ uns gut und mach’ dir Ehre! Daß wir vorwärts bald gelangen, In den weiten, öden Räumen. Seh’ die Bäume hinter Bäumen, Wie sie schnell vorüber rücken, Und die Klippen, die sich bücken, Und die langen Felsennasen, Wie sie schnarchen, wie sie blasen! Durch die Steine, durch den Rasen Eilet Bach und Bächlein nieder. Hör’ ich Rauschen? hör’ ich Lieder? Hör’ ich holde Liebesklage, Stimmen jener Himmelstage? Was wir hoffen, was wir lieben! Und das Echo, wie die Sage Alter Zeiten, hallet wieder. Uhu! Schuhu! tönt es näher, Kauz und Kibitz und der Häher, Sind sie alle wach geblieben? Sind das Molche durchs Gesträuche? Lange Beine, dicke Bäuche. Und die Wurzeln, wie die Schlangen, Winden sich aus Fels und Sande; Strecken wunderliche Bande, Uns zu schrecken, uns zu fangen; Aus belebten, derben Masern Stecken sie Polypenfasern Nach dem Wandrer. Und die Mäuse Tausendfärbig, schaarenweise, Durch das Moos und durch die Heide! Und die Funkenwürmer fliegen, Mit gedrängten Schwärme-Zügen, Zum verwirrenden Geleite. Aber sag’ mir ob wir stehen? Oder ob wir weiter gehen? Alles alles scheint zu drehen, Fels und Bäume, die Gesichter Schneiden, und die irren Lichter, Die sich mehren, die sich blähen. Mephistopheles Fasse wacker meinen Zipfel! Hier ist so ein Mittelgipfel, Wo man mit Erstaunen sieht, Wie im Berg der Mammon glüht. Faust Wie seltsam glimmert durch die Gründe Ein morgenröthlich trüber Schein! Und selbst bis in die tiefen Schlünde Des Abgrunds wittert er hinein. Da steigt ein Dampf, dort ziehen Schwaden, Hier leuchtet Glut aus Dunst und Flor, Dann schleicht sie wie ein zarter Faden, Dann bricht sie wie ein Quell hervor. Hier schlingt sie eine ganze Strecke, Mit hundert Adern, sich durchs Thal, Und hier in der gedrängten Ecke Vereinzelt sie sich auf einmal. Da sprühen Funken in der Nähe, Wie ausgestreuter goldner Sand. Doch schau! in ihrer ganzen Höhe Entzündet sich die Felsenwand. Mephistopheles Erleuchtet nicht zu diesem Feste Herr Mammon prächtig den Pallast? Ein Glück daß du’s gesehen hast; Ich spüre schon die ungestümen Gäste. Faust Wie ras’t die Windsbraut durch die Luft! Mit welchen Schlägen trifft sie meinen Nacken! Mephistopheles Du mußt des Felsens alte Rippen packen, Sonst stürzt sie dich hinab in dieser Schlünde Gruft. Ein Nebel verdichtet die Nacht. Höre wie’s durch die Wälder kracht! Aufgescheucht fliegen die Eulen. Hör’ es splittern die Säulen Ewig grüner Palläste. Girren und Brechen der Äste Der Stämme mächtiges Dröhnen! Der Wurzeln Knarren und Gähnen! Im fürchterlich verworrenen Falle Über einander krachen sie alle, Und durch die übertrümmerten Klüfte Zischen und heulen die Lüfte. Hörst du Stimmen in der Höhe? In der Ferne in der Nähe? Ja, den ganzen Berg entlang Strömt ein wüthender Zaubergesang. Hexen im Chor Die Hexen zu dem Brocken ziehn, Die Stoppel ist gelb die Saat ist grün. Dort sammelt sich der große Hauf, Herr Urian sitzt oben auf. So geht es über Stein und Stock Es f—t die Hexe, es st—t der Bock. Stimme Die alte Baubo kommt allein, Sie reitet auf einem Mutterschwein. Chor So Ehre dem, wem Ehre gebürt! Frau Baubo vor! und angeführt! Ein tüchtig Schwein und Mutter drauf, Da folgt der ganze Hexenhauf. Stimme Welchen Weg kommst du her? Stimme Über’n Ilsenstein! Da guckt’ ich der Eule ins Nest hinein. Die macht ein Paar Augen! Stimme O fahre zur Hölle! Was reit’st du so schnelle! Stimme Mich hat sie geschunden, Da sieh nur die Wunden! Hexen Chor Der Weg ist breit, der Weg ist lang, Was ist das für ein toller Drang? Die Gabel sticht, der Besen kratzt, Das Kind erstickt, die Mutter platzt. Hexenmeister Halbes Chor Wir schleichen wie die Schneck’ im Haus, Die Weiber alle sind voraus. Denn, geht es zu des Bösen Haus, Das Weib hat tausend Schritt voraus. Andre Hälfte Wir nehmen das nicht so genau, Mit tausend Schritten macht’s die Frau; Doch, wie sie auch sich eilen kann, Mit Einem Sprunge macht’s der Mann. Stimme oben Kommt mit, kommt mit, vom Felsensee! Stimmen von unten Wir möchten gerne mit in die Höh’. Wir waschen und blank sind wir ganz und gar; Aber auch ewig unfruchtbar. Beyde Chöre Es schweigt der Wind, es flieht der Stern, Der trübe Mond verbirgt sich gern. Im Sausen sprüht das Zauberchor Viel tausend Feuerfunken hervor. Stimme von unten Halte! Halte! Stimme von oben Wer ruft da aus der Felsenspalte? Stimme unten Nehmt mich mit! Nehmt mich mit! Ich steige schon dreyhundert Jahr, Und kann den Gipfel nicht erreichen. Ich wäre gern bey meines gleichen. Beyde Chöre Es trägt der Besen, trägt der Stock Die Gabel trägt, es trägt der Bock, Wer heute sich nicht heben kann, Ist ewig ein verlorner Mann. Halbhexe unten Ich tripple nach, so lange Zeit, Wie sind die andern schon so weit! Ich hab’ zu Hause keine Ruh, Und komme hier doch nicht dazu. Chor der Hexen Die Salbe giebt den Hexen Muth, Ein Lumpen ist zum Segel gut, Ein gutes Schiff ist jeder Trog, Der flieget nie, der heut nicht flog. Beyde Chöre Und wenn wir um den Gipfel ziehn, So streichet an dem Boden hin, Und deckt die Heide weit und breit Mit eurem Schwarm der Hexenheit. Sie lassen sich nieder. Mephistopheles Das drängt und stößt, das ruscht und klappert! Das zischt und quirlt, das zieht und plappert! Das leuchtet, sprüht und stinkt und brennt! Ein wahres Hexenelement! Nur fest an mir! sonst sind wir gleich getrennt. Wo bist du? Faust in der Ferne Hier! Mephistopheles Was! dort schon hingerissen? Da werd’ ich Hausrecht brauchen müssen. Platz! Junker Voland kommt. Platz! süßer Pöbel, Platz! Hier, Doctor, fasse mich! und nun, in Einem Satz, Laß uns aus dem Gedräng’ entweichen; Es ist zu toll, sogar für meines gleichen. Dort neben leuchtet was mit ganz besond’rem Schein, Es zieht mich was nach jenen Sträuchen. Komm, komm! wir schlupfen da hinein. Faust Du Geist des Widerspruchs! Nur zu! du magst mich führen. Ich denke doch das war recht klug gemacht. Zum Brocken wandlen wir in der Walpurgisnacht, Um uns beliebig nun hieselbst zu isoliren. Mephistopheles Da sieh nur welche bunten Flammen! Es ist ein muntrer Klub beysammen. Im Kleinen ist man nicht allein. Faust Doch droben möcht’ ich lieber seyn! Schon seh’ ich Glut und Wirbelrauch. Dort strömt die Menge zu dem Bösen; Da muß sich manches Räthsel lösen. Mephistopheles Doch manches Räthsel knüpft sich auch. Laß du die große Welt nur sausen, Wir wollen hier im Stillen hausen. Es ist doch lange hergebracht, Daß in der großen Welt man kleine Welten macht. Da seh’ ich junge Hexchen nackt und blos, Und alte die sich klug verhüllen. Seyd freundlich, nur um meinetwillen, Die Müh’ ist klein, der Spaß ist groß. Ich höre was von Instrumenten tönen! Verflucht Geschnarr! Man muß sich dran gewöhnen. Komm mit! Komm mit! Es kann nicht anders seyn, Ich tret’ heran und führe dich herein, Und ich verbinde dich aufs neue. Was sagst du Freund? das ist kein kleiner Raum. Da sieh nur hin! du siehst das Ende kaum. Ein Hundert Feuer brennen in der Reihe; Man tanzt, man schwazt, man kocht, man trinkt, man liebt; Nun sage mir, wo es was bessers giebt? Faust Willst du dich nun, um uns hier einzuführen Als Zaub’rer oder Teufel produziren? Mephistopheles Zwar bin ich sehr gewohnt incognito zu gehn; Doch läßt am Galatag man seinen Orden sehn. Ein Knieband zeichnet mich nicht aus, Doch ist der Pferdefuß hier ehrenvoll zu Haus. Siehst du die Schnecke da! sie kommt herangekrochen; Mit ihrem tastenden Gesicht Hat sie mir schon was abgerochen. Wenn ich auch will, verläugn’ ich hier mich nicht. Komm nur! von Feuer gehen wir zu Feuer, Ich bin der Werber und du bist der Freyer. zu einigen, die um verglimmende Kohlen sitzen Ihr alten Herrn, was macht ihr hier am Ende? Ich lobt’ euch, wenn ich euch hübsch in der Mitte fände, Von Saus umzirkt und Jugendbraus. Genug allein ist jeder ja zu Haus. General Wer mag auf Nationen trauen! Man habe noch so viel für sie gethan; Denn bey dem Volk, wie bey den Frauen, Steht immerfort die Jugend oben an. Minister Jetzt ist man von dem Rechten allzuweit, Ich lobe mir die guten Alten; Denn freylich, da wir alles galten, Da war die rechte goldne Zeit. Parvenü Wir waren wahrlich auch nicht dumm, Und thaten oft was wir nicht sollten; Doch jetzo kehrt sich alles um und um, Und eben da wir’s fest erhalten wollten. Autor Wer mag wohl überhaupt jetzt eine Schrift Von mäßig klugem Inhalt lesen! Und was das liebe junge Volk betrifft, Das ist noch nie so naseweis gewesen. Mephistopheles auf einmal sehr alt erscheint Zum jüngsten Tag fühl’ ich das Volk gereift; Da ich zum letztenmal den Hexenberg ersteige, Und, weil mein Fäßchen trübe läuft; So ist die Welt auch auf der Neige. Trödelhexe Ihr Herren geht nicht so vorbey! Laßt die Gelegenheit nicht fahren! Aufmerksam blickt nach meinen Waaren, Es steht dahier gar mancherley. Und doch ist nichts in meinem Laden, Dem keiner auf der Erde gleicht, Das nicht einmal zum tücht’gen Schaden Der Menschen und der Welt gereicht. Kein Dolch ist hier, von dem nicht Blut geflossen, Kein Kelch, aus dem sich nicht, in ganz gesunden Leib, Verzehrend heißes Gift ergossen. Kein Schmuck, der nicht ein liebenswürdig Weib Verführt, kein Schwerdt das nicht den Bund gebrochen, Nicht etwa hinterrücks den Gegenmann durchstochen. Mephistopheles Frau Muhme! Sie versteht mir schlecht die Zeiten. Gethan geschehn! Geschehn gethan! Verleg’ sie sich auf Neuigkeiten, Nur Neuigkeiten ziehn uns an. Faust Daß ich mich nur nicht selbst vergesse! Heiß’ ich mir das doch eine Messe! Mephistopheles Der ganze Strudel strebt nach oben; Du glaubst zu schieben und du wirst geschoben. Faust Wer ist denn das? Mephistopheles Betrachte sie genau! Lilith ist das. Faust Wer? Mephistopheles Adams erste Frau. Nimm dich in Acht vor ihren schönen Haaren, Vor diesem Schmuck, mit dem sie einzig prangt. Wenn sie damit den jungen Mann erlangt, So läßt sie ihn sobald nicht wieder fahren. Faust Da sitzen zwey, die alte mit der jungen; Die haben schon was rechts gesprungen! Mephistopheles Das hat nun heute keine Ruh. Es geht zum neuen Tanz, nun komm! wir greifen zu. Faust mit der jungen tanzend Einst hatt’ ich einen schönen Traum; Da sah ich einen Apfelbaum, Zwey schöne Äpfel glänzten dran, Sie reizten mich, ich stieg hinan. Die Schöne Der Äpfelchen begehrt ihr sehr Und schon vom Paradiese her. Von Freuden fühl’ ich mich bewegt, Daß auch mein Garten solche trägt Mephistopheles mit der Alten Einst hatt’ ich einen wüsten Traum; Da sah’ ich einen gespaltnen Baum, Der hatt’ ein — — —; So — es war, gefiel mir’s doch. Die Alte Ich biete meinen besten Gruß Dem Ritter mit dem Pferdefuß! Halt’ er einen — — bereit, Wenn er — — — nicht scheut. Brocktophantasmist Verfluchtes Volk! was untersteht ihr euch? Hat man euch lange nicht bewiesen? Ein Geist steht nie auf ordentlichen Füßen; Nun tanzt ihr gar, uns andern Menschen gleich! Die Schöne tanzend Was will denn der auf unserm Ball? Faust tanzend Ey! der ist eben überall. Was andre tanzen muß er schätzen. Kann er nicht jeden Schritt beschwätzen; So ist der Schritt so gut als nicht geschehn. Am meisten ärgert ihn, sobald wir vorwärts gehn. Wenn ihr euch so im Kreise drehen wolltet, Wie er’s in seiner alten Mühle thut, Das hieß er allenfalls noch gut; Besonders wenn ihr ihn darum begrüßen solltet. Brocktophantasmist Ihr seyd noch immer da! nein das ist unerhört. Verschwindet doch! Wir haben ja aufgeklärt. Das Teufelspack es fragt nach keiner Regel. Wir sind so klug und dennoch spukt’s in Tegel. Wie lange hab’ ich nicht am Wahn hinausgekehrt Und nie wird’s rein, das ist doch unerhört! Die Schöne So hört doch auf uns hier zu ennuyiren! Brocktophantasmist Ich sag’s euch Geistern in’s Gesicht, Den Geistesdespotismus leid’ ich nicht; Mein Geist kann ihn nicht exerziren. es wird fortgetanzt. Heut, seh’ ich, will mir nichts gelingen, Doch eine Reise nehm’ ich immer mit Und hoffe noch, vor meinem letzten Schritt, Die Teufel und die Dichter zu bezwingen. Mephistopheles Er wird sich gleich in eine Pfütze setzen, Das ist die Art wie er sich soulagirt, Und wenn Blutegel sich an seinem Steiß ergötzen, Ist er von Geistern und von Geist kurirt. zu Faust der aus dem Tanz getreten ist Was lässest du das schöne Mädchen fahren? Das dir zum Tanz so lieblich sang. Faust Ach! mitten im Gesange sprang Ein rothes Mäuschen ihr aus dem Munde. Mephistopheles Das ist was rechts! Das nimmt man nicht genau. Genug die Maus war doch nicht grau. Wer fragt darnach in einer Schäferstunde? Faust Dann sah’ ich – Mephistopheles Was? Faust Mephisto siehst du dort Ein blasses, schönes Kind allein und ferne stehen? Sie schiebt sich langsam nur vom Ort, Sie scheint mit geschloßnen Füßen zu gehen. Ich muß bekennen, daß mir däucht, Daß sie dem guten Gretchen gleicht. Mephistopheles Laß das nur stehn! dabey wird’s niemand wohl. Es ist ein Zauberbild, ist leblos, ein Idol. Ihm zu begegnen ist nicht gut, Vom starren Blick erstarrt des Menschen Blut, Und er wird fast in Stein verkehrt, Von der Meduse hast du ja gehört. Faust Fürwahr es sind die Augen eines Todten, Die eine liebende Hand nicht schloß. Das ist die Brust, die Gretchen mir geboten, Das ist der süße Leib, den ich genoß. Mephistopheles Das ist die Zauberey, du leicht verführter Thor! Denn jedem kommt sie wie sein Liebchen vor. Faust Welch eine Wonne! welch ein Leiden! Ich kann von diesem Blick nicht scheiden. Wie sonderbar muß diesen schönen Hals Ein einzig rothes Schnürchen schmücken, Nicht breiter als ein Messerrücken! Mephistopheles Ganz recht! ich seh’ es ebenfalls. Sie kann das Haupt auch unterm Arme tragen; Denn Perseus hat’s ihr abgeschlagen. Nur immer diese Lust zum Wahn! Komm doch das Hügelchen heran, Hier ist’s so lustig wie im Prater; Und hat man mir’s nicht angethan, So seh’ ich wahrlich ein Theater. Was giebt’s denn da? Servibilis Gleich fängt man wieder an. Ein neues Stück, das letzte Stück von sieben, Soviel zu geben ist allhier der Brauch. Ein Dilettant hat es geschrieben, Und Dilettanten spielen’s auch. Verzeiht ihr Herrn, wenn ich verschwinde; Mich dilettirt’s den Vorhang aufzuziehn. Mephistopheles Wenn ich euch auf dem Blocksberg finde, Das find’ ich gut; denn da gehört ihr hin.
Walpurgisnachtstraum oder Oberons und Titanias goldne Hochzeit Intermezzo Theatermeister Heute ruhen wir einmal Miedings wackre Söhne. Alter Berg und feuchtes Thal, Das ist die ganze Scene! Herold Daß die Hochzeit golden sey Soll’n funfzig Jahr seyn vorüber; Aber ist der Streit vorbey, Das golden ist mir lieber. Oberon Seyd ihr Geister wo ich bin, So zeigt’s in diesen Stunden; König und die Königinn, Sie sind auf’s neu verbunden. Puck Kommt der Puck und dreht sich queer Und schleift den Fuß im Reihen, Hundert kommen hinterher Sich auch mit ihm zu freuen. Ariel Ariel bewegt den Sang In himmlisch reinen Tönen, Viele Fratzen lockt sein Klang, Doch lockt er auch die Schönen. Oberon Gatten die sich vertragen wollen, Lernen’s von uns beyden! Wenn sich zweye lieben sollen, Braucht man sie nur zu scheiden. Titania Schmollt der Mann und grillt die Frau, So faßt sie nur behende, Führt mir nach dem Mittag Sie Und Ihn an Nordens Ende. Orchester Tutti Fortissimo Fliegenschnauz’ und Mückennas’, Mit ihren Anverwandten, Frosch im Laub’ und Grill’ im Gras’ Das sind die Musikanten! Solo Seht da kommt der Dudelsack! Es ist die Seifenblase, Hört den Schneckeschnickeschnack Durch seine stumpfe Nase. Geist der sich erst bildet Spinnenfuß und Krötenbauch Und Flügelchen dem Wichtchen! Zwar ein Thierchen giebt es nicht, Doch giebt es ein Gedichtchen. Ein Pärchen Kleiner Schritt und hoher Sprung Durch Honigthau und Düfte; Zwar du trippelst mir genung, Doch geht’s nicht in die Lüfte. Neugieriger Reisender Ist das nicht Maskeraden-Spott? Soll ich den Augen trauen? Oberon den schönen Gott Auch heute hier zu schauen! Orthodox Keine Klauen, keinen Schwanz! Doch bleibt es außer Zweifel, So wie die Götter Griechenlands, So ist auch er ein Teufel. Nordischer Künstler Was ich ergreife das ist heut Fürwahr nur skizzenweise; Doch ich bereite mich bey Zeit Zur Italiän’schen Reise. Purist Ach! mein Unglück führt mich her. Wie wird nicht hier geludert! Und von dem ganzen Hexenheer Sind zweye nur gepudert. Junge Hexe Der Puder ist so wie der Rock Für alt’ und graue Weibchen, Drum sitz’ ich nackt auf meinem Bock Und zeig’ ein derbes Leibchen. Matrone Wir haben zu viel Lebensart Um hier mit euch zu maulen; Doch hoff’ ich, sollt ihr jung und zart, So wie ihr seyd verfaulen. Capellmeister Fliegenschnauz’ und Mückennas’ Umschwärmt mir nicht die Nackte! Frosch im Laub’ und Grill’ im Gras’ So bleibt doch auch im Tacte! Windfahne nach der einen Seite Gesellschaft wie man wünschen kann. Wahrhaftig lauter Bräute! Und Junggesellen, Mann für Mann, Die hoffnungsvollsten Leute. Windfahne nach der andern Seite Und thut sich nicht der Boden auf Sie alle zu verschlingen, So will ich mit behendem Lauf Gleich in die Hölle springen. Xenien Als Insekten sind wir da, Mit kleinen scharfen Scheren, Satan unsern Herrn Papa, Nach Würden zu verehren. Hennings Seht! wie sie in gedrängter Schaar Naiv zusammen scherzen. Am Ende sagen sie noch gar, Sie hätten gute Herzen. Musaget Ich mag in diesem Hexenheer Mich gar zu gern verlieren; Denn freylich diese wüßt’ ich eh’r, Als Musen anzuführen. Ci-devant Genius der Zeit Mit rechten Leuten wird man was. Komm fasse meinen Zipfel! Der Blocksberg, wie der deutsche Parnaß, Hat gar einen breiten Gipfel. Neugieriger Reisender Sagt wie heißt der steife Mann? Er geht mit stolzen Schritten. Er schnopert was er schnopern kann. „Er spürt nach Jesuiten.“ Kranich In dem Klaren mag ich gern Und auch im Trüben fischen, Darum seht ihr den frommen Herrn Sich auch mit Teufeln mischen. Weltkind Ja für die Frommen, glaubet mir, Ist alles ein Vehikel, Sie bilden auf dem Blocksberg hier Gar manches Conventikel. Tänzer Da kommt ja wohl ein neues Chor? Ich höre ferne Trommeln. Nur ungestört! es sind im Rohr Die unisonen Dommeln. Dogmatiker Ich lasse mich nicht irre schreyn, Nicht durch Critik noch Zweifel. Der Teufel muß doch etwas seyn; Wie gäb’s denn sonst auch Teufel? Idealist Die Phantasie in meinem Sinn Ist dießmal gar zu herrisch. Fürwahr, wenn ich das alles bin, So bin ich heute närrisch. Realist Das Wesen ist mir recht zur Qual Und muß mich baß verdrießen; Ich stehe hier zum erstenmal Nicht fest auf meinen Füßen. Supernaturalist Mit viel Vergnügen bin ich da Und freue mich mit diesen; Denn von den Teufeln kann ich ja Auf gute Geister schließen. Skeptiker Sie gehn den Flämmchen auf der Spur, Und glaub’n sich nah dem Schatze. Auf Teufel reimt der Zweifel nur, Da bin ich recht am Platze. Capellmeister Frosch im Laub’ und Grill’ im Gras’ Verfluchte Dilettanten! Fliegenschnauz’ und Mückennas’ Ihr seyd doch Musikanten! Die Gewandten Sanssouci so heißt das Heer Von lustigen Geschöpfen, Auf den Füßen geht’s nicht mehr, Drum gehn wir auf den Köpfen. Die Unbehülflichen Sonst haben wir manchen Bissen erschranzt, Nun aber Gott befohlen! Unsere Schuhe sind durchgetanzt, Wir laufen auf nackten Sohlen. Irrlichter Von dem Sumpfe kommen wir, Woraus wir erst entstanden; Doch sind wir gleich im Reihen hier Die glänzenden Galanten. Sternschnuppe Aus der Höhe schoß ich her Im Stern- und Feuerscheine, Liege nun im Grase quer, Wer hilft mir auf die Beine? Die Massiven Platz und Platz! und ringsherum! So gehn die Gräschen nieder, Geister kommen, Geister auch Sie haben plumpe Glieder. Puck Tretet nicht so mastig auf Wie Elephantenkälber, Und der plumpst’ an diesem Tag Sey Puck der derbe selber. Ariel Gab die liebende Natur Gab der Geist euch Flügel, Folget meiner leichten Spur, Auf zum Rosenhügel! Orchester pianissimo Wolkenzug und Nebelflor Erhellen sich von oben. Luft im Laub und Wind im Rohr, Und alles ist zerstoben.
Trüber TagFeld Faust. Mephistopheles Faust

Im Elend! Verzweifelnd! Erbärmlich auf der Erde lange verirrt und nun gefangen! Als Missethäterinn im Kerker zu entsetzlichen Qualen eingesperrt das holde unselige Ge­schöpf! Bis dahin! dahin! – Verräthrischer, nichtswürdi­ger Geist, und das hast du mir verheimlicht! – Steh nur, steh! wälze die teuflischen Augen ingrimmend im Kopf her­um! Steh und trutze mir durch deine unerträgliche Gegen­wart! Gefangen! Im unwiederbringlichen Elend! Bösen Geistern übergeben und der richtenden gefühllosen Mensch­heit! Und mich wiegst du indeß in abgeschmackten Zerstreu­ungen, verbirgst mir ihren wachsenden Jammer und lässest sie hülflos verderben!

Mephistopheles

Sie ist die erste nicht.

Faust

Hund! abscheuliches Unthier! – Wandle ihn, du unendli­cher Geist! wandle den Wurm wieder in seine Hundsgestalt, wie er sich oft nächtlicher Weise gefiel vor mir herzutrotten, dem harmlosen Wandrer vor die Füße zu kollern und sich dem niederstürzenden auf die Schultern zu hängen. Wandl’ ihn wieder in seine Lieblingsbildung, daß er vor mir im Sand auf dem Bauch krieche, ich ihn mit Füßen trete, den Verworfnen! – die erste nicht! – Jammer! Jammer! von keiner Menschenseele zu fassen, daß mehr als ein Ge­schöpf in die Tiefe dieses Elendes versank, daß nicht das erste genugthat für die Schuld aller übrigen in seiner windenden Todesnoth vor den Augen des ewig Verzeihenden! Mir wühlt es Mark und Leben durch das Elend dieser einzigen, du grinsest gelassen über das Schicksal von Tausenden hin.

Mephistopheles

Nun sind wir schon wieder an der Gränze unsres Witzes, da wo euch Menschen der Sinn überschnappt. Warum machst du Gemeinschaft mit uns, wenn du sie nicht durchführen kannst? Willst fliegen und bist vorm Schwindel nicht sicher? Drangen wir uns dir auf, oder du dich uns?

Faust

Fletsche deine gefräßigen Zähne mir nicht so entgegen! Mir eckelts! – Großer herrlicher Geist, der du mir zu erscheinen würdigtest, der du mein Herz kennest und meine Seele, warum an den Schandgesellen mich schmieden? der sich am Schaden weidet und am Verderben sich letzt.

Mephistopheles

Endigst du?

Faust

Rette sie! oder weh dir! den gräßlichsten Fluch über dich auf Jahrtausende!

Mephistopheles

Ich kann die Bande des Rächers nicht lösen, seine Riegel nicht öffnen. – Rette sie! – Wer war’s, der sie ins Ver­derben stürzte? Ich oder du?

Faust blickt wild umher Mephistopheles

Greifst du nach dem Donner? Wohl, daß er euch elenden Sterblichen nicht gegeben ward! Den unschuldig entgegnen­den zu zerschmettern, das ist so Tyrannen-Art sich in Verle­genheiten Luft zu machen.

Faust

Bringe mich hin! Sie soll frey seyn!

Mephistopheles

Und die Gefahr der du dich aussetzest? Wisse, noch liegt auf der Stadt Blutschuld von deiner Hand. Über des Er­schlagenen Stätte schweben rächende Geister und lauern auf den wiederkehrenden Mörder.

Faust

Noch das von dir? Mord und Tod einer Welt über dich Ungeheuer! Führe mich hin, sag’ ich, und befrey sie!

Mephistopheles

Ich führe dich und was ich thun kann, höre! Habe ich alle Macht im Himmel und auf Erden? Des Thürners Sinne will ich umnebeln, bemächtige dich der Schlüssel und führe sie heraus mit Menschenhand. Ich wache! die Zauberpferde sind bereit, ich entführe euch. Das vermag ich!

Faust

Auf und davon!

Nacht, offen Feld Faust. Mephistopheles auf schwarzen Pferden daher brausend Faust Was weben die dort um den Rabenstein? Mephistopheles Weiß nicht was sie kochen und schaffen. Faust Schweben auf, schweben ab, neigen sich, beugen sich. Mephistopheles Eine Hexenzunft. Faust Sie streuen und weihen. Mephistopheles Vorbey! Vorbey!
Kerker Faust, mit einem Bund Schlüssel und einer Lampe, vor einem eisernen Thürchen Mich faßt ein längst entwohnter Schauer, Der Menschheit ganzer Jammer faßt mich an. Hier wohnt sie hinter dieser feuchten Mauer, Und ihr Verbrechen war ein guter Wahn! Du zauderst zu ihr zu gehen! Du fürchtest sie wieder zu sehen! Fort! dein Zagen zögert den Tod heran. er ergreift das Schloß. Es singt inwendig. Meine Mutter, die Hur, Die mich umgebracht hat! Mein Vater, der Schelm, Der mich gessen hat! Mein Schwesterlein klein Hub auf die Bein, An einem kühlen Ort; Da ward ich ein schönes Waldvögelein, Fliege fort, fliege fort! Faust aufschließend Sie ahndet nicht, daß der Geliebte lauscht, Die Ketten klirren hört, das Stroh das rauscht. er tritt ein. Margarete sich auf dem Lager verbergend Weh! Weh! Sie kommen. Bittrer Tod! Faust leise Still! Still! ich komme dich zu befreyen. Margarete sich vor ihn hinwälzend Bist du ein Mensch, so fühle meine Noth. Faust Du wirst die Wächter aus dem Schlafe schreyen! er faßt die Ketten, sie aufzuschließen. Margarete auf den Knieen Wer hat dir Henker diese Macht Über mich gegeben! Du holst mich schon um Mitternacht. Erbarme dich und laß mich leben! Ist’s morgen früh nicht zeitig genung? sie steht auf. Bin ich doch noch so jung, so jung! Und soll schon sterben! Schön war ich auch, und das war mein Verderben. Nah war der Freund, nun ist er weit, Zerrissen liegt der Kranz die Blumen zerstreut. Fasse mich nicht so gewaltsam an! Schone mich! Was hab’ ich dir gethan? Laß mich nicht vergebens flehen, Hab’ ich dich doch mein Tage nicht gesehen! Faust Werd’ ich den Jammer überstehen! Margarete Ich bin nun ganz in deiner Macht. Laß mich nur erst das Kind noch tränken. Ich herzt’ es diese ganze Nacht; Sie nahmen mir’s um mich zu kränken Und sagen nun, ich hätt’ es umgebracht. Und niemals werd’ ich wieder froh. Sie singen Lieder auf mich! Es ist bös von den Leuten! Ein altes Mährchen endigt so, Wer heißt sie’s deuten? Faust wirft sich nieder Ein Liebender liegt dir zu Füßen Die Jammerknechtschaft aufzuschließen. Margarete wirft sich zu ihm O laß uns knien die Heil’gen anzurufen! Sieh! unter diesen Stufen, Unter der Schwelle Siedet die Hölle! Der Böse, Mit furchtbarem Grimme, Macht ein Getöse! Faust laut Gretchen! Gretchen! Margarete aufmerksam Das war des Freundes Stimme! Sie springt auf. Die Ketten fallen ab. Wo ist er? ich hab’ ihn rufen hören. Ich bin frey! mir soll niemand wehren. An seinen Hals will ich fliegen, An seinem Busen liegen! Er rief Gretchen! Er stand auf der Schwelle. Mitten durch’s Heulen und Klappen der Hölle, Durch den grimmigen, teuflischen Hohn, Erkannt’ ich den süßen, den liebenden Ton. Faust Ich bin’s! Margarete Du bist’s! O sag’ es noch einmal! ihn fassend Er ist’s! Er ist’s! Wohin ist alle Qual? Wohin die Angst des Kerkers? der Ketten? Du bist’s! Kommst mich zu retten. Ich bin gerettet! – Schon ist die Straße wieder da, Auf der ich dich zum erstenmale sah. Und der heitere Garten, Wo ich und Marthe deiner warten. Faust fortstrebend Komm mit! Komm mit! Margarete O weile! Weil’ ich doch so gern wo du weilest. liebkosend Faust Eile! Wenn du nicht eilest, Werden wir’s theuer büßen müssen. Margarete Wie? du kannst nicht mehr küssen? Mein Freund, so kurz von mir entfernt, Und hast’s Küssen verlernt? Warum wird mir an deinem Halse so bang? Wenn sonst von deinen Worten, deinen Blicken Ein ganzer Himmel mich überdrang, Und du mich küßtest als wolltest du mich ersticken. Küsse mich! Sonst küss’ ich dich! Sie umfaßt ihn. O weh! deine Lippen sind kalt, Sind stumm. Wo ist dein Lieben Geblieben? Wer brachte mich drum? sie wendet sich von ihm. Faust Komm! Folge mir! Liebchen fasse Muth! Ich herze dich mit tausendfacher Glut, Nur folge mir! Ich bitte dich nur dieß! Margarete zu ihm gewendet Und bist du’s denn? Und bist du’s auch gewiß. Faust Ich bin’s! Komm mit! Margarete Du machst die Fesseln los, Nimmst wieder mich in deinen Schoos. Wie kommt es, daß du dich vor mir nicht scheust? – Und weißt du denn, mein Freund, wen du befreyst? Faust Komm! komm! schon weicht die tiefe Nacht. Margarete Meine Mutter hab’ ich umgebracht, Mein Kind hab’ ich ertränkt. War es nicht dir und mir geschenkt? Dir auch – Du bist’s! ich glaub’ es kaum. Gieb deine Hand! Es ist kein Traum! Deine liebe Hand! – Ach aber sie ist feucht! Wische sie ab! Wie mich däucht Ist Blut dran. Ach Gott! was hast du gethan! Stecke den Degen ein, Ich bitte dich drum! Faust Laß das Vergang’ne vergangen seyn, Du bringst mich um. Margarete Nein, du mußt übrig bleiben! Ich will dir die Gräber beschreiben, Für die mußt du sorgen Gleich morgen; Der Mutter den besten Platz geben, Meinen Bruder sogleich darneben, Mich ein wenig bey Seit’, Nur nicht gar zu weit! Und das Kleine mir an die rechte Brust. Niemand wird sonst bey mir liegen! – Mich an deine Seite zu schmiegen Das war ein süßes, ein holdes Glück! Aber es will mir nicht mehr gelingen, Mir ist’s als müßt’ ich mich zu dir zwingen, Als stießest du mich von dir zurück. Und doch bist du’s und blickst so gut, so fromm. Faust Fühlst du daß ich es bin, so komm! Margarete Dahinaus? Faust In’s Freye. Margarete Ist das Grab drauß’, Lauert der Tod; so komm! Von hier in’s ewige Ruhebett Und weiter keinen Schritt – Du gehst nun fort? O Heinrich könnt’ ich mit! Faust Du kannst! So wolle nur! die Thür steht offen. Margarete Ich darf nicht fort; für mich ist nichts zu hoffen. Was hilft es fliehn? sie lauern doch mir auf. Es ist so elend betteln zu müssen, Und noch dazu mit bösem Gewissen! Es ist so elend in der Fremde schweifen Und sie werden mich doch ergreifen! Faust Ich bleibe bey dir. Margarete Geschwind! Geschwind! Rette dein armes Kind. Fort! immer den Weg Am Bach hinauf, Über den Steg, In den Wald hinein, Links wo die Planke steht, Im Teich. Faß es nur gleich! Es will sich heben, Es zappelt noch, Rette! rette! Faust Besinne dich doch! Nur Einen Schritt, so bist du frey! Margarete Wären wir nur den Berg vorbey! Da sitzt meine Mutter auf einem Stein, Es faßt mich kalt beym Schopfe! Da sizt meine Mutter auf einem Stein Und wackelt mit dem Kopfe; Sie winkt nicht, sie nickt nicht, der Kopf ist ihr schwer, Sie schlief so lange, sie wacht nicht mehr. Sie schlief damit wir uns freuten. Es waren glückliche Zeiten! Faust Hilft hier kein Flehen, hilft kein Sagen; So wag’ ich’s dich hinweg zu tragen. Margarete Laß mich! Nein, ich leide keine Gewalt! Fasse mich nicht so mörderisch an! Sonst hab’ ich dir ja alles zu lieb gethan. Faust Der Tag graut! Liebchen! Liebchen! Margarete Tag! Ja es wird Tag! der letzte Tag dringt herein! Mein Hochzeittag sollt’ es seyn! Sag Niemand daß du schon bey Gretchen warst. Weh meinem Kranze! Es ist eben geschehn! Wir werden uns wiedersehn; Aber nicht beym Tanze. Die Menge drängt sich, man hört sie nicht. Der Platz, die Gassen Können sie nicht fassen. Die Glocke ruft, das Stäbchen bricht. Wie sie mich binden und packen! Zum Blutstuhl bin ich schon entrückt. Schon zuckt nach jedem Nacken Die Schärfe die nach meinem zückt. Stumm liegt die Welt wie das Grab! Faust O wär’ ich nie geboren! Mephistopheles erscheint draußen Auf! oder ihr seyd verloren. Unnützes Zagen! Zaudern und Plaudern! Meine Pferde schaudern, Der Morgen dämmert auf. Margarete Was steigt aus dem Boden herauf? Der! der! Schicke ihn fort! Was will der an dem heiligen Ort? Er will mich! Faust Du sollst leben! Margarete Gericht Gottes! dir hab’ ich mich übergeben! Mephistopheles zu Faust Komm! komm! Ich lasse dich mit ihr im Stich. Margarete Dein bin ich Vater! Rette mich! Ihr Engel! Ihr heiligen Schaaren Lagert euch umher, mich zu bewahren! Heinrich! Mir graut’s vor dir. Mephistopheles Sie ist gerichtet! Stimme von oben Ist gerettet! Mephistopheles zu Faust Her zu mir! verschwindet mit Faust Stimme von innen, verhallend Heinrich! Heinrich!
Der Tragödie zweiter Theilin fünf Acten
Erster Act
Anmuthige Gegend Faust auf blumigen Rasen gebettet, ermüdet, unruhig, schlafsuchend Dämmerung Geister-Kreis schwebend bewegt, anmuthige kleine Gestalten Ariel Gesang von Äolsharfen begleitet Wenn der Blüten Frühlings-Regen Über Alle schwebend sinkt, Wenn der Felder grüner Segen Allen Erdgebornen blinkt, Kleiner Elfen Geistergröße Eilet wo sie helfen kann, Ob er heilig? ob er böse? Jammert sie der Unglücksmann. Die ihr dies Haupt umschwebt im luft’gen Kreise, Erzeigt euch hier nach edler Elfen Weise, Besänftiget des Herzens grimmen Strauß, Entfernt des Vorwurfs glühend bittre Pfeile, Sein Innres reinigt von erlebtem Graus. Vier sind die Pausen nächtiger Weile, Nun ohne Säumen füllt sie freundlich aus. Erst senkt sein Haupt aufs kühle Polster nieder, Dann badet ihn im Thau aus Lethe’s Fluth, Gelenk sind bald die krampferstarrten Glieder, Wenn er gestärkt dem Tag entgegen ruht; Vollbringt der Elfen schönste Pflicht, Gebt ihn zurück dem heiligen Licht. Chor Einzeln, zu zweyen und vielen, abwechselnd und gesammelt Wenn sich lau die Lüfte füllen Um den grünumschränkten Plan, Süße Düfte, Nebelhüllen Senkt die Dämmerung heran. Lispelt leise süßen Frieden Wiegt das Herz in Kindesruh; Und den Augen dieses Müden Schließt des Tages Pforte zu. Nacht ist schon hereingesunken Schließt sich heilig Stern an Stern, Große Lichter, kleine Funken, Glitzern nah und glänzen fern; Glitzern hier im See sich spiegelnd Glänzen droben klarer Nacht, Tiefsten Ruhens Glück besiegelnd Herrscht des Mondes volle Pracht. Schon verloschen sind die Stunden, Hingeschwunden Schmerz und Glück; Fühl’ es vor! Du wirst gesunden; Traue neuem Tagesblick. Thäler grünen, Hügel schwellen, Buschen sich zu Schatten-Ruh; Und in schwanken Silberwellen Wogt die Saat der Erndte zu. Wunsch um Wünsche zu erlangen Schaue nach dem Glanze dort! Leise bist du nur umfangen, Schlaf ist Schaale, wirf sie fort! Säume nicht dich zu erdreisten Wenn die Menge zaudernd schweift; Alles kann der Edle leisten, Der versteht und rasch ergreift. Ungeheures Getöse verkündet das Herannahen der Sonne. Ariel Horchet! horcht! dem Sturm der Horen, Tönend wird für Geistes-Ohren Schon der neue Tag geboren. Felsenthore knarren rasselnd, Phöbus Räder rollen prasselnd, Welch Getöse bringt das Licht! Es trommetet, es posaunet, Auge blinzt und Ohr erstaunet, Unerhörtes hört sich nicht. Schlüpfet zu den Blumenkronen, Tiefer tiefer, still zu wohnen, In die Felsen unters Laub; Trifft es euch so seyd ihr taub. Faust Des Lebenspulse schlagen frisch lebendig, Ätherische Dämmmerung milde zu begrüßen; Du Erde warst auch diese Nacht beständig Und athmest neu erquickt zu meinen Füßen, Beginnest schon mit Lust mich zu umgeben, Du regst und rührst ein kräftiges Beschließen, Zum höchsten Daseyn immerfort zu streben. – In Dämmerschein liegt schon die Welt erschlossen, Der Wald ertönt von tausendstimmigen Leben Thal aus, Thal ein ist Nebelstreif ergossen, Doch senkt sich Himmelsklarheit in die Tiefen, Und Zweig und Äste, frisch erquickt, entsprossen Dem duft’gen Abgrund wo versenkt sie schliefen; Auch Farb’ an Farbe klärt sich los vom Grunde, Wo Blum’ und Blatt von Zitterperle triefen, Ein Paradies wird um mich her die Runde. Hinaufgeschaut! – Der Berge Gipfelriesen Verkünden schon die feyerlichste Stunde, Sie dürfen früh des ewigen Lichts genießen Das später sich zu uns hernieder wendet. Jetzt zu der Alpe grüngesenkten Wiesen Wird neuer Glanz und Deutlichkeit gespendet, Und stufenweis herab ist es gelungen; – Sie tritt hervor! – und, leider schon geblendet, Kehr’ ich mich weg, vom Augenschmerz durchdrungen. So ist es also, wenn ein sehnend Hoffen Dem höchsten Wunsch sich traulich zugerungen, Erfüllungspforten findet flügeloffen, Nun aber bricht aus jenen ewigen Gründen Ein Flammen-Übermaas, wir stehn betroffen; Des Lebens Fackel wollten wir entzünden, Ein Feuermeer umschlingt uns, welch’ ein Feuer! Ist’s Lieb? Ist’s Haß? die glühend uns umwinden, Mit Schmerz und Freuden wechselnd ungeheuer, So daß wir wieder nach der Erde blicken, Zu bergen uns in jugendlichstem Schleyer. So bleibe denn die Sonne mir im Rücken! Der Wassersturz, das Felsenriff durchbrausend, Ihn schau’ ich an mit wachsendem Entzücken. Von Sturz zu Sturzen wälzt er jetzt in tausend Dann aber tausend Strömen sich ergießend, Hoch in die Lüfte Schaum an Schäume sausend. Allein wie herrlich diesem Sturm ersprießend, Wölbt sich des bunten Bogens Wechsel-Dauer, Bald rein gezeichnet, bald in Luft zerfließend, Umher verbreitend duftig kühle Schauer. Der spiegelt ab das menschliche Bestreben. Ihm sinne nach und du begreifst genauer: Am farbigen Abglanz haben wir das Leben.
Kaiserliche Pfalz
Saal des Thrones Staatsrath in Erwartung des Kaisers Trompeten Hofgesinde aller Art prächtig gekleidet tritt vor. Der Kaiser gelangt auf den Thron, zu seiner Rechten der Astrolog. Kaiser Ich grüße die Getreuen, Lieben, Versammelt aus der Näh’ und Weite; – Den Weisen seh ich mir zur Seite, Allein wo ist der Narr geblieben? Junker Gleich hinter deiner Mantel-Schleppe Stürzt’ er zusammen auf der Treppe, Man trug hinweg das Fett-Gewicht Todt oder trunken? weis man nicht. Zweyter Junker Sogleich mit wunderbarer Schnelle Drängt sich ein andrer an die Stelle. Gar köstlich ist er aufgeputzt, Doch frazzenhaft daß jeder stutzt; Die Wache hält ihm an der Schwelle Kreuzweis die Hellebarden vor – Da ist er doch der kühne Thor! Mephistopheles am Throne knieend Was ist verwünscht und stets willkommen? Was ist ersehnt und stets verjagt? Was immerfort in Schutz genommen? Was hart gescholten und verklagt? Wen darfst du nicht herbeyberufen? Wen höret jeder gern genannt? Was naht sich deines Thrones Stufen? Was hat sich selbst hinweggebannt? Kaiser Für diesmal spare deine Worte! Hier sind die Räthsel nicht am Orte, Das ist die Sache dieser Herrn. – Da löse du! das hört ich gern: Mein alter Narr ging, fürcht’ ich, weit in’s Weite; Nimm seinen Platz und komm an meine Seite. Mephistopheles steigt hinauf und stellt sich zur Linken. Gemurmel der Menge Ein neuer Narr – Zu neuer Pein – Wo kommt er her – Wie kam er ein – Der Alte fiel – Der hat verthan – Es war ein Faß – Nun ists ein Span – Kaiser Und also ihr Getreuen, Lieben, Willkommen aus der Näh’ und Ferne Ihr sammelt Euch mit günstigem Sterne Da droben ist uns Glück und Heil geschrieben. Doch sagt warum in diesen Tagen, Wo wir der Sorgen uns entschlagen, Schönbärte mummenschänzlich tragen Und heitres nur genießen wollten, Warum wir uns rathschlagend quälen sollten? Doch weil ihr meynt es ging nicht anders an, Geschehen ist’s, so sey’s gethan. Canzler Die höchste Tugend, wie ein Heiligen-Schein, Umgiebt des Kaisers Haupt, nur er allein Vermag sie gültig auszuüben: Gerechtigkeit! – Was alle Menschen lieben, Was alle fordern, wünschen, schwer entbehren, Es liegt an ihm dem Volk es zu gewähren. Doch ach! Was hilft dem Menschengeist Verstand, Dem Herzen Güte, Willigkeit der Hand, Wenns fieberhaft durchaus im Staate wüthet, Und Übel sich in Übeln überbrütet. Wer schaut hinab von diesem hohen Raum Ins weite Reich, ihm scheint’s ein schwerer Traum; Wo Mißgestalt in Mißgestalten schaltet, Das Ungesetz gesetzlich überwaltet, Und eine Welt des Irrthums sich entfaltet. Der raubt sich Heerden, der ein Weib, Kelch, Kreuz und Leuchter vom Altare, Berühmt sich dessen manche Jahre Mit heiler Haut, mit unverletztem Leib. Jetzt drängen Kläger sich zur Halle, Der Richter prunkt auf hohem Pfühl, Indessen wogt, in grimmigem Schwalle, Des Aufruhrs wachsendes Gewühl. Der darf auf Schand und Frevel pochen Der auf Mitschuldigste sich stützt, Und: Schuldig! hörst du ausgesprochen Wo Unschuld nur sich selber schützt. So will sich alle Welt zerstückeln, Vernichtigen was sich gebührt; Wie soll sich da der Sinn entwickeln Der einzig uns zum Rechten führt? Zuletzt ein wohlgesinnter Mann Neigt sich dem Schmeichler, dem Bestecher, Ein Richter der nicht strafen kann Gesellt sich endlich zum Verbrecher. Ich malte schwarz, doch dichtern Flor Zög’ ich dem Bilde lieber vor. Pause Entschlüsse sind nicht zu vermeiden, Wenn alle schädigen, alle leiden Geht selbst die Majestät zu Raub. Heermeister Wie tobt’s in diesen wilden Tagen Ein jeder schlägt und wird erschlagen Und fürs Commando bleibt man taub. Der Bürger hinter seinen Mauern Der Ritter auf dem Felsennest Verschwuren sich uns auszudauern Und halten ihre Kräfte fest. Der Miethsoldat wird ungeduldig, Mit Ungestüm verlangt er seinen Lohn, Und wären wir ihm nichts mehr schuldig Er liefe ganz und gar davon. Verbiete wer was alle wollten, Der hat ins Wespennest gestört; Das Reich das sie beschützen sollten, Es liegt geplündert und verheert. Man läßt ihr Toben wüthend hausen, Schon ist die halbe Welt verthan; Es sind noch Könige da draußen Doch keiner denkt es ging ihn irgend an. Schatzmeister Wer wird auf Bundsgenossen pochen! Subsidien die man uns versprochen, Wie Röhrenwasser, bleiben aus. Auch Herr, in deinen weiten Staaten An wen ist der Besitz gerathen? Wohin man kommt, da hält ein Neuer Haus Und unabhängig will er leben, Zusehen muß man wie er’s treibt; Wir haben soviel Rechte hingegeben, Daß uns auf nichts ein Recht mehr übrig bleibt. Auch auf Partheyen, wie sie heißen, Ist heut zu Tage kein Verlaß; Sie mögen schelten oder preisen, Gleichgültig wurden Lieb und Haß. Die Ghibellinen wie die Guelfen Verbergen sich um auszuruhn; Wer jetzt will seinem Nachbar helfen? Ein jeder hat für sich zu thun. Die Goldespforten sind verrammelt, Ein jeder krazt und scharrt und sammelt Und unsre Cassen bleiben leer. Marschalk Welch Unheil muß auch ich erfahren; Wir wollen alle Tage sparen Und brauchen alle Tage mehr. Und täglich wächst mir neue Pein. Den Köchen thut kein Mangel wehe; Wildschweine, Hirsche, Hasen, Rehe, Welschhüner, Hühner, Gäns’ und Enten, Die Deputate, sichre Renten, Sie gehen noch so ziemlich ein. Jedoch am Ende fehlt’s an Wein. Wenn sonst im Keller Faß an Faß sich häufte, Der besten Berg- und Jahresläufte, So schlürft unendliches Gesäufte Der edlen Herrn den letzten Tropfen aus. Der Stadtrath muß sein Lager auch verzapfen, Man greift zu Humpen, greift zu Napfen, Und unterm Tische liegt der Schmaus. Nun soll ich zahlen, alle lohnen; Der Jude wird mich nicht verschonen Der schafft Anticipationen, Die speisen Jahr um Jahr voraus. Die Schweine kommen nicht zu Fette, Verpfändet ist der Pfühl im Bette, Und auf den Tisch kommt vorgegessen Brot. Kaiser nach einigem Nachdenken zu Mephistopheles Sag, weist du Narr nicht auch noch eine Noth? Mephistopheles Ich keineswegs. Den Glanz umher zu schauen, Dich und die Deinen! – Mangelte Vertrauen, Wo Majestät unweigerlich gebeut? Bereite Macht Feindseliges zerstreut, Wo guter Wille, kräftig durch Verstand Und Thätigkeit, vielfältige, zur Hand? Was könnte da zum Unheil sich vereinen, Zur Finsterniß wo solche Sterne scheinen? Gemurmel Das ist ein Schalk – Ders wohl versteht – Er lügt sich ein – So lang es geht – Ich weis schon – Was dahinter steckt – Und was denn weiter? – Ein Project – Mephistopheles Wo fehlts nicht irgendwo auf dieser Welt? Dem dies, dem das, hier aber fehlt das Geld. Vom Estrich zwar ist es nicht aufzuraffen; Doch Weisheit weis das Tiefste herzuschaffen. In Bergesadern, Mauergründen Ist Gold gemünzt und ungemünzt zu finden, Und fragt ihr mich wer es zu Tage schafft: Begabten Mann’s Natur- und Geisteskraft. Canzler Natur und Geist – so spricht man nicht zu Christen. Deshalb verbrennt man Atheisten, Weil solche Reden höchst gefährlich sind. Natur ist Sünde, Geist ist Teufel, Sie hegen zwischen sich den Zweifel Ihr mißgestaltet Zwitterkind. Uns nicht so! – Kaisers alten Landen Sind zwey Geschlechter nur entstanden, Sie stützen würdig seinen Thron: Die Heiligen sind es und die Ritter; Sie stehen jedem Ungewitter Und nehmen Kirch’ und Staat zum Lohn. Dem Pöbelsinn verworrener Geister Entwickelt sich ein Widerstand, Die Ketzer sind’s! die Hexenmeister! Und sie verderben Stadt und Land. Die willst du nun mit frechen Scherzen In diese hohen Kreise schwärzen, Ihr hegt euch an verderbtem Herzen, Dem Narren sind sie nah verwandt. Mephistopheles Daran erkenn’ ich den gelehrten Herrn! Was ihr nicht tastet steht euch meilenfern, Was ihr nicht faßt das fehlt euch ganz und gar, Was ihr nicht rechnet, glaubt ihr sey nicht wahr, Was ihr nicht wägt hat für euch kein Gewicht, Was ihr nicht münzt das meynt ihr gelte nicht. Kaiser Dadurch sind unsre Mängel nicht erledigt, Was willst du jetzt mit deiner Fastenpredigt. Ich habe satt das ewige Wie und Wenn; Es fehlt an Geld, nun gut so schaff’ es denn. Mephistopheles Ich schaffe was ihr wollt und schaffe mehr; Zwar ist es leicht, doch ist das Leichte schwer; Es liegt schon da, doch um es zu erlangen Das ist die Kunst, wer weis es anzufangen? Bedenkt doch nur: in jenen Schreckensläuften Wo Menschenfluten Land und Volk ersäuften, Wie der und der, so sehr es ihn erschreckte, Sein Liebstes da- und dort wohin versteckte. So war’s von je in mächtiger Römer Zeit, Und so fortan, bis gestern, ja bis heut. Das alles liegt im Boden still begraben, Der Boden ist des Kaisers, der soll’s haben. Schatzmeister Für einen Narren spricht er gar nicht schlecht, Das ist fürwahr des alten Kaisers Recht. Canzler Der Satan legt euch goldgewirkte Schlingen: Es geht nicht zu mit frommen rechten Dingen. Marschalk Schafft’ er uns nur zu Hof willkommne Gaben, Ich wollte gern ein Bischen Unrecht haben. Heermeister Der Narr ist klug, verspricht was jedem frommt; Fragt der Soldat doch nicht woher es kommt. Mephistopheles Und glaubt ihr euch vielleicht durch mich betrogen; Hier steht ein Mann! da! fragt den Astrologen, In Kreis’ um Kreise kennt er Stund und Haus, So sage denn wie siehts am Himmel aus. Gemurmel Zwey Schelme sinds – Verstehn sich schon – Narr und Phantast – So nah dem Thron – Ein mattgesungen – alt Gedicht – Der Thor bläst ein – Der Weise spricht – Astrolog spricht, Mephistopheles bläst ein. Die Sonne selbst sie ist ein lautres Gold, Merkur der Bote dient um Gunst und Sold, Frau Venus hat’s euch allen angethan, So früh als spat blickt sie euch lieblich an; Die keusche Luna launet grillenhaft, Mars trifft er nicht, so dräut euch seine Kraft. Und Jupiter bleibt doch der schönste Schein, Saturn ist groß, dem Auge fern und klein. Ihn als Metall verehren wir nicht sehr, An Werth gering, doch im Gewichte schwer. Ja! wenn zu Sol sich Luna fein gesellt, Zum Silber Gold, dann ist es heitre Welt, Das Übrige ist alles zu erlangen, Palläste, Gärten, Brüstlein, rothe Wangen, Das alles schafft der hochgelahrte Mann Der das vermag was unser keiner kann. Kaiser Ich höre doppelt was er spricht Und dennoch überzeugt’s mich nicht. Gemurmel Was soll uns das – Gedroschner Spaß – Calenderey – Chymisterey – Das hört ich oft – Und falschgehofft – Und kommt er auch – So ists ein Gauch – Mephistopheles Da stehen sie umher und staunen, Vertrauen nicht dem hohen Fund, Der eine faselt von Alraunen Der andre von dem schwarzen Hund. Was soll es daß der eine witzelt, Ein andrer Zauberey verklagt, Wenn ihm doch auch einmal die Sohle kitzelt Wenn ihm der sichre Schritt versagt. Ihr alle fühlt geheimes Wirken Der ewig waltenden Natur, Und aus den untersten Bezirken Schmiegt sich herauf lebendge Spur. Wenn es in allen Gliedern zwackt, Wenn es unheimlich wird am Platz, Nur gleich entschlossen grabt und hackt, Da liegt der Spielmann, liegt der Schatz! Gemurmel Mir liegts im Fuß wie Bleygewicht – Mir krammpfts im Arme – das ist Gicht – Mir krabbelts an der großen Zeh’ – Mir thut der ganze Rücken weh – Nach solchen Zeichen wäre hier Das allerreichste Schatzrevier. Kaiser Nur eilig! du entschlüpfst nicht wieder, Erprobe deine Lügenschäume, Und zeig’ uns gleich die edlen Räume. Ich lege Schwerdt und Scepter nieder, Und will mit eignen hohen Händen, Wenn du nicht lügst, das Werk vollenden, Dich, wenn du lügst, zur Hölle senden! Mephistopheles Den Weg dahin wüßt’ allenfalls zu finden. – Doch kann ich nicht genug verkünden Was überall besitzlos harrend liegt. Der Bauer der die Furche pflügt Hebt einen Goldtopf mit der Scholle, Salpeter hofft er von der Leimenwand Und findet golden-goldne Rolle, Erschreckt, erfreut in kümmerlicher Hand. Was für Gewölbe sind zu sprengen, In welchen Klüften, welchen Gängen Muß sich der Schatzbewußte drängen, Zur Nachbarschaft der Unterwelt! In weiten, allverwahrten Kellern, Von goldnen Humpen, Schüsseln, Tellern, Sieht er sich Reihen aufgestellt. Pokale stehen aus Rubinen Und will er deren sich bedienen Daneben liegt uraltes Naß. Doch – werdet ihr dem Kundigen glauben – Verfault ist längst das Holz der Tauben Der Weinstein schuf dem Wein ein Faß. Essenzen solcher edlen Weine, Gold und Juwelen nicht alleine Umhüllen sich mit Nacht und Graus. Der Weise forscht hier unverdrossen; Am Tag’ erkennen das sind Possen, Im Finstern sind Mysterien zu Haus. Kaiser Die laß ich dir! Was will das Düstre frommen? Hat etwas Werth, es muß zu Tage kommen. Wer kennt den Schelm in tiefer Nacht genau? Schwarz sind die Kühe, so die Katzen grau. Die Töpfe drunten, voll von Goldgewicht; Zieh’ deinen Pflug, und ackre sie ans Licht. Mephistopheles Nimm Hack’ und Spaten grabe selber, Die Bauernarbeit macht dich groß, Und eine Heerde goldner Kälber Sie reißen sich vom Boden los. Dann ohne Zaudern, mit Entzücken, Kannst du dich selbst, wirst die Geliebte schmücken; Ein leuchtend Farb- und Glanzgestein erhöht Die Schönheit wie die Majestät. Kaiser Nur gleich, nur gleich! Wie lange soll es währen! Astrolog wie oben Herr mäßige solch dringendes Begehren, Laß erst vorbey das bunte Freudenspiel; Zerstreutes Wesen führt uns nicht zum Ziel. Erst müssen wir in Fassung uns versühnen, Das Untre durch das Obere verdienen. Wer Gutes will der sey erst gut; Wer Freude will besänftige sein Blut; Wer Wein verlangt der keltre reife Trauben, Wer Wunder hofft der stärke seinen Glauben. Kaiser So sey die Zeit in Fröhlichkeit verthan! Und ganz erwünscht kommt Aschermittwoch an. Indessen feyern wir, auf jeden Fall, Nur lustiger das wilde Carneval. Trompeten, Exeunt Mephistopheles Wie sich Verdienst und Glück verketten Das fällt den Thoren niemals ein; Wenn sie den Stein der Weisen hätten Der Weise mangelte dem Stein.
Weitläufiger Saal, mit Nebengemächern, verziert und aufgeputzt zur Mummenschanz Herold Denkt nicht ihr seyd in deutschen Gränzen Von Teufels-, Narren- und Todtentänzen, Ein heitres Fest erwartet euch. Der Herr, auf seinen Römerzügen Hat, sich zu Nutz, euch zum Vergnügen, Die hohen Alpen überstiegen, Gewonnen sich ein heitres Reich. Der Kaiser, er, an heiligen Solen, Erbat sich erst das Recht zur Macht, Und als er ging die Krone sich zu holen, Hat er uns auch die Kappe mitgebracht. Nun sind wir alle neugeboren; Ein jeder weltgewandte Mann Zieht sie behaglich über Kopf und Ohren; Sie ähnlet ihn verrückten Thoren, Er ist darunter weise wie er kann. Ich sehe schon wie sie sich schaaren, Sich schwankend sondern, traulich paaren; Zudringlich schließt sich Chor an Chor. Herein, hinaus, nur unverdrossen; Es bleibt doch endlich nach wie vor, Mit ihren hunderttausend Possen, Die Welt ein einziger großer Thor. Gärtnerinnen Gesang begleitet von Mandolinen Euren Beyfall zu gewinnen Schmückten wir uns diese Nacht, Junge Florentinerinnen Folgten deutschen Hofes Pracht; Tragen wir in braunen Locken Mancher heiteren Blume Zier, Seidenfäden, Seidenflocken Spielen ihre Rolle hier. Denn wir halten es verdienstlich, Lobenswürdig ganz und gar, Unsere Blumen, glänzend künstlich, Blühen fort das ganze Jahr. Allerley gefärbten Schnitzeln Ward symmetrisch Recht gethan; Mögt ihr Stück für Stück bewitzeln, Doch das Ganze zieht euch an. Niedlich sind wir anzuschauen, Gärtnerinnen und galant; Denn das Naturell der Frauen Ist so nah mit Kunst verwandt Herold Laßt die reichen Körbe sehen Die ihr auf den Häupten traget, Die sich bunt am Arme blähen, Jeder wähle was behaget. Eilig daß in Laub und Gängen Sich ein Garten offenbare, Würdig sind sie zu umdrängen Krämerinnen wie die Waare. Gärtnerinnen Feilschet nun am heitern Orte, Doch kein Markten finde statt! Und mit sinnig kurzem Worte Wisse jeder was er hat. Olivenzweig mit Früchten Keinen Blumenflor beneid’ ich, Allen Widerstreit vermeid’ ich; Mir ists gegen die Natur. Bin ich doch das Mark der Lande, Und, zum sichern Unterpfande, Friedenszeichen jeder Flur. Heute, hoff’ ich, soll mirs glücken Würdig schönes Haupt zu schmücken. Ährenkranz golden Ceres Gaben, euch zu putzen, Werden hold und lieblich stehn: Das Erwünschteste dem Nutzen Sey als eure Zierde schön. Phantasiekranz Bunte Blumen Malven ähnlich Aus dem Moos ein Wunderflor! Der Natur ist’s nicht gewöhnlich Doch die Mode bringts hervor. Phantasie-Straus Meinen Namen euch zu sagen Würde Theophrast nicht wagen, Und doch hoff’ ich wo nicht allen, Aber mancher zu gefallen, Der ich mich wohl eignen möchte, Wenn sie mich ins Haar verflöchte, Wenn sie sich entschließen könnte Mir am Herzen Platz vergönnte. Ausforderung Mögen bunte Phantasien Für des Tages Mode blühen, Wunder seltsam seyn gestaltet Wie Natur sich nie entfaltet; Grüne Stiele, goldne Glocken Blickt hervor aus reichen Locken! – Doch wir Rosenknospen halten uns versteckt, Glücklich wer uns frisch entdeckt. Wenn der Sommer sich verkündet Rosenknospe sich entzündet, Wer mag solches Glück entbehren? Das Versprechen, das Gewähren. Das beherrscht, in Florens Reich, Blick und Sinn und Herz zugleich. Unter grünen Laubgängen putzen die Gärtnerinnen zierlich ihren Kram auf. Gärtner Gesang begleitet von Theorben Blumen sehet ruhig sprießen Reizend euer Haupt umzieren, Früchte wollen nicht verführen, Kostend mag man sie genießen. Bieten bräunliche Gesichter Kirschen, Pfirschen, Königspflaumen, Kauft! denn gegen Zung’ und Gaumen Hält sich Auge schlecht als Richter. Kommt von allerreifsten Früchten Mit Geschmack und Lust zu speisen! Über Rosen läßt sich dichten, In die Äpfel muß man beißen. Seys erlaubt uns anzupaaren Eurem reichen Jugendflor, Und wir putzen reifer Waaren Fülle nachbarlich empor. Unter lustigen Gewinden In geschmückter Lauben Bucht, Alles ist zugleich zu finden: Knospe, Blätter, Blume, Frucht. Unter Wechselgesang, begleitet von Guitarren und Theorben, fahren beyde Chöre fort ihre Waaren stufenweis in die Höhe zu schmücken und auszubieten. Mutter und Tochter Mutter Mädchen als du kamst ans Licht Schmückt ich dich im Häubchen, Warst so lieblich von Gesicht, Und so zart am Leibchen. Dachte sie sogleich als Braut, Gleich dem Reichsten angetraut, Dachte dich als Weibchen. Ach! Nun ist schon manches Jahr Ungenützt verflogen, Der Sponsirer bunte Schaar Schnell vorbey gezogen; Tanztest mit dem einen flink, Gabst dem andern stillen Wink Mit dem Ellenbogen. Welches Fest man auch ersann, Ward umsonst begangen, Pfänderspiel und dritter Mann Wollten nicht verfangen; Heute sind die Narren los, Liebchen öffne deinen Schoos, Bleibt wohl einer hangen. Gespielinnenjung und schön gesellen sich hinzu, ein vertrauliches Geplauder wird laut. Fischer und VogelstellerMit Netzen, Angel und Leimruthen, auch sonstigem Geräthe treten auf, mischen sich unter die schönen Kinder. Wechselseitige Versuche zu gewinnen, zu fangen, zu entgehen und fest zu halten geben zu den angenehmsten Dialogen Gelegenheit. Holzhauer treten ein ungestüm und ungeschlacht Nur Platz! nur Blöße! Wir brauchen Räume, Wir fällen Bäume Die krachen schlagen; Und wenn wir tragen Da giebt es Stöße. Zu unserm Lobe Bringt dies ins Reine; Denn wirkten Grobe Nicht auch im Lande, Wie kämen Feine Für sich zu Stande, So sehr sie witzten? Des seyd belehret; Denn ihr erfröret Wenn wir nicht schwitzten. Pulcinelle täppisch fast läppisch Ihr seyd die Thoren Gebückt geboren. Wir sind die Klugen Die nie was trugen; Denn unsre Kappen Jacken und Lappen Sind leicht zu tragen. Und mit Behagen Wir immer müßig Pantoffelfüßig, Durch Markt und Haufen Einher zu laufen. Gaffend zu stehen, Uns anzukrähen; Auf solche Klänge Durch Drang und Menge Aalgleich zu schlüpfen, Gesammt zu hüpfen, Vereint zu toben. Ihr mögt uns loben, Ihr mögt uns schelten Wir lassens gelten. Parasiten schmeichelnd-lüstern Ihr wackern Träger Und eure Schwäger, Die Kohlenbrenner, Sind unsre Männer. Denn alles Bücken, Bejah’ndes Nicken, Gewundne Phrasen, Das Doppelblasen, Das wärmt und kühlet Wie’s einer fühlet, Was könnt es frommen? Es möchte Feuer Selbst ungeheuer Vom Himmel kommen, Gäb’ es nicht Scheite Und Kohlentrachten Die Heerdesbreite Zur Glut entfachten. Da brät’s und prudelt’s. Da kocht’s und strudelt’s. Der wahre Schmecker, Der Tellerlecker, Er riecht den Braten, Er ahnet Fische; Das regt zu Thaten An Gönners Tische. Trunkner unbewußt Sey mir heute nichts zuwider! Fühle mich so frank und frey; Frische Luft und heitre Lieder Holt’ ich selbst sie doch herbey. Und so trink’ ich! trinke, trinke. Stoßet an ihr! Tinke, Tinke! Du dorthinten komm heran! Stoßet an, so ists gethan. Schrie mein Weibchen doch entrüstet, Rümpfte diesem bunten Rock, Und, wie sehr ich mich gebrüstet, Schalt mich einen Maskenstock. Doch ich trinke! Trinke, Trinke! Angeklungen! Tinke, Tinke! Maskenstöcke stoßet an! Wenn es klingt so ists gethan. Saget nicht daß ich verirrt bin, Bin ich doch wo mir’s behagt. Borgt der Wirth nicht, borgt die Wirthin, Und am Ende kneipt die Magd. Immer trink’ ich! Trinke, Trinke! Auf ihr Andern! Tinke, Tinke! Jeder jedem! so fortan! Dünkt mich’s doch es sey gethan. Wie und wo ich mich vergnüge Mag es immerhin geschehn; Laßt mich liegen wo ich liege, Denn ich mag nicht länger stehn. Chor Jeder Bruder trinke, trinke! Toastet frisch ein Tinke, Tinke! Sitzet fest auf Bank und Span, Unterm Tisch Dem ists gethan. Der HeroldKündigt verschiedene Poeten an. Naturdichter, Hof- und Rittersänger, zärtliche so wie Enthusiasten. Im Gedräng von Mitwerbern aller Art, läßt keiner den Andern zum Vortrag kommen. Einer schleicht mit wenigen Worten vorüber. Satyriker Wißt ihr was mich Poeten Erst recht erfreuen sollte? Dürft’ ich singen und reden Was niemand hören wollte. Die Nacht- und Grabdichter lassen sich entschuldigen, weil sie so eben im interessantesten Gespräch mit einem frischerstandenen Vampyren begriffen seyen; woraus eine neue Dichtart sich vielleicht entwickeln könnte; der Herold muß es gelten lassen und ruft indessen die griechische Mythologie hervor, die, selbst in moderner Maske, weder Charakter noch Gefälliges verliert. Die Grazien Aglaia Anmuth bringen wir in’s Leben; Leget Anmuth in das Geben. Hegemone Leget Anmuth ins Empfangen, Lieblich ist’s den Wunsch erlangen. Euphrosyne Und in stiller Tage Schranken Höchst anmuthig sey das Danken. Die Parzen Atropos Mich die älteste zum Spinnen Hat man diesmal eingeladen; Viel zu denken, viel zu sinnen Giebts beym zarten Lebensfaden. Daß er euch gelenk und weich sey Wußt’ ich feinsten Flachs zu sichten; Daß er glatt und schlank und gleich sey Wird der kluge Finger schlichten. Wolltet ihr bey Lust und Tänzen Allzuüppig euch erweisen; Denkt an dieses Fadens Gränzen, Hütet euch! Er möchte reißen! Klotho Wißt in diesen letzten Tagen Ward die Scheere mir vertraut; Denn man war von dem Betragen Unsrer Alten nicht erbaut. Zerrt unnützeste Gespinnste Lange sie an Licht und Luft, Hoffnung herrlichster Gewinnste Schleppt sie schneidend zu der Gruft. Doch auch ich im Jugend-Walten, Irrte mich schon hundertmal; Heute mich im Zaum zu halten, Scheere stickt im Futteral. Und so bin ich gern gebunden, Blicke freundlich diesem Ort; Ihr in diesen freyen Stunden Schwärmt nur immer fort und fort. Lachesis Mir, die ich allein verständig, Blieb das Ordnen zugetheilt; Meine Weife, stets lebendig, Hat noch nie sich übereilt. Fäden kommen, Fäden weifen, Jeden lenk’ ich seine Bahn, Keinen laß ich überschweifen, Füg’ er sich im Kreis heran. Könnt’ ich einmal mich vergessen Wär’ es um die Welt mir bang; Stunden zählen, Jahre messen Und der Weber nimmt den Strang. Herold Die jetzo kommen werdet ihr nicht kennen, Wärt ihr noch so gelehrt in alten Schriften; Sie anzusehn die so viel Übel stiften Ihr würdet sie willkommne Gäste nennen. Die Furien sind es, niemand wird uns glauben, Hübsch, wohlgestaltet, freundlich, jung von Jahren; Laßt euch mit ihnen ein, ihr sollt erfahren Wie schlangenhaft verletzen solche Tauben. Zwar sind sie tückisch, doch am heutigen Tage Wo jeder Narr sich rühmet seiner Mängel, Auch sie verlangen nicht den Ruhm als Engel, Bekennen sich als Stadt- und Landesplage. Alecto Was hilft es euch, ihr werdet uns vertrauen, Denn wir sind hübsch und jung und Schmeichelkätzchen, Hat einer unter euch ein Liebe-Schätzchen; Wir werden ihm so lange die Ohren krauen. Bis wir ihm sagen dürfen, Aug in Auge: Daß sie zugleich auch dem und jenem winke, Im Kopfe dumm, im Rücken krumm, und hinke, Und, wenn sie seine Braut ist, gar nichts tauge. So wissen wir die Braut auch zu bedrängen: Es hat sogar der Freund, vor wenig Wochen, Verächtliches von ihr zu der gesprochen! – Versöhnt man sich so bleibt doch etwas hängen. Megära Das ist nur Spaß! denn, sind sie erst verbunden, Ich nehm’ es auf, und weis in allen Fällen, Das schönste Glück durch Grille zu vergällen; Der Mensch ist ungleich, ungleich sind die Stunden. Und niemand hat Erwünschtes fest in Armen, Der sich nicht nach Erwünschterem thörig sehnte, Vom höchsten Glück, woran er sich gewöhnte; Die Sonne flieht er, will den Frost erwarmen. Mit diesem allen weis ich zu gebahren, Und führe her Asmodi den Getreuen, Zu rechter Zeit Unseliges auszustreuen, Verderbe so das Menschenvolk in Paaren. Tisiphone Gift und Dolch statt böser Zungen Misch’ ich schärf’ ich dem Verräther; Liebst du andre, früher, später Hat Verderben dich durchdrungen. Muß der Augenblicke Süßtes Sich zu Gischt und Galle wandeln! Hier kein Markten, hier kein Handeln Wie er es beging’, er büßt es. Singe keiner vom Vergeben! Felsen klag’ ich meine Sache, Echo! Horch! Erwiedert Rache; Und wer wechselt soll nicht leben. Herold Belieb’ es euch zur Seite wegzuweichen, Denn was jetzt kommt ist nicht von eures Gleichen. Ihr seht wie sich ein Berg herangedrängt, Mit bunten Teppichen die Weichen stolz behängt, Ein Haupt mit langen Zähnen, Schlangenrüssel, Geheimnißvoll, doch zeig’ ich euch den Schlüssel. Im Nacken sitzt ihm zierlich-zarte Frau, Mit feinem Stäbchen lenkt sie ihn genau, Die andre droben stehend herrlich-hehr, Umgiebt ein Glanz der blendet mich zu sehr. Zur Seite gehn gekettet edle Frauen, Die eine bang, die andre froh zu schauen, Die eine wünscht, die andre fühlt sich frey, Verkünde jede wer sie sey. Furcht Dunstige Fackeln, Lampen, Lichter, Dämmern durchs verworrne Fest, Zwischen diese Truggesichter Bannt mich ach die Kette fest. Fort, ihr lächerlichen Lacher! Euer Grinsen giebt Verdacht; Alle meine Widersacher Drängen mich in dieser Nacht. Hier! ein Freund ist Feind geworden, Seine Maske kenn’ ich schon; Jener wollte mich ermorden, Nun entdeckt schleicht er davon. Ach wie gern in jeder Richtung, Flöh’ ich zu der Welt hinaus; Doch von drüben droht Vernichtung, Hält mich zwischen Dunst und Graus. Hoffnung Seyd gegrüßt ihr lieben Schwestern, Habt ihr euch schon heut und gestern In Vermumungen gefallen, Weis ich doch gewiß von allen Morgen wollt ihr euch enthüllen. Und wenn wir bey Fackelscheine Uns nicht sonderlich behagen, Werden wir in heitern Tagen, Ganz nach unserm eignen Willen, Bald gesellig, bald alleine Frey durch schöne Fluren wandeln, Nach Belieben ruhn und handeln Und in sorgenfreyem Leben, Nie entbehren, stets erstreben; Überall willkommne Gäste Treten wir getrost hinein: Sicherlich es muß das Beste Irgendwo zu finden seyn. Klugheit Zwey der größten Menschenfeinde Furcht und Hoffnung angekettet, Halt’ ich ab von der Gemeinde; Platz gemacht! ihr seyd gerettet. Den lebendigen Colossen Führ’ ich, seht ihr, thurmbeladen Und er wandelt unverdrossen Schritt vor Schritt auf steilen Pfaden. Droben aber auf der Zinne Jene Göttin mit behenden Breiten Flügeln, zum Gewinne Allerseits sich hinzuwenden. Rings umgiebt sie Glanz und Glorie Leuchtend fern nach allen Seiten; Und sie nennet sich Viktorie, Göttin aller Thätigkeiten. Zoilo-Thersites Hu! Hu! da komm’ ich eben recht, Ich schelt’ euch allzusammen schlecht! Doch was ich mir zum Ziel ersah Ist oben Frau Victoria, Mit ihrem weißen Flügelpaar, Sie dünkt sich wohl sie sey ein Aar. Und wo sie sich nur hingewandt Gehör’ ihr alles Volk und Land; Doch, wo was Rühmliches gelingt Es mich sogleich in Harnisch bringt. Das Tiefe hoch, das Hohe tief, Das Schiefe grad, das Grade schief, Das ganz allein macht mich gesund So will ich’s auf dem Erdenrund. Herold So treffe dich, du Lumpenhund, Des frommen Stabes Meisterstreich, Da krümm’ und winde dich sogleich! – Wie sich die Doppelzwerggestalt So schnell zum eklen Klumpen ballt! – – Doch Wunder! – Klumpen wird zum Ey, Das bläht sich auf und platzt entzwey. Nun fällt ein Zwillingspaar heraus, Die Otter und die Fledermaus; Die eine fort im Staube kriecht, Die andre schwarz zur Decke fliegt. Sie eilen draußen zum Verein, Da möcht’ ich nicht der Dritte seyn. Gemurmel Frisch! dahinten tanzt man schon – Nein! Ich wollt’ ich wär davon – Fühlst du? wie uns das umflicht, Das Gespenstische Gezücht – Saust es mir doch über’s Haar – Ward ich’s doch am Fuß gewahr – Keiner ist von uns verletzt – Alle doch in Furcht gesetzt – Ganz verdorben ist der Spas – Und die Bestien wollten das. Herold Seit mir sind bey Maskeraden Heroldspflichten aufgeladen, Wach’ ich ernstlich an der Pforte, Daß euch hier am lustigen Orte Nichts Verderbliches erschleiche, Weder wanke, weder weiche. Doch ich fürchte durch die Fenster Ziehen luftige Gespenster, Und von Spuk und Zaubereyen Wüßt’ ich euch nicht zu befreyen. Machte sich der Zwerg verdächtig, Nun! dort hinten strömt es mächtig. Die Bedeutung der Gestalten Möcht’ ich amtsgemäß entfalten. Aber was nicht zu begreifen Wüßt’ ich auch nicht zu erklären, Helfet alle mich belehren! – Seht ihr’s durch die Menge schweifen? – Vierbespannt ein prächtiger Wagen Wird durch alles durchgetragen; Doch er theilet nicht die Menge, Nirgend seh’ ich ein Gedränge. Farbig glitzert’s in der Ferne, Irrend leuchten bunte Sterne, Wie von magischer Laterne. Schnaubt heran mit Stürmgewalt. Platz gemacht! Mich schaudert’s! Knabe Wagenlenker Halt! Rosse hemmet eure Flügel, Fühlet den gewohnten Zügel, Meistert euch wie ich euch meistre, Rauschet hin wenn ich begeistre – Diese Räume laßt uns ehren, Schaut umher wie sie sich mehren Die Bewundrer, Kreis um Kreise. Herold auf! nach deiner Weise, Ehe wir von euch entfliehen, Uns zu schildern uns zu nennen; Denn wir sind Allegorien Und so solltest du uns kennen. Herold Wüßte nicht dich zu benennen, Eher könnt’ ich dich beschreiben. Knabe Lenker So probir’s! Herold Man muß gestehn: Erstlich bist du jung und schön. Halbwüchsiger Knabe bist du; doch die Frauen Sie möchten dich ganz ausgewachsen schauen. Du scheinest mir ein künftiger Sponsirer Recht so von Haus aus ein Verführer. Knabe Lenker Das läßt sich hören! fahre fort Erfinde dir des Räthsels heitres Wort. Herold Der Augen schwarzer Blitz, die Nacht der Locken Erheitert von juwelnem Band! Und welch ein zierliches Gewand Fließt dir von Schultern zu den Socken, Mit Purpursaum und Glitzertand! Man könnte dich ein Mädchen schelten, Doch würdest du, zu Wohl und Weh, Auch jetzo schon bey Mädchen gelten, Sie lehrten dich das A. B. C. Knabe Lenker Und dieser der als Prachtgebilde Hier auf dem Wagenthrone prangt? Herold Er scheint ein König reich und milde, Wohl dem der seine Gunst erlangt! Er hat nichts weiter zu erstreben, Wo’s irgend fehlte späht sein Blick, Und seine reine Lust zu geben Ist größer als Besitz und Glück. Knabe Lenker Hiebey darfst du nicht stehen bleiben, Du mußt ihn recht genau beschreiben. Herold Das Würdige beschreibt sich nicht. Doch das gesunde Mondgesicht, Ein voller Mund, erblühte Wangen, Die unterm Schmuck des Turbans prangen. Im Faltenkleid ein reich Behagen! Was soll ich von dem Anstand sagen? Als Herrscher scheint er mir bekannt. Knabe Lencker Plutus, des Reichthums Gott genannt, Derselbe kommt in Prunk daher, Der hohe Kaiser wünscht ihn sehr. Herold Sag von dir selber auch das Was und Wie? Knabe Lenker Bin die Verschwendung, bin die Poesie; Bin der Poet, der sich vollendet Wenn er sein eigenst Gut verschwendet. Auch ich bin unermeßlich reich Und schätze mich dem Plutus gleich, Beleb’ und schmück’ ihm Tanz und Schmaus, Das was ihm fehlt das theil’ ich aus. Herold Das Prahlen steht dir gar zu schön, Doch laß uns deine Künste sehn. Knabe Lenker Hier seht mich nur ein Schnippchen schlagen, Schon glänzt’s und glitzert’s um den Wagen. Da springt eine Perlenschnur hervor immerfort umherschnippend Nehmt goldne Spange für Hals und Ohr; Auch Kamm und Krönchen ohne Fehl, In Ringen köstlichstes Juwel; Auch Flämmchen spend’ ich dann und wann, Erwartend wo es zünden kann. Herold Wie greift und hascht die liebe Menge! Fast kommt der Geber ins Gedränge. Kleinode schnippt er wie ein Traum Und alles hascht im weiten Raum. Doch da erleb’ ich neue Pfiffe; Was einer noch so emsig griffe Deß hat er wirklich schlechten Lohn, Die Gabe flattert ihm davon. Es löst sich auf das Perlenband, Ihm krabbeln Käfer in der Hand, Er wirft sie weg der arme Tropf, Und sie umsummen ihm den Kopf. Die andern statt solider Dinge Erhaschen frevle Schmetterlinge. Wie doch der Schelm so viel verheißt, Und nur verleiht was golden gleißt! Knabe Lenker Zwar Masken, merk’ ich, weist du zu verkünden, Allein der Schaale Wesen zu ergründen Sind Herolds Hofgeschäfte nicht; Das fordert schärferes Gesicht. Doch hüt’ ich mich vor jeder Fehde; An dich, Gebieter, wend ich Frag und Rede. zu Plutus gewendet Hast du mir nicht die Windesbraut Des Viergespannes anvertraut? Lenk’ ich nicht glücklich wie du leitest? Bin ich nicht da wohin du deutest? Und wußt’ ich nicht auf kühnen Schwingen Für dich die Palme zu erringen? Wie oft ich auch für dich gefochten Mir ist es jederzeit geglückt: Wenn Lorbeer deine Stirne schmückt, Hab’ ich ihn nicht mit Sinn und Hand geflochten? Plutus Wenn’s nöthig ist daß ich dir Zeugniß leiste, So sag’ ich gern: Bist Geist von meinem Geiste. Du handelst stets nach meinem Sinn, Bist reicher als ich selber bin. Ich schätze, deinen Dienst zu lohnen, Den grünen Zweig vor allen meinen Kronen, Ein wahres Wort verkünd’ ich allen: Mein lieber Sohn an dir hab’ ich Gefallen. Knabe Lenker zur Menge Die größten Gaben meiner Hand Seht! hab’ ich rings umher gesandt. Auf dem und jenem Kopfe glüht Ein Flämmchen das ich angesprüht, Von einem zu dem andern hüpft’s, An diesem hält sich’s, dem entschlüpft’s, Gar selten aber flammt’s empor, Und leuchtet rasch in kurzem Flor; Doch vielen, eh mans noch erkannt, Verlischt es, traurig ausgebrannt. Weiber Geklatsch Da droben auf dem Viergespann Das ist gewiß ein Charlatan; Gekauzt da hintendrauf Hanswurst, Doch abgezehrt von Hunger und Durst, Wie man ihn niemals noch erblickt. Er fühlt wohl nicht wenn man ihn zwickt. Der Abgemagerte Vom Leibe mir ekles Weibsgeschlecht! Ich weis dir komm ich niemals recht. – Wie noch die Frau den Heerd versah, Da hies ich Avaritia; Da stand es gut um unser Haus: Nur viel herein, und nichts hinaus! Ich eiferte für Kist und Schrein; Das sollte wohl gar ein Laster seyn. Doch als in allerneusten Jahren Das Weib nicht mehr gewohnt zu sparen, Und, wie ein jeder böser Zahler, Weit mehr Begierden hat als Thaler, Da bleibt dem Manne viel zu dulden, Wo er nur hinsieht da sind Schulden. Sie wendet’s, kann sie was erspulen, An ihren Leib, an ihren Buhlen; Auch speist sie besser, trinkt noch mehr Mit der Sponsirer leidigem Heer; Das steigert mir des Goldes Reiz: Bin männlichen Geschlechts, der Geiz! Hauptweib Mit Drachen mag der Drache geitzen, Ist’s doch am Ende Lug und Trug! Er kommt die Männer aufzureizen, Sie sind schon unbequem genug. Weiber in Masse Der Strohmann! Reich ihm eine Schlappe! Was will das Marterholz uns dräun? Wir sollen seine Fratze scheun! Die Drachen sind von Holz und Pappe, Frisch an und dringt auf ihn hinein! Herold Bey meinem Stabe! Ruh gehalten! – Doch braucht es meiner Hülfe kaum, Seht wie die grimmen Ungestalten Bewegt im rasch gewonnenen Raum Das Doppel-Flügelpaar entfalten. Entrüstet schütteln sich der Drachen Umschuppte, feuerspeiende Rachen; Die Menge flieht, rein ist der Platz. Plutus steigt vom Wagen Herold Er tritt herab wie königlich! Er winkt, die Drachen rühren sich, Die Kiste haben sie vom Wagen Mit Gold und Geitz herangetragen, Sie steht zu seinen Füßen da: Ein Wunder ist es wie’s geschah. Plutus zum Lenker Nun bist du los der alzulästigen Schwere, Bist frey und frank, nun frisch zu deiner Sphäre! Hier ist sie nicht! Verworren, schäckig, wild Umdrängt uns hier ein frazzenhaft Gebild. Nur wo du klar ins holde Klare schaust, Dir angehörst und dir allein vertraust, Dorthin wo Schönes Gutes nur gefällt, Zur Einsamkeit! – Da schaffe deine Welt. Knabe Lenker So acht’ ich mich als werthen Abgesandten, So lieb’ ich dich als nächsten Anverwandten. Wo du verweilst ist Fülle, wo ich bin Fühlt jeder sich im herrlichsten Gewinn; Auch schwankt er oft im widersinnigen Leben: Soll er sich dir? soll er sich mir ergeben? Die deinen freylich können müssig ruhn, Doch wer mir folgt hat immer was zu thun. Nicht ins Geheim vollführ’ ich meine Thaten, Ich athme nur und schon bin ich verrathen. So lebe wohl! du, gönnst mir ja mein Glück, Doch lisple leis’ und gleich bin ich zurück. ab wie er kam Plutus Nun ist es Zeit die Schätze zu entfesseln! Die Schlösser treff’ ich mit des Herolds Ruthe. Es thut sich auf! schaut her! in ehrnen Kesseln Entwickelt sichs und wallt von goldnem Blute, Zunächst der Schmuck von Kronen, Ketten, Ringen; Es schwillt und droht ihn schmelzend zu verschlingen. Wechselgeschrey der Menge Seht hier, o hin! wie’s reichlich quillt Die Kiste bis zum Rande füllt. – Gefäße goldne schmelzen sich, Gemünzte Rollen wälzen sich. – Dukaten hüpfen wie geprägt, O wie mir das den Busen regt – Wie schau ich alle mein Begehr! Da kollern sie am Boden her. – Man bietet’s euch, benutzts nur gleich Und bückt euch nur und werdet reich. – Wir andern, rüstig wie der Blitz, Wir nehmen den Koffer in Besitz. Herold Was soll’s ihr Thoren? soll mir das? Es ist ja nur ein Maskenspas. Heut Abend wird nicht mehr begehrt; Glaubt ihr man geb euch Gold und Werth? Sind doch für euch in diesem Spiel Selbst Rechenpfennige zuviel. Ihr Täppischen! ein artiger Schein Soll gleich die plumpe Wahrheit seyn. Was soll euch Wahrheit? – dumpfen Wahn Packt ihr an allen Zipfeln an. – Vermumter Plutus, Maskenheld, Schlag dieses Volk mir aus dem Feld. Plutus Dein Stab ist wohl dazu bereit, Verleih’ ihn mir auf kurze Zeit. – Ich tauch’ ihn rasch in Sud und Glut. – Nun! Masken seyd auf eurer Hut. Wie’s blitzt und platzt, in Funken sprüht! Der Stab schon ist er angeglüht. Wer sich zu nah herangedrängt Ist unbarmherzig gleich versengt. – Jetzt fang’ ich meinen Umgang an. Geschrey und Gedräng O weh! Es ist um uns gethan. – Entfliehe wer entfliehen kann! – Zurück zurück du Hindermann! – Mir sprüht es heiß ins Angesicht. – Mich drückt des glühenden Stabs Gewicht – Verloren sind wir all und all. – Zurück zurück, du Maskenschwall! Zurück zurück, unsinniger Hauf – O hätt’ ich Flügel flög’ ich auf. – Plutus Schon ist der Kreis zurückgedrängt Und niemand glaub’ ich ist versengt Die Menge weicht; Sie ist verscheucht. – Doch solcher Ordnung Unterpfand Zieh’ ich ein unsichtbares Band. Herold Du hast ein herrlich Werk vollbracht, Wie dank’ ich deiner klugen Macht! Plutus Noch braucht es, edler Freund, Geduld; Es droht noch mancherley Tumult. Geiz So kann man doch, wenn es beliebt, Vergnüglich diesen Kreis beschauen; Denn immerfort sind vornen an die Frauen Wo’s was zu gaffen was zu naschen giebt. Noch bin ich nicht so völlig eingerostet: Ein schönes Weib ist immer schön; Und heute weil es mich nichts kostet, So wollen wir getrost sponsiren gehn. Doch weil am überfülltem Orte Nicht jedem Ohr vernehmlich alle Worte, Versuch’ ich klug und hoff’ es soll mir glücken, Mich pantomimisch deutlich auszudrücken. Hand, Fuß, Gebärde reicht mir da nicht hin, Da muß ich mich um einen Schwank bemühn. Wie feuchten Thon will ich das Gold behandeln, Denn dies Metall läßt sich in alles wandeln. Herold Was fängt der an der magre Thor! Hat so ein Hungermann Humor? Er knetet alles Gold zu Teig, Ihm wird es untern Händen weich, Wie er es drückt und wie es ballt Bleibt’s immer doch nur ungestalt. Er wendet sich zu den Weibern dort, Sie schreyen alle, möchten fort, Gebärden sich gar widerwärtig; Der Schalk erweist sich übelfertig. Ich fürchte daß er sich ergötzt Wenn er die Sittlichkeit verletzt. Dazu darf ich nicht schweigsam bleiben, Gieb meinen Stab, ihn zu vertreiben. Plutus Er ahnet nicht was uns von außen droht; Laß ihn die Narrentheidung treiben, Ihm wird kein Raum für seine Possen bleiben; Gesetz ist mächtig, mächtiger ist die Noth. Getümmel und Gesang Das wilde Heer es kommt zumal Von Bergeshöh’ und Waldes Thal, Unwiderstehlich schreitet’s an: Sie feyern ihren großen Pan. Sie wissen doch was keiner weis Und drängen in den leeren Kreis. Plutus Ich kenn’ euch wohl und euren großen Pan! Zusammen habt ihr kühnen Schritt gethan. Ich weis recht gut was nicht ein jeder weis, Und öffne schuldig diesen engen Kreis. Mag sie ein gut Geschick begleiten! Das Wunderlichste kann geschehn; Sie wissen nicht wohin sie schreiten, Sie haben sich nicht vorgesehn. Wildgesang Geputztes Volk du, Flitterschau! Sie kommen roh, sie kommen rauh, In hohem Sprung in raschem Lauf, Sie treten derb und tüchtig auf. Faunen Die Faunenschaar Im lustigen Tanz, Den Eichenkranz Im krausen Haar, Ein feines zugespitztes Ohr Dringt an dem Lockenkopf hervor, Ein stumpfes Näschen, ein breit Gesicht Das schadet alles bey Frauen nicht: Dem Faun wenn er die Patsche reicht Versagt die Schönste den Tanz nicht leicht. Satyr Der Satyr hüpft nun hinterdrein Mit Ziegenfuß und dürrem Bein, Ihm sollen sie mager und sehnig seyn. Und gemsenartig auf Bergeshöhn, Belustigt er sich umherzusehn. In Freyheitsluft erquickt alsdann Verhöhnt er Kind und Weib und Mann, Die tief in Thales Dampf und Rauch Behaglich meinen sie lebten auch, Da ihm doch rein und ungestört Die Welt dort oben allein gehört. Gnomen Da trippelt ein die kleine Schaar, Sie hält nicht gern sich Paar und Paar; Im moosigen Kleid mit Lämplein hell Bewegt sichs durcheinander schnell, Wo jedes für sich selber schafft, Wie Leuchtameisen wimmelhaft; Und wuselt emsig hin und her, Beschäftigt in die Kreuz und Quer. Den frommen Gütchen nah verwandt, Als Felschirurgen wohl bekannt; Die hohen Berge schröpfen wir, Aus vollen Adern schöpfen wir; Metalle stürzen wir zu Hauf, Mit Gruß getrost: Glück auf! Glück auf! Das ist von Grund aus wohlgemeynt: Wir sind der guten Menschen Freund. Doch bringen wir das Gold zu Tag Damit man stehlen und kuppeln mag, Nicht Eisen fehle dem stolzen Mann, Der allgemeinen Mord ersann. Und wer die drey Gebot veracht Sich auch nichts aus den andern macht. Das alles ist nicht unsre Schuld, Drum habt sofort wie wir Geduld. Riesen Die wilden Männer sind’s genannt, Am Harzgebirge wohl bekannt, Natürlich nackt in aller Kraft, Sie kommen sämtlich riesenhaft. Den Fichtenstamm in rechter Hand Und um den Leib ein wulstig Band, Den derbsten Schurz von Zweig und Blatt, Leibwache wie der Papst nicht hat. Nymphen im Chor sie umschließen den großen Pan. Auch kommt er an! – Das All der Welt Wird vorgestellt Im großen Pan. Ihr heitersten umgebet ihn, Im Gaukeltanz umschwebet ihn, Denn weil er ernst und gut dabey, So will er daß man fröhlich sey. Auch unterm blauen Wölbedach Verhielt er sich beständig wach, Doch rieseln ihm die Bäche zu, Und Lüftlein wiegen ihn mild in Ruh. Und wenn er zu Mittage schläft Sich nicht das Blatt am Zweige regt, Gesunder Pflanzen Balsamduft Erfüllt die schweigsam stille Luft, Die Nymphe darf nicht munter seyn Und wo sie stand da schläft sie ein. Wenn unerwartet mit Gewalt Dann aber seine Stimm erschallt, Wie Blitzes Knattern, Meergebraus, Dann niemand weis wo ein noch aus, Zerstreut sich tapfres Heer im Feld Und im Getümmel bebt der Held. So ehre dem, dem Ehre gebührt Und Heil ihm der uns hergeführt! Deputation der Gnomen an den großen Pan Wenn das glänzend reiche Gute Fadenweis durch Klüfte streicht, Nur der klugen Wünschelruthe Seine Labyrinthe zeigt, Wölben wir in dunklen Grüften Troglodytisch unser Haus, Und an reinen Tageslüften, Theilst du Schätze gnädig aus. Nun entdecken wir hieneben Eine Quelle wunderbar, Die bequem verspricht zu geben Was kaum zu erreichen war. Dies vermagst du zu vollenden, Nimm es Herr in deine Hut: Jeder Schatz in deinen Händen Kommt der ganzen Welt zu gut. Plutus zum Herold Wir müssen uns im hohen Sinne fassen Und was geschieht getrost geschehen lassen, Du bist ja sonst des stärksten Muthes voll. Nun wird sich gleich ein Gräulichstes eräugnen, Hartnäckig wird es Welt und Nachwelt läugnen: Du schreib’ es treulich in dein Protokoll. Herold den Stab anfassend, welchen Plutus in der Hand behält Die Zwerge führen den großen Pan Zur Feuerquelle sacht heran, Sie siedet auf vom tiefsten Schlund, Dann sinkt sie wieder hinab zum Grund, Und finster steht der offne Mund; Wallt wieder auf in Glut und Sud, Der große Pan steht wohlgemuth Freut sich des wundersamen Dings. Und Perlenschaum sprüht recht und links, Wie mag er solchen Wesen traun? Er bückt sich tief hinein zu schaun. – Nun aber fällt sein Bart hinein! – Wer mag das glatte Kinn wohl seyn? Die Hand verbirgt es unserm Blick. – Nun folgt ein großes Ungeschick Der Bart entflammt und fliegt zurück. Entzündet Kranz und Haupt und Brust, Zu Leiden wandelt sich die Lust. – Zu löschen läuft die Schaar herbey, Doch keiner bleibt von Flammen frey, Und wie es patscht und wie es schlägt Wird neues Flammen aufgeregt; Verflochten in das Element Ein ganzer Maskenklump verbrennt. Was aber hör’ ich wird uns kund Von Ohr zu Ohr, von Mund zu Mund! „O ewig unglückselge Nacht Was hast du uns für Leid gebracht! Verkünden wird der nächste Tag Was niemand willig hören mag; Doch hör’ ich aller Orten schreyn „Der Kaiser“ leidet solche Pein. O wäre doch ein andres wahr! Der Kaiser brennt und seine Schaar. Sie sey verflucht die ihn verführt, In harzig Reis sich eingeschnürt, Zu toben her mit Brüll-Gesang Zu allerseitigem Untergang. O Jugend Jugend wirst du nie Der Freude reines Maas bezirken? O Hoheit Hoheit wirst du nie Vernünftig wie allmächtig wirken? Schon geht der Wald in Flammen auf, Sie züngeln leckend spitz hinauf, Zum holzverschränkten Deckenband, Uns droht ein allgemeiner Brand. Des Jammers Maaß ist übervoll, Ich weis nicht wer uns retten soll. Ein Aschenhaufen einer Nacht Liegt morgen reiche Kaiserpracht. Plutus Schrecken ist genug verbreitet, Hülfe sey nun eingeleitet! – Schlage heilgen Stabs Gewalt, Daß der Boden bebt und schallt! Du geräumig weite Luft Fülle dich mit kühlem Duft; Zieht heran, umherzuschweifen, Nebeldünste, schwangre Streifen, Deckt ein flammendes Gewühl; Rieselt, säuselt, Wölkchen kräuselt, Schlüpfet wallend, leise dämpfet, Löschend überall bekämpfet, Ihr, die lindernden, die feuchten, Wandelt in ein Wetterleuchten Solcher eitlen Flamme Spiel. – Drohen Geister uns zu schädigen Soll sich die Magie bethätigen.
Lustgarten Morgensonne Der Kayser, Hofleute; Faust, Mephistopheles, anständig, nicht auffallend, nach Sitte gekleidet, beyde knieen. Faust Verzeihst du, Herr, das Flammengaukelspiel? Kayser zum Aufstehen winkend Ich wünsche mir dergleichen Scherze viel. – Auf einmal sah ich mich in glüh’nder Sphäre, Es schien mir fast als ob ich Pluto wäre. Aus Nacht und Kohlen lag ein Felsengrund, Von Flämmchen glühend. Dem und jenem Schlund Aufwirbelten viel tausend wilde Flammen Und flackerten in Ein Gewölb zusammen. Zum höchsten Dome züngelt’ es empor, Der immer ward und immer sich verlor. Durch fernen Raum gewundner Feuersäulen Sah ich bewegt der Völker lange Zeilen, Sie drängten sich im weiten Kreis heran Und huldigten, wie sie es stets gethan. Von meinem Hof’ erkannt’ ich ein und andern, Ich schien ein Fürst von tausend Salamandern. Mephistopheles Das bist du, Herr! weil jedes Element Die Majestät als unbedingt erkennt. Gehorsam Feuer hast du nun erprobt; Wirf dich ins Meer wo es am wildsten tobt, Und kaum betritst du perlenreichen Grund, So bildet wallend sich ein herrlich Rund; Siehst auf und ab lichtgrüne schwanke Wellen, Mit Purpursaum, zur schönsten Wohnung schwellen, Um dich, den Mittelpunct. Bey jedem Schritt, Wohin du gehst, gehn die Palläste mit. Die Wände selbst erfreuen sich des Lebens, Pfeilschnellen Wimmlens, Hin- und Widerstrebens. Meerwunder drängen sich zum neuen milden Schein, Sie schießen an, und keines darf herein. Da spielen farbig goldbeschuppte Drachen, Der Hayfisch klafft, du lachst ihm in den Rachen. Wie sich auch jetzt der Hof um dich entzückt, Hast du doch nie ein solch Gedräng’ erblickt. Doch bleibst du nicht vom Lieblichsten geschieden: Es nahen sich neugierige Nereiden Der prächtigen Wohnung in der ewigen Frische, Die jüngsten scheu und lüstern wie die Fische, Die spätern klug. Schon wird es Thetis kund, Dem zweyten Peleus reicht sie Hand und Mund. – Den Sitz alsdann auf des Olymps Revier ... Kaiser Die luft’gen Räume die erlaß’ ich dir: Noch früh genug besteigt man jenen Thron. Mephistopheles Und, höchster Herr! die Erde hast du schon. Kaiser Welch gut Geschick hat dich hieher gebracht? Unmittelbar aus Tausend Einer Nacht. Gleichst du an Fruchtbarkeit Scheherazaden, Versichre ich dich der höchsten aller Gnaden. Sey stets bereit, wenn eure Tageswelt, Wie’s oft geschieht, mir widerlichst mißfällt. Marschalk tritt eilig auf Durchlauchtigster, ich dacht’ in meinem Leben Vom schönsten Glück Verkündung nicht zu geben Als diese, die mich hoch beglückt, In deiner Gegenwart entzückt. Rechnung für Rechnung ist berichtigt, Die Wucherklauen sind beschwichtigt, Los bin ich solcher Höllenpein; Im Himmel kanns nicht heitrer seyn. Heermeister folgt eilig Abschläglich ist der Sold entrichtet, Das ganze Heer aufs neu verpflichtet, Der Lanzknecht fühlt sich frisches Blut, Und Wirth und Dirnen habens gut. Kaiser Wie athmet eure Brust erweitert! Das faltige Gesicht erheitert! Wie eilig tretet ihr heran! Schatzmeister der sich einfindet Befrage diese die das Werk gethan. Faust Dem Canzler ziemts die Sache vorzutragen. Canzler der langsam herankommt Beglückt genug in meinen alten Tagen. – So hört und schaut das schicksalschwere Blatt, Das alles Weh in Wohl verwandelt hat. er liest. „Zu wissen sey es jedem ders begehrt: Der Zettel hier ist tausend Kronen werth. Ihm liegt gesichert als gewisses Pfand Unzahl vergrabnen Guts im Kaiserland. Nun ist gesorgt damit der reiche Schatz, Sogleich gehoben, diene zum Ersatz.“ Kaiser Ich ahne Frevel, ungeheuren Trug! Wer fälschte hier des Kaisers Namenszug? Ist solch Verbrechen ungestraft geblieben? Schatzmeister Erinnre dich! hast selbst es unterschrieben; Erst heute Nacht. Du standst als großer Pan, Der Kanzler sprach mit uns zu dir heran: „Gewähre dir das hohe Festvergnügen, Des Volkes Heil, mit wenig Federzügen.“ Du zogst sie rein, dann wards in dieser Nacht Durch Tausendkünstler schnell vertausendfacht. Damit die Wohlthat allen gleich gedeihe So stempelten wir gleich die ganze Reihe, Zehn, dreyßig, Funfzig, hundert sind parat. Ihr denkt euch nicht wie wohl’s dem Volke that. Seht eure Stadt, sonst halb im Tod verschimmelt, Wie alles lebt und lustgenießend wimmelt! Obschon dein Name längst die Welt beglückt, Man hat ihn nie so freundlich angeblickt. Das Alphabet ist nun erst überzählig In diesem Zeichen wird nun jeder selig. Kaiser Und meinen Leuten gilts für gutes Gold? Dem Heer, dem Hofe gnügts zu vollem Sold? So sehr michs wundert muß ichs gelten lassen. Marschalck Unmöglich wär’s die Flüchtigen einzufassen; Mit Blitzeswink zerstreute sichs im Lauf. Die Wechsler-Bänke stehen sperrig auf, Man honorirt daselbst ein jedes Blatt Durch Gold und Silber, freylich mit Rabat. Nun gehts von da zum Fleischer, Bäcker, Schenken; Die halbe Welt scheint nur an Schmaus zu denken, Wenn sich die andre neu in Kleidern bläht. Der Krämer schneidet aus, der Schneider näht. Bey: „hoch dem Kaiser!“ sprudelts in den Kellern, Dort kochts und bräts und klappert mit den Tellern. Mephistofeles Wer die Terrassen einsam abspaziert Gewahrt die Schönste, herrlich aufgeziert. Ein Aug’ verdeckt vom stolzen Pfauenwedel, Sie schmunzelt uns und blickt nach solcher Schedel; Und hurt’ger als durch Witz und Redekunst Vermittelt sich die reichste Liebesgunst. Man wird sich nicht mit Börs’ und Beutel plagen, Ein Blättchen ist im Busen leicht zu tragen, Mit Liebesbrieflein paarts bequem sich hier. – Der Priester trägts andächtig im Brevier, Und der Soldat, um rascher sich zu wenden, Erleichtert schnell den Gürtel seiner Lenden. Die Majestät verzeihe wenn ins Kleine Das hohe Werk ich zu erniedern scheine. Faust Das Übermaas der Schätze, das, erstarrt, In deinen Landen tief im Boden harrt, Liegt ungenutzt. Der weiteste Gedanke Ist solches Reichthums kümmerlichste Schranke, Die Phantasie, in ihrem höchsten Flug, Sie strengt sich an und thut sich nie genug. Doch fassen Geister, würdig tief zu schauen, Zum Gränzenlosen gränzenlos Vertrauen. Mephistopheles Ein solch Papier, an Gold und Perlen statt, Ist so bequem, man weis doch was man hat, Man braucht nicht erst zu markten noch zu tauschen, Kann sich nach Lust in Lieb und Wein berauschen, Will man Metall, ein Wechsler ist bereit, Und fehlt es da, so gräbt man eine Zeit. Pokal und Kette wird verauctionirt, Undas Papier, sogleich amortisirt, Beschämt den Zweifler der uns frech verhöhnt. Man will nichts anders, ist daran gewöhnt. So bleibt von nun an allen Kaiser Landen An Kleinod, Gold, Papier genug vorhanden. Kaiser Das hohe Wohl verdankt euch unser Reich, Wo möglich sey der Lohn dem Dienste gleich. Vertraut sey euch des Reiches inrer Boden, Ihr seyd der Schätze würdigste Custoden. Ihr kennt den weiten wohlverwahrten Hort, Und wenn man gräbt so sey’s auf euer Wort. Vereint euch nun ihr Meister unsres Schatzes, Erfüllt mit Lust die Würden eures Platzes, Wo mit der obern- sich die Unterwelt, In Einigkeit beglückt, zusammenstellt. Schatzmeister Soll zwischen uns kein fernster Zwist sich regen, Ich liebe mir den Zaubrer zum Collegen. ab mit Faust Kaiser Beschenk ich nun bey Hofe Mann für Mann, Gesteh er mir wozu er’s brauchen kann. Page empfangend Ich lebe lustig, heiter, guter Dinge. Ein Andrer gleichfalls Ich schaffe gleich dem Liebchen Kett und Ringe. Cämmerer annehmend Von nun an trink ich doppelt bessre Flasche Ein Andrer gleichfalls Die Würfel jucken mich schon in der Tasche. Bannerherr mit Bedacht Mein Schloß und Feld ich mach’ es schuldenfrey, Ein Andrer gleichfals Es ist ein Schatz, den leg ich Schätzen bey. Kaiser Ich hoffte Lust und Muth zu neuen Thaten; Doch wer euch kennt, der wird euch leicht errathen. Ich merk’ es wohl, bey aller Schätze Flor Wie ihr gewesen bleibt ihr nach wie vor. Narr Ihr spendet Gnaden, gönnt auch mir davon. Kaiser Und lebst du wieder, du vertrinkst sie schon. Narr Die Zauber-Blätter! ich verstehs nicht recht. Kaiser Das glaub ich wohl, denn du gebrauchst sie schlecht. Narr Da fallen andere, weiß nicht was ich thu. Kaiser Nimm sie nur hin, sie fielen dir ja zu. ab Narr Fünf tausend Kronen wären mir zu Handen! Mephistopheles Zweibeiniger Schlauch bist wieder auferstanden? Narr Geschieht mir oft, doch nicht so gut als jetzt. Mephistopheles Du freust dich so daß dichs in Schweiß versetzt. Narr Da seht nur her ist das wohl Geldes werth? Mephistopheles Du hast dafür was Schlund und Bauch begehrt. Narr Und kaufen kann ich Acker, Haus und Vieh? Mephistopheles Versteht sich! biete nur, das fehlt dir nie. Narr Und Schloß, mit Wald und Jagd und Fischbach? Mephistopheles Traun! Ich möchte dich gestrengen Herrn wohl schaun! Narr Heut Abend wieg ich mich im Grundbesitz! – ab Mephistopheles solus Wer zweifelt noch an unsres Narren Witz.
Finstere Gallerie Faust. Mephistopheles Mephistopheles Was ziehst du mich in diese düstern Gänge? Ist nicht da drinnen Lust genug, Im dichten, bunten Hofgedränge Gelegenheit zu Spas und Trug? Faust Sag mir das nicht, du hast’s in alten Tagen Längst an den Solen abgetragen; Doch jetzt, dein Hin- und Wiedergehn Ist nur um mir nicht Wort zu stehn. Ich aber bin gequält zu thun, Der Marschalk und der Kämmrer treibt mich nun. Der Kaiser will, es muß sogleich geschehn, Will Helena und Paris vor sich sehn; Das Musterbild der Männer, so der Frauen, In deutlichen Gestalten will er schauen. Geschwind ans Werk ich darf mein Wort nicht brechen. Mephistopheles Unsinnig war’s leichtsinnig zu versprechen. Faust Du hast, Geselle, nicht bedacht Wohin uns deine Künste führen; Erst haben wir ihn reich gemacht, Nun sollen wir ihn amüsiren. Mephistopheles Du wähnst es füge sich sogleich; Hier stehen wir vor steilern Stufen, Greifst in ein fremdestes Bereich, Machst frevelhaft am Ende neue Schulden, Denkst Helenen so leicht hervorzurufen Wie das Papiergespenst der Gulden. – Mit Hexen-Fexen, mit Gespenst-Gespinnsten, Kielkröpfigen Zwergen steh ich gleich zu Diensten; Doch Teufels-Liebchen, wenn auch nicht zu schelten, Sie können nicht für Heroinen gelten. Faust Da haben wir den alten Leyerton! Bey dir geräth man stets ins Ungewisse. Der Vater bist du aller Hindernisse, Für jedes Mittel willst du neuen Lohn. Mit wenig Murmeln, weiß ich, ist’s gethan, Wie man sich umschaut bringst du sie zur Stelle. Mephistopheles Das Haidenvolk geht mich nicht an, Es haust in seiner eignen Hölle; Doch giebts ein Mittel. Faust Sprich, und ohne Säumniß, Mephistopheles Ungern entdeck’ ich höheres Geheimniß. – Göttinnen thronen hehr in Einsamkeit, Um sie kein Ort noch weniger eine Zeit, Von ihnen sprechen ist Verlegenheit. Die Mütter sind es! Faust aufgeschreckt Mütter! Mephistopheles Schauderts dich? Faust Die Mütter! – Mütter! – ’s klingt so wunderlich. Mephistopheles Das ist es auch. Göttinnen, ungekannt Euch Sterblichen, von uns nicht gern genannt. Nach ihrer Wohnung magst ins Tiefste schürfen; Du selbst bist Schuld daß ihrer wir bedürfen. Faust Wohin der Weg? Mephistopheles Kein Weg! Ins Unbetretene, Nich zu Betretende; ein Weg ans Unerbetene Nicht zu Erbittende. Bist du bereit? – Nicht Schlösser sind, nicht Riegel wegzuschieben, Von Einsamkeiten wirst umhergetrieben. Hast du Begriff von Öd’ und Einsamkeit? Faust Du spartest dächt’ ich solche Sprüche, Hier wittert’s nach der Hexenküche, Nach einer längst vergangnen Zeit. Mußt’ ich nicht mit der Welt verkehren, Das Leere lernen, Leeres lehren? – Sprach ich vernünftig wie ichs angeschaut, Erklang der Widerspruch gedoppelt laut; Mußt ich sogar vor widerwärtigen Streichen Zur Einsamkeit, zur Wilderniß entweichen, Und um nicht ganz versäumt, allein zu leben Mich doch zuletzt dem Teufel übergeben. Mephistopheles Und hättest du den Ocean durchschwommen Das Gränzenlose dort geschaut, So sähst du dort doch Well auf Welle kommen, Selbst wenn es dir vorm Untergange graut. Du sähst doch etwas. Sähst wohl in der Grüne Gestillter Meere streichende Delphine, Sähst Wolken ziehen, Sonne, Mond und Sterne; Nichts wirst du sehn in ewig leerer Ferne, Den Schritt nicht hören den du thust, Nichts Festes finden wo du ruhst. Faust Du sprichst als erster aller Mystagogen, Die treue Neophyten je betrogen; Nur umgekehrt. Du sendest mich ins Leere, Damit ich dort so Kunst als Kraft vermehre. Behandelst mich, daß ich, wie jene Katze, Dir die Kastanien aus den Gluten kratze. Nur immer zu! wir wollen es ergründen, In deinem Nichts hoff ich das All zu finden. Mephistopheles Ich rühme dich eh du dich von mir trennst, Und sehe wohl daß du den Teufel kennst; Hier diesen Schlüssel nimm. Faust Das kleine Ding! Mephistopheles Erst faß’ ihn an und schätz’ ihn nicht gering. Faust Er wächst in meiner Hand! er leuchtet, blitzt! Mephistopheles Merkst du nun bald was man an ihm besitzt? Der Schlüssel wird die rechte Stelle wittern, Folg ihm hinab, er führt dich zu den Müttern. Faust schaudernd Den Müttern! Trifft’s mich immer wie ein Schlag! Was ist das Wort das ich nicht hören mag? Mephistopheles Bist du beschränkt daß neues Wort dich stört? Willst du nur hören was du schon gehört? Dich störe nichts wie es auch weiter klinge, Schon längst gewohnt der wunderbarsten Dinge. Faust Doch im Erstarren such ich nicht mein Heil, Das Schaudern ist der Menschheit bestes Theil; Wie auch die Welt ihm das Gefühl vertheure, Ergriffen, fühlt er tief das Ungeheure. Mephistopheles Versinke denn! Ich könnt auch sagen: steige! ’S ist einerley. Entfliehe dem Entstandnen, In der Gebilde losgebundne Räume, Ergötze dich am längst nicht mehr Vorhandnen, Wie Wolkenzüge schlingt sich das Getreibe, Den Schlüssel schwinge, halte sie vom Leibe. Faust begeistert Wohl! fest ihn faßend fühl’ ich neue Stärke, Die Brust erweitert hin zum großen Werke Mephistopheles Ein glühnder Dreyfuß thut dir endlich kund Du seyst im tiefsten, allertiefsten Grund. Bey seinem Schein wirst du die Mütter sehn, Die einen sitzen, andre stehn und gehn, Wie’s eben kommt. Gestaltung, Umgestaltung, Des ewigen Sinnes ewige Unterhaltung, Umschwebt von Bildern aller Creatur. Sie sehn dich nicht, denn Schemen sehn sie nur. Da faß ein Herz, denn die Gefahr ist groß, Und gehe grad auf jenen Dreyfuß loß, Berühr ihn mit dem Schlüssel! Faust macht eine entschieden gebietende Attitüde mit dem Schlüssel. Mephistopheles ihn betrachtend So ists recht!.... Er schließt sich an, er folgt als treuer Knecht, Gelassen steigst du, dich erhebt das Glück, Und eh sie’s merken bist mit ihm zurück. Und hast du ihn einmal hierher gebracht, So rufst du Held und Heldin aus der Nacht, Der erste der sich jener That erdreistet; Sie ist gethan und du hast es geleistet, Dann muß fortan, nach magischem Behandeln, Der Weyrauchsnebel sich in Götter wandeln. Faust Und nun was jetzt? Mephistopheles Dein Wesen strebe nieder, Versincke stampfend, stampfend steigst du wieder. Faust stampft und versinkt Mephistopheles Wenn ihm der Schlüssel nur zum besten frommt! Neugierig bin ich ob er wieder kommt?
Hell erleuchtete Säale Kaiser und Fürsten, Hof in Bewegung Kämerer zu Mephistopheles Ihr seyd uns noch die Geisterscene schuldig; Macht euch daran! der Herr ist ungeduldig. Marschall So eben fragt der Gnädigste darnach; Ihr! zaudert nicht der Majestät zur Schmach. Mephistopheles Ist mein Cumpan doch deshalb weggegangen, Er weiß schon wie es anzufangen, Und laborirt verschlossen still, Muß ganz besonders sich befleißen; Denn wer den Schatz, das Schöne, heben will Bedarf der Höchsten Kunst, Magie der Weisen. Marschall Was ihr für Künste braucht ist einerley, Der Kaiser will daß alles fertig sey. Blondine Ein Wort, mein Herr! Ihr seht ein klar Gesicht, Jedoch so ist’s im leidigen Sommer nicht! Da sprossen hundert bräunlich rothe Flecken, Die zum Verdruß die weiße Haut bedecken. Ein Mittel! Mephistopheles Schade! So ein leuchtend Schätzchen, Im May getupft wie euere Pantherkätzchen. Nehmt Froschleich, Krötenzungen, kohobirt, Im vollsten Mondlicht sorglich distillirt; Und, wenn er abnimmt, reinlich aufgestrichen, Der Frühling kommt, die Tupfen sind entwichen. Braune Die Menge drängt heran euch zu umschranzen. Ich bitt’ um Mittel! Ein erfrorner Fuß Verhindert mich am Wandeln wie am Tanzen, Selbst ungeschickt beweg ich mich zum Gruß. Mephistopheles Erlaubet einen Tritt von meinem Fuß. Braune Nun das geschieht wohl unter Liebesleuten. Mephistopheles Mein Fußtritt, Kind! hat Größres zu bedeuten. Zu Gleichem Gleiches; was auch einer litt; Fuß heilet Fuß, so ists mit allen Gliedern. Heran! Gebt acht! Ihr sollt es nicht erwiedern. Braune schreiend Weh! Weh! das brennt! das war ein harter Tritt, Wie Pferdehuf! Mephistopheles Die Heilung nehmt ihr mit. Du kannst nunmehr den Tanz nach Lust verüben, Bey Tafel schwelgend füßle mit dem Lieben. Dame herandringend Laßt mich hindurch! zu groß sind meine Schmerzen, Sie wühlen siedend mir im tiefsten Herzen. Bis gestern sucht Er Heil in meinen Blicken, Er schwatzt mit ihr und wendet mir den Rücken. Mephistopheles Bedenklich ist es, aber höre mich. An ihn heran mußt du dich leise drücken, Nimm diese Kohle, streich ihm einen Strich Auf Ermel, Mantel, Schulter wie sichs macht; Er fühlt im Herzen holden Reuestich. Die Kohle doch mußt du sogleich verschlingen, Nicht Wein, nicht Wasser an die Lippen bringen; Er seufzt vor deiner Thüre heute Nacht. Dame Ist doch kein Gift? Mephistopheles entrüstet Respect wo sichs gebührt! Weit müßtet ihr nach solcher Kohle laufen; Sie kommt von einem Scheiterhaufen Den wir sonst emsiger angeschürt. Mephistopheles Ich weis nicht mehr wohin ich hören soll Page Ich bin verliebt, man hält mich nicht für voll. Mephistopheles Müßt euer Glück nicht auf die jüngste setzen. Die Angejahrten wissen euch zu schätzen. – Schon wieder Neue! Welch ein harter Strauß! Ich helfe mir zuletzt mit Wahrheit aus; Der schlechteste Behelf! Die Noth ist groß. – O Mütter, Mütter! Laßt nur Fausten los! umherschauend Die Lichter brennen trübe schon im Saal, Der ganze Hof bewegt sich auf einmal. Anständig seh’ ich sie in Folge ziehn, Durch lange Gänge, ferne Galerien. Nun! sie versammeln sich im weiten Raum Des alten Rittersaals, er faßt sie kaum. Auf breite Wände Teppiche spendirt, Mit Rüstung Eck und Nischen ausgeziert. Hier braucht es, dächt’ ich, keine Zauberworte; Die Geister finden sich von selbst zum Orte.
Rittersaal Dammernde Beleuchtung, Kaiser und Hof, sind eingezogen Herold Mein alt Geschäft, das Schauspiel anzukünden, Verkümmert mir der Geister heimlich Walten; Vergebens wagt man aus verständigen Gründen, Sich zu erklären das verworrene Schalten. Die Sessel sind, die Stühle schon zur Hand; Den Kaiser setzt man grade vor die Wand; Auf den Tapeten mag er da die Schlachten Der großen Zeit beqeumlichstens betrachten. Hier sitzt nun alles, Herr und Hof im Runde, Die Bäncke drängen sich im Hintergrunde; Auch Liebchen hat, in düstern Geisterstunden, Zur Seite Liebchens lieblich Raum gefunden. Und so, da alle schicklich Platz genommen, Sind wir bereit, die Geister mögen kommen! Posaunen Astrolog Beginne gleich das Drama seinen Lauf, Der Herr befiehlts, ihr Wände thut euch auf! Nichts hindert mehr, hier ist Magie zur Hand, Die Tepp’che schwinden, wie gerollt vom Brand; Die Mauer spaltet sich, sie kehrt sich um, Ein tief Theater scheint sich aufzustellen, Geheimnißvoll ein Schein uns zu erhellen, Und ich besteige das Proscenium. Mephistopheles aus dem Soufleurloche auftauchend Von hier aus hoff’ ich allgemeine Gunst, Einbläsereyen sind des Teufels Redekunst. zum Astrologen Du kennst den Tackt in dem die Sterne gehn, Und wirst mein Flüstern meisterlich verstehn. Astrolog Durch Wunderkraft erscheint alhier zur Schau, Massiv genug, ein alter Tempelbau. Dem Atlas gleich der einst den Himmel trug, Steh’n, reihenweis, der Säulen hier genug; Sie mögen wohl der Felsenlast genügen, Da zweye schon ein groß Gebäude trügen. Architekt Das wär antik! ich wüßt’ es nicht zu preisen, Es sollte plump und überlästig heißen. Roh nennt man edel, unbehülflich groß. Schmal-Pfeiler lieb’ ich, strebend, gränzenlos; Spitzbögiger Zenith erhebt den Geist; Solch ein Gebäu erbaut uns allermeist. Astrolog Empfangt mit Ehrfurcht sterngegönnte Stunden; Durch magisch Wort sey die Vernunft gebunden; Dagegen weitheran bewege frey Sich herrliche verwegne Phantasey. Mit Augen schaut nun was ihr kühn begehrt, Unmöglich ist’s, drum eben glaubenswerth. Faust steigt auf der andern Seite des Prosceniums herauf. Astrolog Im Priesterkleid, bekränzt, ein Wundermann, Der nun vollbringt was er getrost begann. Ein Dreyfuß steigt mit ihm aus hohler Gruft, Schon ahn’ ich aus der Schaale Weihrauchduft. Er rüstet sich das hohe Werk zu segnen, Es kann fortan nur glückliches begegnen. Faust großartig In eurem Namen, Mütter, die ihr thront Im Gränzenlosen, ewig einsam wohnt, Und doch gesellig. Euer Haupt umschweben Des Lebens Bilder, regsam, ohne Leben. Was einmal war, in allem Glanz und Schein, Es regt sich dort; denn es will ewig seyn. Und ihr vertheilt es, allgewaltige Mächte, Zum Zelt des Tages, zum Gewölb der Nächte. Die einen faßt des Lebens holder Lauf, Die andern sucht der kühne Magier auf; In reicher Spende läßt er, voll Vertrauen, Was jeder wünscht, das Wunderwürdige schauen. Astrolog Der glühnde Schlüssel rührt die Schaale kaum, Ein dunstiger Nebel deckt sogleich den Raum. Er schleicht sich ein, er wogt nach Wolkenart, Gedehnt, geballt, verschränkt, getheilt, gepaart. Und nun erkennt ein Geister-Meister Stück! So wie sie wandeln machen sie Musick. Aus luftgen Tönen quillt ein Weisnichtwie, Indem sie ziehn wird alles Melodie. Der Saulenschaft, auch die Triglyphe klingt, Ich glaube gar der ganze Tempel singt. Das Dunstige senkt sich; aus dem leichten Flor Ein schöner Jüngling tritt im Tackt hervor. Hier schweigt mein Amt, ich brauch ihn nicht zu nennen, Wer sollte nicht den holden Paris kennen! Dame O! welch ein Glanz aufblühender Jugendkraft! Zweyte Wie eine Pfirsche frisch und voller Saft! Dritte Die fein gezogenen, süß geschwollnen Lippen! Vierte Du möchtest wohl an solchem Becher nippen? Fünfte Er ist gar hübsch, wenn auch nicht eben fein. Sechste Ein bischen könnt’ er doch gewandter seyn. Ritter Den Schäferknecht glaub ich alhier zu spüren, Vom Prinzen nichts und nichts von Hofmanieren. Andrer Eh nun! halb nackt ist wohl der Junge schön, Doch müßten wir ihn erst im Harnisch sehn! Dame Er setzt sich nieder, weichlich, angenehm. Ritter Auf seinem Schoose wär’ euch wohl bequem? Andre Er lehnt den Arm so zierlich übers Haupt. Kämmrer Die Flegeley! Das find’ ich unerlaubt! Dame Ihr Herren wißt an allem was zu mäkeln. Derselbe In Kaisers Gegenwart sich hinzuräckeln! Dame Er stellts nur vor! Er glaubt sich ganz allein. Derselbe Das Schauspiel selbst, hier sollt es höflich seyn. Dame Sanft hat der Schlaf den Holden übernommen. Derselbe Er schnarcht nun gleich, natürlich ist’s, vollkommen! Junge Dame entzückt Zum Weyrauchsdampf was duftet so gemischt? Das mir das Herz zum Innigsten erfrischt. Ältere Fürwahr! Es dringt ein Hauch tief ins Gemüthe, Er kommt von ihm! Älteste Es ist des Wachsthums Blüte. Im Jüngling als Ambrosia bereitet, Und atmosphärisch rings umher verbreitet. Helena tritt auf Mephistopheles Das wär’ sie denn! Vor dieser hätt’ ich Ruh; Hübsch ist sie wohl, doch sagt sie mir nicht zu. Astrolog Für mich ist diesmal weiter nichts zu thun, Als Ehrenmann gesteh, bekenn ich’s nun. Die Schöne kommt, und hätt’ ich Feuerzungen! Von Schönheit ward von jeher viel gesungen; Wem sie erscheint wird aus sich selbst entrückt, Wem sie gehörte ward zu hoch beglückt. Faust Hab ich noch Augen? Zeigt sich tief im Sinn Der Schönheit Quelle reichlichstens ergossen? Mein Schreckensgang bringt seligsten Gewinn, Wie war die Welt mir nichtig, unerschlossen! Was ist sie nun seit meiner Priesterschaft? Erst wünschenswerth, gegründet, dauerhaft! Verschwinde mir des Lebens Athemkraft, Wenn ich mich je von Dir zurückgewöhne! – Die Wohlgestalt die mich voreinst entzückte, In Zauberspiegelung beglückte, War nur ein Schaumbild solcher Schöne! – Du bist’s der ich die Regung aller Kraft, Den Inbegriff der Leidenschaft, Dir Neigung, Lieb, Anbetung, Wahnsinn zolle. Mephistopheles aus dem Kasten So faßt euch doch, und fallt nicht aus der Rolle! Ältere Dame Groß, wohlgestaltet, nur der Kopf zu klein. Jüngere Seht nur den Fuß! Wie könnt’ er plumper seyn! Diplomat Fürstinnen hab ich dieser Art gesehn, Mich däucht sie ist vom Kopf zum Fuße schön. Hofmann Sie nähert sich dem Schläfer listig mild. Dame Wie häßlich neben jugendreinem Bild! Poet Von ihrer Schönheit ist er angestrahlt. Dame Endymion und Luna! wie gemahlt! Derselbe Ganz recht! Die Göttin scheint herabzusinken, Sie neigt sich über, seinen Hauch zu trinken; Beneidenswerth! – Ein Kuß! – Das Maas ist voll. Duena Vor allen Leuten! Das ist doch zu toll! Faust Furchtbare Gunst dem Knaben! – Mephistopheles Ruhig! still! Laß das Gespenst doch machen was es will. Hofmann Sie schleicht sich weg, leichtfüßig; er erwacht. Dame Sie sieht sich um! Das hab’ ich wohl gedacht. Hofmann Er staunt! Ein Wunder ist’s was ihm geschieht. Dame Ihr ist kein Wunder was sie vor sich sieht. Hofmann Mit Anstand kehrt sie sich zu ihm herum. Dame Ich merke schon sie nimmt ihn in die Lehre; In solchem Fall sind alle Männer dumm, Er glaubt wohl auch daß er der erste wäre. Ritter Laßt mir sie gelten! Majestätisch fein! – Dame Die Buhlerin! Das nenn’ ich doch gemein! Page Ich möchte wohl an seiner Stelle seyn! Hofmann Wer würde nicht in solchem Netz gefangen? Dame Das Kleinod ist durch manche Hand gegangen, Auch die Verguldung ziemlich abgebraucht. Andre Vom zehnten Jahr an hat sie nichts getaugt. Ritter Gelegentlich nimmt jeder sich das Beste; Ich hielte mich an diese schönen Reste. Gelahrter Ich seh’ sie deutlich, doch gesteh’ ich frey, Zu zweiflen ist, ob sie die Rechte sey. Die Gegenwart verführt ins Übertriebne, Ich halte mich vor allem ans Geschriebne. Da les’ ich denn: sie habe wirklich allen Graubärten Trojas sonderlich gefallen; Und, wie mich dünkt, vollkommen paßt das hier, Ich bin nicht jung und doch gefällt sie mir. Astrolog Nicht Knabe mehr! Ein kühner Heldenmann Umfaßt er sie, die kaum sich wehren kann. Gestärkten Arms hebt er sie hoch empor, Entführt er sie wohl gar? Faust Verwegner Thor! Du wagst! Du hörst nicht! halt! das ist zu viel! Mephistopheles Machst du’s doch selbst das Frazzengeisterspiel! Astrolog Nur noch ein Wort! Nach allem was geschah Nenn ich das Stück: den Raub der Helena. Faust Was Raub! Bin ich für nichts an dieser Stelle! Ist dieser Schlüssel nicht in meiner Hand! Er führte mich, durch Graus und Wog’ und Welle Der Einsamkeiten, her zum festen Stand. Hier faß ich Fuß! Hier sind es Wirklichkeiten, Von hieraus darf der Geist mit Geistern streiten, Das Doppelreich, das große, sich bereiten. So fern sie war, wie kann sie näher seyn. Ich rette sie und sie ist doppelt mein. Gewagt! Ihr Mütter! Mütter müßt’s gewähren. Wer sie erkannt der darf sie nicht entbehren. Astrolog Was thust du Fauste! Fauste! – Mit Gewalt Faßt er sie an, schon trübt sich die Gestalt. Den Schlüssel kehrt er nach dem Jüngling zu, Berührt ihn! – Weh uns, Wehe! Nu! im Nu! Explosion, Faust liegt am Boden. Die Geister gehen in Dunst auf. Mephistopheles der Fausten auf die Schulter nimmt Da habt ihr’s nun! Mit Narren sich beladen, Das kommt zuletzt dem Teufel selbst zu Schaden. Finsterniß, Tummult
Zweyter Act
Hochgewölbtes, enges, gothisches Zimmer,ehemals Faustens, unverändert Mephistopheles hinter einem Vorhang hervortretend. Indem er ihn aufhebt und zurücksieht erblickt man Fausten hingestreckt auf einem altväterischen Bette. Hier lieg’ Unseliger! verführt Zu schwergelöstem Liebesbande! Wen Helena paralysirt Der kommt so leicht nicht zu Verstande. sich umschauend Blick’ ich hinauf, hierher, hinüber, Allunverändert ist es, unversehrt; Die bunten Scheiben sind, so dünkt mich, trüber, Die Spinneweben haben sich vermehrt; Die Dinte starrt, vergilbt ist das Papier; Doch alles ist am Platz geblieben; Sogar die Feder liegt noch hier, Mit welcher Faust dem Teufel sich verschrieben. Ja! tiefer in dem Rohre stockt Ein Tröpflein Blut, wie ich’s ihm abgelockt. Zu einem solchen einzigen Stück Wünscht’ ich dem größten Sammler Glück. Auch hängt der alte Pelz am alten Hacken, Erinnert mich an jene Schnacken Wie ich den Knaben einst belehrt, Woran er noch vielleicht als Jüngling zehrt. Es kommt mir wahrlich das Gelüsten, Rauchwarme Hülle, dir vereint, Mich als Docent noch einmal zu erbrüsten, Wie man so völlig recht zu haben meynt. Gelehrte wissens zu erlangen, Dem Teufel ist es längst vergangen. er schüttelt den herabgenommenen Pelz, Cicaden, Käfer und Farfarellen fahren heraus. Chor der Insecten Willkommen! willkommen Du alter Patron, Wir schweben und summen Und kennen dich schon. Nur einzeln im Stillen Du hast uns gepflanzt, Zu Tausenden kommen wir Vater getanzt. Der Schalk in dem Busen Verbirgt sich so sehr, Vom Pelze die Läuschen Enthüllen sich ehr. Mephistopheles Wie überraschend mich die junge Schöpfung freut! Man säe nur, man erndtet mit der Zeit. Ich schüttle noch einmal den alten Flaus, Noch eines flattert hier und dort hinaus. – Hinauf! umher! in hunderttausend Ecken Eilt euch ihr Liebchen zu verstecken. Dort wo die alten Schachteln stehn, Hier im bebräunten Pergemen, In staubigen Scherben alter Töpfe, Dem Hohlaug’ jener Todtenköpfe. In solchem Wust und Moderleben Muß es für ewig Grillen geben. schlüpft in den Pelz Komm decke mir die Schultern noch einmal, Heut bin ich wieder Prinzipal. Doch hilft es nichts mich so zu nennen, Wo sind die Leute die mich anerkennen! er zieht die Glocke die einen gellenden, durchdringenden Ton erschallen läßt; wovon die Hallen erbeben und die Thüren aufspringen. Famulus den langen finstern Gang herwankend Welch ein Tönen! welch ein Schauer! Treppe schwankt, es bebt die Mauer; Durch der Fenster buntes Zittern, Seh ich wetterleuchtend Wittern. Springt das Estrich, und von Oben Rieselt Kalk und Schutt verschoben. Und die Thüre, fest verriegelt, Ist durch Wunderkraft entsiegelt. – Dort! Wie fürchterlich! Ein Riese Steht in Faustens altem Vließe. Seinen Blicken, seinem Winken, Möcht’ ich in die Kniee sinken. Soll ich fliehen? Soll ich stehn? Ach! wie wird es mir ergehn! Mephistopheles winkend Heran mein Freund! – Ihr heißet Nicodemus. Famulus Hochwürdiger Herr! so ist mein Nahm’ – Oremus. Mephistopheles Das lassen wir! Famulus Wie froh! daß ihr mich kennt. Mephistopheles Ich weiß es wohl, bejahrt und noch Student, Bemooster Herr! Auch ein gelehrter Mann Studirt so fort, weil er nicht anders kann. So baut man sich ein mäßig Kartenhaus, Der größte Geist bauts doch nicht völlig aus. Doch euer Meister das ist ein Beschlagner: Wer kennt ihn nicht den edlen Doctor Wagner, Den ersten jetzt in der gelehrten Welt! Er ist’s allein der sie zusammenhält, Der Weisheit täglicher Vermehrer. Allwißbegierige Horcher, Hörer Versammeln sich um ihn zu Hauf. Er leuchtet einzig vom Catheder; Die Schlüssel übt er wie Sankt Peter, Das Untre so das Obre schließt er auf. Wie er vor Allen glüht und funkelt, Kein Ruf, kein Ruhm hält weiter stand; Des Meisters Name wird verdunkelt, Er ist es, der allein erfand. Famulus Verzeiht! Hochwürdiger Herr! wenn ich euch sage, Wenn ich zu widersprechen wage: Von allem dem ist nicht die Frage, Bescheidenheit ist sein beschieden Theil. Ins unbegreifliche Verschwinden Des hohen Manns weiß er sich nicht zu finden, Von dessen Wiederkunft erfleht er Trost und Heil. Das Zimmer, wie zu Doctor Faustus Tagen, Noch unberührt seitdem er fern, Erwartet seinen alten Herrn. Kaum wag’ ich’s mich herein zu wagen. Was muß die Sternenstunde seyn? – Gemäuer scheint mir zu erbangen; Thürpfosten bebten, Riegel sprangen, Sonst kamt ihr selber nicht herein. Mephistopheles Wo hat der Mann sich hingethan? Führt mich zu ihm, bringt ihn heran. Famulus Ach! sein Verbot ist gar zu scharf, Ich weiß nicht ob ichs wagen darf. Monate lang, des großen Werkes willen, Lebt’ er im aller stillsten Stillen. Der zarteste gelehrter Männer Er sieht aus wie ein Kohlenbrenner, Geschwärzt vom Ohre bis zur Nasen, Die Augen roth vom Feuer blasen, So lechzt er jedem Augenblick; Geklirr der Zange giebt Musick. Mephistopheles Sollt’ er den Zutritt mir verneinen, Ich bin der Mann das Glück ihm zu beschleunen. Der Famulus geht ab, Mephistopheles setzt sich gravitätisch nieder. Kaum hab’ ich Posto hier gefaßt Regt sich dort hinten, mir bekannt, ein Gast. Doch diesmal ist er von den Neusten, Er wird sich gränzenlos erdreusten. Baccalaureus den Gang herstürmend Thor und Thüre find ich offen! Nun da läßt sich endlich hoffen Daß nicht, wie bisher, im Moder, Der Lebendige wie ein Todter, Sich verkümmere, sich verderbe Und am Leben selber sterbe. Diese Mauern, diese Wände Neigen, senken sich zum Ende Und wenn wir nicht bald entweichen Wird uns Fall und Sturz erreichen. Bin verwegen, wie nicht einer, Aber weiter bringt mich keiner. Doch was soll ich heut erfahren! War’s nicht hier, vor so viel Jahren, Wo ich, ängstlich und beklommen, War als guter Fuchs gekommen? Wo ich diesen Bärtigen traute, Mich an ihrem Schnack erbaute. Aus den alten Bücherkrusten Logen sie mir was sie wußten, Was sie wußten, selbst nicht glaubten, Sich und mir das Leben raubten. Wie? – dort hinten in der Zelle Sitzt noch Einer dunkel-helle! Nahend seh’ ichs mit Erstaunen, Sitzt er noch im Pelz, dem braunen; Wahrlich wie ich ihn verließ, Noch gehüllt im rauhen Vließ! Damals war er schon gewandt, Ob ich gleich ihn nicht verstand. Heute wird es nicht verfangen, Frisch an ihn herangegangen! Wenn, alter Herr, nicht Lethes trübe Fluthen Das schiefgesenkte, kahle Haupt durchschwommen, Seht anerkennend hier den Schüler kommen, Entwachsen akademischen Ruthen. Ich find’ euch noch wie ich euch sah; Ein Anderer bin ich wieder da. Mephistopheles Mich freut daß ich euch hergeläutet. Ich schätzt’ euch damals nicht gering; Die Raupe schon, die Chrysalide deutet Den künftigen bunten Schmetterling. Am Lockenkopf und Spitzenkragen, Empfandet ihr ein kindliches Behagen. – Ihr trugt wohl niemals einen Zopf? – Heut schau ich euch im Schwedenkopf. Ganz resolut und wacker seht ihr aus, Kommt nur nicht absolut nach Haus. Baccalaureus Mein alter Herr! Wir sind am alten Orte, Bedenkt jedoch erneuter Zeiten Lauf, Und sparet doppelsinnige Worte; Wir passen nun ganz anders auf. Ihr hänseltet den guten treuen Jungen, Das ist euch ohne Kunst gelungen, Was heut zu Tage niemand wagt. Mephistopheles Wenn man der Jugend reine Wahrheit sagt Die gelben Schnäbeln keineswegs behagt, Sie aber hinterdrein nach Jahren Das alles derb an eigner Haut erfahren, Dann dünkeln sie es käm’ aus eignem Schopf; Da heißt es denn: der Meister war ein Tropf. Baccalaureus Ein Schelm vielleicht! – denn welcher Lehrer spricht Die Wahrheit uns direct ins Angesicht? Ein jeder weiß zu mehren wie zu mindern, Bald ernst, bald heiter klug, zu frommen Kindern. Mephistopheles Zum lernen giebt es freylich eine Zeit, Zum lehren seyd ihr, merk’ ich, selbst bereit. Seit manchen Monden, einigen Sonnen, Erfahrungsfülle habt ihr wohl gewonnen. Baccalaureus Erfahrungswesen! Schaum und Dust! Und mit dem Geist nicht ebenbürtig. Gesteht! was man von je gewußt Es ist durchaus nicht wissenswürdig... Mephistopheles nach einer Pause Mich däucht es längst. Ich war ein Thor, Nun komm’ ich mir recht schaal und albern vor. Baccalaureus Das freut mich sehr! da hör’ ich doch Verstand, Der erste Greis, den ich vernünftig fand! Mephistopheles Ich suchte nach verborgen-goldnem Schatze Und schauerliche Kohlen trug ich fort. Baccalaureus Gesteht nur, euer Schädel, eure Glatze Ist nicht mehr werth als jene hohlen dort? Mephistopheles gemüthlich Du weißt wohl nicht, mein Freund, wie grob du bist? Baccalaureus Im Deutschen lügt man, wenn man höflich ist. Mephistopheles der mit seinem Rollstuhle immer näher ins Proscenium rückt, zum Parterre Hier oben wird mir Licht und Luft benommen, Ich finde wohl bey euch ein Unterkommen? Baccalaureus Anmaßlich find’ ich daß zur schlechtsten Frist Man etwas seyn will, wo man nichts mehr ist. Des Menschen Leben lebt im Blut, und wo Bewegt das Blut sich wie im Jüngling so? Das ist lebendig Blut in frischer Kraft, Das neues Leben sich aus Leben schaft. Da regt sich alles, da wird was gethan, Das Schwache fällt, das Tüchtige tritt heran. Indessen wir die halbe Welt gewonnen Was habt ihr denn gethan? genickt, gesonnen, Geträumt, erwogen, Plan und immer Plan. Gewiß das Alter ist ein kaltes Fieber Im Frost von grillenhafter Noth. Hat einer dreyßig Jahr vorüber, So ist er schon so gut wie todt. Am besten wär’s euch zeitig todtzuschlagen. Mephistopheles Der Teufel hat hier weiter nichts zu sagen. Baccalaureus Wenn ich nicht will, so darf kein Teufel seyn. Mephistopheles abseits Der Teufel stellt dir nächstens doch ein Bein. Baccalaureus Dies ist der Jugend edelster Beruf! Die Welt sie war nicht eh ich sie erschuf; Die Sonne führt’ ich aus dem Meer herauf; Mit mir begann der Mond des Wechsels Lauf; Da schmückte sich der Tag auf meinen Wegen, Die Erde grünte, blühte mir entgegen. Auf meinen Wink, in jener ersten Nacht, Entfaltete sich aller Sterne Pracht. Wer, ausser mir, entband euch aller Schranken Philisterhaft einklemmender Gedanken? Ich aber frey, wie mir’s im Geiste spricht, Verfolge froh mein innerliches Licht, Und wandle rasch, im eigensten Entzücken, Das Helle vor mir, Finsterniß im Rücken. ab Mephistopheles Original fahr hin in deiner Pracht! – Wie würde dich die Einsicht kränken: Wer kann was Dummes, wer was Kluges denken Das nicht die Vorwelt schon gedacht? Doch sind wir auch mit diesem nicht gefährdet, In wenig Jahren wird es anders seyn. Wenn sich der Most auch ganz absurd gebärdet, Es giebt zuletzt doch noch e’ Wein. Zu dem jüngern Parterre das nicht applaudirt Ihr bleibt bey meinem Worte kalt, Euch guten Kindern laß ich’s gehen; Bedenkt: der Teufel der ist alt, So werdet alt, ihn zu verstehen!
Laboratoriumim Sinne des Mittelalters,weitläufige, unbehülfliche Apparate,zu phantastischen Zwecken Wagner am Herde Die Glocke tönt, die fürchterliche Durchschauert die berußten Mauern. Nicht länger kann das Ungewisse Der ernstesten Erwartung dauern. Schon hellen sich die Finsternisse; Schon in der innersten Phiole Erglüht es wie lebendige Kohle, Ja wie der herrlichste Karfunkel, Verstrahlend Blitze durch das Dunkel; Ein helles weißes Licht erscheint! O daß ich’s diesmal nicht verliere! – Ach Gott! was rasselt an der Thüre? Mephistopheles eintretend Willkommen! es ist gut gemeint. Wagner ängstlich Willkommmen! zu dem Stern der Stunde. Leise Doch haltet Wort und Athem fest im Munde, Ein herrlich Werk ist gleich zu Stand gebracht. Mephistopheles leiser Was giebt es denn? Wagner leiser Es wird ein Mensch gemacht. Mephistopheles Ein Mensch? Und welch verliebtes Paar Habt ihr in’s Rauchloch eingeschloßen? Wagner Behüte Gott! wie sonst das Zeugen Mode war Erklären wir für eitel Possen. Der zarte Punct aus dem das Leben sprang, Die holde Kraft die aus dem Innern drang Und nahm und gab, bestimmt sich selbst zu zeichnen, Erst Nächstes, dann sich Fremdes anzueignen, Die ist von ihrer Würde nun entsetzt; Wenn sich das Thier noch weiter dran ergötzt, So muß der Mensch mit seinen großen Gaben Doch künftig höhern, höhern Ursprung haben. Zum Herd gewendet Es leuchtet seht! – Nun läßt sich wirklich hoffen Daß, wenn wir aus viel hundert Stoffen, Durch Mischung, denn auf Mischung kommt es an, Den Menschenstoff gemächlich componiren, In einen Kolben verlutiren Und ihn gehörig kohobiren, So ist das Werk im Stillen abgethan. zum Herd gewendet Es wird! die Masse regt sich klarer, Die Überzeugung wahrer, wahrer: Was man an der Natur geheimnißvolles prieß, Das wagen wir verständig zu probiren, Und was sie sonst organisiren ließ, Das lassen wir krystallisiren. Mephistopheles Wer lange lebt hat viel erfahren, Nichts Neues kann für ihn auf dieser Welt geschehn, Ich habe schon, in meinen Wanderjahren, Krystallisirtes Menschenvolk gesehn. Wagner bisher immer aufmerksam auf die Phiole Es steigt, es blitzt, es häuft sich an, Im Augenblick ist es gethan. Ein großer Vorsatz scheint im Anfang toll, Doch wollen wir des Zufalls künftig lachen, Und so ein Hirn, das trefflich denken soll, Wird künftig auch ein Denker machen. Entzückt die Phiole betrachtend Das Glas erklingt von lieblicher Gewalt, Es trübt, es klärt sich; also muß es werden! Ich seh’ in zierlicher Gestalt Ein artig Männlein sich gebärden. Was wollen wir, was will die Welt nun mehr? Denn das Geheimniß liegt am Tage. Gebt diesem Laute nur Gehör, Er wird zur Stimme, wird zur Sprache. Homunkulus in der Phiole zu Wagner Nun Väterchen! wie stehts? es war kein Scherz. Komm, drücke mich recht zärtlich an dein Herz, Doch nicht zu fest, damit das Glas nicht springe. Das ist die Eigenschaft der Dinge: Natürlichem genügt das Weltall kaum, Was künstlich ist, verlangt geschloßnen Raum. zu Mephistopheles Du aber Schalk, Herr Vetter, bist du hier? Im rechten Augenblick, ich danke dir. Ein gut Geschick führt dich zu uns herein, Dieweil ich bin, muß ich auch thätig seyn. Ich möchte mich sogleich zur Arbeit schürzen, Du bist gewandt, die Wege mir zu kürzen. Wagner Nur noch ein Wort; bisher mußt’ ich mich schämen, Denn Alt und Jung bestürmt mich mit Problemen. Zum Beyspiel nur: noch niemand konnt’ es fassen Wie Seel’ und Leib so schön zusammenpassen, So fest sich halten als um nie zu scheiden, Und doch den Tag sich immerfort verleiden. Sodann – Mephistopheles Halt ein! ich wollte lieber fragen: Warum sich Mann und Frau so schlecht vertragen? Du kommst, mein Freund, hierüber nie ins Reine. Hier giebts zu thun, das eben will der Kleine. Homunkulus Was giebt’s zu thun? Mephistopheles auf eine Seitenthüre deutend Hier zeige deine Gabe! Wagner immer in die Phiole schauend Fürwahr, du bist ein allerliebster Knabe. Die Seitenthür öffnet sich, man sieht Faust auf dem Lager hingestreckt. Homunkulus erstaunt Bedeutend! – Die Phiole entschlüpft aus Wagners Händen, schwebt über Faust und beleuchtet ihn. Schön umgeben! – Klar Gewässer Im dichten Haine, Frau’n die sich entkleiden; Die allerliebsten! – Das wird immer besser. Doch eine läßt sich glänzend unterscheiden, Aus höchstem Helden-, wohl aus Götterstamme; Sie setzt den Fuß in das durchsichtige Helle; Des edlen Körpers holde Lebensflamme Kühlt sich im schmiegsamen Krystall der Welle. – Doch welch Getöse rasch bewegter Flügel, Welch Sausen, Plätschern wühlt im glatten Spiegel? Die Mädchen fliehn verschüchtert; doch allein Die Königin sie blickt gelassen drein, Und sieht, mit stolzem, weiblichem Vergnügen, Der Schwäne Fürsten ihrem Knie sich schmiegen, Zudringlichzahm. Er scheint sich zu gewöhnen. – Auf einmal aber steigt ein Dunst empor, Und deckt mit dichtgewebtem Flor Die lieblichste von allen Scenen. Mephistopheles Was du nicht alles zu erzählen hast! So klein du bist, so groß bist du Phantast. Ich sehe nichts – Homunkulus Das glaub ich. Du aus Norden, Im Nebelalter jung geworden, Im Wust von Ritterthum und Pfäfferey, Wo wäre da dein Auge frey! Im Düstern bist du nur zu Hause. umherschauend Verbräunt Gestein, bemodert, widrig, Spitzbögig, schnörckelhaftest, niedrig! – Erwacht uns dieser, giebt es neue Noth, Er bleibt gleich auf der Stelle todt. Waldquellen, Schwäne, nackte Schönen, Das war sein ahnungsvoller Traum; Wie wollt’ er sich hierher gewöhnen! Ich, der bequemste, duld’ es kaum. Nun fort mit ihm! Mephistopheles Der Ausweg soll mich freuen. Homunkulus Befiehl den Krieger in die Schlacht, Das Mädchen führe du zum Reihen, So ist gleich alles abgemacht. Jetzt eben, wie ich schnell bedacht, Ist classische Walpurgisnacht; Das Beste was begegnen könnte Bringt ihn zu seinem Elemente. Mephistopheles Dergleichen hab ich nie vernommen. Homunkulus Wie wollt’ es auch zu euren Ohren kommen? Romantische Gespenster kennt ihr nur allein, Ein echt Gespenst auch classisch hat’s zu seyn. Mephistopheles Wohin denn aber soll die Fahrt sich regen? Mich widern schon antikische Collegen. Homunkulus Nordwestlich, Satan, ist dein Lustrevier; Südöstlich diesmal aber segeln wir – An großer Fläche fließt Peneios frey, Umbuscht, umbaumt, in still’ und feuchten Buchten, Die Ebne dehnt sich zu der Berge Schluchten, Und oben liegt das alte Pharsalus alt und neu. Mephistopheles O weh! hinweg! und laßt mir jene Streite Von Tyranney und Sklaverey bey Seite. Mich langeweilt’s, denn kaum ist’s abgethan, So fangen sie von vorne wieder an; Und keiner merkt: er ist doch nur geneckt Vom Asmodeus der dahinter steckt. Sie streiten sich, so heißt’s um Freyheitsrechte, Genau besehn sind’s Knechte gegen Knechte. Homunkulus Den Menschen laß ihr widerspenstig Wesen, Ein jeder muß sich wehren wie er kann, Vom Knaben auf, so wird’s zuletzt ein Mann. Hier fragt sich’s nur wie dieser kann genesen? Hast du ein Mittel so erprob’ es hier, Vermagst du’s nicht so überlaß es mir. Mephistopheles Manch Brockenstückchen wäre durchzuproben, Doch Heidenriegel find’ ich vorgeschoben. Das Griechenvolk es taugte nie recht viel! Doch blendet’s euch mit freyem Sinnen-Spiel, Verlockt des Menschen Brust zu heitern Sünden; Die unsern wird man immer düster finden. Und nun was soll’s? Homunkulus Du bist ja sonst nicht blöde; Und wenn ich von Thessalischen Hexen rede, So denk’ ich hab’ ich was gesagt. Mephistopheles lüstern Thessalische Hexen! Wohl! das sind Personen Nach denen hab’ ich lang’ gefragt. Mit ihnen Nacht für Nacht zu wohnen Ich glaube nicht daß es behagt; Doch zum Besuch! Versuch! Homunkulus den Mantel her, Und um den Ritter umgeschlagen! Der Lappen wird euch, wie bisher, Den einen mit dem andern tragen, Ich leuchte vor. Wagner ängstlich Und ich? Homunkulus Eh nun Du bleibst zu Hause Wichtigstes zu thun. Entfalte du die alten Pergamente, Nach Vorschrift sammle Lebens-Elemente Und füge sie mit Vorsicht eins ans andre. Das Was bedenke, mehr bedenke Wie? Indessen ich ein Stückchen Welt durchwandre Entdeck’ ich wohl das Tüpfchen auf das I. Dann ist der große Zweck erreicht, Solch einen Lohn verdient ein solches Streben: Gold, Ehre, Ruhm, gesundes langes Leben Und Wissenschaft und Tugend – auch vielleicht. Leb wohl! Wagner betrübt Leb wohl! Das drückt das Herz mir nieder. Ich fürchte schon ich seh dich niemals wieder. Mephistopheles Nun zum Peneios frisch hinab, Herr Vetter ist nicht zu verachten. ad Spectatores Am Ende hängen wir doch ab Von Creaturen die wir machten.
Classische Walpurgisnacht
Pharsalische Felder,Finsterniß Erichto Zum Schauderfeste dieser Nacht, wie öfter schon, Tret’ ich einher, Erichto, ich die düstere; Nicht so abscheulich wie die leidigen Dichter mich Im Übermaaß verlästern... Endigen sie doch nie, In Lob und Tadel... Überbleicht erscheint mir schon Von grauer Zelten Woge weit das Thal dahin, Als Nachgesicht der sorg- und grauenvollsten Nacht. Wie oft schon wiederholt sich’s! Wird sich immerfort In’s Ewige wiederholen... Keiner gönnt das Reich Dem Andern, dem gönnts keiner der’s mit Kraft erwarb Und kräftig herrscht. Denn jeder, der sein innres Selbst Nicht zu regieren weiß, regierte gar zu gern Des Nachbars Willen, eignem stolzen Sinn gemäß... Hier aber ward ein großes Beyspiel durchgekämpft, Wie sich Gewalt Gewaltigerem entgegenstellt, Der Freyheit holder tausendblumiger Kranz zerreißt, Der starre Lorbeer sich ums Haupt des Herrschers biegt. Hier träumte Magnus früher Größe Blütentag, Dem schwanken Zünglein lauschend wachte Cäsar dort! Das wird sich messen. Weiß die Welt doch wem’s gelang. Wachfeuer glühen, rothe Flammen spendende, Der Boden haucht vergoßnen Blutes Wiederschein, Und angelockt von seltnem Wunderglanz der Nacht, Versammelt sich hellenischer Sage Legion. Um alle Feuer schwankt unsicher, oder sitzt Behaglich, alter Tage fabelhaft Gebild... Der Mond, zwar unvollkommen, aber leuchtend hell, Erhebt sich, milden Glanz verbreitend überall; Der Zelten Trug verschwindet, Feuer brennen blau. Doch! über mir! welch unerwartet Meteor? Es leuchtet und beleuchtet körperlichen Ball. Ich wittre Leben. Da geziemen will mirs nicht Lebendigem zu nahen, dem ich schädlich bin; Das bringt mir bösen Ruf und frommt mir nicht. Schon sinkt es nieder. Weich’ ich aus mit Wohlbedacht! Entfernt sich Die Luftfahrer oben Homunkulus Schwebe noch einmal die Runde Über Flamm- und Schaudergrauen; Ist es doch in Thal und Grunde, Gar gespenstisch anzuschauen. Mephistopheles Seh’ ich, wie durchs alte Fenster, In des Nordens Wust und Graus, Ganz abscheuliche Gespenster; Bin ich hier wie dort zu Haus. Homunkulus Sieh! da schreitet eine Lange, Weiten Schrittes von uns hin. Mephistopheles Ist es doch als wär’ ihr bange; Sah uns durch die Lüfte ziehn. Homunkulus Laß sie schreiten! setz’ ihn nieder Deinen Ritter, und sogleich Kehret ihm das Leben wieder, Denn er sucht’s im Fabelreich. Faust den Boden berührend Wo ist sie? Hom Wüßten’s nicht zu sagen, Doch hier wahrscheinlich zu erfragen. In Eile magst du, eh’ es tagt, Von Flamm’ zu Flamme spürend gehen: Wer zu den Müttern sich gewagt Hat weiter nichts zu überstehen. Mephistopheles Auch ich bin hier an meinem Theil, Doch wüßt’ ich besseres nicht zu unserm Heil Als: jeder möge durch die Feuer Versuchen sich sein eigen Abenteuer. Dann, um uns wieder zu vereinen, Laß deine Leuchte, Kleiner, tönend scheinen. Homunkulus So soll es blitzen, soll es klingen. Das Glas dröhnt und leuchtet gewaltig. Nun frisch zu neuen Wunderdingen! Faust allein Wo ist sie? – Frage jetzt nicht weiter nach... Wär’s nicht die Scholle die sie trug, Die Welle nicht die ihr entgegen schlug; So ist’s die Luft die ihre Sprache sprach. Hier! durch ein Wunder, hier in Griechenland! Ich fühlte gleich den Boden wo ich stand; Wie mich, den Schläfer, frisch ein Geist durchglühte, So steh’ ich, ein Antäus an Gemüthe. Und find’ ich hier das Seltsamste beysammen, Durchforsch’ ich ernst dies Labyrinth der Flammen. entfernt sich Mephistopheles umherspürend Und wie ich diese Feuerchen durchschweife, So find’ ich mich doch ganz und gar entfremdet, Fast alles nackt, nur hie und da behemdet: Die Sphinxe schamlos, unverschämt die Greife, Und was nicht alles, lockig und beflügelt, Von vorn und hinten sich im Auge spiegelt.... Zwar sind auch wir von Herzen unanständig, Doch das Antike find’ ich zu lebendig; Das müßte man mit neustem Sinn bemeistern Und mannigfaltig modisch überkleistern.... Ein widrig Volk! doch darf michs nicht verdrießen Als neuer Gast anständig sie zu grüßen.... Glückzu den schönen Frau’n, den klugen Greisen. Greif schnarrend Nicht Greisen! Greifen! – Niemand hört es gern Daß man ihn Greis nennt. Jedem Worte klingt Der Ursprung nach wo es sich her bedingt: Grau, grämlich, griesgram, gräulich, Gräber, grimmig, Etymologisch gleicherweise stimmig, Verstimmen uns. Mephistopheles Und doch, nicht abzuschweifen, Gefällt das Grei im Ehrentitel Greifen. Greif wie oben und immer so fort Natürlich! die Verwandtschaft ist erprobt, Zwar oft gescholten, mehr jedoch gelobt; Man greife nun nach Mädchen, Kronen, Gold, Dem Greifenden ist meist Fortuna hold. Ameisen von der colossalen Art Ihr sprecht von Gold, wir hatten viel gesammelt, In Fels und Höhlen heimlich eingerammelt; Das Arimaspen-Volk hat’s ausgespürt, Sie lachen dort, wie weit sie’s weggeführt. Greife Wir wollen sie schon zum Geständniß bringen. Arimaspen Nur nicht zur freyen Jubelnacht. Bis morgen ists alles durchgebracht, Es wird uns diesmal wohl gelingen. Mephistopheles hat sich zwischen die Sphinxe gesetzt Wie leicht und gern ich mich hierher gewöhne, Denn ich verstehe Mann für Mann. Sphinx Wir hauchen unsre Geistertöne Und ihr verkörpert sie alsdann. Jetzt nenne dich bis wir dich weiter kennen! Mephistopheles Mit vielen Namen glaubt man mich zu nennen – Sind Britten hier? Sie reisen sonst so viel, Schlachtfeldern nachzuspüren, Wasserfällen, Gestürzten Mauern, klassisch dumpfen Stellen; Das wäre hier für sie ein würdig Ziel. Sie zeugten auch: Im alten Bühnen-Spiel Sah man mich dort als old Iniquity. Sphinx Wie kam man drauf? Mephistopheles Ich weiß es selbst nicht wie. Sphinx Mag seyn! Hast du von Sternen einige Kunde? Was sagst du zu der gegenwärt’gen Stunde? Mephistopheles aufschauend Stern schießt nach Stern, beschnittner Mond scheint helle Und mir ist wohl an dieser trauten Stelle, Ich wärme mich an deinem Löwenfelle. Hinauf sich zu versteigen wär’ zum Schaden, Gieb Räthsel auf, gieb allenfalls Charaden. Sphinx Sprich nur dich selbst aus, wird schon Räthsel seyn. Versuch einmal dich innigst aufzulösen: „Dem frommen Manne nöthig wie dem bösen, Dem ein Plastron, ascetisch zu rapiren, Cumpan dem andern, Tolles zu vollführen, Und beydes nur, um Zeus zu amüsiren.“ Erster Greif schnarrend Den mag ich nicht! Zweyter Greif stärker schnarrend Was will uns der? Beyde Der Garstige gehöret nicht hier her! Mephistopheles brutal Du glaubst vielleicht des Gastes Nägel krauen Nicht auch so gut wie deine scharfen Klauen? Versuchs einmal! Sphinx milde Du magst nur immer bleiben, Wird dich’s doch selbst aus unsrer Mitte treiben; In deinem Lande thust dir was zu Gute, Doch, irr’ ich nicht, hier ist dir schlecht zu Muthe. Mephistopheles Du bist recht appetitlich oben anzuschauen, Doch unten hin, die Bestie macht mir Grauen. Sphinx Du Falscher kommst zu deiner bittern Buße, Denn unsre Tatzen sind gesund; Dir mit verschrumpftem Pferdefuße Behagt es nicht in unserem Bund. Sirenen präludiren oben Mephistopheles Wer sind die Vögel in den Ästen Des Pappelstromes hingewiegt? Sphinx Gewahrt euch nur, die Allerbesten Hat solch ein Sing-Sang schon besiegt. Sirenen Ach was wollt ihr euch verwöhnen In dem Häßlich-Wunderbaren! Horcht, wir kommen hier zu Schaaren Und in wohlgestimmten Tönen, So geziemet es Sirenen. Sphinxe sie verspottend in derselben Melodie Nöthigt sie herabzusteigen! Sie verbergen in den Zweigen Ihre garstigen Habichtskrallen, Euch verderblich anzufallen, Wenn ihr euer Ohr verleiht. Sirenen Weg! das Hassen, weg! das Neiden; Sammeln wir die klarsten Freuden, Unterm Himmel ausgestreut! Auf dem Wasser, auf der Erde, Sey’s die heiterste Gebärde Die man dem Willkommnen beut. Mephistopheles Das sind die saubern Neuigkeiten Wo aus der Kehle, von den Saiten, Ein Ton sich um den andern flicht. Das Trallern ist bey mir verloren, Es krabbelt wohl mir um die Ohren Allein zum Herzen dringt es nicht. Sphinxe Sprich nicht vom Herzen! das ist eitel; Ein lederner verschrumpfter Beutel Das paßt dir eher zu Gesicht. Faust herantretend Wie wunderbar! das Anschaun thut mir Gnüge, Im Widerwärtigen große tüchtige Züge. Ich ahne schon ein günstiges Geschick; Wohin versetzt mich dieser ernste Blick? Auf Sphinxe bezüglich Vor solchen hat einst Ödipus gestanden; Auf Sirenen bezüglich Vor solchen krümmte sich Ulyss in hänfnen Banden; Auf Ameisen bezüglich Von solchen ward der höchste Schatz gespart; Auf Greife bez Von diesen treu und ohne Fehl bewahrt. Vom frischen Geiste fühl’ ich mich durchdrungen, Gestalten groß, groß die Erinnerungen. Mephistopheles Sonst hättest du dergleichen weggeflucht, Doch jetzo scheint es dir zu frommen; Denn wo man die Geliebte sucht, Sind Ungeheuer selbst willkommen. Faust zu den Sphinxen Ihr Frauenbilder müßt mir Rede stehn: Hat eins der Euren Helena gesehn? Sphinxe Wir reichen nicht hinauf zu ihren Tagen, Die letztesten hat Herkules erschlagen. Von Chiron könntest dus erfragen; Der sprengt herum in dieser Geisternacht, Wenn er dir steht so hast du’s weit gebracht. Sirenen Sollte dir’s doch auch nicht fehlen!... Wie Ulyss bey uns verweilte, Schmähend nicht vorübereilte, Wußt’ er vieles zu erzählen; Würden alles dir vertrauen, Wolltest du zu unsern Gauen Dich ans grüne Meer verfügen. Sphinx Laß dich Edler nicht betrügen! Statt daß Ulyss sich binden ließ, Laß unsern guten Rath dich binden; Kannst du den hohen Chiron finden, Erfährst du was ich dir verhieß. Faust entfernt sich Mephistopheles verdrießlich Was krächzt vorbey mit Flügelschlag? So schnell daß man’s nicht sehen mag, Und immer eins dem andern nach, Den Jäger würden sie ermüden. Sphinx Dem Sturm des Winterwinds vergleichbar, Alcides Pfeilen kaum erreichbar; Es sind die raschen Stymphaliden. Und wohlgemeint ihr Krächzegruß, Mit Geyerschnabel und Gänsefuß. Sie möchten gern in unsern Kreisen Als Stammverwandte sich erweisen. Mephistopheles wie verschüchtert Noch andres Zeug zischt zwischen drein. Sphinx Vor diesen sey euch ja nicht bange, Es sind die Köpfe der Lernäischen Schlange, Vom Rumpf getrennt, und glauben was zu seyn. Doch sagt, was soll nur aus euch werden? Was für unruhige Gebärden? Wo wollt ihr hin? Begebt euch fort!... Ich sehe, jener Chorus dort Macht euch zum Wendehals. Bezwingt euch nicht, Geht hin! begrüßt manch reizendes Gesicht. Die Lamien sinds, lustfeine Dirnen, Mit Lächelmund und frechen Stirnen, Wie sie dem Satyrvolk behagen; Ein Bocksfuß darf dort alles wagen. Mephistopheles Ihr bleibt doch hier? daß ich euch wiederfinde. Sphinx Ja! Mische dich zum luftigen Gesinde. Wir, von Egypten her, sind längst gewohnt Daß unsereins in tausend Jahre thront. Und respectirt nur unsre Lage, So regeln wir die Mond- und Sonnentage. Sitzen vor den Pyramiden, Zu der Völker Hochgericht; Überschwemmung, Krieg und Frieden – Und verziehen kein Gesicht.
Peneius umgeben von Gewässern und Nymphen Peneus Rege dich du Schilfgeflüster! Hauche leise Rohrgeschwister, Säuselt leichte Weidensträuche Lispelt Pappelzitterzweige Unterbrochnen Träumen zu!... Weckt mich doch ein grauslich Wittern, Heimlich allbewegend Zittern, Aus dem Wallestrom und Ruh. Faust an den Fluß tretend Hör’ ich recht, so muß ich glauben: Hinter den verschränkten Lauben Dieser Zweige, dieser Stauden Tönt ein menschlichähnlichs Lauten: Scheint die Welle doch ein Schwätzen, Lüftlein wie – ein Scherzergötzen. Nymphen zu Faust Am besten geschäh’ dir Du legtest dich nieder, Erholtest im Kühlen Ermüdete Glieder, Genössest der immer Dich meidenden Ruh; Wir säuseln, wir rieseln, Wir flüstern dir zu. Faust Ich wache ja! O laßt sie walten Die unvergleichlichen Gestalten Wie sie dorthin mein Auge schickt. So wunderbar bin ich durchdrungen Sind’s Träume? Sind’s Erinnerungen? Schon einmal warst du so beglückt. Gewässer schleichen durch die Frische Der dichten sanft bewegten Büsche, Nicht rauschen sie, sie rieseln kaum; Von allen Seiten hundert Quellen Vereinen sich, im reinlich hellen Zum Bade flach vertieften Raum. Gesunde junge Frauenglieder, Vom feuchten Spiegel doppelt wieder Ergötztem Auge zugebracht! Gesellig dann und fröhlich badend, Erdreistet schwimmend, furchtsam wadend; Geschrey zuletzt und Wasserschlacht. Begnügen sollt’ ich mich an diesen, Mein Auge sollte hier genießen, Doch immer weiter strebt mein Sinn. Der Blick dringt scharf nach jener Hülle, Das reiche Laub der grünen Fülle Verbirgt die hohe Königin. Wundersam! auch Schwäne kommen Aus den Buchten hergeschwommen, Majestätisch rein bewegt. Ruhig schwebend, zart gesellig, Aber stolz und selbstgefällig Wie sich Haupt und Schnabel regt.... Einer aber scheint vor allen Brüstend kühn sich zu gefallen, Segelnd rasch durch alle fort; Sein Gefieder bläht sich schwellend, Welle selbst, auf Wogen wellend, Dringt er zu dem heiligen Ort.... Die andern schwimmen hin und wieder Mit ruhig glänzendem Gefieder, Bald auch in regem prächtigen Streit; Die scheuen Mädchen abzulenken, Daß sie an ihren Dienst nicht denken, Nur an die eigne Sicherheit. Nymphen Leget Schwestern euer Ohr An des Ufers grüne Stufe; Hör’ ich recht, so kommt mir vor Als der Schall von Pferdes Hufe. Wüßt’ ich nur wer dieser Nacht Schnelle Botschaft zugebracht. Faust Ist mir doch als dröhnt’ die Erde Schallend unter eiligem Pferde. Dorthin mein Blick! Ein günstiges Geschick, Soll es mich schon erreichen? O Wunder ohne Gleichen! Ein Reuter kommt herangetrabt, Er scheint von Geist und Muth begabt, Von blendend-weißem Pferd getragen.... Ich irre nicht, ich kenn’ ihn schon, Der Philyra berühmter Sohn! Halt Chiron! halt! Ich habe dir zu sagen... Chiron Was giebt’s? Was ist’s? Faust Bezähme deinen Schritt! Chiron Ich raste nicht! Faust So bitte! Nimm mich mit! Chiron Sitz auf! so kann ich nach Belieben fragen: Wohin des Wegs? Du stehst am Ufer hier, Ich bin bereit dich durch den Fluß zu tragen. Faust aufsitzend Wohin du willst. Für ewig dank’ ichs dir.... Der große Mann der edle Pädagog, Der, sich zum Ruhm, ein Heldenvolk erzog, Den schönen Kreis der edlen Argonauten Und alle die des Dichters Welt erbauten. Chiron Das lassen wir an seinem Ort! Selbst Pallas kommt als Mentor nicht zu Ehren; Am Ende treiben sie’s nach ihrer Weise fort Als wenn sie nicht erzogen wären. Faust Den Arzt der jede Pflanze nennt, Die Wurzeln bis ins Tiefste kennt, Dem Kranken Heil, dem Wunden Lindrung schafft, Umarm’ ich hier in Geist und Körperkraft! Chiron Ward neben mir ein Held verletzt, Da wußt’ ich Hülf’ und Rath zu schaffen; Doch ließ ich meine Kunst zuletzt Den Wurzelweibern und den Pfaffen. Faust Du bist der wahre große Mann Der Lobeswort nicht hören kann; Er sucht bescheiden auszuweichen Und thut als gäb’ es Seinesgleichen. Chiron Du scheinest mir geschickt zu heucheln, Dem Fürsten wie dem Volk zu schmeicheln. Faust So wirst du mir denn doch gestehn Du hast die Größten deiner Zeit gesehn, Dem Edelsten in Thaten nachgestrebt, Halbgöttlich ernst die Tage durchgelebt. Doch unter den heroischen Gestalten Wen hast du für den Tüchtigsten gehalten? Chiron Im hehren Argonautenkreise War jeder brav nach seiner eignen Weise, Und, nach der Kraft die ihn beseelte, Konnt’ er genügen, wo’s den andern fehlte. Die Dioskuren haben stets gesiegt, Wo Jugendfüll’ und Schönheit überwiegt. Entschluß und schnelle That zu andrer Heil Den Boreaden ward’s zum schönen Theil; Nachsinnend, kräftig, klug, im Rath bequem, So herrschte Jason, Frauen angenehm. Dann Orpheus, zart und immer still bedächtig, Schlug er die Leyer allen übermächtig. Scharfsichtig Lynceus, der, bey Tag und Nacht, Das heilge Schiff durch Klipp’ und Strand gebracht.... Gesellig nur läßt sich Gefahr erproben: Wenn einer wirkt, die andern alle loben. Faust Von Herkules willst nichts erwähnen? Chiron O weh! errege nicht mein Sehnen... Ich hatte Phöbus nie gesehn, Noch Ares, Hermes, wie sie heißen, Da sah ich mir vor Augen stehn Was alle Menschen göttlich preisen. So war er ein geborner König, Als Jüngling herrlichst anzuschaun; Dem ältern Bruder unterthänig Und auch den allerliebsten Fraun. Den zweyten zeugt nicht Gäa wieder, Nicht führt ihn Hebe himmelein; Vergebens mühen sich die Lieder, Vergebens quälen sie den Stein. Faust So sehr auch Bildner auf ihn pochen, So herrlich kam er nie zur Schau. Vom schönsten Mann hast du gesprochen, Nun sprich auch von der schönsten Frau! Chiron Was!.. Frauen-Schönheit will nichts heißen, Ist gar zu oft ein starres Bild; Nur solch ein Wesen kann ich preisen Das froh und lebenslustig quillt. Die Schöne bleibt sich selber selig; Die Anmuth macht unwiderstehlich, Wie Helena, da ich sie trug. Faust Du trugst sie? Chiron Ja, auf diesem Rücken. Faust Bin ich nicht schon verwirrt genug, Und solch’ ein Sitz muß mich beglücken! Chiron Sie faßte so mich in das Haar Wie du es thust. Faust O! ganz und gar Verlier’ ich mich! Erzähle wie? Sie ist mein einziges Begehren! Woher? wohin? ach, trugst du sie? Chiron Die Frage läßt sich leicht gewähren. Die Dioskuren hatten, jener Zeit, Das Schwesterchen aus Räuberfaust befreyt. Doch diese, nicht gewohnt besiegt zu seyn, Ermannten sich und stürmten hinterdrein. Da hielten der Geschwister eiligen Lauf, Die Sümpfe bey Eleusis auf; Die Brüder wateten, ich patschte, schwamm hinüber; Da sprang sie ab und streichelte Die feuchte Mähne, schmeichelte Und dankte lieblich-klug und selbstbewusst. Wie war sie reizend! jung, des Alten Lust! Faust Erst sieben Jahr!... Chiron Ich seh’, die Philologen Sie haben dich so wie sich selbst betrogen. Ganz eigen ist’s mit mythologischer Frau; Der Dichter bringt sie, wie er’s braucht zur Schau: Nie wird sie mündig, wird nicht alt, Stets appetitlicher Gestalt, Wird jung entführt, im Alter noch umfreyt; G’nug, den Poeten bindet keine Zeit. Faust So sey auch sie durch keine Zeit gebunden! Hat doch Achill auf Pherä sie gefunden, Selbst außer aller Zeit. Welch seltnes Glück: Erungene Liebe gegen das Geschick! Und sollt ich nicht, sehnsüchtigster Gewalt, Ins Leben ziehn die einzigste Gestalt? Das ewige Wesen, Göttern ebenbürtig, So groß als zart, so hehr als liebenswürdig? Du sahst sie einst, heut hab’ ich sie gesehn, So schön wie reizend, wie ersehnt so schön. Nun ist mein Sinn, mein Wesen streng umfangen, Ich lebe nicht, kann ich sie nicht erlangen. Chiron Mein fremder Mann! als Mensch bist du entzückt, Doch unter Geistern scheinst du wohl verrückt. Nun trifft sich’s hier zu deinem Glücke; Denn alle Jahr, nur wenig Augenblicke, Pfleg’ ich bey Manto vorzutreten, Der Tochter Äsculaps; im stillen Beten Fleht sie zum Vater: daß, zu seiner Ehre, Er endlich doch der Ärzte Sinn verkläre, Und vom verwegnen Todtschlag sie bekehre... Die liebste mir aus der Sibyllengilde, Nicht fratzenhaft bewegt, wohlthätig milde; Ihr glückt es wohl, bey einigem Verweilen, Mit Wurzelkräften dich von Grund zu heilen. Faust Geheilt will ich nicht seyn, mein Sinn ist mächtig; Da wär’ ich ja wie andre niederträchtig. Chiron Versäume nicht das Heil der edlen Quelle! Geschwind herab! Wir sind zur Stelle. Faust Sag an! Wohin hast du, in grauser Nacht, Durch Kiesgewässer, mich an’s Land gebracht? Chiron Hier trotzten Rom und Griechenland im Streite, Peneios rechts, lincks den Olymp zur Seite. Das größte Reich das sich im Sand verliert; Der König flieht, der Bürger triumphirt. Blick auf! hier steht, bedeutend nah, Im Mondenschein der ewige Tempel da. Manto Inwendig träumend Von Pferdes Hufe Erklingt die heilige Stufe, Halbgötter treten heran. Chiron Ganz recht! Nur die Augen aufgethan! Manto erwachend Willkommen! ich seh’ du bleibst nicht aus. Chiron Steht dir doch auch dein Tempelhaus! Manto Streifst du noch immer unermüdet? Chiron Wohnst du doch immer still umfriedet, Indeß zu kreisen mich erfreut. Manto Ich harre, mich umkreist die Zeit. Und dieser? Chiron Die verrufene Nacht Hat strudelnd ihn hier hergebracht. Helenen, mit verrückten Sinnen, Helenen will er sich gewinnen, Und weiß nicht wie und wo beginnen; Asklepischer Kur vor andern werth. Manto Den lieb’ ich der Unmögliches begehrt. Chiron ist schon weit weg. Manto Tritt ein, Verwegner, sollst dich freuen; Der dunkle Gang führt zu Persephoneien. In des Olympus hohlem Fuß Lauscht sie geheim verbotnem Gruß. Hier hab’ ich einst den Orpheus eingeschwärzt, Benutz’ es besser, frisch! beherzt! Sie steigen hinab.
Am obern Peneios wie zuvor Sirenen Stürzt euch in Peneios Fluth! Plätschernd ziemt es da zu schwimmen, Lied um Lieder anzustimmen, Dem unseligen Volk zu gut. Ohne Wasser ist kein Heil! Führen wir mit hellem Heere Eilig zum ägäischen Meere, Würd’ uns jede Lust zu Theil. Erdbeben Sirenen Schäumend kehrt die Welle wieder, Fließt nicht mehr im Bett darnieder; Grund erbebt, das Wasser staucht, Kies und Ufer berstend raucht. Flüchten wir! Kommt alle, kommt! Niemand dem das Wunder frommt. Fort! ihr edlen frohen Gäste Zu dem seeisch heitern Feste, Blinkend wo die Zitterwellen, Ufernetzend, leise schwellen; Da wo Luna doppelt leuchtet, Uns mit heilgem Thau befeuchtet. Dort ein freybewegtes Leben, Hier ein ängstlich Erde-Beben; Eile jeder Kluge fort! Schauderhaft ist’s um den Ort. Seismos in der Tiefe brummend und polternd Einmal noch mit Kraft geschoben, Mit den Schultern brav gehoben! So gelangen wir nach oben, Wo uns alles weichen muß. Sphinxe Welch ein widerwärtig Zittern, Häßlich grausenhaftes Wittern! Welch ein Schwanken, welches Beben, Schaukelnd Hin- und Widerstreben! Welch unleidlicher Verdruß! Doch wir ändern nicht die Stelle, Bräche los die ganze Hölle. Nun erhebt sich ein Gewölbe Wundersam. Es ist derselbe, Jener Alte, längst Ergraute, Der die Insel Delos baute, Einer Kreisenden zu Lieb’ Aus der Wog’ empor sie trieb. Er, mit Streben, Drängen, Drücken, Arme straff, gekrümmt den Rücken, Wie ein Atlas an Gebärde, Hebt er Boden, Rasen, Erde, Kies und Gries und Sand und Letten, Unsres Ufers stille Betten. So zerreisst er eine Strecke Queer des Thales ruhige Decke. Angestregtest, nimmer müde, Colossale Caryatide; Trägt ein furchtbar Steingerüste, Noch im Boden bis zur Büste; Weiter aber solls nicht kommen, Sphinxe haben Platz genommen. Seismos Das hab’ ich ganz allein vermittelt, Man wird mir’s endlich zugestehn; Und hätt’ ich nicht geschüttelt und gerüttelt, Wie wäre diese Welt so schön? Wie ständen eure Berge droben In prächtig-reinem Ätherblau, Hätt’ ich sie nicht hervorgeschoben, Zu malerisch-entzückter Schau! Als, Angesichts der höchsten Ahnen, Der Nacht, des Chaos, ich mich stark betrug Und, in Gesellschaft von Titanen, Mit Pelion und Ossa als mit Ballen schlug. Wir tollten fort in jugendlicher Hitze, Bis überdrüssig, noch zuletzt Wir dem Parnaß, als eine Doppelmütze, Die beiden Berge frevelnd aufgesetzt.... Apollen hält ein froh Verweilen Dort nun mit seliger Musen Chor. Selbst Jupitern und seinen Donnerkeilen Hob’ ich den Sessel hoch empor. Jetzt so, mit ungeheurem Streben, Drang aus dem Abgrund ich herauf Und fordere laut, zu neuem Leben, Mir fröhliche Bewohner auf. Sphinxe Uralt müßte man gestehen, Sey das hier Emporgebürgte Hätten wir nicht selbst gesehen Wie sich’s aus dem Boden würgte. Bebuschter Wald verbreitet sich hinan, Noch drängt sich Fels auf Fels bewegt heran; Ein Sphinx wird sich daran nicht kehren: Wir lassen uns im heiligen Sitz nicht stören. Greife Gold in Blättchen, Gold in Flittern Durch die Ritze seh’ ich zittern; Laßt euch solchen Schatz nicht rauben; Imsen auf! es auszuklauben. Chor der Ameisen Wie ihn die Riesigen Empor geschoben, Ihr Zappelfüßigen Geschwind nach oben! Behendest aus und ein! In solchen Ritzen Ist jedes Bröselein Werth zu besitzen. Das Allermindeste Müßt ihr entdecken, Auf das geschwindeste In allen Ecken. Allemsig müsst ihr seyn, Ihr Wimmelschaaren; Nur mit dem Gold herein! Den Berg laßt fahren. Greife Herein! Herein! Nur Gold zu Hauf, Wir legen unsre Klauen drauf; Sind Riegel von der besten Art, Der größte Schatz ist wohl verwahrt. Pygmäen Haben wirklich Platz genommen, Wissen nicht wie es geschah; Fraget nicht woher wir kommen: Denn wir sind nun einmal da! Zu des Lebens lustigem Sitze Eignet sich ein jedes Land; Zeigt sich eine Felsenritze, Ist auch schon der Zwerg zur Hand. Zwerg und Zwergin rasch zum Fleiße, Musterhaft ein jedes Paar; Weiß nicht ob es gleicher Weise Schon im Paradiese war. Doch wir findens hier zum besten, Segnen dankbar unsern Stern; Denn, im Osten wie im Westen, Zeugt die Mutter Erde gern. Dacktyle Hat sie in einer Nacht Die Kleinen hervorgebracht; Sie wird die Kleinsten erzeugen, Finden auch ihresgleichen. Pygmäen-Älteste Eilet bequemen Sitz einzunehmen! Eilig zum Werke; Schnelle für Stärke! Noch ist es Friede; Baut euch die Schmiede, Harnisch und Waffen Dem Heer zu schaffen. Ihr Imsen alle, Rührig im Schwalle, Schafft uns Metalle! Und ihr Dacktyle, Kleinste, so viele, Euch sey befohlen Hölzer zu holen! Schichtet zusammen Heimliche Flammen, Schaffet uns Kohlen! Generalissimus Mit Pfeil und Bogen Frisch ausgezogen! An jenem Weiher Schießt mir die Reiher, Unzählig nistende, Hochmüthig brüstende Auf einen Ruck! Alle wie Einen; Daß wir erscheinen Mit Helm und Schmuck. Imsen und Dacktyle Wer wird uns retten! Wir schaffen’s Eisen, Sie schmieden Ketten. Uns loszureißen Ist noch nicht zeitig, Drum seyd geschmeidig. Die Kraniche des Ibykus Mordgeschrey und Sterbeklagen, Ängstlich Flügelflatterschlagen, Welch ein Ächzen, welch Gestöhn Dringt herauf zu unsern Höhn! Alle sind sie schon ertödtet, See von ihrem Blut geröthet; Mißgestaltete Begierde Raubt des Reihers edle Zierde. Weht sie doch schon auf dem Helme Dieser Fettbauch-Krummbein-Schelme. Ihr Genossen unsres Heeres, Reihenwanderer des Meeres, Euch berufen wir zur Rache In so nahverwandter Sache; Keiner spare Kraft und Blut, Ewige Feindschaft dieser Brut! Zerstreuen sich krächzend in den Lüften Mephistopheles in der Ebne Die nordischen Hexen wußt’ ich wohl zu meistern, Mir wirds nicht just mit diesen fremden Geistern. Der Blocksberg bleibt ein gar bequem Local, Wo man auch sey, man findet sich zumal. Frau Ilse wacht für uns auf ihrem Stein, Auf seiner Höh wird Heinrich munter seyn, Die Schnarcher schnauzen zwar das Elend an, Doch alles ist für tausend Jahr gethan. Wer weiß denn hier nur, wo er geht und steht, Ob unter ihm sich nicht der Boden bläht? .. Ich wandle lustig durch ein glattes Thal Und hinter mir erhebt sich auf einmal Ein Berg, zwar kaum ein Berg zu nennen, Von meinen Sphinxen mich jedoch zu trennen Schon hoch genug – Hier zuckt noch manches Feuer Das Thal hinab, und flammt ums Abenteuer... Noch tanzt und schwebt mir lockend, weichend vor, Spitzbübisch gaukelnd, der galante Chor. Nur sachte drauf! Allzu gewohnt ans Naschen, Wo es auch sey man sucht was zu erhaschen. Lamien Mephistopheles nach sich ziehend Geschwind, geschwinder! Und immer weiter! Dann wieder zaudernd, Geschwätzig plaudernd. Es ist so heiter Den alten Sünder Uns nach zu ziehen, Zu schwerer Buße. Mit starrem Fuße Kommt er geholpert Einher gestolpert; Er schleppt das Bein, Wie wir ihn fliehen, Uns hinterdrein. Mephistopheles stillstehend Verflucht Geschick! Betrogne Mansen! Von Adam her verführte Hansen! Alt wird man wohl, wer aber klug? Warst du nicht schon vernarrt genug! Man weiß das Volk taugt aus dem Grunde nichts, Geschnürten Leibs, geschminkten Angesichts. Nichts haben sie gesundes zu erwiedern, Wo man sie anfaßt, morsch in allen Gliedern. Man weiß, man sieht’s, man kann es greifen, Und dennoch tanzt man wenn die Luder pfeifen! Lamien inne haltend Halt! er besinnt sich, zaudert, steht; Entgegnet ihm daß er euch nicht entgeht! Mephistopheles fortschreitend Nur zu! und laß dich ins Gewebe Der Zweifeley nicht thörig ein; Denn wenn es keine Hexen gäbe, Wer Teufel möchte Teufel seyn! Lamien anmuthigst Kreisen wir um diesen Helden; Liebe wird in seinem Herzen Sich gewiß für Eine melden. Mephistopheles Zwar mit ungewissen Schimmer Scheint ihr hübsche Frauenzimmer, Und so möcht’ ich euch nicht schelten. Empuse eindringend Auch nicht mich! als eine solche Laßt mich ein in eure Folge. Lamien Die ist in unserm Kreis zuviel, Verdirbt doch immer unser Spiel. Empuse zu Mephistopheles Begrüßt von Mühmichen Empuse, Der Trauten mit dem Eselsfuße; Du hast nur einen Pferdefuß Und doch, Herr Vetter, schönsten Gruß! Mephistopheles Hier dacht’ ich lauter Unbekannte, Und finde leider Nahverwandte; Es ist ein altes Buch zu blättern: Vom Harz bis Hellas immer Vettern! Empuse Entschieden weiß ich gleich zu handeln, In vieles könnt’ ich mich verwandeln; Doch euch zu Ehren hab’ ich jetzt Das Eselsköpfchen aufgesetzt. Mephistopheles Ich merk’ es hat bey diesen Leuten Verwandtschaft Großes zu bedeuten; Doch mag sich was auch will eräugnen, Den Eselskopf möcht’ ich verläugnen. Lamien Laß diese Garstige, sie verscheucht, Was irgend schön und lieblich däucht; Was irgend schön und lieblich wär, Sie kommt heran, es ist nicht mehr! Mephistopheles Auch diese Mühmchen, zart und schmächtig, Sie sind mir allesamt verdächtig; Und hinter solcher Wänglein Rosen Fürcht’ ich doch auch Metamorphosen. Lamien Versuch’ es doch! sind unsrer Viele. Greif zu! Und hast du Glück im Spiele, Erhasche dir das beste Loos. Was soll das lüsterne Geleyer? Du bist ein miserabler Freyer, Stolzirst einher und thust so groß! – Nun mischt er sich in unsre Schaaren; Laßt nach und nach die Masken fahren, Und gebt ihm euer Wesen blos. Mephistopheles Die schönste hab’ ich mir erlesen.... sie umfassend O weh mir! welch ein dürrer Besen! eine andere ergreifend Und diese?.... Schmähliches Gesicht! Lamien Verdienst du’s besser? dünk’ es nicht. Mephistopheles Die Kleine möcht’ ich mir verpfänden.... Lacerte schlüpft mir aus den Händen! Und schlangenhaft der glatte Zopf. Dagegegen faß’ ich mir die Lange.... Da pack’ ich eine Thyrsusstange! Den Pinienapfel als den Kopf. Wo will’s hinaus?.... Noch eine Dicke, An der ich mich vielleicht erquicke; Zum letztenmal gewagt! Es sey! Recht quammig, quappig, das bezahlen Mit hohem Preis Orientalen.... Doch ach! der Bovist platzt entzwey! Lamien Fahrt auseinander, schwankt und schwebet Blitzartig, schwarzen Flugs umgebet Den eingedrungenen Hexensohn! Unsichre schauderhafte Kreise! Schweigsamen Fittigs, Fledermäuse! Zu wohlfeil kommt er doch davon. Mephistopheles sich schüttlend Viel klüger, scheint es, bin ich nicht geworden; Absurd ist’s hier, absurd im Norden, Gespenster hier wie dort vertrackt, Volk und Poeten abgeschmackt. Ist eben hier eine Mummenschanz Wie überall ein Sinnentanz. Ich griff nach holden Maskenzügen Und faßte Wesen daß mich’s schauerte.... Ich möchte gerne mich betrügen, Wenn es nur länger dauerte. sich zwischen dem Gestein verirrend Wo bin ich denn? Wo will’s hinaus? Das war ein Pfad, nun ist’s ein Graus. Ich kam daher auf glatten Wegen, Und jetzt steht mir Geröll entgegen. Vergebens klettr’ ich auf und nieder, Wo find ich meine Sphinxe wieder? So toll hätt ich mirs nicht gedacht Ein solch Gebirg in Einer Nacht. Das heiß ich frischen Hexenritt Die bringen ihren Blocksberg mit Oreas vom Naturfels Herauf hier! Mein Gebirg ist alt, Steht in ursprünglicher Gestalt. Verehre schroffe Felsensteige, Des Pindus letztgedehnte Zweige. Schon stand ich unerschüttert so, Als über mich Pompejus floh. Daneben, das Gebild des Wahns, Verschwindet schon beym Krähn des Hahns. Dergleichen Mährchen seh’ ich oft entstehn Und plötzlich wieder untergehn. Mephistopheles Sey Ehre dir, ehrwürdiges Haupt! Von hoher Eichenkraft umlaubt; Der allerklarste Mondenschein Dringt nicht zur Finsterniß herein. – Doch neben am Gebüsche zieht Ein Licht das gar bescheiden glüht. Wie sich das alles fügen muß! Fürwahr! es ist Homunkulus. Woher des Wegs, du Kleingeselle? Homunkulus Ich schwebe so von Stell’ zu Stelle Und möchte gern im besten Sinn entstehn, Voll Ungeduld mein Glas entzwey zu schlagen; Allein was ich bisher gesehn Hinein da möcht’ ich mich nicht wagen. Nur, um dirs im Vertraun zu sagen: Zwey Philosophen bin ich auf der Spur, Ich horchte zu, es hieß: Natur! Natur! Von diesen will ich mich nicht trennen, Sie müssen doch das irdische Wesen kennen; Und ich erfahre wohl am Ende Wohin ich mich am allerklügsten wende. Mephistopheles Das thu’ auf deine eigne Hand. Denn, wo Gespenster Platz genommen, Ist auch der Philosoph willkommen. Damit man seiner Kunst und Gunst sich freue, Erschafft er gleich ein Dutzend neue. Wenn du nicht irrst, kommst du nicht zu Verstand! Willst du entstehn, entsteh’ auf eigne Hand! Homunkulus Ein guter Rath ist auch nicht zu verschmähn. Mephistopheles So fahre hin! Wir wollen’s weiter sehn. trennen sich Anaxagoras zu Thales Dein starrer Sinn will sich nicht beugen, Bedarf es weit’res dich zu überzeugen? Thales Die Welle beugt sich jedem Winde gern, Doch hält sie sich vom schroffen Felsen fern. Anaxagoras Durch Feuerdunst ist dieser Fels zu Handen. Thales Im Feuchten ist Lebendiges erstanden. Homunkulus zwischen beiden Laßt mich an eurer Seite gehn, Mir selbst gelüstet’s zu entstehn! Anaxagoras Hast du, o Thales, je, in Einer Nacht, Solch einen Berg aus Schlamm hervorgebracht? Thales Nie war Natur und ihr lebendiges Fließen Auf Tag und Nacht und Stunden angewiesen; Sie bildet regelnd jegliche Gestalt, Und selbst im Großen ist es nicht Gewalt. Anaxagoras Hier aber war’s! Plutonisch grimmig Feuer, Äolischer Dünste Knallkraft ungeheuer, Durchbrach des flachen Bodens alte Kruste Daß neu ein Berg sogleich entstehen mußte. Thales Was wird dadurch nun weiter fortgesetzt? Er ist auch da, und das ist gut zuletzt. Mit solchem Streit verliert man Zeit und Weile Und führt doch nur geduldig Volk am Seile. Anaxagoras Schnell quillt der Berg von Myrmidonen, Die Felsenspalten zu bewohnen, Pygmäen, Imsen, Däumerlinge, Und andre thätig kleine Dinge. zum Homunnkulus Nie hast du Großem nachgestrebt, Einsiedlerisch-beschränkt gelebt; Kannst du zur Herrschaft dich gewöhnen, So laß ich dich als König krönen. Homunkulus Was sagt mein Thales? – Thales Will’s nicht rathen; Mit Kleinen thut man kleine Thaten, Mit Großen wird der Kleine groß. Sieh hin! die schwarze Kranich-Wolke! Sie droht dem aufgeregten Volke Und würde so dem König drohn. Mit scharfen Schnäbeln, krallen Beinen, Sie stechen nieder auf die Kleinen; Verhängniß wetterleuchtet schon. Ein Frevel tödtete die Reiher, Umstellend ruhigen Friedensweiher. Doch jener Mordgeschosse Regen, Schafft grausam-blut’gen Rache-Segen, Erregt der Nahverwandten Wuth, Nach der Pygmäen frevlem Blut. Was nützt nun Schild und Helm und Speer? Was hilft der Reiherstrahl den Zwergen? Wie sich Dacktyl und Imse bergen, Schon wankt, es flieht, es stürzt das Heer. Anaxagoras nach einer Pause feyerlich Konnt’ ich bisher die Unterirdischen loben, So wend’ ich mich in diesem Fall nach oben... Du! droben ewig Unveraltete, Dreynamig-dreygestaltete, Dich ruf’ ich an bey meines Volkes Weh, Diana, Luna, Hekate! Du Brust-erweiternde, im Tiefsten- Sinnige, Duruhig-scheinende, gewaltsam-innige, Eröffne deiner Schatten grausen Schlund, Die alte Macht sey ohne Zauber kund! Pause Bin ich zu schnell erhört! Hat mein Flehn Nach jenen Höhn Die Ordnung der Natur gestört? Und größer, immer größer nahet schon Der Göttin rundumschriebner Thron, Dem Auge furchtbar, ungeheuer. Ins Düstre röthet sich sein Feuer... Nicht näher! drohend-mächtige Runde, Du richtest uns und Land und Meer zu Grunde! So wär’ es wahr daß dich Thessalische Frauen, In frevlend magischem Vertrauen, Von deinem Pfad herabgesungen? Verderblichstes dir abgerungen?... Das lichte Schild hat sich umdunkelt, Auf einmal reißt’s und blitzt und funkelt, Welch ein Geprassel! Welch ein Zischen! Ein Donnern, Windgethüm dazwischen! – Demüthig zu des Thrones Stufen! – Verzeiht! Ich hab’ es hergerufen. Wirft sich aufs Angesicht Thales Was dieser Mann nicht alles hört’ und sah! Ich weiß nicht recht wie uns geschah; Auch hab’ ich’s nicht mit ihm empfunden. Gestehen wir, es sind verrückte Stunden, Und Luna wiegt sich ganz bequem An ihrem Platz so wie vordem. Homunkulus Schaut hin nach der Pygmäen Sitz, Der Berg war rund, jetzt ist er spitz. Ich spürt’ ein ungeheures Prallen, Der Fels war aus dem Mond gefallen, Gleich hat er, ohne nachzufragen, So Freund als Feind gequetscht, erschlagen. Doch muß ich solche Künste loben, Die schöpferisch, in einer Nacht, Zugleich von unten und von oben, Dies Berggebäu zu Stand gebracht. Thales Sey ruhig! Es war nur gedacht. Sie fahre hin die garstige Brut! Daß du nicht König warst ist gut. Nun fort zum heitern Meeresfeste, Dort hofft und ehrt man Wundergäste. entfernen sich Mephistopheles An der Gegenseite kletternd Da muß ich mich durch steile Felsentreppen, Durch alter Eichen starre Wurzeln schleppen! Auf meinem Harz der harzige Dunst Hat was vom Pech und das hat meine Gunst; Zunächst der Schwefel.... Hier, bey diesen Griechen Ist von dergleichen kaum die Spur zu riechen; Neugierig aber wär’ ich, nachzuspüren Womit sie Höllenqual und Flamme schüren. Dryas In deinem Lande sey einheimisch klug, Im fremden bist du nicht gewandt genug. Du solltest nicht den Sinn zur Heimath kehren, Der heiligen Eichen Würde hier verehren. Mephistopheles Man denkt an das was man verließ, Was man gewohnt war bleibt ein Paradies. Doch sagt: was in der Höhle dort, Bey schwachem Licht, sich dreyfach hingekauert? Dryas Die Phorkyaden! Wage dich zum Ort, Und sprich sie an, wenn dich nicht schauert. Mephistopheles Warum denn nicht! – Ich sehe was, und staune. So stolz ich bin, muß ich mir selbst gestehn: Dergleichen hab’ ich nie gesehn, Die sind ja schlimmer als Alraune.... Wird man die urverworfnen Sünden Im mindesten noch häßlich finden, Wenn man dies Dreygethüm erblickt? Wir litten sie nicht auf den Schwellen Der grauenvollsten unsrer Höllen. Hier wurzelt’s in der Schönheit Land, Das wird mit Ruhm antik genannt.... Sie regen sich, sie scheinen mich zu spüren, Sie zwitschern pfeifend, Fledermaus-Vampyren. Phorkyas Gebt mir das Auge, Schwestern, daß es frage, Wer sich so nah an unsre Tempel wage. Mephistopheles Verehrteste! Erlaubt mir euch zu nahen Und euren Seegen dreyfach zu empfahen. Ich trete vor, zwar noch als Unbekannter Doch, irr’ ich nicht, weitläufiger Verwandter. Altwürdige Götter hab’ ich schon erblickt, Vor Ops und Rhea tiefstens mich gebückt, Die Parzen selbst, des Chaos, Eure Schwestern, Ich sah sie gestern – oder ehegestern; Doch eures Gleichen hab’ ich nie erblickt, Ich schweige nun und fühle mich entzückt. Phorkyaden Er scheint Verstand zu haben dieser Geist. Mephistopheles Nur wundert’s mich daß euch kein Dichter preist. Und sagt! wie kam’s, wie konnte das geschehn? Im Bilde hab’ ich nie euch Würdigste gesehn; Versuch’s der Meißel doch euch zu erreichen, Nicht Juno, Pallas, Venus und dergleichen. Phorkyaden Versenkt in Einsamkeit und stillste Nacht Hat unser Drey noch nie daran gedacht! Mephistopheles Wie sollt’ es auch? da ihr der Welt entrückt, Hier niemand seht und niemand euch erblickt. Da müßtet ihr an solchen Orten wohnen Wo Pracht und Kunst auf gleichem Sitze thronen, Wo jeden Tag, behend, im Doppelschritt, Ein Marmorblock als Held ins Leben tritt. Wo – Phorkyaden Schweige still und gieb uns kein Gelüsten! Was hülf’ es uns und wenn wir’s besser wüßten? In Nacht geboren, Nächtlichem verwandt, Beynah uns selbst, ganz allen unbekannt. Mephistopheles In solchem Fall hat es nicht viel zu sagen, Man kann sich selbst auch andern übertragen. Euch Dreyen g’nügt Ein Auge, g’nügt Ein Zahn, Da ging’ es wohl auch mythologisch an In zwey die Wesenheit der drey zu fassen, Der dritten Bildniß mir zu überlassen, Auf kurze Zeit. Eine Wie dünkt’s euch ging’ es an? Die Andern Versuchen wir’s! – doch ohne Aug’ und Zahn. Mephistopheles Nun habt ihr grad das Beste weggenommen; Wie würde da das strengste Bild vollkommen? Eine Drück du ein Auge zu, ’s ist leicht geschehn, Laß alsofort den Einen Raffzahn sehn, Und, im Profil, wirst du sogleich erreichen Geschwisterlich vollkommen uns zu gleichen. Mephistopheles Viel Ehr’! Es sey! Phorkyaden Es sey! Mephistopheles als Phorkyas im Profil Da steh’ ich schon, Des Chaos vielgeliebter Sohn! Phorkyaden Des Chaos Töchter sind wir unbestritten. Mephistopheles Man schilt mich nun, o Schmach! Hermaphroditen. Phorkyaden Im neuen Drey der Schwestern welche Schöne! Wir haben zwey der Augen, zwey der Zähne. Mephistopheles Vor aller Augen muß ich mich verstecken, Im Höllenpfuhl die Teufel zu erschrecken. ab
Felsbuchten des Ägäischen Meers Mond im Zenith verharrend Sirenen auf den Klippen umher gelagert, flötend und singend Haben sonst bey nächtigem Grauen Dich thessalische Zauberfrauen Frevelhaft herabgezogen, Blicke ruhig von dem Bogen Deiner Nacht auf Zitterwogen Mildeblitzend Glanzgewimmel, Und erleuchte das Getümmel Das sich aus den Wogen hebt. Dir zu jedem Dienst erbötig, Schöne Luna, sey uns gnädig! Nereiden und Tritonen als Meerwunder Tönet laut in schärfern Tönen, Die das breite Meer durchdröhnen, Volk der Tiefe ruft fortan! Vor des Sturmes grausen Schlünden Wichen wir zu stillsten Gründen, Holder Sang zieht uns heran. Seht! Wie wir im Hochentzücken Uns mit goldenen Ketten schmücken, Auch zu Kron’ und Edelsteinen Spang- und Gürtelschmuck vereinen. Alles das ist eure Frucht. Schätze, scheiternd hier verschlungen, Habt ihr uns herangesungen, Ihr Dämonen unsrer Bucht. Sirenen Wissen’s wohl, in Meeresfrische Glatt behagen sich die Fische, Schwanken Lebens ohne Leid; Doch! Ihr festlich regen Schaaren, Heute möchten wir erfahren Daß ihr mehr als Fische seyd. Nereiden und Tritonen Ehe wir hieher gekommen Haben wir’s zu Sinn genommen, Schwestern, Brüder, jetzt geschwind! Heut bedarf’s der kleinsten Reise, Zum vollgültigsten Beweise: Daß wir mehr als Fische sind. entfernen sich Sirenen Fort sind sie im Nu! Nach Samothrace grade zu, Verschwunden mit günstigem Wind. Was denken sie zu vollführen Im Reiche der hohen Kabiren? Sind Götter! Wundersam eigen, Die sich immerfort selbst erzeugen, Und niemals wissen was sie sind. Bleibe auf deinen Höhn, Holde Luna, gnädig stehn; Daß es nächtig verbleibe, Uns der Tag nicht vertreibe. Thales am Ufer zu Homunkulus Ich führte dich zum alten Nereus gern; Zwar sind wir nicht von seiner Höhle fern, Doch hat er einen harten Kopf, Der widerwärtige Sauertopf. Das ganze menschliche Geschlecht Macht’s ihm, dem Griesgram, nimmer recht. Doch ist die Zukunft ihm entdeckt, Dafür hat jedermann Respect, Und ehret ihn auf seinem Posten; Auch hat er manchem wohlgethan. Homunkulus Probiren wir’s und klopfen an! Nicht gleich wird’s Glas und Flamme kosten. Nereus Sind’s Menschenstimmen die mein Ohr vernimmt? Wie es mir gleich im tiefsten Herzen grimmt! Gebilde, strebsam Götter zu erreichen, Und doch verdammt sich immer selbst zu gleichen. Seit alten Jahren konnt’ ich göttlich ruhn, Doch trieb mich’s an den Besten wohlzuthun; Und schaut’ ich dann zuletzt vollbrachte Thaten, So war es ganz als hätt’ ich nicht gerathen. Thales Und doch, o Greis des Meers, vertraut man dir, Du bist der Weise, treib’ uns nicht von hier! Schau diese Flamme, menschenähnlich zwar, Sie deinem Rath ergiebt sich ganz und gar. Nereus Was Rath! Hat Rath bey Menschen je gegolten? Ein kluges Wort erstarrt im harten Ohr. So oft auch That sich grimmig selbst gescholten, Bleibt doch das Volk selbstwillig wie zuvor. Wie hab’ ich Paris väterlich gewarnt, Eh’ sein Gelüst ein fremdes Weib umgarnt. Am griechischen Ufer stand er kühnlich da, Ihm kündet ich was ich im Geiste sah: Die Lüfte qualmend, überströmend Roth, Gebälke glühend, unten Mord und Tod: Troja’s Gerichtstag, rhythmisch festgebannt, Jahrtausenden so schrecklich als gekannt. Des Alten Wort dem Frechen schien’s ein Spiel, Er folgte seiner Lust und Ilion fiel – Ein Riesenleichnam, starr nach langer Quaal, Des Pindus Adlern gar willkommnes Mahl. Ulyssen auch! sagt’ ich ihm nicht voraus Der Circe Listen, des Cyclopen Graus? Das Zaudern sein, der Seinen leichten Sinn, Und was nicht alles! bracht ihm das Gewinn? Bis vielgeschaukelt ihn, doch spät genug, Der Woge Gunst an gastlich Ufer trug. Thales Dem weisen Mann giebt solch Betragen Quaal, Der gute doch versucht es noch einmal. Ein Quentchen Danks wird, hoch ihn zu vergnügen, Die Centner Undanks völlig überwiegen. Denn nichts Geringes haben wir zu flehn: Der Knabe da wünscht weislich zu entstehn. Nereus Verderbt mir nicht den seltensten Humor! Ganz andres steht mir heute noch bevor. Die Töchter hab’ ich alle herbeschieden, Die Grazien des Meeres, die Doriden. Nicht der Olymp, nicht euer Boden trägt Ein schön Gebild das sich so zierlich regt. Sie werfen sich, anmuthigster Gebärde, Vom Wasserdrachen auf Neptunus Pferde, Dem Element aufs zarteste vereint, Daß selbst der Schaum sie noch zu heben scheint. Im Farbenspiel von Venus Muschelwagen Kommt Galatee, die schönste nun, getragen, Die, seit sich Kypris von uns abgekehrt, In Paphos wird als Göttin selbst verehrt. Und so besitzt die Holde, lange schon, Als Erbin, Tempelstadt und Wagenthron. Hinweg! Es ziemt, in Vaterfreudenstunde, Nicht Haß dem Herzen, Scheltwort nicht dem Munde. Hinweg zu Proteus! Fragt den Wundermann: Wie man entstehn und sich verwandlen kann. entfernt sich gegen das Meer Thales Wir haben nichts durch diesen Schritt gewonnen, Trifft man auch Proteus, gleich ist er zerronnen; Und steht er euch, so sagt er nur zuletzt Was Staunen macht und in Verwirrung setzt. Du bist einmal bedürftig solchen Raths, Versuchen wirs und wandlen unsres Pfads! entfernen sich Sirenen oben auf den Felsen Was sehen wir von Weiten Das Wellenreich durchgleiten? Als wie nach Windes Regel Anzögen weiße Segel, So hell sind sie zu schauen, Verklärte Meeresfrauen... Laßt uns herunterklimmen, Vernehmt ihr doch die Stimmen. Nereiden und Tritonen Was wir auf Händen tragen Soll allen euch behagen. Chelonen’s Riesen-Schilde Entglänzt ein streng Gebilde, Sind Götter die wir bringen; Müßt hohe Lieder singen. Sirenen Klein von Gestalt Groß von Gewalt, Der Scheiternden Retter, Uralt verehrte Götter. Nereiden und Tritonen Wir bringen die Kabiren, Ein friedlich Fest zu führen; Denn wo sie heilig walten, Neptun wird freundlich schalten. Sirenen Wir stehen euch nach, Wenn ein Schiff zerbrach, Unwiderstehbar an Kraft Schützt ihr die Mannschaft. Nereiden und Tritonen Drey haben wir mitgenommen, Der Vierte wollte nicht kommen, Er sagte, er sey der Rechte Der für sie alle dächte. Sirenen Ein Gott den andern Gott Macht wohl zu Spott. Ehrt ihr alle Gnaden, Fürchtet jeden Schaden. Nereiden und Tritonen Sind eigentlich ihrer Sieben. Sirenen Wo sind die drey geblieben? Nereiden und Tritonen Wir wüßtens nicht zu sagen, Sind im Olymp zu erfragen; Dort wes’t auch wohl der Achte, An den noch niemand dachte. In Gnaden uns gewärtig, Doch alle noch nicht fertig. Diese Unvergleichlichen Wollen immer weiter, Sehnsuchtsvolle Hungerleider Nach dem Unerreichlichen. Sirenen Wir sind gewohnt, Wo es auch thront, In Sonn’ und Mond Hinzubeten, es lohnt. Nereiden und Tritonen Wie unser Ruhm zum höchsten prangt Dieses Fest anzuführen! Sirenen Die Helden des Alterthums Ermangeln des Ruhms, Wo und wie er auch prangt; Wenn sie das goldne Vließ erlangt, Ihr die Kabiren. wiederholt als Allgesang Wenn sie das goldene Vließ erlangt, Wir! ihr! die Kabiren. Nereiden und Tritonen ziehen vorüber Homunkulus Die Ungestalten seh ich an Als irden-schlechte Töpfe, Nun stoßen sich die Weisen dran Und brechen harte Köpfe. Thales Das ist es ja was man begehrt, Der Rost macht erst die Münze werth. Proteus unbemerkt So etwas freut mich alten Fabler! Je wunderlicher desto respectabler. Thales Wo bist du Proteus? Proteus Bauchrednerisch, bald nah, bald fern Hier! und hier! Thales Den alten Scherz verzeih’ ich Dir; Doch, einem Freund nicht eitle Worte! Ich weiß du sprichst vom falschen Orte. Proteus als aus der Ferne Leb wohl! Thales leise zu Homunkulus Er ist ganz nah. Nun leuchte frisch, Er ist neugierig wie ein Fisch; Und wo er auch gestaltet stockt, Durch Flammen wird er hergelockt. Homunkulus Ergieß’ ich gleich des Lichtes Menge, Bescheiden doch, daß ich das Glas nicht sprenge. Proteus in Gestalt einer Riesen-Schildkröte Was leuchtet so anmuthig schön? Thales den Homunkulus verhüllend Gut! Wenn du Lust hast kannst dus näher sehn. Die kleine Mühe laß dich nicht verdrießen, Und zeige dich auf menschlich beiden Füßen. Mit unsern Gunsten seys, mit unserm Willen! Wer schauen will was wir verhüllen. Proteus edel gestaltet Weltweise Kniffe sind dir noch bewußt. Thales Gestalt zu wechseln bleibt noch deine Lust. hat den Homunkulus enthüllt Proteus erstaunt Ein leuchtend Zwerglein! Niemals noch gesehn! Thales Es fragt um Rath, und möchte gern entstehn. Er ist, wie ich von ihm vernommen, Gar wundersam nur halb zur Welt gekommen. Ihm fehlt es nicht an geistigen Eigenschaften, Doch gar zu sehr am greiflich Tüchtighaften. Bis jetzt giebt ihm das Glas allein Gewicht, Doch wär’ er gern zunächst verkörperlicht. Proteus Du bist ein wahrer Jungfern-Sohn, Eh du seyn solltest bist du schon! Thales leise Auch scheint es mir von andrer Seite kritisch, Er ist, mich dünkt, hermaphroditisch. Proteus Da muß es desto eher glücken, So wie er anlangt wird sichs schicken. Doch gilt es hier nicht viel Besinnen, Im weiten Meere mußt du anbeginnen! Da fängt man erst im Kleinen an Und freut sich Kleinste zu verschlingen, Man wächst so nach und nach heran, Und bildet sich zu höherem Vollbringen. Homunkulus Hier weht gar eine weiche Luft, Es grunelt so und mir behagt der Duft! Proteus Das glaub ich, allerliebster Junge! Und weiter hin wirds viel behäglicher, Auf dieser schmalen Strandeszunge Der Dunstkreis noch unsäglicher; Da vorne sehen wir den Zug, Der eben herschwebt, nah genug. Kommt mit dahin! Thales Ich gehe mit. Homunkulus Dreyfach merkwürdiger Geisterschritt!
Telchinen von Rhodusauf Hippokampen und Meerdrachen, Neptunens Dreyzack handhabend Chor Wir haben den Dreyzack Neptunen geschmiedet Womit er die regesten Wellen begütet. Entfaltet der Donnrer die Wolken die vollen, Entgegnet Neptunus dem gräulichen Rollen; Und wie auch von oben es zackig erblitzt, Wird Woge nach Woge von unten gespritzt; Und was auch dazwischen in Ängsten gerungen Wird, lange geschleudert, vom Tiefsten verschlungen; Weshalb er uns heute den Scepter gereicht, Nun schweben wir festlich, beruhigt und leicht. Sirenen Euch dem Helios Geweihten, Heiteren Tags Gebenedeyten, Gruß zur Stunde, die bewegt Lunas Hochverehrung regt! Telchinen Alllieblichste Göttin am Bogen da droben Du hörst mit Entzücken den Bruder beloben. Der seligen Rhodus verleihst du ein Ohr, Dort steigt ihm ein ewiger Päan hervor. Beginnt er den Tagslauf und ist es gethan, Er blickt uns mit feurigem Strahlenblick an. Die Berge, die Städte, die Ufer, die Welle, Gefallen dem Gotte, sind lieblich und helle. Kein Nebel umschwebt uns, und schleicht er sich ein, Ein Strahl und ein Lüftchen und die Insel ist rein! Da schaut sich der Hohe in hundert Gebilden, Als Jüngling, als Riesen, den großen, den milden. Wir ersten wir waren’s, die Göttergewalt Aufstellten in würdiger Menschengestalt. Proteus Laß du sie singen, laß sie prahlen! Der Sonne heiligen Lebestrahlen Sind todte Werke nur ein Spaß. Das bildet, schmelzend, unverdrossen; Und haben sie’s in Erz gegossen Dann denken sie es wäre was. Was ist’s zuletzt mit diesen Stolzen? Die Götterbilder standen groß, – Zerstörte sie ein Erdestoß; Längst sind sie wieder eingeschmolzen. Das Erdetreiben, wie’s auch sey, Ist immer doch nur Plackerey; Dem Leben frommt die Welle besser; Dich trägt ins ewige Gewässer Proteus-Delphin. er verwandelt sich. Schon ists gethan! Da soll es Dir zum schönsten glücken, Ich nehme dich auf meinen Rücken Vermähle dich dem Ocean. Thales Gieb nach dem löblichen Verlangen Von vorn die Schöpfung anzufangen, Zu raschem Wirken sey bereit! Da regst du dich nach ewigen Normen, Durch tausend abertausend Formen, Und bis zum Menschen hast du Zeit. Homunkulus besteigt den Proteus-Delphin Proteus Komm geistig mit in feuchte Weite, Da lebst du gleich in Läng’ und Breite, Beliebig regest du dich hier; Nur strebe nicht nach höheren Orden, Bist du einmal ein Mensch geworden, Dann ist es völlig aus mit dir. Thales Nachdem es kommt; s’ist auch wohl fein Ein wackrer Mann zu seiner Zeit zu seyn. Proteus zu Thales So einer wohl von deinem Schlag! Das hält noch eine Weile nach; Denn unter bleichen Geisterschaaren Seh’ ich dich schon seit vielen hundert Jahren. Sirenen auf den Felsen Welch ein Ring von Wölkchen ründet Um den Mond so reichen Kreis? Tauben sind es, liebentzündet, Fittige wie Licht so weiß. Paphos hat sie hergesendet, Ihre brünstige Vogelschaar; Unser Fest, es ist vollendet, Heitre Wonne voll und klar! Nereus zu Thales tretend Nennte wohl ein nächtiger Wanderer Diesen Mondhof Lufterscheinung; Doch wir Geister sind ganz anderer Und der einzig richtigen Meynung. Tauben sind es, die begleiten Meiner Tochter Muschelpfad, Wunderflugs besondrer Art, Angelernt vor alten Zeiten. Thales Auch ich halte das fürs Beste Was dem wackern Mann gefällt, Wenn im stillen warmen Neste Sich ein Heiliges lebend hält. Psellen und Marsen auf Meerstieren, Meerkälbern und Widdern In Cyperns rauhen Höhle-Grüften, Vom Meergott nicht verschüttet, Vom Seismos nicht zerrüttet, Umweht von ewigen Lüften, Und, wie in den ältesten Tagen, In still-bewußtem Behagen, Bewahren wir Cypriens Wagen, Und führen, beym Säuseln der Nächte, Durch liebliches Wellengeflechte, Unsichtbar dem neuen Geschlechte, Die lieblichste Tochter heran. Wir leise Geschäftigen scheuen Weder Adler noch geflügelten Leuen, Weder Kreuz noch Mond, Wie es oben wohnt und trohnt, Sich wechselnd wägt und regt, Sich vertreibt und todtschlägt, Saaten und Städte niederlegt. Wir, so fortan, Bringen die lieblichste Herrin heran. Sirenen Leicht bewegt, in mäßiger Eile, Um den Wagen, Kreis um Kreis, Bald verschlungen Zeil’ an Zeile Schlangenartig reihenweis, Naht euch rüstige Nereiden, Derbe Frau’n, gefällig wild, Bringet, zärtliche Doriden, Galatee der Mutter Bild: Ernst, den Göttern gleich zu schauen, Würdiger Unsterblichkeit, Doch wie holde Menschenfrauen Lockender Anmuthigkeit. Doriden im Chor am Nereus vorbeyziehend sämmtlich auf Delphinen Leih uns Luna Licht und Schatten, Klarheit diesem Jugendflor; Denn wir zeigen liebe Gatten Unserm Vater bittend vor. zu Nereus Knaben sinds die wir gerettet, Aus der Brandung grimmem Zahn, Sie, auf Schilf und Moos gebettet, Aufgewärmt zum Licht heran, Die es nun mit heißen Küssen Treulich uns verdanken müssen; Schau’ die Holden günstig an! Nereus Hoch ist der Doppelgewinn zu schätzen: Barmherzig seyn, und sich zugleich ergötzen. Doriden Lobst du Vater unser Walten, Gönnst uns wohlerworbene Lust, Laß uns fest, unsterblich halten Sie an ewiger Jugendbrust. Nereus Mög’t euch des schönen Fanges freuen, Den Jüngling bildet euch als Mann; Allein ich könnte nicht verleihen Was Zeus allein gewähren kann. Die Welle, die euch wogt und schaukelt, Läßt auch der Liebe nicht Bestand, Und hat die Neigung ausgegaukelt So setzt gemächlich sie ans Land. Doriden Ihr holde Knaben seyd uns werth, Doch müssen wir traurig scheiden; Wir haben ewige Treue begehrt, Die Götter wollens nicht leiden. Die Jünglinge Wenn ihr uns nur so ferner labt, Uns wackre Schiffer-Knaben; Wir haben’s nie so gut gehabt Und wollen’s nicht besser haben. Galatee auf dem Muschelwagen nähert sich Nereus Du bist es mein Liebchen! Galatee O Vater! das Glück! Delphine verweilet! mich fesselt der Blick. Nereus Vorüber schon, sie ziehen vorüber In kreisenden Schwunges Bewegung; Was kümmert sie die innre herzliche Regung! Ach! nähmen sie mich mit hinüber! Doch ein einziger Blick ergötzt Daß er das ganze Jahr ersetzt. Thales Heil! Heil! aufs neue! Wie ich mich blühend freue, Vom Schönen, Wahren durchdrungen... Alles ist aus dem Wasser entsprungen!! Alles wird durch das Wasser erhalten! Ocean gönn’ uns dein ewiges Walten. Wenn du nicht Wolken sendetest, Nicht reiche Bäche spendetest, Hin und her nicht Flüsse wendetest, Die Ströme nicht vollendetest; Was wären Gebirge, was Ebnen und Welt? Du bist’s der das frischeste Leben erhält. Echo Chorus der sämmtlichen Kreise Du bists dem das frischeste Leben entquellt. Nereus Sie kehren schwankend fern zurück, Bringen nicht mehr Blick zu Blick; In gedehnten Kettenkreisen Sich festgemäß zu erweisen, Windet sich die unzählige Schaar. Aber Galateas Muschelthron Seh’ ich schon und aber schon. Er glänzt wie ein Stern Durch die Menge; Geliebtes leuchtet durch’s Gedränge, Auch noch so fern Schimmert’s hell und klar, Immer nah und wahr. Homunkulus In dieser holden Feuchte Was ich auch hier beleuchte, Ist alles reizend schön. Proteus In dieser Lebensfeuchte Erglänzt erst deine Leuchte Mit herrlichem Getön. Nereus Welch neues Geheimniß in Mitte der Schaaren Will unseren Augen sich offengebahren? Was flammt um die Muschel um Galatees Füße? Bald lodert es mächtig, bald lieblich bald süße, Als wär’ es von Pulsen der Liebe gerührt? Thales Homunkulus ist es, von Proteus verführt... Es sind die Symptome des herrischen Sehnens, Mir ahnet das Ächzen beängsteten Dröhnens; Er wird sich zerschellen am glänzenden Thron; Jetzt flammt es, nun blitzt es, ergießet sich schon. Sirenen Welch feuriges Wunder verklärt uns die Wellen, Die gegen einander sich funkelnd zerschellen? So leuchtet’s und schwanket und hellet hinan: Die Körper sie glühen auf nächtlicher Bahn, Und rings ist alles vom Feuer umronnen; So herrsche denn Eros der alles begonnen! Heil dem Meere! Heil den Wogen! Von dem heiligen Feuer umzogen; Heil dem Wasser! Heil dem Feuer! Heil dem seltnen Abenteuer! All Alle! Heil den mildgewogenen Lüften! Heil geheimnißreichen Grüften! Hochgefeyert seyd alhier Element’ ihr alle vier!
Dritter Act
Vor dem Pallaste des Menelas zu Sparta Helena tritt auf und Chor gefangener Trojanerinnen. Panthalis Chorführerin Helena Bewundert viel und viel gescholten Helena Vom Strande komm’ ich wo wir erst gelandet sind, Noch immer trunken von des Gewoges regsamem Geschaukel, das vom phrygischen Blachgefild uns her Auf sträubig-hohem Rücken, durch Poseidons Gunst Und Euros Kraft in vaterländische Buchten trug. Dort unten freuet nun der König Menelas Der Rückkehr sammt den tapfersten seiner Krieger sich. Du aber heiße mich willkommen, hohes Haus, Das Tyndareos, mein Vater, nah dem Hange sich Von Pallas Hügel wiederkehrend aufgebaut, Und als ich hier mit Klytämnestren schwesterlich, Mit Castor auch und Pollux fröhlich spielend wuchs, Vor allen Häusern Spartas, herrlich ausgeschmückt. Gegrüßet seyd mir der eh’rnen Pforte Flügel ihr, Durch euer gastlich ladendes Weiteröffnen einst Geschah’s daß mir, erwählt aus vielen, Menelas In Bräutigams-Gestalt entgegen leuchtete. Eröffnet mir sie wieder, daß ich ein Eilgebot Des Königs treu erfülle, wie der Gattin ziemt. Laßt mich hinein! und alles bleibe hinter mir, Was mich umstürmte bis hieher, verhängnißvoll. Denn seit ich diese Stelle sorgenlos verließ, Cytherens Tempel besuchend, heiliger Pflicht gemäß, Mich aber dort ein Räuber griff, der phrygische, Ist viel geschehen, was die Menschen weit und breit So gern erzählen, aber der nicht gerne hört Von dem die Sage wachsend sich zum Mährchen spann. Chor Verschmähe nicht, o herrliche Frau, Des höchsten Gutes Ehrenbesitz! Denn das größte Glück ist dir einzig beschert, Der Schönheit Ruhm der vor allen sich hebt. Dem Helden tönt sein Name voran, Drum schreitet er stolz, Doch beugt sogleich hartnäckigster Mann Vor der allbezwingenden Schöne den Sinn. Helena Genug! mit meinem Gatten bin ich hergeschifft Und nun von ihm zu seiner Stadt vorausgesandt; Doch welchen Sinn er hegen mag errath’ ich nicht. Komm’ ich als Gattin? komm’ ich eine Königin? Komm’ ich ein Opfer für des Fürsten bittern Schmerz Und für der Griechen lang’erduldetes Mißgeschick? Erobert bin ich, ob gefangen weiß ich nicht! Denn Ruf und Schicksal bestimmten fürwahr die Unsterblichen Zweydeutig mir, der Schöngestalt bedenkliche Begleiter, die an dieser Schwelle mir sogar Mit düster drohender Gegenwart zur Seite stehn. Denn schon im hohlen Schiffe blickte mich der Gemahl Nur selten an, auch sprach er kein erquicklich Wort. Als wenn er Unheil sänne saß er gegen mir. Nun aber, als des Eurotas tiefem Buchtgestad Hinangefahren der vordern Schiffe Schnäbel kaum Das Land begrüßten, sprach er, wie vom Gott bewegt: Hier steigen meine Krieger, nach der Ordnung, aus, Ich mustre sie am Strand des Meeres hingereiht, Du aber ziehe weiter, ziehe des heiligen Eurotas fruchtbegabtem Ufer immer auf, Die Rosse lenkend auf der feuchten Wiese Schmuck, Bis daß zur schönen Ebene du gelangen magst, Wo Lakedämon einst ein fruchtbar weites Feld, Von ernsten Bergen nah umgeben, angebaut. Betrete dann das hochgethürmte Fürstenhaus Und mustere mir die Mägde, die ich dort zurück Gelassen, sammt der klugen alten Schaffnerin. Die zeige dir der Schätze reiche Sammlung vor, Wie sie dein Vater hinterließ und die ich selbst In Krieg und Frieden, stets vermehrend, aufgehäuft. Du findest alles nach der Ordnung stehen: denn Das ist des Fürsten Vorrecht daß er alles treu In seinem Hause, wiederkehrend, finde, noch An seinem Platze jedes wie er’s dort verließ. Denn nichts zu ändern hat für sich der Knecht Gewalt. Chor Erquicke nun am herrlichen Schatz, Dem stets vermehrten, Augen und Brust; Denn der Kette Zier, der Krone Geschmuck Da ruhn sie stolz und sie dünken sich was; Doch tritt nur ein und fordre sie auf, Sie rüsten sich schnell. Mich freuet zu sehn Schönheit in dem Kampf Gegen Gold und Perlen und Edelgestein. Helena Sodann erfolgte des Herren ferneres Herrscherwort: Wenn du nun alles nach der Ordnung durchgesehn, Dann nimm so manchen Dreyfuß als du nöthig glaubst Und mancherlei Gefäße die der Opfrer sich Zur Hand verlangt, vollziehend heiligen Festgebrauch. Die Kessel, auch die Schalen, wie das flache Rund, Das reinste Wasser aus der heiligen Quelle sey In hohen Krügen, ferner auch das trockne Holz, Der Flammen schnell empfänglich, halte da bereit, Ein wohlgeschliffnes Messer fehle nicht zuletzt; Doch alles andre geb’ ich deiner Sorge hin. So sprach er, mich zum Scheiden drängend; aber nichts Lebendigen Athems zeichnet mir der Ordnende Das er, die Olympier zu verehren, schlachten will. Bedenklich ist es, doch ich sorge weiter nicht Und alles bleibe hohen Göttern heimgestellt, Die das vollenden, was in ihrem Sinn sie däucht, Es möge gut von Menschen, oder möge bös Geachtet seyn, die Sterblichen wir ertragen das. Schon manchmal hob das schwere Beil der Opfernde Zu des erdgebeugten Thieres Nacken weihend auf, Und konnt’ es nicht vollbringen, denn ihn hinderte Des nahen Feindes oder Gottes Zwischenkunft. Chor Was geschehen werde sinnst du nicht aus, Königin schreite dahin Guten Muths. Gutes und Böses kommt Unerwartet dem Menschen; Auch verkündet glauben wir’s nicht. Brannte doch Troja, sahen wir doch Tod vor Augen, schmählichen Tod; Und sind wir nicht hier Dir gesellt, dienstbar freudig, Schauen des Himmels blendende Sonne Und das schönste der Erde Huldvoll, dich, uns Glücklichen. Helena Sey’s wie es sey! Was auch bevorsteht, mir geziemt Hinaufzusteigen ungesäumt in das Königshaus, Das lang entbehrt, und viel ersehnt, und fast verscherzt, Mir abermals vor Augen steht, ich weiß nicht wie. Die Füße tragen mich so muthig nicht empor Die hohen Stufen die ich kindisch übersprang. Chor Werfet o Schwestern, ihr Traurig gefangenen, Alle Schmerzen ins Weite; Theilet der Herrin Glück, Theilet Helenens Glück, Welche zu Vaterhauses Herd, Zwar mit spätzurückkehrendem Aber mit desto festerem Fuße freudig herannaht. Preiset die heiligen, Glücklich herstellenden Und heimführenden Götter! Schwebt der Entbundene Doch wie auf Fittigen Über das Rauhste, wenn umsonst Der Gefangene sehnsuchtsvoll Über die Zinne des Kerkers hin Armausbreitend sich abhärmt. Aber sie ergriff ein Gott Die Entfernte; Und aus Ilios Schutt Trug er hierher sie zurück, In das alte das neugeschmückte Vaterhaus, Nach unsäglichen Freuden und Qualen, Früher Jugendzeit Angefrischt zu gedenken. Panthalis als Chorführerin Verlasset nun des Gesanges freudumgebnen Pfad Und wendet nach der Thüre Flügeln euren Blick. Was seh’ ich, Schwestern? Kehret nicht die Königin, Mit heftigen Schrittes Regung, wieder zu uns her? Was ist es, große Königin, was konnte dir In deines Hauses Hallen, statt der Deinen Gruß, Erschütterendes begegnen? Du verbirgst es nicht; Denn Widerwillen seh ich an der Stirne dir Ein edles Zürnen das mit Überraschung kämpft. Helena welche die Thürflügel offen gelassen hat, bewegt Der Tochter Zeus geziemet nicht gemeine Furcht Und flüchtig-leise Schreckenshand berührt sie nicht; Doch das Entsetzen, das dem Schoos der alten Nacht, Vom Urbeginn entsteigend, vielgestaltet noch Wie glühende Wolken, aus des Berges Feuerschlund, Herauf sich wälzt erschüttert auch des Helden Brust. So haben heute grauenvoll die Stygischen In’s Haus den Eintritt mir bezeichnet, daß ich gern Von oft betretner, langersehnter Schwelle mich, Entlaßnem Gaste gleich, entfernend scheiden mag. Doch nein! gewichen bin ich her an’s Licht, und sollt Ihr weiter nicht mich treiben, Mächte, wer ihr seyd. Auf Weihe will ich sinnen, dann gereinigt mag Des Herdes Gluth die Frau begrüßen wie den Herrn. Chorführerin Entdecke deinen Dienerinnen, edle Frau, Die dir verehrend beistehn, was begegnet ist. Helena Was ich gesehen sollt ihr selbst mit Augen sehn, Wenn ihr Gebilde nicht die alte Nacht sogleich Zurück geschlungen in ihrer Tiefe Wunderschoos. Doch daß ihr’s wisset, sag’ ich’s euch mit Worten an: Als ich des Königs-Hauses ernsten Binnenraum, Der nächsten Pflicht gedenkend, feyerlich betrat, Erstaunt’ ich ob der öden Gänge Schweigsamkeit. Nicht Schall der emsig wandelnden begegnete Dem Ohr, nicht raschgeschäftiges Eiligthun dem Blick, Und keine Magd erschien mir, keine Schaffnerin Die jeden Fremden freundlich sonst begrüßenden. Als aber ich dem Schooße des Herdes mich genaht, Da sah’ ich, bei verglommner Asche lauem Rest, Am Boden sitzen welch verhülltes großes Weib, Der Schlafenden nicht vergleichbar, wohl der Sinnenden. Mit Herrscherworten ruf’ ich sie zur Arbeit auf, Die Schaffnerin mir vermuthend, die indeß vielleicht Des Gatten Vorsicht hinterlassend angestellt; Doch eingefaltet sitzt die unbewegliche; Nur endlich rührt sie, auf mein Dräun, den rechten Arm, Als wiese sie von Herd und Halle mich hinweg. Ich wende zürnend mich ab von ihr und eile gleich Den Stufen zu, worauf empor der Thalamos Geschmückt sich hebt und nah daran das Schatzgemach; Allein das Wunder reißt sich schnell vom Boden auf, Gebietrisch mir den Weg vertretend, zeigt es sich In hagrer Größe, hohlen, blutig-trüben Blicks, Seltsamer Bildung, wie sie Aug und Geist verwirrt. Doch red’ ich in die Lüfte; denn das Wort bemüht Sich nur umsonst Gestalten schöpferisch aufzubaun. Da seht sie selbst! sie wagt sogar sich an’s Licht hervor! Hier sind wir Meister, bis der Herr und König kommt. Die grausen Nachtgeburten drängt der Schönheitsfreund, Phöbus hinweg in Höhlen, oder bändigt sie. Phorkyas auf der Schwelle zwischen den Thürpfosten auftretend Chor Vieles erlebt’ ich, obgleich die Locke Jugendlich wallet mir um die Schläfe! Schreckliches hab’ ich vieles gesehen, Kriegrischen Jammer, Ilios Nacht, Als es fiel. Durch das umwölkte, staubende Tosen, Drängender Krieger hört’ ich die Götter Fürchterlich rufen, hört’ ich der Zwietracht Eherne Stimme schallen durch’s Feld, Mauerwärts. Ach, sie standen noch, Ilios Mauern, aber die Flammengluth Zog vom Nachbar zum Nachbar schon Sich verbreitend von hier und dort Mit des eignen Sturmes Wehn Über die nächtliche Stadt hin. Flüchtend sah ich, durch Rauch und Gluth Und der züngelnden Flamme Lohe Gräßlich zürnender Götter Nahn, Schreitend Wundergestalten Riesengroß durch düsteren Feuerumleuchteten Qualm hin. Sah’ ich’s, oder bildete Mir der angstumschlungene Geist Solches Verworrene? sagen kann Nimmer ich’s, doch daß ich dieß Gräßliche hier mit Augen schau Solches gewiß ja weiß ich; Könnt’ es mit Händen fassen gar Hielte von dem Gefährlichen Nicht zurücke die Furcht mich Welche von Phorkys Töchtern nur bist du? Denn ich vergleiche dich Diesem Geschlechte. Bist du vielleicht der graugebornen, Eines Auges und Eines Zahns Wechselsweis theilhaftigen, Graien eine gekommen? Wagest du Scheusal Neben der Schönheit Dich vor dem Kennerblick Phöbus zu zeigen? Tritt du dennoch hervor nur immer Denn das Häßliche schaut Er nicht. Wie sein heilig Auge noch Nie erblickte den Schatten. Doch uns Sterbliche nöthigt, ach, Leider trauriges Mißgeschick Zu dem unsäglichen Augenschmerz, Den das Verwerfliche ewig-unselige Schönheitliebenden rege macht. Ja so höre denn, wenn du frech Uns entgegenest, höre Fluch, Höre jeglicher Schelte Drohn, Aus dem verwünschenden Munde der Glücklichen Die von Göttern gebildet sind. Phorkyas Alt ist das Wort, doch bleibet hoch und wahr der Sinn, Daß Scham und Schönheit nie zusammen, Hand in Hand, Den Weg verfolgen über der Erde grünen Pfad. Tief eingewurzelt wohnt in beiden alter Haß, Daß wo sie immer irgend auch des Weges sich Begegnen, jede der Gegnerin den Rücken kehrt. Dann eilet jede wieder heftiger, weiter fort, Die Scham betrübt, die Schönheit aber frech gesinnt, Bis sie zuletzt des Orkus hohle Nacht umfängt, Wenn nicht das Alter sie vorher gebändigt hat. Euch find’ ich nun, ihr frechen, aus der Fremde her Mit Übermuth ergossen, gleich der Kraniche Laut-heiser klingendem Zug, der über unser Haupt, In langer Wolke, krächzend sein Getön herab Schickt, das den stillen Wandrer über sich hinauf Zu blicken lockt; doch ziehn sie ihren Weg dahin, Er geht den seinen, also wird’s mit uns geschehn. Wer seyd denn ihr? daß ihr des Königes Hochpallast Mänadisch wild, Betrunknen gleich umtoben dürft? Wer seyd ihr denn, daß ihr des Hauses Schaffnerin Entgegen heulet, wie dem Mond der Hunde Schaar? Wähnt ihr, verborgen sey mir welch Geschlecht ihr seyd, Du kriegerzeugte, schlachterzogne, junge Brut? Mannlustige du, so wie verführt verführende, Entnervend beide, Kriegers auch und Bürgers Kraft. Zu Hauf euch sehend scheint mir ein Cicaden-Schwarm Herabzustürzen, deckend grüne Feldersaat. Verzehrerinnen fremden Fleißes! Naschende Vernichterinnen aufgekeimten Wohlstands ihr, Erobert, marktverkauft, vertauschte Waare du! Helena Wer gegenwarts der Frau die Dienerinnen schilt, Der Gebiet’rin Hausrecht tastet er vermessen an; Denn ihr gebührt allein das Lobenswürdige Zu rühmen, wie zu strafen was verwerflich ist. Auch bin des Dienstes ich wohl zufrieden, den sie mir Geleistet als die hohe Kraft von Ilios Umlagert stand und fiel und lag; nicht weniger Als wir der Irrfahrt kummervolle Wechselnoth Ertrugen, wo sonst jeder sich der nächste bleibt. Auch hier erwart’ ich gleiches von der muntern Schaar; Nicht was der Knecht sey, fragt der Herr, nur wie er dient, Drum schweige du und grinse sie nicht länger an. Hast du das Haus des Königs wohl verwahrt bisher, Anstatt der Hausfrau, solches dient zum Ruhme dir; Doch jetzo kommt sie selber, tritt nun du zurück, Damit nicht Strafe werde statt verdienten Lohns. Phorkyas Den Hausgenossen drohen bleibt ein großes Recht, Das gottbeglückten Herrschers hohe Gattin sich Durch langer Jahre weise Leitung wohl verdient. Da du, nun Anerkannte! nun den alten Platz Der Königin und Hausfrau wiederum betrittst, So fasse längst erschlaffte Zügel, herrsche nun, Nimm in Besitz den Schatz und sämmtlich uns dazu. Vor allem aber schütze mich die ältere Vor dieser Schaar, die, neben deiner Schönheit Schwan, Nur schlecht befittigt schnatterhafte Gänse sind. Chorführerin Wie häßlich neben Schönheit zeigt sich Häßlichkeit. Phorkyas Wie unverständig neben Klugheit Unverstand. Von hier an erwiedern die Choretiden, einzeln aus dem Chor heraustretend. Choretide 1 Von Vater Erebus melde, melde von Mutter Nacht. Phorkyas So sprich von Scylla, leiblich dir Geschwisterkind. Choretide 2 An deinem Stammbaum steigt manch Ungeheu’r empor. Phorkyas Zum Orkus hin! da suche deine Sippschaft auf. Choretide 3 Die dorten wohnen sind dir alle viel zu jung. Phorkyas Tiresias den Alten gehe buhlend an. Choretide 4 Orions Amme war dir Ur-Urenkelin. Phorkyas Harpyen wähn’ ich fütterten dich im Unflat auf. Choretide 5 Mit was ernährst du so gepflegte Magerkeit? Phorkyas Mit Blute nicht, wonach du allzulüstern bist. Choretide 6 Begierig du auf Leichen, ekle Leiche selbst! Phorkyas Vampyren-Zähne glänzen dir im frechen Maul. Chorführerin Das deine stopf’ ich wenn ich sage wer du seyst. Phorkyas So nenne dich zuerst, das Räthsel hebt sich auf. Helena Nicht zürnend, aber traurend schreit’ ich zwischen euch, Verbietend solches Wechselstreites Ungestüm! Denn schädlicheres begegnet nichts dem Herrscherherrn Als treuer Diener heimlich unterschworner Zwist. Das Echo seiner Befehle kehrt alsdann nicht mehr In schnell vollbrachter That, wohlstimmig ihm zurück, Nein, eigenwillig brausend tos’t es um ihn her, Den selbstverirrten, in’s Vergeb’ne scheltenden. Dieß nicht allein. Ihr habt in sittelosem Zorn, Unsel’ger Bilder Schreckgestalten hergebannt, Die mich umdrängen, daß ich selbst zum Orkus mich Gerissen fühle, vaterländ’scher Flur zum Trutz. Ist’s wohl Gedächtniß? war es Wahn, der mich ergreift? War ich das alles? Bin ich’s? Werd ich’s künftig seyn, Das Traum- und Schreckbild jener Städteverwüstenden? Die Mädchen schaudern, aber du die älteste Du stehst gelassen, rede mir verständig Wort. Phorkyas Wer langer Jahre mannigfaltigen Glücks gedenkt, Ihm scheint zuletzt die höchste Göttergunst ein Traum. Du aber hochbegünstigt, sonder Maaß und Ziel, In Lebensreihe sahst nur Liebesbrünstige, Entzündet rasch zum kühnsten Wagstück jeder Art. Schon Theseus haschte früh dich, gierig aufgeregt, Wie Herakles stark, ein herrlich schön geformter Mann. Helena Entführte mich, ein siebenjährig schlankes Reh, Und mich umschloß Aphidnus Burg in Attika. Phorkyas Durch Castor und durch Pollux aber bald befreit, Umworben standst du ausgesuchter Helden-Schaar. Helena Doch stille Gunst vor allen, wie ich gern gesteh’, Gewann Patroklus, er des Peliden Ebenbild. Phorkyas Doch Vaterwille traute dich an Menelas, Den kühnen Seedurchstreicher, Hausbewahrer auch. Helena Die Tochter gab er, gab des Reichs Bestellung ihm. Aus ehlichem Beiseyn sproßte dann Hermione. Phorkyas Doch als er fern sich Creta’s Erbe kühn erstritt, Dir Einsamen da erschien ein allzuschöner Gast. Helena Warum gedenkst du jener halben Witwenschaft? Und welch Verderben gräßlich mir daraus erwuchs? Phorkyas Auch jene Fahrt mir freigebornen Creterin Gefangenschaft erschuf sie, lange Sclaverey. Helena Als Schaffnerin bestellt’ er dich sogleich hieher Vertrauend vieles, Burg und kühn erworbnen Schatz. Phorkyas Die du verließest, Ilios umthürmter Stadt Und unerschöpften Liebesfreuden zugewandt. Helena Gedenke nicht der Freuden! allzuherben Leid’s Unendlichkeit ergoß sich über Brust und Haupt. Phorkyas Doch sagt man, du erschienst ein doppelhaft Gebild, In Ilios gesehen und in Ägypten auch. Helena Verwirre wüsten Sinnes Aberwitz nicht gar. Selbst jetzo, welche denn ich sey, ich weiß es nicht. Phorkyas Dann sagen sie: aus hohlem Schattenreich herauf Gesellte sich inbrünstig noch Achill zu dir! Dich früher liebend gegen allen Geschicks Beschluß. Helena Ich als Idol, ihm dem Idol verband ich mich. Es war ein Traum, so sagen ja die Worte selbst. Ich schwinde hin und werde selbst mir ein Idol. Sinkt dem Halbchor in die Arme Chor Schweige, schweige! Mißblickende, mißredende du! Aus so gräßlichen einzahnigen Lippen was enthaucht wohl Solchem furchtbaren Greuelschlund. Denn der bösartige wohlthätig erscheinend, Wolfesgrimm unter schafwolligem Vließ, Mir ist er weit schrecklicher als des drey- köpfigen Hundes Rachen. Ängstlich lauschend stehn wir da, Wann? wie? wo nur bricht’s hervor Solcher Tücke Tiefauflauerndes Ungethüm? Nun denn, statt freundlich mit Trost reich begabten Letheschenkenden holdmildesten Worts, Regest du auf aller Vergangenheit Bösestes mehr denn Gutes, Und verdüsterst allzugleich Mit dem Glanz der Gegenwart Auch der Zukunft Mild aufschimmerndes Hoffnungslicht. Schweige, schweige! Daß der Königin Seele, Schon zu entfliehen bereit, Sich noch halte, festhalte Die Gestalt aller Gestalten Welche die Sonne jemals beschien. Helena hat sich erholt und steht wieder in der Mitte. Phorkyas Tritt hervor aus flüchtigen Wolken hohe Sonne dieses Tags Die verschleiert schon entzückte, blendend nun im Glanze herrscht. Wie die Welt sich dir entfaltet schaust du selbst mit holdem Blick. Schelten sie mich auch für häßlich kenn’ ich doch das Schöne wohl. Helena Tret’ ich schwankend aus der Öde die im Schwindel mich umgab, Pflegt’ ich gern der Ruhe wieder, denn so müd’ ist mein Gebein: Doch es ziemet Königinnen, allen Menschen ziemt es wohl Sich zu fassen, zu ermannen was auch drohend überrascht. Phorkyas Stehst du nun in deiner Großheit, deiner Schöne vor uns da, Sagt dein Blick, daß du befiehlest, was befiehlst du? sprich es aus. Helena Eures Haders frech Versäumniß auszugleichen seyd bereit, Eilt ein Opfer zu bestellen wie der König mir gebot. Phorkyas Alles ist bereit im Hause, Schale, Dreyfuß, scharfes Beil, Zum Besprengen, zum Beräuchern; das zu Opfernde zeig’ an. Helena Nicht bezeichnet’ es der König. Phorkyas Sprach’s nicht aus? O Jammerwort! Helena Welch ein Jammer überfällt dich? Phorkyas Königin, du bist gemeint! Helena Ich? Phorkyas Und diese. Chor Weh und Jammer! Phorkyas Fallen wirst du durch das Beil. Helena Gräßlich! doch geahnt, ich Arme! Phorkyas Unvermeidlich scheint es mir. Chor Ach! Und uns? was wird begegnen? Phorkyas Sie stirbt einen edlen Tod; Doch am hohen Balken drinnen, der des Daches Giebel trägt, Wie im Vogelfang die Drosseln, zappelt ihr der Reihe nach. Helena und Chor stehen erstaunt und erschreckt, in bedeutender, wohl vorbereiteter Gruppe. Phorkyas Gespenster! – – – Gleich erstarrten Bildern steht ihr da, Geschreckt vom Tag zu scheiden der euch nicht gehört. Die Menschen, die Gespenster sämmtlich gleich wie ihr, Entsagen auch nicht willig hehrem Sonnenschein; Doch bittet, oder rettet niemand sie vom Schluß; Sie wissen’s alle, wenigen doch gefällt es nur. Genug ihr seyd verloren! Also frisch an’s Werk. klatscht in die Hände, darauf erscheinen an der Pforte vermummte Zwerggestalten, welche die ausgesprochenen Befehle alsobald mit Behendigkeit ausführen. Herbei du düstres, kugelrundes Ungethüm, Wälzt euch hieher, zu schaden gibt es hier nach Lust. Dem Tragaltar, dem goldgehörnten, gebet Platz, Das Beil, es liege blinkend über dem Silberrand, Die Wasserkrüge füllet, abzuwaschen gibt’s Des schwarzen Blutes greuelvolle Besudelung. Den Teppich breitet köstlich hier am Staube hin, Damit das Opfer niederkniee königlich, Und eingewickelt, zwar getrennten Haupts, sogleich Anständig würdig, aber doch bestattet sey. Chorführerin Die Königin stehet sinnend an der Seite hier, Die Mädchen welken gleich gemähtem Wiesengras; Mir aber däucht, der Ältesten, heiliger Pflicht gemäß Mit dir das Wort zu wechseln, Ur-Urälteste. Du bist erfahren, weise, scheinst uns gut gesinnt, Ob schon verkennend hirnlos diese Schaar dich traf. Drum sage, was du möglich noch von Rettung weißt. Phorkyas Ist leicht gesagt: Von der Königin hängt allein es ab Sich selbst zu erhalten, euch Zugaben auch mit ihr. Entschlossenheit ist nöthig und die behendeste. Chor Ehrenwürdigste der Parzen, weiseste Sibylle du, Halte gesperrt die goldne Schere, dann verkünd’ uns Tag und Heil; Denn wir fühlen schon im Schweben, Schwanken, Bammeln unergetzlich Unsere Gliederchen, die lieber erst im Tanze sich ergetzten, Ruh’ten drauf an Liebchens Brust. Helena Laß diese bangen! Schmerz empfind’ ich, keine Furcht; Doch kennst du Rettung, dankbar sey sie anerkannt. Dem Klugen, Weitumsichtigen zeigt fürwahr sich oft Unmögliches noch als möglich. Sprich und sag es an. Chor Sprich und sage, sag uns eilig: wie entrinnen wir den grausen, Garstigen Schlingen? die bedrohlich, als die schlechtesten Geschmeide, Sich um unsre Hälse ziehen. Vorempfinden wir’s, die Armen, Zum entathmen, zum ersticken, wenn du Rhea, aller Götter Hohe Mutter, dich nicht erbarmst. Phorkyas Habt ihr Geduld des Vortrags langgedehnten Zug Still anzuhören? Mancherlei Geschichten sind’s. Chor Geduld genug! Zuhörend leben wir indeß. Phorkyas Dem der zu Hause verharrend edlen Schatz bewahrt, Und hoher Wohnung Mauern auszukitten weiß, Wie auch das Dach zu sichern vor des Regens Drang, Dem wird es wohlgehn lange Lebenstage durch: Wer aber seiner Schwelle heilige Richte leicht Mit flüchtigen Sohlen überschreitet freventlich, Der findet wiederkehrend wohl den alten Platz, Doch umgeändert alles, wo nicht gar zerstört. Helena Wozu dergleichen wohlbekannte Sprüche hier. Du willst erzählen, rege nicht an Verdrießliches. Phorkyas Geschichtlich ist es, ist ein Vorwurf keineswegs. Raubschiffend ruderte Menelas von Bucht zu Bucht, Gestad’ und Inseln, alles streift er feindlich an, Mit Beute wiederkehrend, wie sie drinnen starrt. Vor Ilios verbracht’ er langer Jahre zehn, Zur Heimfahrt aber weiß ich nicht wie viel es war. Allein wie steht es hier am Platz um Tyndareos Erhabnes Haus? wie stehet es mit dem Reich umher? Helena Ist dir denn so das Schelten gänzlich einverleibt, Daß ohne Tadeln du keine Lippe regen kannst? Phorkyas So viele Jahre stand verlassen das Thal-Gebirg, Das hinter Sparta nordwärts in die Höhe steigt, Taygetos im Rücken, wo als muntrer Bach Herab Eurotas rollt und dann durch unser Thal An Rohren breit hinfließend eure Schwäne nährt. Dort hinten still im Gebirgthal hat ein kühn Geschlecht, Sich angesiedelt, dringend aus cimmerischer Nacht, Und unersteiglich feste Burg sich aufgethürmt, Von da sie Land und Leute placken wie’s behagt. Helena Das konnten sie vollführen? Ganz unmöglich scheint’s. Phorkyas Sie hatten Zeit, vielleicht an zwanzig Jahre sind’s. Helena Ist Einer Herr? sind’s Räuber viel, Verbündete? Phorkyas Nicht Räuber sind es, Einer aber ist der Herr. Ich schelt’ ihn nicht und wenn er schon mich heimgesucht. Wohl konnt’ er alles nehmen, doch begnügt er sich Mit wenigen Freigeschenken, nannt er’s, nicht Tribut. Helena Wie sieht er aus? Phorkyas Nicht übel! mir gefällt er schon. Es ist ein munterer, kecker, wohlgebildeter, Wie unter Griechen wenig ein verständger Mann, Man schilt das Volk Barbaren, doch ich dächte nicht Daß grausam einer wäre, wie vor Ilios Gar mancher Held sich menschenfresserisch erwies. Ich acht’ auf seine Großheit, ihm vertraut’ ich mich. Und seine Burg! die solltet ihr mit Augen sehn, Das ist was anderes gegen plumpes Mauerwerk Das eure Väter, mir nichts dir nichts, aufgewälzt, Cyklopisch wie Cyklopen, rohen Stein sogleich Auf rohe Steine stürzend; dort hingegen, dort Ist alles senk- und wagerecht und regelhaft. Von außen schaut sie! himmelan sie strebt empor, So starr, so wohl in Fugen, spiegelglatt wie Stahl. Zu klettern hier – ja selbst der Gedanke gleitet ab. Und innen großer Höfe Raumgelasse, rings Mit Baulichkeit umgeben, aller Art und Zweck. Da seht ihr Säulen, Säulchen, Bogen, Bögelchen, Altane, Galerie’n zu schauen aus und ein, Und Wappen. Chor Was sind Wappen? Phorkyas Ajax führte ja Geschlungne Schlang’ im Schilde, wie ihr selbst gesehn. Die Sieben dort vor Theben trugen Bildnerey’n Ein jeder auf seinem Schilde, reich bedeutungsvoll. Da sah man Mond und Stern’ am nächtigen Himmelsraum, Auch Göttin, Held und Leiter, Schwerter, Fackeln auch, Und was bedrängliches guten Städten grimmig droht. Ein solch Gebilde führt auch unsre Heldenschaar Von seinen Ur-Urahnen her in Farbenglanz. Da seht ihr Löwen, Adler, Klau’ und Schnabel auch, Dann Büffelhörner, Flügel, Rosen, Pfauenschweif, Auch Streifen, gold und schwarz und silbern, blau und roth. Dergleichen hängt in Sälen Reih an Reihe fort, In Sälen, gränzenlosen, wie die Welt so weit; Da könnt ihr tanzen! Chor Sage, gibt’s auch Tänzer da? Phorkyas Die besten! goldgelockte, frische Bubenschaar. Die duften Jugend, Paris duftete einzig so, Als er der Königin zu nahe kam. Helena Du fällst Ganz aus der Rolle, sage mir das letzte Wort! Phorkyas Du sprichst das letzte, sagst mit Ernst vernehmlich ja! Sogleich umgeb’ ich dich mit jener Burg. Chor O sprich Das kurze Wort! und rette dich und uns zugleich. Helena Wie? sollt’ ich fürchten, daß der König Menelas So grausam sich verginge mich zu schädigen? Phorkyas Hast du vergessen, wie er deinen Deiphobus, Des todtgekämpften Paris Bruder, unerhört Verstümmelte, der starrsinnig Witwe dich erstritt Und glücklich kebste; Nas’ und Ohren schnitt er ab Und stümmelte mehr so; Greuel war es anzuschaun. Helena Das that er jenem, meinetwegen that er das. Phorkyas Um jeneswillen wird er dir das Gleiche thun. Untheilbar ist deine Schönheit; der sie ganz besaß Zerstört sie lieber, fluchend jedem Theilbesitz. Trompeten in der Ferne; der Chor fährt zusammen. Wie scharf der Trompete Schmettern Ohr und Eingeweid Zerreißend anfaßt, also krallt sich Eifersucht Im Busen fest des Mannes, der das nie vergißt Was einst er besaß und nun verlor, nicht mehr besitzt. Chor Hörst du nicht die Hörner schallen? siehst der Waffen Blitze nicht? Phorkyas Sey willkommen Herr und König, gerne geb’ ich Rechenschaft. Chor Aber wir? Phorkyas Ihr wißt es deutlich, seht vor Augen ihren Tod, Merkt den eurigen da drinne; nein zu helfen ist euch nicht. Pause Helena Ich sann mir aus das Nächste was ich wagen darf. Ein Widerdämon bist du, das empfind’ ich wohl, Und fürchte, Gutes wendest du zum Bösen um. Vor allem aber folgen will ich dir zur Burg; Das andre weiß ich; was die Königin dabei In tiefem Busen geheimnißvoll verbergen mag, Sey jedem unzugänglich. Alte! geh voran. Chor O wie gern gehen wir hin, Eilenden Fußes; Hinter uns Tod, Vor uns abermals Ragender Veste Unzugängliche Mauer. Schütze sie eben so gut Eben wie Ilios Burg, Die doch endlich nur Niederträchtiger List erlag. Nebel verbreiten sich, umhüllen den Hintergrund, auch die Nähe, nach Belieben. Wie? aber wie? Schwestern schaut euch um! War es nicht heiterer Tag? Nebel schwanken streifig empor Aus Eurotas heil’ger Fluth; Schon entschwand das liebliche Schilfumkränzte Gestade dem Blick, Auch die frei, zierlich-stolz Sanfthingleitenden Schwäne In gesell’ger Schwimmlust Seh’ ich, ach, nicht mehr! Doch, aber doch Tönen hör’ ich sie, Tönen fern heiseren Ton! Tod verkündenden sagen sie; Ach daß uns er nur nicht auch, Statt verheissener Rettung Heil, Untergang verkünde zuletzt; Uns den schwangleichen, lang- Schön weißhalsigen; und ach! Uns’rer Schwanerzeugten. Weh uns, weh, weh! Alles deckte sich schon Rings mit Nebel umher. Sehen wir doch einander nicht! Was geschieht? gehen wir? Schweben wir nur Trippelnden Schrittes am Boden hin? Siehst du nichts? schwebt nicht etwa gar Hermes voran? Blinkt nicht der goldne Stab Heischend, gebietend uns wieder zurück Zu dem unerfreulichen, grautagenden, Ungreifbarer Gebilde vollen, Überfüllten, ewig leeren Hades. Ja auf einmal wird es düster, ohne Glanz entschwebt der Nebel Dunkelgräulich, mauerbräunlich. Mauern stellen sich dem Blicke Freiem Blicke starr entgegen. Ist’s ein Hof? ist’s tiefe Grube? Schauerlich in jedem Falle! Schwestern ach! wir sind gefangen, So gefangen wie nur je.
Innerer Burghof, umgeben von reichen phantastischen Gebäuden des Mittelalters Chorführerin Vorschnell und thöricht, ächt wahrhaftes Weibsgebild! Vom Augenblick abhängig, Spiel der Witterung Des Glücks und Unglücks, keins von beiden wißt ihr je Zu bestehn mit Gleichmuth. Eine widerspricht ja stets Der andern heftig, überquer die andern ihr; In Freud’ und Schmerz nur heult und lacht ihr gleichen Ton’s. Nun schweigt! und wartet horchend was die Herrscherin Hochsinnig hier beschließen mag für sich und uns. Helena Wo bist du Pythonissa? heiße wie du magst, Aus diesen Gewölben tritt hervor der düstern Burg. Gingst etwa du, dem wunderbaren Heldenherrn Mich anzukündigen, Wohlempfang bereitend mir, So habe Dank und führe schnell mich ein zu ihm; Beschluß der Irrfahrt wünsch’ ich, Ruhe wünsch’ ich nur. Chorführerin Vergebens blickst du, Königin, allseits um dich her; Verschwunden ist das leidige Bild, verblieb vielleicht Im Nebel dort, aus dessen Busen wir hieher, Ich weiß nicht wie, gekommen, schnell und sonder Schritt. Vielleicht auch irrt sie zweifelhaft im Labyrinth Der wundersam aus vielen einsgewordnen Burg, Den Herrn erfragend fürstlicher Hochbegrüßung halb. Doch sieh, dort oben regt in Menge sich allbereits In Galerien, am Fenster, in Portalen rasch Sich hin und her bewegend viele Dienerschaft, Vornehm-willkommnen Gastempfang verkündet es. Chor Aufgeht mir das Herz! o, seht nur dahin Wie so sittig herab mit verweilendem Tritt Jungholdeste Schaar anständig bewegt Den geregelten Zug. Wie? auf wessen Befehl Nur erscheinen gereiht und gebildet so früh, Von Jünglingsknaben das herrliche Volk? Was bewundr’ ich zumeist! Ist es zierlicher Gang, Etwa des Haupts Lockhaar um die blendende Stirn, Etwa der Wänglein Paar, wie die Pfirsiche roth Und eben auch so weichwollig beflaumt? Gern biß ich hinein, doch ich schaudre davor, Denn in ähnlichem Fall, da erfüllte der Mund Sich, gräßlich zu sagen! mit Asche. Aber die schönsten Sie kommen daher; Was tragen sie nur? Stufen zum Thron, Teppich und Sitz, Umhang und zelt- artigen Schmuck, Über überwallt er, Wolkenkränze bildend, Unsrer Königin Haupt, Denn schon bestieg sie Eingeladen herrlichen Pfühl. Tretet heran Stufe für Stufe Reihet euch ernst. Würdig, o würdig, dreyfach würdig Sey gesegnet ein solcher Empfang! Alles vom Chor ausgesprochene geschieht nach und nach. Faust Nachdem Knaben und Knappen in langem Zug herabgestiegen, erscheint er oben an der Treppe in ritterlicher Hofkleidung des Mittelalters und kommt langsam würdig herunter. Chorführerin ihn aufmerksam beschauend Wenn diesem nicht die Götter, wie sie öfter thun, Für wenige Zeit nur wundernswürdige Gestalt, Erhabnen Anstand, liebenswerthe Gegenwart Vorübergänglich liehen; wird ihm jedesmal Was er beginnt gelingen, sey’s in Männerschlacht, So auch im kleinen Kriege mit den schönsten Frau’n. Er ist fürwahr gar vielen andern vorzuziehn, Die ich doch auch als hochgeschätzt mit Augen sah. Mit langsam-ernstem, ehrfurchtsvoll gehaltnem Schritt Seh ich den Fürsten; wende dich o Königin! Faust herantretend, einen Gefesselten zur Seite Statt feyerlichsten Grußes, wie sich ziemte, Statt erfurchtsvollem Willkomm bring ich dir In Ketten hartgeschlossen solchen Knecht, Der Pflicht verfehlend mir die Pflicht entwand. Hier kniee nieder! dieser höchsten Frau Bekenntniß abzulegen deiner Schuld. Dieß ist, erhabne Herrscherin, der Mann Mit seltnem Augenblitz vom hohen Thurm Umherzuschaun bestellt, dort Himmelsraum Und Erdenbreite scharf zu überspähn, Was etwa da und dort sich melden mag, Vom Hügelkreis in’s Thal zur festen Burg Sich regen mag, der Heerden Woge sey’s, Ein Heereszug vielleicht; wir schützen jene, Begegnen diesem. Heute, welch’ Versäumniß! Du kommst heran, er meldet’s nicht, verfehlt Ist ehrenvoller schuldigster Empfang So hohen Gastes. Freventlich verwirkt Das Leben hat er, läge schon im Blut Verdienten Todes; doch nur du allein Bestrafst, begnadigst, wie dir’s wohl gefällt. Helena So hohe Würde wie du sie vergönnst, Als Richterin, als Herrscherin, und wär’s Versuchend nur, wie ich vermuthen darf; So üb’ ich nun des Richters erste Pflicht Beschuldigte zu hören. Rede denn. Thurmwärter, Lynceus Laß mich knieen, laß mich schauen, Laß mich sterben, laß mich leben, Denn schon bin ich hingegeben Dieser gottgegebnen Frauen. Harrend auf des Morgens Wonne, Östlich spähend ihren Lauf, Ging auf einmal mir die Sonne Wunderbar im Süden auf. Zog den Blick nach jener Seite, Statt der Schluchten, statt der Höh’n Statt der Erd- und Himmelsweite, Sie die Einzige zu spähn. Augenstrahl ist mir verliehen Wie dem Luchs auf höchstem Baum, Doch nun mußt’ ich mich bemühen Wie aus tiefem düsterm Traum. Wüßt’ ich irgend mich zu finden? Zinne? Thurm? geschloßnes Thor? Nebel schwanken, Nebel schwinden Solche Göttin tritt hervor! Aug’ und Brust ihr zugewendet Sog ich an den milden Glanz, Diese Schönheit wie sie blendet Blendete mich Armen ganz. Ich vergaß des Wächters Pflichten, Völlig das beschworne Horn, Drohe nur mich zu vernichten, Schönheit bändigt allen Zorn. Helena Das Übel das ich brachte darf ich nicht Bestrafen. Wehe mir! Welch’ streng Geschick Verfolgt mich, überall der Männer Busen So zu bethören, daß sie weder sich Noch sonst ein Würdiges verschonten. Raubend jetzt, Verführend, fechtend, hin und her entrückend; Halbgötter, Helden, Götter, ja Dämonen, Sie führten mich im Irren her und hin. Einfach die Welt verwirrt’ ich, doppelt mehr, Nun dreyfach, vierfach bring’ ich Noth auf Noth. Entferne diesen Guten, laß ihn frei; Den Gottbethörten treffe keine Schmach. Faust Erstaunt o Königin, seh’ ich zugleich Die sicher Treffende, hier den Getroffnen; Ich seh’ den Bogen, der den Pfeil entsandt, Verwundet jenen. Pfeile folgen Pfeilen Mich treffend. Allwärts ahn’ ich überquer Gefiedert schwirrend sie in Burg und Raum. Was bin ich nun? Auf einmal machst du mir Rebellisch die Getreusten, meine Mauern Unsicher. Also fürcht’ ich schon, mein Heer Gehorcht der siegend unbesiegten Frau. Was bleibt mir übrig? als mich selbst und alles, Im Wahn das Meine, dir anheim zu geben. Zu deinen Füßen laß mich, frei und treu, Dich Herrin anerkennen, die sogleich Auftretend sich Besitz und Thron erwarb. Lynceus mit einer Kiste und Männer die ihm andere nachtragen Du siehst mich, Königin, zurück! Der Reiche bettelt einen Blick, Er sieht dich an und fühlt sogleich Sich bettelarm und fürstenreich. Was war ich erst? was bin ich nun? Was ist zu wollen? was zu thun? Was hilft der Augen schärfster Blitz! Er prallt zurück an deinem Sitz. Von Osten kamen wir heran Und um den Westen war’s gethan; Ein lang und breites Volksgewicht, Der erste wußte vom letzten nicht. Der erste fiel, der zweyte stand, Des dritten Lanze war zur Hand; Ein jeder hundertfach gestärkt, Erschlagne Tausend unbemerkt. Wir drängten fort, wir stürmten fort, Wir waren Herrn von Ort zu Ort; Und wo ich herrisch heut befahl Ein andrer morgen raubt’ und stahl. Wir schauten, – eilig war die Schau; Der griff die allerschönste Frau, Der griff den Stier von festem Tritt, Die Pferde mußten alle mit. Ich aber liebte zu erspähn Das Seltenste was man gesehn, Und was ein andrer auch besaß, Das war für mich gedörrtes Gras. Den Schätzen war ich auf der Spur, Den scharfen Blicken folgt’ ich nur, In alle Taschen blickt’ ich ein, Durchsichtig war mir jeder Schrein. Und Haufen Goldes waren mein, Am herrlichsten der Edelstein: Nun der Smaragd allein verdient Daß er an deinem Herzen grünt. Nun schwanke zwischen Ohr und Mund Das Tropfeney aus Meeresgrund; Rubinen werden gar verscheucht, Das Wangenroth sie niederbleicht. Und so den allergrößten Schatz Versetz’ ich hier auf deinen Platz, Zu deinen Füßen sey gebracht Die Erndte mancher blut’gen Schlacht. So viele Kisten schlepp’ ich her, Der Eisenkisten hab’ ich mehr; Erlaube mich auf deiner Bahn Und Schatzgewölbe füll’ ich an. Denn du bestiegest kaum den Thron, So neigen schon, so beugen schon Verstand und Reichthum und Gewalt Sich vor der einzigen Gestalt. Das alles hielt ich fest und mein, Nun aber lose, wird es dein, Ich glaubt’ es würdig, hoch und baar, Nun seh’ ich, daß es nichtig war. Verschwunden ist was ich besaß, Ein abgemähtes welkes Gras: O gib mit einem heitern Blick Ihm seinen ganzen Werth zurück! Faust Entferne schnell die kühn erworbne Last, Zwar nicht getadelt aber unbelohnt. Schon ist Ihr alles eigen was die Burg Im Schoos verbirgt, Besondres Ihr zu bieten Ist unnütz. Geh und häufe Schatz auf Schatz Geordnet an. Der ungeseh’nen Pracht Erhabnes Bild stell’ auf! Laß die Gewölbe Wie frische Himmel blinken, Paradiese Von lebelosem Leben richte zu. Voreilend ihren Tritten laß beblümt An Teppich Teppiche sich wälzen, ihrem Tritt Begegne sanfter Boden, ihrem Blick, Nur göttliche nicht blendend, höchster Glanz. Lynceus Schwach ist was der Herr befiehlt, Thut’s der Diener, es ist gespielt: Herrscht doch über Gut und Blut Dieser Schönheit Übermuth. Schon das ganze Heer ist zahm Alle Schwerter stumpf und lahm, Vor der herrlichen Gestalt Selbst die Sonne matt und kalt, Vor dem Reichthum des Gesichts Alles leer und alles nichts. ab Helena zu Faust Ich wünsche dich zu sprechen, doch herauf An meine Seite komm! der leere Platz Beruft den Herrn und sichert mir den meinen. Faust Erst knieend laß die treue Widmung dir Gefallen, hohe Frau; die Hand die mich An deine Seite hebt laß mich sie küssen. Bestärke mich als Mitregenten deines Gränzunbewußten Reichs, gewinne dir Verehrer, Diener, Wächter all’ in Einem. Helena Vielfache Wunder seh’ ich, hör’ ich an, Erstaunen trifft mich, fragen möcht’ ich viel. Doch wünscht’ ich Unterricht, warum die Rede Des Mann’s mir seltsam klang, seltsam und freundlich. Ein Ton scheint sich dem andern zu bequemen, Und hat ein Wort zum Ohre sich gesellt, Ein andres kommt, dem ersten liebzukosen. Faust Gefällt dir schon die Sprechart unsrer Völker O so gewiß entzückt euch der Gesang, Befriedigt Ohr und Sinn im tiefsten Grunde. Doch ist am sichersten wir üben’s gleich, Die Wechselrede lockt es, ruft’s hervor. Helena So sage denn, wie sprech’ ich auch so schön? Faust Das ist gar leicht, es muß vom Herzen gehn. Und wenn die Brust von Sehnsucht überfließt, Man sieht sich um und fragt – Helena Wer mit genießt. Faust Nun schaut der Geist nicht vorwärts nicht zurück, Die Gegenwart allein – Helena Ist unser Glück. Faust Schatz ist sie, Hochgewinn, Besitz und Pfand; Bestätigung wer gibt sie? Helena Meine Hand. Chor Wer verdächt’ es unsrer Fürstin Gönnet sie dem Herrn der Burg Freundliches Erzeigen. Denn gesteht, sämmtliche sind wir Ja Gefangene, wie schon öfter, Seit dem schmählichen Untergang Ilios und der ängstlich- Labyrinthischen Kummerfahrt. Fraun, gewöhnt an Männerliebe, Wählerinnen sind sie nicht, Aber Kennerinnen. Und wie goldlockigen Hirten, Vielleicht schwarzborstigen Faunen, Wie es bringt die Gelegenheit, Über die schwellenden Glieder Vollertheilen sie gleiches Recht. Nah und näher sitzen sie schon An einander gelehnet, Schulter an Schulter, Knie an Knie, Hand in Hand wiegen sie sich Über des Throns Aufgepolsterter Herrlichkeit. Nicht versagt sich die Majestät Heimlicher Freuden Vor den Augen des Volkes Übermüthiges Offenbarseyn. Helena Ich fühle mich so fern und doch so nah Und sage nur zu gern: da bin ich! da! Faust Ich athme kaum, mir zittert, stockt das Wort, Es ist ein Traum, verschwunden Tag und Ort. Helena Ich scheine mir verlebt und doch so neu, In dich verwebt, dem Unbekannten treu. Faust Durchgrüble nicht das einzigste Geschick Daseyn ist Pflicht und wär’s ein Augenblick. Phorkyas heftig eintretend Buchstabirt in Liebes-Fibeln, Tändelnd grübelt nur am Liebeln, Müßig liebelt fort im Grübeln, Doch dazu ist keine Zeit. Fühlt ihr nicht ein dumpfes Wettern? Hört nur die Trompete schmettern, Das Verderben ist nicht weit. Menelas mit Volkes-Wogen Kommt auf euch herangezogen; Rüstet euch zu herbem Streit! Von der Sieger-Schaar umwimmelt, Wie Deiphobus verstümmelt Büßest du das Fraun-Geleit. Bammelt erst die leichte Waare, Dieser gleich ist am Altare Neugeschliffnes Beil bereit. Faust Verwegne Störung! widerwärtig dringt sie ein, Auch nicht in Gefahren mag ich sinnlos Ungestüm. Den schönsten Boten Unglücksbotschaft häßlicht ihn; Du Häßlichste gar nur schlimme Botschaft bringst du gern. Doch dießmal soll dir’s nicht gerathen, leeres Hauchs Erschüttere du die Lüfte. Hier ist nicht Gefahr, Und selbst Gefahr erschiene nur als eitles Dräun. Signale, Explosionen von den Thürmen, Trompeten und Zinken, kriegerische Musik, Durchmarsch gewaltiger Heereskraft Faust Nein gleich sollst du versammelt schauen Der Helden ungetrennten Kreis: Nur der verdient die Gunst der Frauen, Der kräftigst sie zu schützen weiß. Zu den Heerführern, die sich von den Colonnen absondern und herantreten: Mit angehaltnem stillen Wüthen, Das euch gewiß den Sieg verschafft, Ihr Nordens jugendliche Blüthen, Ihr Ostens blumenreiche Kraft. In Stahl gehüllt, vom Strahl umwittert, Die Schaar die Reich um Reich zerbrach, Sie treten auf, die Erde schüttert, Sie schreiten fort, es donnert nach. An Pylos traten wir zu Lande, Der alte Nestor ist nicht mehr, Und alle kleine Königsbande Zersprengt das ungebundne Heer. Drängt ungesäumt von diesen Mauern Jetzt Menelas dem Meer zurück; Dort irren mag er, rauben, lauern, Ihm war es Neigung und Geschick. Herzoge soll ich euch begrüßen Gebietet Sparta’s Königin, Nun legt ihr Berg und Thal zu Füßen, Und euer sey des Reichs Gewinn. Germane du! Corinthus Buchten Vertheidige mit Wall und Schutz, Achaia dann mit hundert Schluchten, Empfehl’ ich Gothe deinem Trutz. Nach Elis ziehn der Franken Heere, Messene sey der Sachsen Loos, Normanne reinige die Meere Und Argolis erschaff er groß. Dann wird ein jeder häuslich wohnen, Nach außen richten Kraft und Blitz; Doch Sparta soll euch überthronen Der Königin verjährter Sitz. All-Einzeln sieht sie euch genießen Des Landes dem kein Wohl gebricht; Ihr sucht getrost zu ihren Füßen Bestätigung und Recht und Licht. Faust steigt herab, die Fürsten schließen einen Kreis um ihn, Befehl und Anordnung näher zu vernehmen. Chor Wer die Schönste für sich begehrt, Tüchtig vor allen Dingen Seh er nach Waffen weise sich um; Schmeichelnd wohl gewann er sich Was auf Erden das Höchste; Aber ruhig besitzt er’s nicht: Schleicher listig entschmeicheln sie ihm, Räuber kühnlich entreißen sie ihm, Dieses zu hinderen sey er bedacht. Unsern Fürsten lob’ ich drum, Schätz’ ihn höher vor andern, Wie er so tapfer klug sich verband Daß die Starken gehorchend stehn Jedes Winkes gewärtig. Seinen Befehl vollziehn sie treu, Jeder sich selbst zu eignem Nutz Wie dem Herrscher zu lohnendem Dank, Beiden zu höchlichem Ruhmes-Gewinn. Denn wer entreißet sie jetzt Dem gewalt’gen Besitzer? Ihm gehört sie, ihm sey sie gegönnt, Doppelt von uns gegönnt, die er Sammt ihr zugleich innen mit sicherster Mauer Außen mit mächtigstem Heer umgab. Faust Die Gaben, diesen hier verliehen – An jeglichen ein reiches Land – Sind groß und herrlich, laß sie ziehen! Wir halten in der Mitte Stand. Und sie beschützen um die Wette Rings um von Wellen angehüpft, Nichtinsel dich, mit leichter Hügelkette Europens letztem Bergast angeknüpft. Das Land, vor aller Länder Sonnen Sey ewig jedem Stamm beglückt, Nun meiner Königin gewonnen, Das früh an ihr hinauf geblickt. Als, mit Eurotas Schilfgeflüster, Sie leuchtend aus der Schale brach, Der hohen Mutter, dem Geschwister Das Licht der Augen überstach. Dieß Land allein zu dir gekehret, Entbietet seinen höchsten Flor; Dem Erdkreis, der dir angehöret, Dein Vaterland o! zieh es vor. Und duldet auch auf seiner Berge Rücken Das Zackenhaupt der Sonne kalten Pfeil, Läßt nun der Fels sich angegrünt erblicken, Die Ziege nimmt genäschig kargen Theil. Die Quelle springt, vereinigt stürzen Bäche, Und schon sind Schluchten, Hänge, Matten grün. Auf hundert Hügeln unterbrochner Fläche Siehst Wollenheerden ausgebreitet ziehn. Vertheilt, vorsichtig abgemessen schreitet Gehörntes Rind hinan zum jähen Rand, Doch Obdach ist den sämmtlichen bereitet, Zu hundert Höhlen wölbt sich Felsenwand. Pan schützt sie dort und Lebensnymphen wohnen In buschiger Klüfte feucht erfrischtem Raum, Und, sehnsuchtsvoll nach höhern Regionen, Erhebt sich zweighaft Baum gedrängt an Baum. Alt- Wälder sind’s! Die Eiche starret mächtig Und eigensinnig zackt sich Ast an Ast; Der Ahorn mild, von süßem Safte trächtig, Steigt rein empor und spielt mit seiner Last. Und mütterlich im stillen Schattenkreise Quillt laue Milch bereit für Kind und Lamm; Obst ist nicht weit, der Ebnen reife Speise, Und Honig trieft vom ausgehöhlten Stamm. Hier ist das Wohlbehagen erblich, Die Wange heitert wie der Mund, Ein jeder ist an seinem Platz unsterblich: Sie sind zufrieden und gesund. Und so entwickelt sich am reinen Tage Zu Vaterkraft das holde Kind. Wir staunen drob; noch immer bleibt die Frage: Ob’s Götter, ob es Menschen sind? So war Apoll den Hirten zugestaltet Daß ihm der schönsten einer glich; Denn wo Natur im reinen Kreise waltet Ergreifen alle Welten sich. Neben ihr sitzend So ist es mir, so ist es dir gelungen, Vergangenheit sey hinter uns gethan; O fühle dich vom höchsten Gott entsprungen, Der ersten Welt gehörst du einzig an. Nicht feste Burg soll dich umschreiben! Noch zirkt, in ewiger Jugendkraft Für uns, zu wonnevollem Bleiben, Arkadien in Sparta’s Nachbarschaft. Gelockt auf sel’gem Grund zu wohnen, Du flüchtetest in’s heiterste Geschick! Zur Laube wandeln sich die Thronen, Arkadisch frei sey unser Glück!
Der Schauplatz verwandelt sich durchaus. An eine Reihe von Felsenhöhlen lehnen sich geschloßne Lauben. Schattiger Hain bis an die rings umgebende Felsensteile hinan. Faust und Helena werden nicht gesehen. Der Chor liegt schlafend vertheilt umher. Phorkyas Wie lange Zeit die Mädchen schlafen weiß ich nicht, Ob sie sich träumen ließen was ich hell und klar Vor Augen sah, ist ebenfalls mir unbekannt. Drum weck’ ich sie. Erstaunen soll das junge Volk; Ihr Bärtigen auch, die ihr da drunten sitzend harrt, Glaubhafter Wunder Lösung endlich anzuschaun. Hervor! hervor! Und schüttelt eure Locken rasch; Schlaf aus den Augen! Blinzt nicht so, und hört mich an! Chor Rede nur, erzähl’ erzähle was sich Wunderlichs begeben, Hören möchten wir am liebsten was wir gar nicht glauben können, Denn wir haben lange Weile diese Felsen anzusehn. Phorkyas Kaum die Augen ausgerieben Kinder langeweilt ihr schon? So vernehmt: in diesen Höhlen, diesen Grotten, diesen Lauben Schutz und Schirmung war verliehen, wie idyllischem Liebespaare, Unserm Herrn und unsrer Frauen. Chor Wie, da drinnen? Phorkyas Abgesondert Von der Welt, nur mich die Eine riefen sie zu stillem Dienste. Hochgeehrt stand ich zur Seite, doch, wie es Vertrauten ziemet, Schaut’ ich um nach etwas andrem. Wendete mich hier- und dorthin, Suchte Wurzeln, Moos und Rinden, kundig aller Wirksamkeiten, Und so blieben sie allein. Chor Thust du doch als ob da drinnen ganze Weltenräume wären, Wald und Wiese, Bäche, Seen, welche Mährchen spinnst du ab! Phorkyas Allerdings, ihr Unerfahrnen! das sind unerforschte Tiefen: Saal an Sälen, Hof an Höfen, diese spürt’ ich sinnend aus. Doch auf einmal ein Gelächter echo’t in den Höhlen-Räumen; Schau’ ich hin, da springt ein Knabe von der Frauen Schoos zum Manne, Von dem Vater zu der Mutter; das Gekose, das Getändel, Thöriger Liebe Neckereyen, Scherzgeschrey und Lustgejauchze Wechselnd übertäuben mich. Nackt ein Genius ohne Flügel, faunenartig ohne Thierheit Springt er auf den festen Boden, doch der Boden gegenwirkend Schnellt ihn zu der luft’gen Höhe, und im zweyten dritten Sprunge Rührt er an das Hochgewölb. Ängstlich ruft die Mutter: springe wiederholt und nach Belieben, Aber hüte dich zu fliegen, freier Flug ist dir versagt. Und so mahnt der treue Vater: in der Erde liegt die Schnellkraft, Die dich aufwärts treibt, berühre mit der Zehe nur den Boden Wie der Erdensohn Antäus bist du alsobald gestärkt. Und so hüpft er auf die Masse dieses Felsens, von der Kante Zu dem andern und umher so wie ein Ball geschlagen springt. Doch auf einmal in der Spalte rauher Schlucht ist er verschwunden, Und nun scheint er uns verloren. Mutter jammert, Vater tröstet, Achselzuckend steh’ ich ängstlich. Doch nun wieder welch Erscheinen! Liegen Schätze dort verborgen? Blumenstreifige Gewande Hat er würdig angethan. Quasten schwanken von den Armen, Binden flattern um den Busen, In der Hand die goldne Leyer, völlig wie ein kleiner Phöbus Tritt er wohlgemuth zur Kante, zu dem Überhang; wir staunen. Und die Eltern vor Entzücken werfen wechselnd sich an’s Herz. Denn wie leuchtet’s ihm zu Haupten? Was erglänzt ist schwer zu sagen, Ist es Goldschmuck, ist es Flamme übermächtiger Geisteskraft. Und so regt er sich gebärdend, sich als Knabe schon verkündend Künftigen Meister alles Schönen, dem die ewigen Melodieen Durch die Glieder sich bewegen; und so werdet ihr ihn hören, Und so werdet ihr ihn sehn zu einzigster Bewunderung. Chor Nennst du ein Wunder dieß, Creta’s Erzeugte? Dichtend belehrendem Wort Hast du gelauscht wohl nimmer? Niemals noch gehört Ioniens, Nie vernommen auch Hellas Urväterlicher Sagen Göttlich-heldenhaften Reichthum? Alles was je geschieht Heutiges Tages Trauriger Nachklang ist’s Herrlicher Ahnherrn-Tage; Nicht vergleicht sich dein Erzählen Dem was liebliche Lüge Glaubhaftiger als Wahrheit Von dem Sohne sang der Maja. Diesen zierlich und kräftig doch Kaum geborenen Säugling Faltet in reinster Windeln Flaum Strenget in köstlicher Wickeln Schmuck Klatschender Wärterinnen Schaar Unvernünftigen Wähnens. Kräftig und zierlich aber zieht Schon der Schalk die geschmeidigen Doch elastischen Glieder Lustig heraus, die purpurne Ängstlich drückende Schale Lassend ruhig an seiner Statt. Gleich dem fertigen Schmetterling Der aus starrem Puppenzwang Flügel entfaltend behendig schlüpft Sonne-durchstrahlten Äther kühn Und muthwillig durchflatternd. So auch er der behendeste, Daß er Dieben und Schälken, Vortheil suchenden allen auch Ewig günstiger Dämon sey. Dieß bethätigt er alsobald Durch gewandteste Künste. Schnell des Meeres Beherrscher stiehlt Er den Trident, ja dem Ares selbst Schlau das Schwert aus der Scheide: Bogen und Pfeil dem Phöbus auch, Wie dem Hephästos die Zange; Selber Zeus, des Vaters, Blitz Nähm’ er, schreckt’ ihn das Feuer nicht; Doch dem Eros siegt er ob In beinstellendem Ringerspiel. Raubt auch Cyprien, wie sie ihm kos’t, Noch vom Busen den Gürtel. Ein reizendes, reinmelodisches Saitenspiel erklingt aus der Höhle. Alle merken auf und scheinen bald innig gerührt. Von hier an bis zur bemerkten Pause durchaus mit vollstimmiger Musik. Phorkyas Höret allerliebste Klänge, Macht euch schnell von Fabeln frei, Eurer Götter alt Gemenge Laßt es hin, es ist vorbei. Niemand will euch mehr verstehen, Fordern wir doch höhern Zoll: Denn es muß von Herzen gehen, Was auf Herzen wirken soll. Sie zieht sich nach dem Felsen zurück. Chor Bist du fürchterliches Wesen Diesem Schmeichelton geneigt, Fühlen wir, als frisch genesen, Uns zur Thränenlust erweicht. Laß der Sonne Glanz verschwinden, Wenn es in der Seele tagt, Wir im eignen Herzen finden Was die ganze Welt versagt. Helena, Faust, Euphorion in dem oben beschriebenen Costüm Euphorion Hört ihr Kindeslieder singen, Gleich ist’s euer eigner Scherz; Seht ihr mich im Tacte springen, Hüpft euch elterlich das Herz. Helena Liebe, menschlich zu beglücken Nähert sie ein edles Zwey, Doch zu göttlichem Entzücken Bildet sie ein köstlich Drey. Faust Alles ist sodann gefunden: Ich bin dein und du bist mein; Und so stehen wir verbunden, Dürft’ es doch nicht anders seyn! Chor Wohlgefallen vieler Jahre In des Knaben mildem Schein Sammelt sich auf diesem Paare. O! wie rührt mich der Verein. Euphorion Nun laßt mich hüpfen, Nun laßt mich springen, Zu allen Lüften Hinauf zu dringen Ist mir Begierde, Sie faßt mich schon. Faust Nur mäßig! mäßig! Nicht ins Verwegne, Daß Sturz und Unfall Dir nicht begegne, Zu Grund uns richte Der theure Sohn. Euphorion Ich will nicht länger Am Boden stocken; Laßt meine Hände, Laßt meine Locken, Laßt meine Kleider, Sie sind ja mein. Helena O denk’! o denke Wem du gehörest! Wie es uns kränke, Wie du zerstörest Das schön errungene Mein, Dein und Sein. Chor Bald lös’t, ich fürchte, Sich der Verein! Helena und Faust Bändige! bändige! Eltern zu Liebe Überlebendige Heftige Triebe! Ländlich im Stillen Ziere den Plan. Euphorion Nur euch zu Willen Halt’ ich mich an. Durch den Chor sich schlingend und ihn zum Tanze fortziehend Leichter umschweb’ ich hie, Muntres Geschlecht. Ist nun die Melodie, Ist die Bewegung recht? Helena Ja, das ist wohlgethan, Führe die Schönen an Künstlichem Reihn. Faust Wäre das doch vorbei! Mich kann die Gaukeley Gar nicht erfreun. Euphorion und Chor tanzend und singend bewegen sich in verschlungenen Reihen Wenn du der Arme Paar Lieblich bewegest; Im Glanz dein lockig Haar Schüttelnd erregest, Wenn dir der Fuß so leicht Über die Erde schleicht, Dort und da wieder hin Glieder um Glied sich ziehn, Hast du dein Ziel erreicht Liebliches Kind; All’ unsre Herzen sind All’ dir geneigt. Pause Euphorion Ihr seyd so viele Leichtfüßige Rehe, Zu neuem Spiele Frisch aus der Nähe, Ich bin der Jäger Ihr seyd das Wild. Chor Willst du uns fangen Sey nicht behende, Denn wir verlangen Doch nur am Ende Dich zu umarmen Du schönes Bild. Euphorion Nur durch die Haine! Zu Stock und Steine! Das leicht Errungene Das widert mir, Nur das Erzwungene Ergetzt mich schier. Helena und Faust Welch ein Muthwill! welch ein Rasen! Keine Mäßigung ist zu hoffen. Klingt es doch wie Hörnerblasen Über Thal und Wälder dröhnend, Welch ein Unfug! welch Geschrey! Chor einzeln schnell eintretend Uns ist er vorbei gelaufen, Mit Verachtung uns verhöhnend, Schleppt’ er von dem ganzen Haufen Nun die wildeste herbei. Euphorion ein junges Mädchen hereintragend Schlepp’ ich her die derbe Kleine Zu erzwungenem Genusse. Mir zur Wonne, mir zur Lust Drück’ ich widerspenstige Brust, Küss’ ich widerwärtigen Mund, Thue Kraft und Willen kund. Mädchen Laß mich los! In dieser Hülle Ist auch Geistes Muth und Kraft, Deinem gleich ist unser Wille Nicht so leicht hinweggerafft. Glaubst du wohl mich im Gedränge? Deinem Arm vertraust du viel! Halte fest, und ich versenge Dich den Thoren mir zum Spiel. Sie flammt auf und lodert in die Höhe. Folge mir in leichte Lüfte, Folge mir in starre Grüfte, Hasche das verschwundne Ziel. Euphorion die letzten Flammen abschüttelnd Felsengedränge hier Zwischen dem Waldgebüsch, Was soll die Enge mir, Bin ich doch jung und frisch. Winde sie sausen ja, Wellen sie brausen da Hör’ ich doch beides fern, Nah wär’ ich gern. Er springt immer höher Fels auf. Helena, Faust und Chor Wolltest du den Gemsen gleichen? Vor dem Falle muß uns graun. Euphorion Immer höher muß ich steigen, Immer weiter muß ich schaun. Weiß ich nun wo ich bin! Mitten der Insel drin, Mitten in Pelops Land, Erde- wie seeverwandt. Chor Magst du nicht in Berg und Wald Friedlich verweilen, Suchen wir alsobald Reben in Zeilen, Reben am Hügelrand; Feigen und Apfelgold. Ach in dem holden Land Bleibe du hold. Euphorion Träumt ihr den Friedenstag? Träume wer träumen mag. Krieg ist das Losungswort Sieg! und so klingt es fort. Chor Wer im Frieden Wünschet sich Krieg zurück Der ist geschieden Vom Hoffnungsglück. Euphorion Welche dieß Land gebar Aus Gefahr in Gefahr, Frei, unbegrenzten Muth’s Verschwendrisch eignen Bluts. Den nicht zu dämpfenden Heiligen Sinn Alle den Kämpfenden Bring’ es Gewinn! Chor Seht hinauf wie hoch gestiegen! Und erscheint uns doch nicht klein. Wie im Harnisch, wie zum Siegen, Wie von Erz und Stahl der Schein. Euphorion Keine Welle, keine Mauern, Jeder nur sich selbst bewußt; Feste Burg, um auszudauern Ist des Mannes eh’rne Brust. Wollt ihr unerobert wohnen, Leicht bewaffnet rasch ins Feld; Frauen werden Amazonen Und ein jedes Kind ein Held. Chor Heilige Poesie, Himmelan steige sie, Glänze, der schönste Stern, Fern und so weiter fern, Und sie erreicht uns doch Immer, man hört sie noch, Vernimmt sie gern. Euphorion Nein, nicht ein Kind bin ich erschienen, In Waffen kommt der Jüngling an; Gesellt zu Starken, Freien, Kühnen, Hat er im Geiste schon gethan. Nun fort! Nun dort Eröffnet sich zum Ruhm die Bahn. Helena und Faust Kaum in’s Leben eingerufen, Heitrem Tag gegeben kaum, Sehnest du von Schwindelstufen Dich zu schmerzenvollem Raum. Sind denn wir Gar nichts dir? Ist der holde Bund ein Traum? Euphorion Und hört ihr donnern auf dem Meere? Dort wiederdonnern Thal um Thal, In Staub und Wellen Heer dem Heere, In Drang um Drang zu Schmerz und Qual. Und der Tod Ist Gebot, Das versteht sich nun einmal. Helena, Faust und Chor Welch Entsetzen! welches Grauen! Ist der Tod denn dir Gebot? Euphorion Sollt’ ich aus der Ferne schauen, Nein! ich theile Sorg’ und Noth. Die Vorigen Übermuth und Gefahr, Tödtliches Loos. Euphorion Doch! – und ein Flügelpaar Faltet sich los! Dorthin! Ich muß! ich muß! Gönn’t mir den Flug! Er wirft sich in die Lüfte, die Gewande tragen ihn einen Augenblick, sein Haupt strahlt, ein Lichtschweif zieht nach. Chor Ikarus! Ikarus! Jammer genug. Ein schöner Jüngling stürzt zu der Eltern Füßen, man glaubt in dem Todten eine bekannte Gestalt zu erblicken; doch das Körperliche verschwindet sogleich, die Aureole steigt wie ein Komet zum Himmel auf, Kleid, Mantel und Lyra bleiben liegen. Helena und Faust Der Freude folgt sogleich Grimmige Pein. Euphorions Stimme aus der Tiefe Laß mich im düstern Reich Mutter mich nicht allein! Pause Chor Trauergesang Nicht allein! – wo du auch weilest, Denn wir glauben dich zu kennen, Ach! wenn du dem Tag enteilest Wird kein Herz von dir sich trennen. Wüßten wir doch kaum zu klagen, Neidend singen wir dein Loos: Dir in klar’ und trüben Tagen Lied und Muth war schön und groß. Ach! zum Erdenglück geboren, Hoher Ahnen, großer Kraft, Leider! früh dir selbst verloren, Jugendblüthe weggerafft. Scharfer Blick die Welt zu schauen, Mitsinn jedem Herzensdrang, Liebesgluth der besten Frauen Und ein eigenster Gesang. Doch du ranntest unaufhaltsam Frei in’s willenlose Netz, So entzweytest du gewaltsam Dich mit Sitte, mit Gesetz; Doch zuletzt das höchste Sinnen Gab dem reinen Muth Gewicht, Wolltest Herrliches gewinnen, Aber es gelang dir nicht. Wem gelingt es? – Trübe Frage, Der das Schicksal sich vermummt, Wenn am unglückseligsten Tage Blutend alles Volk verstummt. Doch erfrischet neue Lieder, Steht nicht länger tief gebeugt; Denn der Boden zeugt sie wieder, Wie von je er sie gezeugt. Völlige Pause. Die Musik hört auf. Helena zu Faust Ein altes Wort bewährt sich leider auch an mir: Daß Glück und Schönheit dauerhaft sich nicht vereint. Zerrissen ist des Lebens wie der Liebe Band, Bejammernd beide, sag’ ich schmerzlich Lebewohl! Und werfe mich noch einmal in die Arme dir. Persephoneia nimm den Knaben auf und mich. Sie umarmt Faust, das Körperliche verschwindet, Kleid und Schleier bleiben ihm in den Armen. Phorkyas zu Faust Halte fest was dir von allem übrig blieb. Das Kleid laß es nicht los. Da zupfen schon Dämonen an den Zipfeln, möchten gern Zur Unterwelt es reißen. Halte fest! Die Göttin ist’s nicht mehr die du verlorst, Doch göttlich ist’s. Bediene dich der hohen Unschätzbar’n Gunst und hebe dich empor, Es trägt dich über alles Gemeine rasch Am Äther hin, so lange du dauern kannst. Wir sehn uns wieder, weit gar weit von hier. Helenens Gewande lösen sich in Wolken auf, umgeben Faust, heben ihn in die Höhe und ziehen mit ihm vorüber. Phorkyas nimmt Euphorions Kleid, Mantel und Lyra von der Erde, tritt ins Proscenium, hebt die Exuvien in die Höhe und spricht: Noch immer glücklich aufgefunden! Die Flamme freilich ist verschwunden Doch ist mir um die Welt nicht leid. Hier bleibt genug Poeten einzuweihen, Zu stiften Gild- und Handwerksneid; Und kann ich die Talente nicht verleihen, Verborg’ ich wenigstens das Kleid. Sie setzt sich im Proscenium an eine Säule nieder. Panthalis Nun eilig Mädchen! Sind wir doch den Zauber los. Der alt-thessalischen Vettel wüsten Geisteszwang; So des Geklimpers viel verworrner Töne Rausch, Das Ohr verwirrend, schlimmer noch den innern Sinn. Hinab zum Hades! Eilte doch die Königin Mit ernstem Gang hinunter. Ihrer Sohle sey Unmittelbar getreuer Mägde Schritt gefügt. Wir finden sie am Throne der Unerforschlichen. Chor Königinnen freilich überall sind sie gern; Auch im Hades stehen sie oben an, Stolz zu ihres Gleichen gesellt, Mit Persephonen innigst vertraut; Aber wir im Hintergrunde Tiefer Asphodelos-Wiesen, Langgestreckten Pappeln, Unfruchtbaren Weiden zugesellt, Welchen Zeitvertreib haben wir? Fledermaus gleich zu piepsen, Geflüster, unerfreulich, gespenstig. Chorführerin Wer keinen Namen sich erwarb, noch Edles will, Gehört den Elementen an, so fahret hin! Mit meiner Königin zu seyn verlangt mich heiß; Nicht nur Verdienst, auch Treue wahrt uns die Person. ab Alle Zurückgegeben sind wir dem Tageslicht, Zwar Personen nicht mehr, Das fühlen, das wissen wir, Aber zum Hades kehren wir nimmer. Ewig lebendige Natur Macht auf uns Geister, Wir auf sie vollgültigen Anspruch. Ein Theil des Chors Wir in dieser tausend Äste Flüsterzittern, Säuselschweben, Reizen tändlend, locken leise, wurzelauf des Lebens Quellen Nach den Zweigen; bald mit Blättern, bald mit Blüthen überschwenglich Zieren wir die Flatterhaare frei zu luftigem Gedeihn. Fällt die Frucht, sogleich versammeln, lebenslustig Volk und Heerden Sich zum Greifen, sich zum Naschen, eilig kommend, emsig drängend; Und, wie vor den ersten Göttern, bückt sich alles um uns her. Ein andrer Theil Wir an dieser Felsenwände weithinleuchtend glattem Spiegel Schmiegen wir, in sanften Wellen uns bewegend, schmeichelnd an; Horchen, lauschen jedem Laute, Vogelsingen, Röhrigflöten, Sey es Pans furchtbarer Stimme, Antwort ist sogleich bereit; Säuselt’s, säuseln wir erwiedernd, donnert’s, rollen unsre Donner In erschütterndem Verdoppeln, dreyfach, zehnfach hinten nach. Ein dritter Theil Schwestern! Wir bewegtern Sinnes, eilen mit den Bächen weiter; Denn es reizen jener Ferne reichgeschmückte Hügelzüge, Immer abwärts, immer tiefer, wässern wir, mäandrisch wallend, Jetzt die Wiese, dann die Matten, gleich den Garten um das Haus. Dort bezeichnen’s der Cypressen schlanke Wipfel, über Landschaft, Uferzug und Wellenspiegel, nach dem Äther steigende. Ein vierter Theil Wallt ihr andern wo’s beliebet, wir umzingeln, wir umrauschen Den durchaus bepflanzten Hügel, wo am Stab die Rebe grünt; Dort zu aller Tage Stunden läßt die Leidenschaft des Winzers Uns des liebevollsten Fleißes zweifelhaft Gelingen sehn. Bald mit Hacke, bald mit Spaten, bald mit Häufeln, Schneiden, Binden, Betet er zu allen Göttern, fördersamst zum Sonnengott. Bacchus kümmert sich, der Weichling, wenig um den treuen Diener, Ruht in Lauben, lehnt in Höhlen, faselnd mit dem jüngsten Faun. Was zu seiner Träumereyen halbem Rausch er je bedurfte, Immer bleibt es ihm in Schläuchen, ihm in Krügen und Gefäßen, Rechts und links der kühlen Grüfte ewige Zeiten aufbewahrt. Haben aber alle Götter, hat nun Helios vor allen, Lüftend, feuchtend, wärmend, gluthend Beeren-Füllhorn aufgehäuft, Wo der stille Winzer wirkte, dort auf einmal wird’s lebendig, Und es rauscht in jedem Laube, raschelt um von Stock zu Stock. Körbe knarren, Eimer klappern, Tragebutten ächzen hin, Alles nach der großen Kufe zu der Keltrer kräft’gem Tanz; Und so wird die heilige Fülle reingeborner saftiger Beeren Frech zertreten, schäumend, sprühend mischt sich’s widerlich zerquetscht. Und nun gellt ins Ohr der Cymbeln mit der Becken Erzgetöne, Denn es hat sich Dionysos aus Mysterien enthüllt; Kommt hervor mit Ziegenfüßlern, schwenkend Ziegenfüßlerinnen, Und dazwischen schreit unbändig grell Silenus öhrig Thier. Nichts geschont! Gespaltne Klauen treten alle Sitte nieder, Alle Sinne wirbeln taumlich, gräßlich übertäubt das Ohr. Nach der Schale tappen Trunkne, überfüllt sind Kopf und Wänste, Sorglich ist noch ein und andrer, doch vermehrt er die Tumulte, Denn um neuen Most zu bergen, leert man rasch den alten Schlauch! Der Vorhang fällt. Phorkyas im Proscenium richtet sich riesenhaft auf, tritt aber von den Cothurnen herunter, lehnt Maske und Schleier zurück und zeigt sich als Mephistopheles, um, in sofern es nöthig wäre, im Epilog das Stück zu commentiren.
Vierter Act
Hochgebirg,starke zackige Felsen-Gipfel,eine Wolke zieht herbey,lehnt sich an, senkt sichauf eine vorstehendePlatte herab. Sie theilt sich Faust tritt hervor Der Einsamkeiten tiefste schauend unter meinem Fuß, Betret’ ich wohlbedächtig dieser Gipfel Saum, Entlassend meiner Wolke Tragewerk, die mich sanft An klaren Tagen über Land und Meer geführt. Sie löst sich langsam, nicht zerstiebend, von mir ab. Nach Osten strebt die Masse mit geballtem Zug, Ihr strebt das Auge staunend in Bewundrung nach. Sie theilt sich wandelnd, wogenhaft, veränderlich. Doch will sich’s modeln. Ja! das Auge trügt mich nicht! – Auf sonnbeglänzten Pfühlen herrlich hingestreckt, Zwar riesenhaft, ein göttergleiches Fraungebild, Ich seh’s! Junonen ähnlich, Leda’n, Helenen, Wie majestätisch lieblich mir’s im Auge schwankt. Ach! schon verrückt sich’s! Formlos breit und aufgethürmt, Ruht es in Osten, fernen Eisgebirgen gleich Und spiegelt blendend flüchtger Tage großen Sinn. Doch mir umschwebt ein zarter lichter Nebelstreif Noch Brust und Stirn, erheiternd, kühl und schmeichelhaft. Nun steigt es leicht und zaudernd hoch und höher auf, Fügt sich zusammen. – Täuscht mich ein entzückend Bild, Als jugenderstes, längstentbehrtes höchstes Gut? Des tiefsten Herzens frühste Schätze quollen auf, Aurorens Liebe, leichten Schwung bezeichnet’s mir, Den schnellempfundnen, ersten, kaum verstandnen Blick, Der, festgehalten, überglänzte jeden Schatz. Wie Seelenschönheit steigert sich die holde Form, Löst sich nicht auf, erhebt sich in den Äther hin, Und zieht das Beste meines Innern mit sich fort. Ein Sieben-Meilenstiefel tappt aufein Anderer folgt alsbald.Mephistopheles steigt abDie Stiefel schreiten eilig weiter. Mephistopheles Das heiß ich endlich vorgeschritten! Nun aber sag, was fällt dir ein? Steigst ab in solcher Gräuel Mitten, Im gräßlich gähnenden Gestein? Ich kenn es wohl, doch nicht an dieser Stelle, Denn eigentlich war das der Grund der Hölle. Faust Es fehlt dir nie an närrischen Legenden, Fängst wieder an dergleichen auszuspenden. Mephistopheles ernsthaft Als Gott der Herr – Ich weiß auch wohl warum – Uns, aus der Luft, in tiefste Tiefen bannte, Da, wo centralisch glühend, um und um, Ein ewig Feuer flammend sich durchbrannte, Wir fanden uns bey allzugroßer Hellung, In sehr gedrängter unbequemer Stellung. Die Teufel fingen sämmtlich an zu husten, Von oben und von unten aus zu pusten; Die Hölle schwoll von Schwefel-Stank und Säure, Das gab ein Gas! Das ging ins Ungeheure, So daß gar bald der Länder flache Kruste, So dick sie war, zerkrachend bersten mußte. Nun haben wir’s an einem andern Zipfel, Was ehmals Grund war ist nun Gipfel. Sie gründen auch hierauf die rechten Lehren Das Unterste ins Oberste zu kehren. Denn wir entrannen knechtisch-heißer Gruft, Ins Übermaß der Herrschaft freyer Luft. Ein offenbar Geheimniß wohlverwahrt Und wird nur spät den Völkern offenbart. (Ephes. 6. 12) Faust Gebirgesmasse bleibt mir edel-stumm, Ich frage nicht woher und nicht warum? Als die Natur sich in sich selbst gegründet, Da hat sie rein den Erdball abgeründet. Der Gipfel sich, der Schluchten sich erfreut, Und Fels an Fels und Berg an Berg gereiht; Die Hügel dann bequem hinabgebildet, Mit sanftem Zug sie in das Thal gemildet. Da grünts und wächst’s, und um sich zu erfreuen Bedarf sie nicht der tollen Strudeleyen. Mephistopheles Das sprecht ihr so! Das scheint euch sonnenklar. Doch weiß es anders der zugegen war. Ich war dabey, als noch da drunten, siedend, Der Abgrund schwoll und strömend Flammen trug, Als Molochs Hammer, Fels an Felsen schmiedend, Gebirges-Trümmer in die Ferne schlug. Noch starrt das Land von fremden Zentnermassen; Wer giebt Erklärung solcher Schleudermacht? Der Philosoph er weiß es nicht zu fassen, Da liegt der Fels, man muß ihn liegen lassen, Zu Schanden haben wir uns schon gedacht. – Das treu-gemeine Volk allein begreift Und läßt sich im Begriff nicht stören; Ihm ist die Weisheit längst gereift: Ein Wunder ist’s, der Satan kommt zu Ehren. Mein Wandrer hinkt, an seiner Glaubenskrücke, Zum Teufelsstein, zur Teufelsbrücke. Faust Es ist doch auch bemerkenswerth zu achten, Zu sehn wie Teufel die Natur betrachten. Mephistopheles Was geht michs an! Natur sey wie sie sey! ’s ist Ehrenpunct! – der Teufel war dabey. Wir sind die Leute Großes zu erreichen; Tummult, Gewalt und Unsinn! sieh das Zeichen! – Doch, daß ich endlich ganz verständlich spreche, Gefiel Dir nichts an unsrer Oberfläche? Du übersahst, in ungemeßnen Weiten, Die Reiche der Welt und ihre Herrlichkeiten; (Matth. 4) Doch, ungenügsam wie du bist, Empfandest du wohl kein Gelüst? Faust Und doch! ein Großes zog mich an. Errathe! Mephistopheles Das ist bald gethan. Ich suchte mir so eine Hauptstadt aus, Im Kerne Bürger-Nahrungs-Graus, Krummenge Gäßchen, spitze Giebeln, Beschränkten Markt, Kohl, Rüben, Zwiebeln; Fleischbänke wo die Schmeißen hausen Die fetten Braten anzuschmaußen; Da findest du zu jeder Zeit Gewiß Gestank und Thätigkeit. Dann weite Plätze, breite Straßen, Vornehmen Schein sich anzumaßen; Und endlich, wo kein Thor beschränkt, Vorstädte gränzenlos verlängt. Da freut ich mich an Rollekutschen, Am lärmigen Hin- und Wiederrutschen, Am ewigen- Hin- und Wiederlaufen, Zerstreuter Ameis-Wimmelhaufen. Und, wenn ich führe, wenn ich ritte, Erschien ich immer ihre Mitte Von Hunderttausenden verehrt. Faust Das kann mich nicht zufrieden stellen! Man freut sich daß das Volk sich mehrt, Nach seiner Art behäglich nährt, Sogar sich bildet sich belehrt, Und man erzieht sich nur Rebellen. Mephistopheles Dann baut ich, grandios, mir selbst bewußt, Am lustigen Ort ein Schloß zur Lust. Wald, Hügel, Flächen, Wiesen, Feld Zum Garten prächtig umbestellt. Vor grünen Wänden Sammet-Matten, Schnurwege, kunstgerechte Schatten, Cascadensturz, durch Fels zu Fels gepaart, Und Wasserstrahlen aller Art; Ehrwürdig steigt es dort, doch an den Seiten, Da zischt’s und pißts, in tausend Kleinigkeiten. Dann aber ließ ich allerschönsten Frauen, Vertraut-bequeme Häuslein bauen; Verbrächte da gränzenlose Zeit In allerliebst-geselliger Einsamkeit. Ich sage Fraun; denn, ein für allemal, Denk ich die Schönen im Plural. Faust Schlecht und modern! Sardanapal! Mephistopheles Erräth man wohl wornach du strebtest? Es war gewiß erhaben kühn. Der du dem Mond um so viel näher schwebtest, Dich zog wohl deine Sucht dahin? Faust Mit nichten! dieser Erdenkreis Gewährt noch Raum zu großen Thaten. Erstaunenswürdiges soll gerathen, Ich fühle Kraft zu kühnem Fleiß. Mephistopheles Und also willst du Ruhm verdienen? Man merkt’s du kommst von Heroinen. Faust Herrschaft gewinn ich, Eigenthum! Die That ist alles, nichts der Ruhm. Mephistopheles Doch werden sich Poeten finden, Der Nachwelt deinen Glanz zu künden, Durch Thorheit Thorheit zu entzünden. Faust Von allem ist dir nichts gewährt. Was weißt du was der Mensch begehrt? Dein widrig Wesen, bitter, scharf, Was weiß es was der Mensch bedarf. Mephistopheles Geschehe denn nach deinem Willen! Vertraue mir den Umfang deiner Grillen. Faust Mein Auge war aufs hohe Meer gezogen, Es schwoll empor, sich in sich selbst zu thürmen. Dann ließ es nach und schüttete die Wogen, Des flachen Ufers Breite zu bestürmen. Und das verdroß mich. Wie der Übermuth Den freyen Geist, der alle Rechte schätzt, Durch leidenschaftlich aufgeregtes Blut, Ins Mißbehagen des Gefühls versetzt. Ich hielt’s für Zufall, schärfte meinen Blick, Die Woge stand und rollte dann zurück, Entfernte sich vom stolz erreichten Ziel; Die Stunde kommt, sie wiederholt das Spiel. Mephistopheles ad Spectatores Da ist für mich nichts Neues zu erfahren, Das kenn ich schon seit hunderttausend Jahren. Faust leidenschaftlich fortfahrend Sie schleicht heran, an aber tausend Enden Unfruchtbar selbst Unfruchtbarkeit zu spenden, Nun schwillt’s und wächst und rollt und überzieht Der wüsten Strecke widerlich Gebiet. Da herrschet Well auf Welle kraftbegeistet, Zieht sich zurück und es ist nichts geleistet. Was zur Verzweiflung mich beängstigen könnte, Zwecklose Kraft, unbändiger Elemente! Da wagt mein Geist sich selbst zu überfliegen, Hier möcht’ ich kämpfen, dieß möcht ich besiegen. Und es ist möglich, fluthend wie sie sey, An jedem Hügel schmiegt sie sich vorbey; Sie mag sich noch so übermüthig regen, Geringe Höhe ragt ihr stolz entgegen, Geringe Tiefe zieht sie mächtig an. Da faßt ich schnell im Geiste Plan auf Plan: Erlange dir das köstliche Genießen Das herrische Meer vom Ufer auszuschliessen, Der feuchten Breite Gränzen zu verengen Und, weit hinein, sie in sich selbst zu drängen. Schon Schritt für Schritt wusst ich mirs zu erörtern; Das ist mein Wunsch, den wage zu befördern. Trommeln und kriegerische Musick im Rücken der Zuschauer, aus der Ferne, von der rechten Seite her Mephistopheles Wie leicht ist das! Hörst du die Trommeln fern? Faust Schon wieder Krieg! der kluge hörts nicht gern. Mephistopheles Krieg oder Frieden. Klug ist das Bemühen Zu seinem Vortheil etwas auszuziehen. Man paßt, man merkt auf jedes günstige Nu. Gelegenheit ist da, nun, Fauste greife zu. Faust Mit solchem Räthselkram verschone mich! Und kurz und gut, was solls? Erkläre dich. Mephistopheles Auf meinem Zuge blieb mir nicht verborgen Der gute Kaiser schwebt in großen Sorgen, Du kennst ihn ja. Als wir ihn unterhielten, Ihm falschen Reichthum in die Hände spielten, Da war die ganze Welt ihm feil. Denn jung ward ihm der Thron zu Theil, Und ihm beliebt’ es falsch zu schliessen: Es könne wohl zusammengehn, Und sey recht wünschenswerth und schön, Regieren und zugleich genießen. Faust Ein großer Irrthum. Wer befehlen soll, Muß im Befehlen Seligkeit empfinden. Ihm ist die Brust von hohem Willen voll, Doch was er will, es darfs kein Mensch ergründen. Was er den Treusten in das Ohr geraunt, Es ist gethan und alle Welt erstaunt. So wird er stets der Allerhöchste seyn, Der Würdigste –, Genießen macht gemein. Mephistopheles So ist er nicht! Er selbst genoß und wie? Indeß zerfiel das Reich in Anarchie, Wo Groß und klein sich kreuz und queer befehdeten, Und Brüder sich vertrieben, tödteten. Burg gegen Burg, Stadt gegen Stadt, Zunft gegen Adel – Fehde hat, Der Bischoff mit Capitel und Gemeinde; Was sich nur ansah waren Feinde. In Kirchen Mord und Todtschlag, vor den Thoren Ist jeder Kauf- und Wandersmann verloren. Und allen wuchs die Kühnheit nicht gering; Denn leben hieß sich wehren – Nun das ging. Faust Es ging, es hinkte, fiel, stand wieder auf; Dann überschlug sich’s, rollte plump zu Hauf. Mephistopheles Und solchen Zustand durfte niemand schelten, Ein jeder konnte, jeder wollte gelten. Der Kleinste selbst er galt für voll. Doch war’s zuletzt den Besten allzutoll. Die Tüchtigen sie standen auf mit Kraft Und sagten: Herr ist der uns Ruhe schafft. Der Kaiser kanns nicht, wills nicht – laßt uns wählen, Den neuen Kaiser neu das Reich beseelen, Indem er jeden sicher stellt, In einer frisch geschaffnen Welt Fried’ und Gerechtigkeit vermählen. Faust Das klingt sehr pfäffisch. Mephistopheles Pfaffen warens auch, Sie sicherten den wohlgenährten Bauch. Sie waren mehr als andere betheiligt. Der Aufruhr schwoll, der Aufruhr ward geheiligt; Und unser Kaiser, den wir froh gemacht, Zieht sich hieher, vielleicht zur letzten Schlacht. Faust Er jammert mich, er war so gut und offen. Mephistopheles Komm, sehn wir zu, der Lebende soll hoffen. Befreyn wir ihn aus diesem engen Thale! Einmal gerettet ist’s für tausendmale. Wer weiß wie noch die Würfel fallen? Und hat er Glück so hat er auch Vasallen. sie steigen über das Mittelgebirg herüber und beschauen die Anordnung des Heeres im Thal. Trommeln und Kriegsmusick schallt von unten auf. Mephistopheles Die Stellung, seh ich, gut ist sie genommen, Wir treten zu, dann ist der Sieg vollkommen. Faust Was kann da zu erwarten seyn? Trug! Zauberblendwerk! Hohler Schein. Mephistopheles Kriegslist um Schlachten zu gewinnen! Befestige dich bey großen Sinnen, Indem du deinen Zweck bedenkst. Erhalten wir dem Kaiser Thron und Lande, So kniest du nieder und empfängst Die Lehn von gränzenlosem Strande. Faust Schon manches hast du durchgemacht, Nun, so gewinn’ auch eine Schlacht. Mephistopheles Nein, du gewinnst sie! diesesmal Bist du der Obergeneral. Faust Das wäre mir die rechte Höhe Da zu befehlen wo ich nichts verstehe. Mephistopheles Laß du den Generalstab sorgen Und der Feldmarschall ist geborgen. Kriegsunrath hab ich längst verspürt, Den Kriegsrath gleich voraus formirt, Aus Urgebirgs Urmenschenkraft; Wohl dem der sie zusammenrafft. Faust Was seh ich dort was Waffen trägt? Hast du das Bergvolk aufgeregt? Mephistopheles Nein! aber, gleich Herrn Peter Squenz, Vom ganzen Prass die Quintessenz. Die drey Gewaltigen treten auf Sam. II. 23. 8. Mephistopheles Da kommen meine Bursche ja! Du siehst, von sehr verschiedenen Jahren, Verschiednem Kleid und Rüstung sind sie da, Du wirst nicht schlecht mit ihnen fahren. Ad Spectatores Es liebt sich jetzt ein jedes Kind Den Harnisch und den Ritterkragen; Und, allegorisch wie die Lumpe sind, Sie werden nur um desto mehr behagen. Raufebold jung, leicht bewaffnet, bunt gekleidet Wenn einer mir ins Auge sieht Werd ich ihm mit der Faust gleich in die Fresse fahren, Und eine Memme wenn sie flieht Faß ich bey ihren letzten Haaren. Habebald männlich, wohl bewaffnet, reich gekleidet So leere Händel das sind Possen, Damit verdirbt man seinen Tag; Im Nehmen sey nur unverdrossen, Nach allem andern frag hernach. Haltefest bejahrt, stark bewaffnet, ohne Gewand Damit ist auch nicht viel gewonnen, Bald ist ein großes Gut zerronnen, Es rauscht im Lebensstrom hinab. Zwar nehmen ist recht gut doch besser ists behalten; Laß du den grauen Kerl nur walten Und niemand nimmt dir etwas ab. sie steigen allzusammen tiefer.
Auf dem Vorgebirg Trommeln und kriegerische Musick von unten. Des Kaisers Zelt wird aufgeschlagen. Kaiser. Obergeneral. Trabanten Ob. Gen. Noch immer scheint der Vorsatz wohl erwogen Daß wir, in dieß gelegene Thal, Das ganze Heer gedrängt zurückgezogen, Ich hoffe fest uns glückt die Wahl. Kaiser Wie es nun geht, es muß sich zeigen; Doch mich verdrießt die halbe Flucht, das Weichen. Ob. Gen. Schau hier, mein Fürst, auf unsre rechte Flanke. Solch ein Terrain wünscht sich der Kriegsgedanke; Nicht steil die Hügel, doch nicht allzu gänglich, Den Unsern vortheilhaft, dem Feind verfänglich. Wir, halb versteckt, auf wellenförmigem Plan; Die Reiterey sie wagt sich nicht heran. Kaiser Mir bleibt nichts übrig als zu loben; Hier kann sich Arm und Brust erproben. Ob. Gen. Hier, auf der Mittelwiese flachen Räumlichkeiten, Siehst du den Phalanx, wohlgemuth zu streiten. Die Piken blinken flimmernd in der Luft, Im Sonnenglanz, durch Morgennebelduft. Wie dunkel wogt das mächtige Quadrat! Zu Tausenden glühts hier auf große That. Du kannst daran der Masse Kraft erkennen, Ich trau ihr zu der Feinde Kraft zu trennen. Kaiser Den schönen Blick hab’ ich zum ersten Mal. Ein solches Heer gilt für die Doppelzahl. Ob. Gen. Von unsrer Linken hab ich nichts zu melden, Den starren Fels besetzen wackere Helden. Das Steingeklipp, das jetzt von Waffen blitzt, Den wichtigen Paß der engen Klause schützt. Ich ahne schon hier scheitern Feindeskräfte Unvorgesehn im blutigen Geschäfte. Kaiser Dort ziehn sie her die falschen Anverwandten, Wie sie mich Oheim, Vetter, Bruder nannten, Sich immer mehr und wieder mehr erlaubten, Dem Scepter Kraft, dem Thron Verehrung raubten; Dann, unter sich entzweyt, das Reich verheerten, Und nun gesammt sich gegen mich empörten. Die Menge schwankt im ungewissen Geist, Dann strömt sie nach wohin der Strom sie reißt. Ob. Gen. Ein treuer Mann, auf Kundschaft ausgeschickt, Kommt eilig Felsenab; seys ihm geglückt! Erster Kundschafter Glücklich ist sie uns gelungen, Listig, muthig unsre Kunst, Daß wir hin und her gedrungen; Doch wir bringen wenig Gunst. Viele schwören reine Huldigung Dir, wie manche treue Schaar, Doch Unthätigkeits-Entschuldigung: Innere Gährung, Volksgefahr. Kaiser Sich selbst erhalten bleibt der Selbstsucht Lehre, Nicht Dankbarkeit und Neigung, Pflicht und Ehre. Bedenkt ihr nicht, wenn eure Rechnung voll, Daß Nachbars Hausbrand Euch verzehren soll. Ob. Gen. Der Zweyte kommt, nur langsam steigt er nieder, Dem müden Manne zittern alle Glieder. Zweyter Kundschafter Erst gewahrten wir vergnüglich Wilden Wesens irren Lauf; Unerwartet, unverzüglich Trat ein neuer Kaiser auf. Und auf vorgeschriebenen Bahnen Zieht die Menge durch die Flur; Den entrollten Lügenfahnen Folgen alle. – Schafsnatur! Kaiser Ein Gegenkaiser kommt mir zum Gewinn, Nun fühl ich erst daß Ich der Kaiser bin. Nur als Soldat legt ich den Harnisch an, Zu höherem Zweck ist er nun umgethan. Bey jedem Fest, wenns noch so glänzend war, Nichts ward vermißt, mir fehlte die Gefahr. Wie ihr auch seyd zum Ringspiel riethet ihr, Mir schlug das Herz ich athmete Turnier. Und hattet ihr mir nicht vom Kriegen abgerathen, Jetzt glänzt’ ich schon in lichten Heldenthaten. Selbstständig fühlt ich meine Brust besiegelt, Als ich mich dort im Feuerreich bespiegelt, Das Element drang gräßlich auf mich los, Es war nur Schein, allein der Schein war groß. Von Sieg und Ruhm hab ich verwirrt geträumt, Ich bringe nach was frevelhaft versäumt. die Herolde werden abgefertigt zu Herausforderung des Gegenkaisers. Faust, geharnischt mit halbgeschloßnem Helme, die drey Gewaltigen, gerüstet und gekleidet wie oben Faust Wir treten auf, und hoffen ungescholten; Auch ohne Noth hat Vorsicht wohl gegolten. Du weist das Bergvolk denkt und simulirt, Ist in Natur- und Felsenschrift studirt. Die Geister, längst dem flachen Land entzogen, Sind mehr als sonst dem Felsgebirg gewogen. Sie wirken still durch labyrinthische Klüfte, Im edlen Gas, metallisch reicher Düfte; In stetem Sondern, Prüfen und Verbinden, Ihr einziger Trieb ist Neues zu erfinden. Mit leisem Finger geistiger Gewalten, Erbauen sie durchsichtige Gestalten; Dann im Krystall und seiner ewigen Schweigniß Erblicken sie der Oberwelt Ereigniß. Kaiser Vernommen hab ich’s und ich glaube dir; Doch, wackrer Mann, sag an: was soll das hier. Faust Der Negromant von Norcia, der Sabiner, Ist dein getreuer ehrenhafter Diener. Welch gräulich Schicksal droht’ ihm ungeheuer, Das Reißig prasselte, schon züngelte das Feuer; Die trocknen Scheite, rings umher verschränkt, Mit Pech und Schwefelruthen untermengt; Nicht Mensch, noch Gott, noch Teufel konnte retten, Die Majestät zersprengte glühende Ketten. Dort war’s in Rom. Er bleibt dir hoch verpflichtet, Auf deinen Gang in Sorge stets gerichtet. Von jener Stund’ an ganz vergaß er sich, Er fragt den Stern, die Tiefe nur für dich. Er trug uns auf, als eiligstes Geschäfte, Bey dir zu stehn. Groß sind des Berges Krafte; Da wirkt Natur so übermächtig frey, Der Pfaffen Stumpfsinn schilt es Zauberey. Kaiser Am Freudentag wenn wir die Gäste grüssen, Die heiter kommen heiter zu genießen, Da freut uns jeder wie er schiebt und drängt, Und, Mann für Mann, der Säle Raum verengt. Doch höchst willkommen muß der Biedre seyn, Tritt er als Beystand kräftig zu uns ein, Zur Morgenstunde, die bedenklich waltet, Weil über ihr des Schicksals Wage schaltet. Doch lenket hier, im hohen Augenblick, Die starke Hand vom willigen Schwerdt zurück Ehrt den Moment, wo manche tausend schreiten, Für oder wider mich, zu streiten. Selbst ist der Mann! Wer Thron und Kron begehrt Persönlich sey er solcher Ehren werth. Sey das Gespenst, das gegen uns erstanden Sich Kaiser nennt und Herr von unsern Landen, Des Heeres Herzog, Lehnsherr unsrer Großen, Mit eigner Faust in’s Todtenreich gestoßen. Faust Wie es auch sey das Große zu vollenden, Du thust nicht wohl dein Haupt so zu verpfänden. Ist nicht der Helm mit Kamm und Busch geschmückt, Er schützt das Haupt das unsern Muth entzückt. Was, ohne Haupt, was förderten die Glieder? Denn schläfert jenes, alle sinken nieder; Wird es verletzt, gleich alle sind verwundet, Erstehen frisch, wenn jenes rasch gesundet. Schnell weiß der Arm sein starkes Recht zu nützen, Er hebt den Schild den Schädel zu beschützen, Das Schwerdt gewahret seiner Pflicht sogleich, Lenkt kräftig ab und wiederholt den Streich; Der tüchtige Fuß nimmt Theil an ihrem Glück, Setzt dem Erschlagenen frisch sich ins Genick. Kaiser Das ist mein Zorn, so möcht ich ihn behandeln, Das stolze Haupt in Schemeltritt verwandeln. Herolde kommen zurück Wenig Ehre wenig Geltung Haben wir daselbst genossen, Unsrer kräftig edlen Meldung Lachten sie als schaaler Possen: „Euer Kaiser ist verschollen, Echo dort im engen Thal; Wenn wir sein gedenken sollen, Mährchen sagt: – Es war einmal.“ Faust Dem Wunsch gemäß der Besten ists geschehn, Die, fest und treu, an deiner Seite stehn. Dort naht der Feind, die Deinen harren brünstig, Befiehl den Angriff, der Moment ist günstig. Kaiser Auf das Comando leist ich hier Verzicht. zum Oberfeldherrn In deinen Händen, Fürst, sey deine Pflicht. Ober. Gen. So trete denn der rechte Flügel an! Des Feindes Linke, eben jetzt im Steigen, Soll, eh sie noch den letzten Schritt gethan, Der Jugendkraft geprüfter Treue weichen. Faust Erlaube denn daß dieser muntre Held Sich ungesäumt in deine Reihen stellt, Sich deinen Reihen innigst einverleibt, Und, so gesellt, sein kräftig Wesen treibt. er deutet zur Rechten Raufebold tritt vor Wer das Gesicht mir zeigt der kehrts nicht ab Als mit zerschlagnen Unter- und Oberbacken, Wer mir den Rücken kehrt, gleich liegt ihm schlapp Hals, Kopf und Schopf hinschlotternd graß im Nacken. Und schlagen deine Männer dann Mit Schwerd und Kolben wie ich wüthe, So stürzt der Feind, Mann über Mann, Ersäuft im eigenen Geblüte. ab Ober Feldh Der Phalanx unsrer Mitte folge sacht, Dem Feind begegn’ er, klug mit aller Macht, Ein wenig rechts, dort hat bereits, erbittert, Der unseren Streitkraft ihren Plan erschüttert. Faust auf den Mittelsten deutend So folge denn auch dieser deinem Wort. Habebald Tritt hervor Dem Heldenmuth der Kaiserschaaren Soll sich der Durst nach Beute paaren; Und allen sey das Ziel gestellt: Des Gegenkaisers reiches Zelt. Er prahlt nicht lang auf seinem Sitze, Ich ordne mich dem Phalanx an die Spitze. Eilebeute Markedenterin, sich an ihn anschmiegend Bin ich auch ihm nicht angeweibt, Er mir der liebste Buhle bleibt. Für uns ist solch ein Herbst gereift! Die Frau ist grimmig wenn sie greift, Ist ohne Schonung wenn sie raubt; Im Sieg voran! und alles ist erlaubt. beyde ab Ob. Feldh. Auf unsre Linke, wie vorauszusehn, Stürzt ihre Rechte, kräftig. Widerstehn Wird, Mann für Mann, dem wüthenden Beginnen Den engen Paß des Felswegs zu gewinnen. Faust winkt nach der Linken So bitte Herr auch diesen zu bemerken, Es schadet nichts wenn Starke sich verstärken. Haltefest tritt vor Dem linken Flügel keine Sorgen! Da wo ich bin ist der Besitz geborgen, In ihm bewähret sich der Alte, Kein Strahlblitz spaltet was ich halte. ab Mephistopheles von oben herunterkommend Nun schauet wie im Hintergrunde, Aus jedem zackigen Felsenschlunde, Bewaffnete hervor sich drängen, Die schmalen Pfade zu verengen. Mit Helm und Harnisch, Schwerdtern, Schilden, In unserm Rücken eine Mauer bilden, Den Wink erwartend zuzuschlagen. leise zu den Wissenden Woher das kommt müsst ihr nicht fragen. Ich habe freylich nicht gesäumt Die Waffensäle ringsum aufgeräumt; Da standen sie zu Fuß zu Pferde, Als wären sie noch Herrn der Erde, Sonst waren’s Ritter, König, Kaiser, Jetzt sind es nichts als leere Schneckenhäuser. Gar manch Gespenst hat sich darein geputzt, Das Mittelalter lebhaft aufgestutzt. Welch Teufelchen auch drinne steckt, Für diesmal macht es doch Effect. laut Hört wie sie sich voraus erbosen, Blechklappernd aneinander stoßen! Auch flattern Fahnenfetzen bey Standarten, Die frischer Lüftchen ungeduldig harrten. Bedenkt, hier ist ein altes Volk bereit Und mischte gern sich auch zum neuen Streit. furchtbarer Posauenschall von oben, im feindlichen Heere merkliche Schwankung Faust Der Horizont hat sich verdunkelt, Nur hie und da bedeutend funkelt Ein rother ahnungsvoller Schein; Schon blutig blinken die Gewehre, Der Fels, der Wald, die Atmosphäre, Der ganze Himmel mischt sich ein. Mephistopheles Die rechte Flanke hält sich kräftig; Doch seh ich, ragend unter diesen, Hans Raufbold, den behenden Riesen, Auf seine Weise rasch beschäftigt. Kaiser Erst sah ich Einen Arm erhoben, Jetzt seh ich schon ein Dutzend toben, Naturgemäß geschieht es nicht. Faust Vernahmst du nichts von Nebelstreifen Die auf Siciliens Küsten schweifen? Dort, schwankend klar, im Tageslicht, Erhoben zu den Mittellüften, Gespiegelt in besondern Düften, Erscheint ein seltsames Gesicht. Da schwanken Städte hin und wieder, Da steigen Gärten auf und nieder, Wie Bild um Bild den Äther bricht. Kaiser Doch wie bedenklich! Alle Spitzen Der hohen Speere seh ich blitzen; Auf unsrer Phalanx blanken Lanzen Seh ich behende Flämmchen tanzen. Das scheint mir gar zu geisterhaft. Faust Verzeih, o Herr, das sind die Spuren Verschollner geistiger Naturen, Ein Widerschein der Dioskuren, Bey denen alle Schiffer schwuren, Sie sammeln hier die letzte Kraft. Kaiser Doch sage wem sind wir verpflichtet Daß die Natur, auf uns gerichtet, Das Seltenste zusammenrafft? Mephistopheles Wem als dem Meister, jenem hohen, Der dein Geschick im Busen trägt? Durch deiner Feinde starkes Drohen Ist er im Tiefsten aufgeregt. Sein Dank will dich gerettet sehen, Und sollt er selbst daran vergehen. Kaiser Sie jubelten mich pomphaft umzuführen, Ich war nun was, das wollt ich auch probiren, Und fands gelegen, ohne viel zu denken, Dem weißen Barte kühle Luft zu schenken. Dem Klerus hab ich eine Lust verdorben, Und ihre Gunst mir freylich nicht erworben. Nun sollt ich seit so manchen Jahren Die Wirkung frohen Thuns erfahren Faust Freyherzige Wohlthat wuchert reich; Laß deinen Blick sich aufwärts wenden! Mich däucht Er will ein Zeichen senden, Gieb acht, es deutet sich sogleich. Kaiser Ein Adler schwebt im Himmelhohen, Ein Greif ihm nach mit wildem Drohen. Faust Gieb acht: gar günstig scheint es mir. Greif ist ein fabelhaftes Thier; Wie kann er sich so weit vergessen, Mit ächtem Adler sich zu messen? Kaiser Nunmehr, in weitgedehnten Kreisen; Umziehn sie sich; – in gleichem Nu, Sie fahren aufeinander zu Sich Brust und Hälse zu zerreißen. Faust Nun mercke wie der leidige Greif, Zerrzerrt, zerzaust nur Schaden findet, Und, mit gesenckten Löwenschweif, Zum Gipfelwald gestürzt, verschwindet. Kaiser Seys, wie gedeutet, so gethan! Ich nehm es mit Verwundrung an. Mephistopheles gegen die Rechte Dringend wiederholten Streichen Müssen unsre Feinde weichen, Und, mit ungewissem Fechten, Drängen sie nach ihrer Rechten Und verwirren so im Streite Ihrer Hauptmacht linke Seite. Unsers Phalanx feste Spitze Zieht sich rechts, und gleich dem Blitze Fährt sie in die schwache Stelle. – Nun, wie sturmerregte Welle, Sprühend, wüthen gleiche Mächte, Wild in doppeltem Gefechte, Herrlichers ist nichts ersonnen Uns ist diese Schlacht gewonnen. Kaiser: an der linken Seite zu Faust Schau! Mir scheint es dort bedenklich, Unser Posten steht verfänglich. Keine Steine seh ich fliegen, Niedre Felsen sind erstiegen, Obre stehen schon verlassen. Jetzt! – Der Feind, zu ganzen Massen Immer näher angedrungen, Hat vielleicht den Paß errungen. Schlußerfolg unheiligen Strebens! Eure Künste sind vergebens. Pause Mephistopheles Da kommen meine beiden Raben, Was mögen die für Botschaft haben? Ich fürchte gar es geht uns schlecht. Kaiser Was sollen diese leidigen Vögel? Sie richten ihre schwarzen Segel Hierher vom heißen Felsgefecht. Mephistopheles zu den Raben Setzt euch ganz nah zu meinen Ohren. Wen ihr beschützt ist nicht verloren, Denn euer Rath ist folgerecht. Faust zum Kaiser Von Tauben hast du ja vernommen, Die aus den fernsten Landen kommen, Zu ihres Nestes Brut und Kost. Hier ist’s, mit wichtigen Unterschieden; Die Taubenpost bedient den Frieden, Der Krieg befiehlt die Rabenpost. Mephistopheles Es meldet sich ein schwer Verhängniß, Seht hin! gewahret die Bedrängniß Um unsrer Helden Felsenrand. Die nächsten Höhen sind erstiegen, Und würden sie den Paß besiegen, Wir hätten einen schweren Stand. Kaiser So bin ich endlich doch betrogen! Ihr habt mich in das Netz gezogen, Mir graut seitdem es mich umstrickt. Mephistopheles Nur Muth! Noch ist es nicht mißglückt. Geduld und Pfiff zum letzten Knoten; Gewöhnlich gehts am Ende scharf. Ich habe meine sichern Boten, Befehlt daß ich befehlen darf. Ob. Gen. der indeßen herangekommen Mit diesen hast du dich vereinigt, Mich hat’s die ganze Zeit gepeinigt, Das Gaukeln schafft kein festes Glück. Ich weiß nichts an der Schlacht zu wenden, Begannen sie’s, sie mögen’s enden, Ich gebe meinen Stab zurück. Kaiser Behalt ihn bis zu bessern Stunden, Die uns vielleicht das Glück verleiht. Mir schaudert vor dem garstigen Kunden, Und seiner Rabentraulichkeit. zu Mephistopheles Den Stab kann ich dir nicht verleihen, Du scheinst mir nicht der rechte Mann, Befiehl, und such uns zu befreyen; Geschehe, was geschehen kann. ab ins Zelt mit dem Ob. Gen Mephistopheles Mag ihn der stumpfe Stab beschützen! Uns andern könnt er wenig nützen, Es war so was vom Kreuz daran. Faust Was ist zu thun. Mephistopheles Es ist gethan! – Nun schwarze Vettern, rasch im Dienen, Zum großen Bergsee! grüßt mir die Undinen, Und bittet sie um ihrer Fluthen Schein. Durch Weiberkünste, schwer zu kennen, Verstehen sie vom Seyn den Schein zu trennen, Und jeder schwört das sey das Seyn. Pause Faust Den Wasserfräulein müssen unsre Raben Recht aus dem Grund geschmeichelt haben, Dort fängt es schon zu rieseln an. An mancher trocknen, kahlen Felsenstelle Entwickelt sich die volle rasche Quelle, Um jener Sieg ist es gethan. Mephistopheles Das ist ein wunderbarer Gruß, Die kühnsten Kletterer sind confuß. Faust Schon rauscht Ein Bach zu Bächen mächtig nieder, Aus Schluchten kehren sie gedoppelt wieder, Ein Strom nun wirft den Bogenstrahl, Auf einmal legt er sich in flache Felsenbreite Und rauscht und schäumt, nach der und jener Seite, Und stufenweise wirft er sich ins Thal. Was hilft ein tapfres heldenmäßiges Stemmen? Die mächtige Woge strömt sie wegzuschwemmen. Mir schaudert selbst vor solchem wilden Schwall. Mephistopheles Ich sehe nichts von diesen Wasserlügen, Nur Menschen Augen lassen sich betrügen Und mich ergötzt der wunderliche Fall. Sie stürzen fort zu ganzen hellen Haufen, Die Narren wähnen zu ersaufen, Indem sie frey auf festem Lande schnaufen, Und lächerlich mit Schwimmgebärden laufen. Nun ist Verwirrung überall. die Raben sind wieder gekommen. Ich werd euch bey dem hohen Meister loben; Wollt ihr euch nun als Meister selbst erproben, So eilet zu der glühenden Schmiede, Wo das Gezwerg-Volk, nimmer müde, Metall und Stein zu Funken schlägt. Verlangt, weitläufig sie beschwatzend, Ein Feuer, leuchtend, blinkend, platzend, Wie man’s im hohen Sinne hegt. Zwar Wetterleuchten in der weiten Ferne, Blickschnelles Fallen allerhöchster Sterne, Mag jede Sommernacht geschehn; Doch Wetterleuchten in verworrnen Büschen, Und Sterne die am feuchten Boden zischen, Das hat man nicht so leicht gesehn. So müßt ihr, ohn’ Euch viel zu quälen, Zuvörderst bitten, dann befehlen. Raben ab. Es geschieht wie vorgeschrieben. Mephistopheles Den Feinden dichte Finsternisse! Und Tritt und Schritt in’s Ungewisse! Irrfunken-Blick an allen Enden, Ein Leuchten plötzlich zu verblenden. Das alles wäre wunderschön, Nun aber brauchts noch Schreckgetön. Faust Die hohlen Waffen aus der Säle Grüften, Empfinden sich erstarkt in freyen Lüften; Da droben klapperts, rasselts lange schon, Ein wunderbarer falscher Ton. Mephistopheles Ganz recht! sie sind nicht mehr zu zügeln, Schon schallts von ritterlichen Prügeln, Wie in der holden alten Zeit. Armschienen, wie der Beine schienen, Als Guelfen und als Ghibellinen, Erneuen rasch den ewigen Streit. Fest, im ererbten Sinne wöhnlich, Erweisen sie sich unversöhnlich, Schon klingt das Tosen weit und breit. Zuletzt, bey allen Teufelsfesten, Wirkt der Partheyhaß doch zum Besten, Bis in den allerletzten Grauß. Schallt wider-widerwärtig panisch, Mitunter grell und scharf-satanisch, Erschreckend in das Thal hinaus. Kriegstummult im Orchester, zuletzt übergehend in militairisch heitre Weisen
Des Gegenkaisers Zelt, Thron,reiche Umgebung Habebald, Eilebeute Eilebeute So sind wir doch die ersten hier! Habebald Kein Rabe fliegt so schnell als wir. Eilebeute O! welch ein Schatz liegt hier zu Hauf! Wo fang ich an! Wo hör’ ich auf? Habebald Steht doch der ganze Raum so voll! Weiß nicht wozu ich greifen soll. Eilebeute Der Teppich wär mir eben recht, Mein Lager ist oft gar zu schlecht Habebald Hier, hängt von Stahl ein Morgenstern, Dergleichen hätt’ ich lange gern. Eilebeute Den rothen Mantel goldgesäumt, So etwas hatt’ ich mir geträumt. Habebald die Waffe nehmend Damit ist es gar bald gethan, Man schlägt ihn todt und geht voran. Du hast soviel schon aufgepackt, Und doch nichts rechtes eingesackt. Den Plunder laß an seinem Ort, Nehm’ eines dieser Kistchen fort! Dies ist des Heers beschiedner Sold, In seinem Bauche lauter Gold. Eilebeute Das hat ein mörderisch Gewicht, Ich heb es nicht, ich trag es nicht. Habebald Geschwinde duck dich! Mußt dich bücken! Ich hucke dir’s auf den starken Rücken. Eilebeute O Weh! O Weh nun ists vorbey! Die Last bricht mir das Kreuz entzwey. das Kistchen stürzt und springt auf. Habebald Da liegt das rothe Gold zu Hauf, Geschwinde zu und raff es auf. Eilebeute Geschwinde nur zum Schooß hinein! Noch immer wirds zur Gnüge seyn. Habebald Und so genug! und eile doch! sie steht auf. O weh die Schürze hat ein Loch! Wohin du gehst und wo du stehst Verschwenderisch die Schätze säst. Trabanten unsres Kaisers Was schafft ihr hier am heiligen Platz? Was kramt ihr in den Kaiserschatz. Habebald Wir trugen unsre Glieder feil, Und holen unser Beutetheil. – In Feindes-Zelten ists der Brauch Und wir, Soldaten sind wir auch. Trabanten Das passet nicht in unsern Kreis Zugleich Soldat und Diebsgeschmeiß, Und wer sich unserm Kaiser naht, Der sey ein redlicher Soldat. Habebald Die Redlichkeit die kennt man schon. Sie heißet: Contribution. Ihr alle seyd auf gleichem Fuß: Gieb her! das ist der Handwerksgruß. zu Eilebeute Mach fort und schleppe was du hast, Hier sind wir nicht willkommne Gast. ab Erster Trabant Sag warum gabst du nicht sogleich Dem frechen Kerl einen Backenstreich? Zweyter Ich weiß nicht, mir verging die Kraft, Sie waren so gespensterhaft. Dritter Mir ward es vor den Augen schlecht, Da flimmert es, ich sah nicht recht. Vierter Wie ich es nicht zu sagen weiß: Es war den ganzen Tag so heiß, So bänglich, so beklommen schwül, Der eine stand der andere fiel, Man tappte hin und schlug zugleich, Der Gegner fiel vor jedem Streich, Vor Augen schwebt es wie ein Flor, Dann summts und saußts und zischt im Ohr. Das ging so fort, nun sind wir da Und wissen selbst nicht wie’s geschah. Kaiser, mit Vier Fürsten treten aufDie Trabanten entfernen sich. Kaiser Es sey nun wie ihm sey! uns ist die Schlacht gewonnen, Des Feinds zerstreute Flucht im flachen Feld zerronnen. Hier steht der leere Thron, verrätherischer Schatz, Von Teppichen umhüllt, verengt umher den Platz. Wir, ehrenvoll, geschützt von eigenen Trabanten, Erwarten Kayserlich der Völker Abgesandten; Von allen Seiten her kommt frohe Botschaft an: Beruhigt sey das Reich, uns freudig zugethan. Hat sich in unsern Kampf auch Gaukeley geflochten, Am Ende haben wir uns nur allein gefochten. Zufälle kommen ja dem Streitenden zu gut, Vom Himmel fällt ein Stein, dem Feinde regnets Blut, Aus Felsenhöhlen tönt’s von mächtigen Wunderklängen, Die unsre Brust erhöhn, des Feindes Brust verengen. Der Überwundne fiel, zu stets erneutem Spott, Der Sieger, wie er prangt, preist den gewognen Gott. Und alles stimmt mit ein, er braucht nicht zu befehlen, Herr Gott dich loben wir! aus Millionen Kehlen. Jedoch zum höchsten Preis wend’ ich den frommen Blick, Das selten sonst geschah, zur eignen Brust zurück. Ein junger muntrer Fürst mag seinen Tag vergeuden, Die Jahre lehren ihn des Augenblicks Bedeuten. Deshalb denn ungesäumt, verbind’ ich mich sogleich Mit euch Vier Würdigen, für Haus und Hof und Reich. zum ersten Dein war o Fürst! des Heers geordnet kluge Schichtung, Sodann, im Hauptmoment, heroisch kühne Richtung; Im Frieden wircke nun wie es die Zeit begehrt, Erbmarschall nenn ich dich, verleihe dir das Schwerdt. Erbmarschall Dein treues Heer, bis jetzt im Inneren beschäftigt, Wenns an der Gränze dich und deinen Thron bekräftigt, Dann sey es uns vergönnt, bey Festesdrang im Saal, Geräumiger Vaterburg, zu rüsten dir das Maal. Blank trag ichs dir dann vor, blank halt ich dirs zur Seite, Der höchsten Majestät zu ewigem Geleite. Der Kaiser zum Zweyten Der sich, als tapfrer Mann, auch zart gefällig zeigt, Du! Sey Erzkämmerer, der Auftrag ist nicht leicht. Du bist der Oberste von allen Hausgesinde, Bey deren innerm Streit ich schlechte Diener finde; Dein Beyspiel sey fortan in Ehren aufgestellt, Wie Man dem Herrn, dem Hof und Allen wohlgefällt. Erzkämmerer Des Herren großen Sinn zu fördern bringt zu Gnaden, Den besten hülfreich seyn, den Schlechten selbst nicht schaden, Dann klar seyn ohne List, und ruhig ohne Trug! Wenn du mich, Herr, durchschaust, geschieht mir schon genug. Darf sich die Phantasie auf jenes Fest erstrecken? Wenn du zur Tafel gehst reich ich das goldne Becken, Die Ringe halt ich dir, damit zur Wonnezeit Sich deine Hand erfrischt, wie mich dein Blick erfreut. Kaiser Zwar fühl ich mich zu ernst, auf Festlichkeit zu sinnen, Doch seys! Es fördert auch frohmüthiges Beginnen. zum Dritten Dich wähl’ ich zum Erztruchseß! Also sey fortan Dir Jagd, Geflügel-Hof und Vorwerk unterthan; Der Lieblingsspeise wahl laß mir zu allen Zeiten Wie sie der Monat bringt und sorgsam zubereiten. Erztruchseß Streng Fasten sey für mich die angenehmste Pflicht, Bis, vor dich hingestellt, dich freut ein Wohlgericht. Der Küche Dienerschaft soll sich mit mir vereinigen, Das Ferne beyzuziehn, die Jahrszeit zu beschleunigen. Dich reizt nicht fern und früh womit die Tafel prangt, Einfach und kräftig ist’s wornach dein Sinn verlangt. Kaiser zum Vierten Weil unausweichlich hier sich nur von Festen handelt, So sey mir, junger Held, zum Schenken umgewandelt. Erzschenke sorge nun daß unsre Kellerey Aufs reichlichste versorgt mit gutem Weine sey. Du selbst sey mäßig, laß nicht über Heiterkeiten, Durch der Gelegenheit Verlocken, dich verleiten. Erz Schenk Mein Fürst, die Jugend selbst, wenn man ihr nur vertraut, Steht, eh man sichs versieht, zu Männern auferbaut. Auch ich versetze mich zu jenem großem Feste; Ein Kaiserlich Büffet schmück ich aufs allerbeste Mit Prachtgefäßen, gülden, silbern allzumal, Doch wähl’ ich dir voraus den lieblichsten Pokal: Ein blank venedisch Glas, worin Behagen lauschet, Des Weins Geschmack sich stärkt und nimmermehr berauschet. Auf solchen Wunderschatz vertraut man oft zu sehr, Doch deine Mäßigkeit, du Höchster, schützt noch mehr. Kaiser Was ich euch zugedacht in dieser ernsten Stunde, Vernahmt ihr mit Vertraun aus zuverlässigem Munde. Des Kaisers Wort ist groß und sichert jede Gift, Doch zur Bekräftigung bedarfs der edlen Schrift, Bedarfs der Signatur. Die förmlich zu bereiten, Seh ich den rechten Mann zu rechter Stunde schreiten. Der Erzbischoff tritt auf Kaiser Wenn ein Gewölbe sich dem Schlußstein anvertraut, Dann ist’s mit Sicherheit für ewige Zeit erbaut. Du siehst vier Fürsten da! Wir haben erst erörtert, Was den Bestand zunächst von Haus und Hof befördert. Nun aber, was das Reich in seinem Ganzen hegt, Sey, mit Gewicht und Kraft, der Fünfzahl auferlegt. An Ländern sollen sie vor allen andern glänzen, Deshalb erweitr’ ich gleich jetzt des Besitzthums Gränzen, Vom Erbtheil jener die sich von uns abgewandt. Euch Treuen sprech ich zu so manches schöne Land, Zugleich das hohe Recht euch, nach Gelegenheiten, Durch Anfall, Kauf und Tausch ins weitere zu verbreiten, Dann sey bestimmt vergönnt zu üben ungestört Was von Gerechtsamen Euch Landesherrn gehört. Als Richter werdet ihr die Endurtheile fällen, Berufung gelte nicht von Euern höchsten Stellen. Dann Steuer, Zinns und Beet, Lehn und Geleit und Zoll, Berg- Salz- und Münzregal Euch angehören soll. Denn meine Dankbarkeit vollgültig zu erproben, Hab ich Euch ganz zunächst der Majestät erhoben. Erzbischoff Im Namen aller sey dir tiefster Dank gebracht, Du machst uns stark und fest und stärkest deine Macht. Kaiser Euch fünfen will ich noch erhöhtere Würde geben. Noch leb’ ich meinem Reich und habe Lust zu leben; Doch hoher Ahnen Kette zieht bedächtigen Blick Aus rascher Strebsamkeit ins Drohende zurück. Auch werd ich, seiner Zeit, mich von den Theuren trennen, Dann sey es Eure Pflicht den Folger zu ernennen. Gekrönt erhebt ihn hoch auf heiligen Altar, Und friedlich ende dann was jetzt so stürmisch war. Erzkanzler Mit Stolz in tiefster Brust, mit Demuth an Gebärde, Stehn Fürsten dir gebeugt, die ersten auf der Erde. So lang das treue Blut die vollen Adern regt, Sind wir der Körper den dein Wille leicht bewegt. Kaiser Und also sey, zum Schluß, was wir bisher bethätigt, Für alle Folgezeit durch Schrift und Zug bestätigt. Zwar habt ihr den Besitz als Herren völlig frey, Mit dem Beding jedoch daß er untheilbar sey. Und wie ihr auch vermehrt was ihr von uns empfangen, Es soll’s der ältste Sohn in gleichem Maas erlangen. Erzkanzler Dem Pergament alsbald vertrau ich wohlgemuth, Zum Glück dem Reich und uns, das wichtigste Statut; Reinschrift und Sieglung soll die Canzeley beschäftigen, Mit heiliger Signatur wirst dus, der Herr, bekräftigen. Kaiser Und so entlaß ich euch, damit den großen Tag, Gesammelt, jedermann sich überlegen mag. Die weltlichen Fürsten entfernen sich. Der Geistliche bleibt und spricht pathetisch Der Canzler ging hinweg der Bischoff ist geblieben, Vom ernsten Warnegeist zu deinem Ohr getrieben! Sein väterliches Herz von Sorge bangt um dich. Kaiser Was hast du Bängliches zur frohen Stunde? sprich! Erzbischoff Mit welchem bittern Schmerz find ich, in dieser Stunde, Dein hochgeheiligt Haupt mit Satanas im Bunde. Zwar, wie es scheinen will, gesichert auf dem Thron, Doch leider! Gott dem Herrn, dem Vater Pabst zum Hohn. Wenn dieser es erfährt schnell wird er sträflich richten, Mit heiligem Strahl dein Reich das sündige zu vernichten. Denn noch vergaß er nicht wie du, zur höchsten Zeit, An deinem Krönungstag den Zauberer befreyt. Von deinem Diadem, der Christenheit zum Schaden, Traf das verfluchte Haupt der erste Strahl der Gnaden. Doch schlag an deine Brust und gieb, vom frevlen Glück, Ein mäßig Schärflein, gleich dem Heiligthum zurück. Den breiten Hügelraum, da wo dein Zelt gestanden, Wo böse Geister sich zu deinem Schutz verbanden, Dem Lügenfürsten du ein horchsam Ohr geliehn, Den stifte, fromm belehrt, zu heiligem Bemühn; Mit Berg und dichtem Wald, so weit sie sich erstrecken, Mit Höhen die sich grün zu steter Weide decken, Fischreichen klaren Seen, dann Bächlein ohne Zahl, Wie sie sich, eilig schlängelnd, stürzen ab zu Thal; Das breite Thal dann selbst, mit Wiesen, Gauen, Gründen. Die Reue spricht sich aus, und du wirst Gnade finden. Kaiser Durch meinen schweren Fehl bin ich so tief erschreckt, Die Gränze sey von dir nach eignem Maas gesteckt. Erzbischoff Erst! der entweihte Raum wo man sich so versündigt, Sey alsobald zum Dienst des Höchsten angekündigt. Behende steigt im Geist Gemäuer stark empor, Der Morgensonne Blick erleuchtet schon das Chor, Zum Kreuz erweitert sich das wachsende Gebäude, Das Schiff erlängt, erhöht sich zu der Gläubigen Freude, Sie strömen brünstig schon, durchs würdige Portal, Der erste Glockenruf erscholl durch Berg und Thal, Von hohen Thürmen tönt’s, wie sie zum Himmel streben, Der Büßer kommt heran, zu neugeschaffnem Leben. Dem hohen Weihetag, er trete bald herein! Wird deine Gegenwart die höchste Zierde seyn. Kaiser Mag ein so großes Werk den frommen Sinn verkündigen, Zu preisen Gott den Herrn, so wie mich zu entsündigen. Genug! Ich fühle schon wie sich mein Sinn erhöht. Erzbischoff Als Canzler fördr’ ich nun Schluß und Formalität. Kaiser Ein förmlich Document der Kirche das zu eignen Du legst es vor, ich wills mit Freuden unterzeichnen. Erzbischoff hat sich beurlaubt, kehrt aber beim Ausgang um Dann widmest du zugleich dem Werke, wie’s entsteht, Gesammte Landsgefälle: Zehnten, Zinsen, Beet, Für ewig. Viel bedarfs zu würdiger Unterhaltung, Und schwere Kosten macht die sorgliche Verwaltung. Zum schnellen Aufbau selbst auf solchem wüsten Platz Reichst du uns einiges Gold, aus deinem Beuteschatz. Daneben braucht man auch, ich kann es nicht verschweigen, Entferntes Holz und Kalk und Schiefer und dergleichen. Die Fuhren thut das Volk, vom Predigtstuhl belehrt, Die Kirche segnet den der ihr zu Diensten fährt. ab Kaiser Die Sünd’ ist groß und schwer womit ich mich beladen, Das leidige Zaubervolk bringt mich in harten Schaden. Erzbischoff abermals zurückkehrend mit tiefster Verbeugung Verzeih o Herr! Es ward dem sehr verrufnen Mann Des Reiches Strand verliehn; doch diesen trifft der Bann, Verleihst du reuig nicht der hohen Kirchenstelle, Auch dort, den Zehnten, Zins und Gaben und Gefälle. Kaiser verdrießlich Das Land ist noch nicht da, im Meere liegt es breit. Erzbischoff Wer’s Recht hat und Geduld für den kommt auch die Zeit. Für uns mög Euer Wort in seinen Kräften bleiben! Kaiser allein So könnt’ ich wohl zunächst das ganze Reich verschreiben.
Fünfter Akt
Offene Gegend Wanderer Ja! sie sinds die dunkeln Linden, Dort, in ihres Alters Kraft. Und ich soll sie wieder finden, Nach so langer Wanderschaft! Ist es doch die alte Stelle, Jene Hütte, die mich barg, Als die sturmerregte Welle Mich an jene Dünen warf! Meine Wirthe möcht’ ich segnen, Hülfsbereit, ein wackres Paar, Das, um heut mir zu begegnen Alt schon jener Tage war. Ach! das waren fromme Leute! Poch ich? ruf ich? – Seyd gegrüßt! Wenn, gastfreundlich, auch noch heute Ihr des Wohlthuns Glück genießt. Baucis Mütterchen, sehr alt Lieber Kömmling! Leise! Leise! Ruhe! laß den Gatten ruhn! Langer Schlaf verleiht dem Greise Kurzen Wachens rasches Thun. Wanderer Sage Mutter bist dus eben, Meinen Dank noch zu empfahn, Was du für des Jünglings Leben Mit dem Gatten einst gethan? Bist du Baucis, die, geschäftig, Halberstorbnen Mund erquickt? der Gatte tritt auf Du Philemon, der, so kräftig, Meinen Schatz der Fluth entrückt? Eure Flammen raschen Feuers, Eures Glöckchens Silberlaut, Jenes graussen Abentheuers Lösung war Euch anvertraut. Und nun laßt hervor mich treten, Schaun das gränzenlose Meer; Laßt mich knien, laßt mich beten, Mich bedrängt die Brust so sehr. Er schreitet vorwärts auf der Düne. Philemon zu Baucis Eile nur den Tisch zu decken, Wo’s im Gärtchen munter blüht. Laß ihn rennen, ihn erschrecken, Denn er glaubt nicht was er sieht. neben dem Wandrer stehend Das Euch grimmig mißgehandelt, Wog’ auf Woge, schäumend wild, Seht als Garten ihr behandelt, Seht ein paradiesisch Bild. Älter, war ich nicht zu Handen, Hülfreich nicht wie sonst bereit, Und, wie meine Kräfte schwanden, War auch schon die Woge weit. Kluger Herren kühne Knechte Gruben Gräben, dämmten ein, Schmälerten des Meeres Rechte Herrn an seiner Statt zu seyn. Schaue grünend Wies’ an Wiese Anger, Garten, Dorf und Wald. – Komm nun aber und genieße Denn die Sonne scheidet bald. – Doch! im Fernsten ziehen Seegel! Suchen nächtlich sichern Port. Kennen doch ihr Nest die Vögel, Denn jetzt ist der Hafen dort. So erblickst du in der Weite Erst des Meeres blauen Saum, Rechts und links, in aller Breite, Dichtgedrängt bewohnten Raum. Am Tische zu drey, im Gärtchen Baucis Bleibst du stumm? und keinen Bissen Bringst du zum verlechzten Mund? Philemon Möcht er doch vom Wunder wissen, Sprichst so gerne, thu’s ihm kund. Baucis Wohl! ein Wunder ists gewesen! Läßt mich heute nicht in Ruh; Denn es ging das ganze Wesen Nicht mit rechten Dingen zu. Philemon Kann der Kaiser sich versündgen Der das Ufer ihm verliehn? Thät’s ein Herold nicht verkündgen Schmetternd im Vorüberziehn? Nicht entfernt von unsern Dünen War der erste Fuß gefaßt, Zelte! Hütten! – doch, im Grünen, Richtet bald sich ein Palast. Baucis Tags umsonst die Knechte lärmten, Hack und Schaufel, Schlag um Schlag, Wo die Flämmchen nächtig schwärmten Stand ein Damm den andern Tag. Menschenopfer mußten bluten, Nachts erscholl des Jammers Quaal, Meerab floßen Feuergluten, Morgens war es ein Canal. Gottlos ist er, ihn gelüstet Unsre Hütte, unser Hayn; Wie er sich als Nachbar brüstet Soll man unterthänig seyn. Philemon Hat er uns doch angeboten Schönes Gut im neuen Land! Baucis Traue nicht den Wasserboten, Halt auf deiner Höhe Stand. Philemon Laßt uns zur Capelle treten! Letzten Sonnenblick zu schaun. Laßt uns läuten, knieen, beten! Und dem alten Gott vertraun.
Pallastweiter Ziergarten,großer gradgeführter Canal Faust im höchsten Alter wandelnd, nachdenkend Lynceus Der Thürmer durchs Sprachrohr Die Sonne sinkt, die letzten Schiffe Sie ziehen munter hafenein. Ein großer Kahn ist im Begriffe Auf dem Kanale hier zu seyn. Die bunten Wimpel wehen fröhlich, Die starren Masten stehn bereit, In dir preist sich der Bootsmann selig, Dich grüßt das Glück zur höchsten Zeit. das Glöckchen läutet auf der Düne. Faust auffahrend Verdammtes Läuten! Allzuschändlich Verwundets, wie ein tückischer Schuß, Vor Augen ist mein Reich unendlich, Im Rücken neckt mich der Verdruß, Erinnert mich durch neidische Laute: Mein Hochbesitz er ist nicht rein, Der Lindenraum, die braune Baute, Das morsche Kirchlein ist nicht mein. Und wünscht’ ich dort mich zu erholen, Vor fremden Schatten schaudert mir, Ist Dorn den Augen, Dorn den Solen, O! wär ich weit hinweg von hier! Thürmer wie oben Wie segelt froh der bunte Kahn, Mit frischem Abendwind heran! Wie thürmt sich sein behender Lauf In Kisten, Kasten, Säcken auf! Prächtiger Kahn, reich und bunt beladen mit Erzeugnissen fremder Weltgegenden Mephistopheles. die drey gewaltigen Gesellen Chorus Da landen wir, Da sind wir schon. Glückan! dem Herren, Dem Patron. sie steigen aus, die Güter werden an’s Land geschafft. Mephistopheles So haben wir uns wohl erprobt, Vergnügt wenn der Patron es lobt. Nur mit zwey Schiffen ging es fort, Mit zwanzig sind wir nun im Port. Was große Dinge wir gethan Das sieht man unsrer Ladung an. Das freye Meer befreyt den Geist, Wer weis da was Besinnen heißt! Da fördert nur ein rascher Griff, Man fängt den Fisch, man fängt ein Schiff, Und ist man erst der Herr zu drey Dann hackelt man das vierte bey. Da geht es denn dem fünften schlecht, Man hat Gewalt, so hat man recht. Man fragt ums Was? und nicht ums Wie? Ich müßte keine Schiffahrt kennen. Krieg, Handel und Piraterie, Dreyeinig sind sie, nicht zu trennen. Die drey gewaltigen Gesellen Nicht Dank und Gruß! Nicht Gruß und Dank! Als brächten wir Dem Herrn Gestank. Er macht ein Widerlich Gesicht; Das Königsgut Gefällt ihm nicht. Mephistopheles Erwartet weiter Keinen Lohn, Nahmt ihr doch Euren Theil davon. Die Gesellen Das ist nur für Die Langeweil, Wir alle for- dern gleichen Theil. Mephistopheles Erst ordnet o- ben Saal an Saal. Die Kostbarkeiten Allzumal. Und tritt er zu Der reichen Schau, Berechnet er alles Mehr genau, Er sich gewiß Nicht lumpen läßt Und giebt der Flotte Fest nach Fest. Die bunten Vögel kommen morgen, Für die werd’ ich zum besten sorgen. die Ladung wird weggeschafft. Mephistopheles zu Faust Mit ernster Stirn, mit düstrem Blick, Vernimmst du dein erhaben Glück. Die hohe Weisheit wird gekrönt, Das Ufer ist dem Meer versöhnt, Vom Ufer nimmt, zu rascher Bahn, Das Meer die Schiffe willig an; So sprich daß hier, hier vom Pallast Dein Arm die ganze Welt umfaßt. Von dieser Stelle ging es aus, Hier stand das erste Breterhaus; Ein Gräbchen ward hinabgeritzt Wo jetzt das Ruder emsig spritzt. Dein hoher Sinn, der Deinen Fleiß Erwarb des Meers, der Erde Preiß. Von hier aus – Faust Das verfluchte hier! Das eben leidig lastets mir. Dir Vielgewandten muß ichs sagen, Mir giebts im Herzen Stich um Stich, Mir ists unmöglich zu ertragen! Und wie ichs sage schäm’ ich mich. Die Alten droben sollten weichen, Die Linden wünscht ich mir zum Sitz, Die wenig Bäume, nicht mein eigen, Verderben mir den Welt-Besitz. Dort wollt ich, weit umher zu schauen, Von Ast zu Ast Gerüste bauen, Dem Blick eröffnen weite Bahn, Zu sehn was alles ich gethan, Zu überschaun mit einem Blick Des Menschengeistes Meisterstück, Bethätigend, mit klugem Sinn, Der Völker breiten Wohngewinn. So sind am härtsten wir gequält Im Reichthum fühlend was uns fehlt. Des Glöckchens Klang, der Linden Duft Umfängt mich wie in Kirch und Gruft. Des allgewaltigen Willens Kühr Bricht sich an diesem Sande hier. Wie schaff ich mir es vom Gemüthe! Das Glöcklein läutet und ich wüthe. Mephistopheles Natürlich! daß ein Hauptverdruß Das Leben dir vergällen muß. Wer läugnets! Jedem edlen Ohr Kommt das Geklingel widrig vor. Und das verfluchte Bim-Baum-Bimmel Umnebelnd heitern Abendhimmel, Mischt sich in jegliches Begebniß, Vom ersten Bad bis zum Begräbniß, Als wäre, zwischen Bimm und Baum, Das Leben ein verschollner Traum. Faust Das Widerstehn, der Eigensinn Verkümmern herrlichsten Gewinn, Daß man, zu tiefer grimmiger Pein, Ermüden muß gerecht zu seyn. Mephistopheles Was willst du dich denn hier geniren, Mußt du nicht längst kolonisiren. Faust So geht und schafft sie mir zur Seite! – Das schöne Gütchen kennst du ja, Das ich den Alten ausersah. Mephistopheles Man trägt sie fort und setzt sie nieder, Eh man sich umsieht stehn sie wieder; Nach überstandener Gewalt Versöhnt ein schöner Aufenthalt. er pfeift gellend. Die Drey treten auf. Mephistopheles Kommt! Wie der Herr gebieten läßt, Und Morgen giebt ein Flottenfest. Die Drey Der alte Herr empfing uns schlecht Ein flottes Fest ist uns zu Recht. Mephistopheles ad Spectatores Auch hier geschieht was längst geschah, Denn Naboths Weinberg war schon da. (Regum I. 21.)
Tiefe Nacht Lynceus, der Thürmer auf der Schloßwarte, singend Zum Sehen geboren, Zum Schauen bestellt, Dem Thurme geschworen Gefällt mir die Welt. Ich blick in die Ferne, Ich seh in der Näh, Den Mond und die Sterne, Den Wald und das Reh. So seh ich in allen Die ewige Zier Und wie mir’s gefallen Gefall ich auch mir. Ihr glücklichen Augen, Was je ihr gesehn, Es sey wie es wolle, Es war doch so schön! Pause Nicht allein mich zu ergötzen Bin ich hier so hoch gestellt; Welch ein gräuliches Entsetzen Droht mir aus der finstern Welt! Funkenblicke seh ich sprühen Durch der Linden Doppelnacht, Immer stärker wühlt ein Glühen Von der Zugluft angefacht. Ach! die innre Hütte lodert, Die bemoost und feucht gestanden, Schnelle Hülfe wird gefodert, Keine Rettung ist vorhanden. Ach! die guten alten Leute, Sonst so sorglich um das Feuer, Werden Sie dem Qualm zur Beute! Welch ein schrecklich Abentheuer! Flamme flammet, roth in Gluten Steht das schwarze Moosgestelle; Retteten sich nur die Guten Aus der wildentbrandten Hölle! Züngelnd lichte Blitze steigen Zwischen Blättern, zwischen Zweigen; Äste dürr, die flackernd brennen, Glühen schnell und stürzen ein. Sollt ihr Augen dieß erkennen! Muß ich so weitsichtig seyn! Das Kapellchen bricht zusammen Von der Äste Sturz und Last. Schlängelnd sind, mit spitzen Flammen, Schon die Gipfel angefasst. Bis zur Wurzel glühn die hohlen Stämme, Purpurroth im Glühn. – Lange Pause, Gesang Was sich sonst dem Blick empfohlen, Mit Jahrhunderten ist hin. Faust auf dem Balkon, gegen die Dünen Von oben welch ein singend Wimmern? Das Wort ist hier, der Ton zu spat, Mein Thürmer jammert; mich, im Innern, Verdrießt die ungeduldge That. Doch sey der Lindenwuchs vernichtet Zu halbverkohlter Stämme Graun, Ein Luginsland ist bald errichtet, Um ins Unendliche zu schaun. Da seh ich auch die neue Wohnung, Die jenes alte Paar umschließt, Das, im Gefühl großmüthiger Schonung, Der späten Tage froh genießt. Mephistopheles und die Dreye unten Da kommen wir mit vollem Trab, Verzeiht! es ging nicht gütlich ab. Wir klopften an, wir pochten an, Und immer ward nicht aufgethan; Wir rüttelten, wir pochten fort, Da lag die morsche Thüre dort; Wir riefen laut und drohten schwer, Allein wir fanden kein Gehör. Und wie’s in solchem Fall geschicht, Sie hörten nicht, sie wollten nicht; Wir aber haben nicht gesäumt Behende dir sie weggeräumt. Das Paar hat sich nicht viel gequält Vor Schrecken fielen sie entseelt. Ein Fremder, der sich dort versteckt, Und fechten wollte, ward gestreckt. In wilden Kampfes kurzer Zeit, Von Kohlen, ringsumher gestreut, Entflammte Stroh. Nun loderts frey, Als Scheiterhaufen dieser drey. Faust War’t ihr für meine Worte taub! Tausch wollt ich, wollte keinen Raub. Dem unbesonnenen wilden Streich Ihm fluch ich, theilt es unter euch. Chorus Das alte Wort, das Wort erschallt: Gehorche willig der Gewalt! Und bist du kühn, und hältst du Stich, So wage Haus und Hof und – Dich. ab Faust auf dem Balkon Die Sterne bergen Blick und Schein, Das Feuer sinkt und lodert klein; Ein Schauerwindchen fächelts an, Bringt Rauch und Dunst zu mir heran. Geboten schnell, zu schnell gethan! – Was schwebet Schattenhaft heran?
Mitternacht Vier graue Weiber treten auf. Erste Ich heiße der Mangel. Zweyte Ich heiße die Schuld. Dritte Ich heiße die Sorge. Vierte Ich heiße die Noth. Zu drey Die Thür ist verschloßen wir können nicht ein, Drinn wohnet ein Reicher wir mögen nicht ’nein Mangel Da werd ich zum Schatten Schuld Da werd ich zu nicht. Noth Man wendet von mir das verwöhnte Gesicht. Sorge Ihr Schwestern ihr könnt nicht und dürft nicht hinein. Die Sorge sie schleicht sich durchs Schlüsselloch ein. Sorge verschwindet Mangel Ihr graue Geschwister entfernt euch von hier. Schuld Ganz nah an der Seite verbind ich mich dir. Noth Ganz nah an der Ferse begleitet die Noth. Zu drey Es ziehen die Wolken, es schwinden die Sterne! Dahinten, dahinten! von ferne von ferne, Da kommt er der Bruder, da kommt er der – – – – – Tod. Faust im Pallast Vier sah ich kommen, drey nur gehn, Den Sinn der Rede konnt’ ich nicht verstehn. Es klang so nach als hieß es – Noth Ein düstres Reimwort folgte – Tod. Es tönte hohl, gespensterhaft gedämpft. Noch hab ich mich ins Freye nicht gekämpft. Könnt ich Magie von meinem Pfad entfernen Die Zaubersprüche ganz und gar verlernen; Stünd ich, Natur! vor Dir ein Mann allein Da wär’s der Mühe werth ein Mensch zu seyn. Das war ich sonst, eh ich’s im Düstern suchte, Mit Frevelwort mich und die Welt verfluchte. Nun ist die Luft von solchem Spuck so voll Daß niemand weiß wie er ihn meiden soll. Wenn auch Ein Tag uns klar vernünftig lacht In Traumgespinnst verwickelt uns die Nacht; Wir kehren froh von junger Flur zurück, Ein Vogel krächzt; was krächzt er? Mißgeschick. Von Aberglauben früh und spat umgarnt: Es eignet sich, es zeigt sich an, es warnt. Und so verschüchtert stehen wir allein. Die Pforte knarrt und niemand kommt herein. erschüttert Ist jemand hier? Sorge Die Frage fordert ja! Faust Und du wer bist denn du? Sorge Bin einmal da. Faust Entferne dich Sorge Ich bin am rechten Ort. Faust Erst ergrimmt, dann besänftigt für sich Nimm dich in Acht und sprich kein Zauberwort. Sorge Würde mich kein Ohr vernehmen Müßt es doch im Herzen dröhnen; In verwandelter Gestalt Üb’ ich grimmige Gewalt. Auf den Pfaden, auf der Welle Ewig ängstlicher Geselle, Stets gefunden nie gesucht, So geschmeichelt wie verflucht. Hast du die Sorge nie gekannt? Faust Ich bin nur durch die Welt gerannt. Ein jed’ Gelüst ergriff ich bey den Haaren, Was nicht genügte ließ ich fahren, Was mir entwischte lies ich ziehn. Ich habe nur begehrt und nur vollbracht, Und abermals gewünscht, und so mit Macht Mein Leben durchgestürmt; erst groß und mächtig Nun aber geht es weise, geht bedächtig. Der Erdenkreis ist mir genug bekannt. Nach drüben ist die Aussicht uns verrannt; Thor! wer dorthin die Augen blinzelnd richtet, Sich über Wolken seines gleichen dichtet; Er stehe fest und sehe hier sich um; Dem Tüchtigen ist diese Welt nicht stumm, Was braucht er in die Ewigkeit zu schweifen, Was er erkennt läßt sich ergreifen; Er wandle so den Erdentag entlang; Wenn Geister spuken geh er seinen Gang, Im Weiterschreiten find er Quaal und Glück, Er! unbefriedigt jeden Augenblick. Sorge Wen ich einmal mir besitze Dem ist alle Welt nichts nütze, Ewiges Düstre steigt herunter, Sonne geht nicht auf noch unter, Bey vollkommnen äußern Sinnen Wohnen Finsternisse drinnen. Und er weiß von allen Schätzen Sich nicht in Besitz zu setzen. Glück und Unglück wird zur Grille, Er verhungert in der Fülle, Sey es Wonne sey es Plage Schiebt ers zu dem andern Tage, Ist der Zukunft nur gewärtig Und so wird er niemals fertig. Faust Hör auf! so kommst du mir nicht bey! Ich mag nicht solchen Unsinn hören. Fahrhin! die schlechte Litaney Sie könnte selbst den klügsten Mann bethören. Sorge Soll er gehen, soll er kommen, Der Entschluß ist ihm genommen; Auf gebahnten Weges-Mitte Wankt er tastend halbe Schritte. Er verliert sich immer tiefer, Siehet alle Dinge schiefer, Sich und andre lästig drückend, Athem holend und erstickend; Nicht erstickt und ohne Leben, Nicht verzweiflend, nicht ergeben. So ein unaufhaltsam Rollen Schmerzlich Lassen, widrig Sollen, Bald befreyen, bald erdrücken, Halber Schlaf und schlecht Erquicken Heftet ihn an seine Stelle Und bereitet ihn zur Hölle. Faust Unselige Gespenster so behandelt ihr Das menschliche Geschlecht zu tausendmalen; Gleichgültige Tage selbst verwandelt ihr In garstigen Wirrwarr netzumstrickter Quaalen. Dämonen, weiß ich, wird man schwerlich los, Das geistig-strenge Band ist nicht zu trennen; Doch deine Macht, o Sorge, schleichend groß, Ich werde sie nicht anerkennen. Sorge Erfahre sie, wie ich geschwind Mich mit Verwünschung von dir wende! Die Menschen sind im ganzen Leben blind, Nun Fauste! werde dus am Ende. sie haucht ihn an. Faust erblindet Die Nacht scheint tiefer tief hereinzudringen Allein im Innern leuchtet helles Licht; Was ich gedacht ich eil es zu vollbringen; Des Herren Wort es giebt allein Gewicht. Vom Lager auf ihr Knechte! Mann für Mann! Laßt glücklich schauen was ich kühn ersann. Ergreift das Werkzeug, Schaufel rührt und Spaten, Das Abgesteckte muß sogleich gerathen. Auf strenges Ordnen, raschen Fleiß, Erfolgt der allerschönste Preis; Daß sich das größte Werk vollende Genügt Ein Geist für tausend Hände.
Großer Vorhof des Pallasts Fackeln Mephistopheles als Aufseher, voran Herbey herbey! herein herein! Ihr schlotternden Lemuren, Aus Ligamenten und Gebein Geflickte Halbnaturen. Lemuren im Chor Wir treten dir sogleich zur Hand, Und, wie wir halb vernommen, Es gilt wohl gar ein weites Land Das sollen wir bekommen. Gespitzte Pfähle die sind da, Die Kette lang fürs Messen; Warum an uns der Ruf geschah Das haben wir vergessen. Mephistopheles Hier gilt kein künstlerisch Bemühn; Verfahret nur nach eignen Maaßen; Der Längste lege längelang sich hin, Ihr andern lüftet ringsumher den Rasen; Wie mans für unsre Väter that, Vertieft ein längliches Quadrat! Aus dem Pallast ins enge Haus, So dumm läuft es am Ende doch hinaus. Lemuren mit neckischen Gebärden grabend Wie jung ich war und lebt und liebt, Mich däucht das war wohl süße, Wo’s fröhlich klang und lustig ging Da rührten sich meine Füße. Nun hat das tückische Alter mich Mit seiner Krücke getroffen; Ich stolpert’ über Grabes Thür, Warum stand sie just offen! Faust aus dem Pallaste tretend, tastet an den Thürpfosten Wie das Geklirr der Spaten mich ergötzt! Es ist die Menge, die mir fröhnet, Die Erde mit sich selbst versöhnet, Den Wellen ihre Gränze setzt, Das Meer mit strengen Band umzieht. Mephistopheles bey Seite Du bist doch nur für uns bemüht Mit deinen Dämmen deinen Buhnen; Denn du bereitest schon Neptunen, Dem Wasserteufel, großen Schmaus. In jeder Art seyd ihr verloren, Die Elemente sind mit uns verschworen, Und auf Vernichtung läufts hinaus. Faust Aufseher! Mephistopheles Hier! Faust Wie es auch möglich sey Arbeiter schaffe Meng’ auf Menge, Ermuntere durch Genuß und Strenge, Bezahle, locke, presse bey! Mit jedem Tage will ich Nachricht haben Wie sich verlängt der unternommene Graben. Mephistopheles halblaut Man spricht, wie man mir Nachricht gab, Von keinem Graben, doch vom Grab. Faust Ein Sumpf zieht am Gebirge hin, Verpestet alles schon Errungene; Den faulen Pfuel auch abzuziehn Das Letzte wär das Höchsterrungene. Eröffn’ ich Räume vielen Millionen, Nicht sicher zwar, doch thätig-frey zu wohnen. Grün das Gefilde, fruchtbar; Mensch und Heerde Sogleich behaglich auf der neusten Erde, Gleich angesiedelt an des Hügels Kraft, Den aufgewälzt kühn-emsige Völkerschaft. Im Innern hier ein paradiesisch Land, Da rase draußen Fluth bis auf zum Rand, Und wie sie nascht gewaltsam einzuschießen, Gemeindrang eilt die Lücke zu verschließen. Ja diesem Sinne bin ich ganz ergeben, Das ist der Weisheit letzter Schluß: Nur der verdient sich Freyheit wie das Leben, Der täglich sie erobern muß. Und so verbringt, umrungen von Gefahr, Von Kindheit, Mann und Greis sein tüchtig Jahr. Solch ein Gewimmel möcht ich sehn, Auf freyem Grund mit freyem Volke stehn. Zum Augenblicke dürft’ ich sagen: Verweile doch, du bist so schön! Es kann die Spur von meinen Erdetagen Nicht in Äonen untergehn. – Im Vorgefühl von solchem hohen Glück Genieß ich jetzt den höchsten Augenblick. Faust sinkt zurück, die Lemuren fassen ihn auf und legen ihn auf den Boden. Mephistopheles Ihn sättigt keine Lust, ihm gnügt kein Glück, So buhlt er fort nach wechselnden Gestalten; Den letzten, schlechten, leeren Augenblick Der Arme wünscht ihn fest zu halten. Der mir so kräftig widerstand, Die Zeit wird Herr, der Greis hier liegt im Sand. Die Uhr steht still – Chor Steht still! Sie schweigt wie Mitternacht. Der Zeiger fällt. Mephistopheles Er fällt, es ist vollbracht. Chor Es ist vorbey. Mephistopheles Vorbey! ein dummes Wort. Warum vorbey? Vorbey und reines Nicht, vollkomnes Einerley. Was soll uns denn das ewge Schaffen, Geschaffenes zu nichts hinwegzuraffen? Da ists vorbey! Was ist daran zu lesen? Es ist so gut als wär es nicht gewesen, Und treibt sich doch im Kreis als wenn es wäre. Ich liebte mir dafür das Ewig-Leere.
Grablegung Lemur Solo Wer hat das Haus so schlecht gebaut, Mit Schaufeln und mit Spaten? Lemuren Chor Dir dumpfer Gast im hänfnen Gewand Ists viel zu gut gerathen. Lemur Solo Wer hat den Saal so schlecht versorgt? Wo blieben Tisch und Stühle? Lemuren Chor Es war auf kurze Zeit geborgt; Der Gläubiger sind so viele. Mephistopheles Der Körper liegt und will der Geist entfliehn, Ich zeig ihm rasch den blutgeschriebnen Titel; – Doch leider hat man jetzt so viele Mittel Dem Teufel Seelen zu entziehn. Auf altem Wege stößt man an, Auf neuem sind wir nicht empfohlen; Sonst hätt ich es allein gethan, Jetzt muß ich Helfershelfer holen. Uns gehts in allen Dingen schlecht. Herkömmliche Gewohnheit, altes Recht, Man kann auf gar nichts mehr vertrauen. Sonst mit dem letzten Athem fuhr sie aus, Ich paßt ihr auf und, wie die schnellste Maus, Schnapps! hielt ich sie in fest verschloßnen Klauen. Nun zaudert sie und will den düstern Ort, Des schlechten Leichnams eckles Haus nicht lassen; Die Elemente die sich hassen, Die treiben sie am Ende schmählich fort. Und wenn ich Tag und Stunden mich zerplage Wann? wie? und wo? das ist die leidige Frage, Der alte Tod verlor die rasche Kraft, Das Ob? sogar ist lange zweifelhaft; Oft sah ich lüstern auf die starren Glieder; Es war nur Schein, das rührte das regte sich wieder Phantastisch-flügelmännische Beschwörungs-Gebärden Nur frisch heran! verdoppelt euren Schritt, Ihr Herrn vom graden, Herrn vom krummen Horne, Vom altem Teufelsschrot und Korne Bringt ihr zugleich den Höllenrachen mit. Zwar hat die Hölle Rachen viele! viele! Nach Standsgebühr und Würden schlingt sie ein; Doch wird man auch bey diesem letzten Spiele Ins künftige nicht so bedenklich seyn. der gräuliche Höllenrachen thut sich lincks auf. Eckzähne klaffen; dem Gewölb des Schlundes Entquillt der Feuerstrom in Wuth, Und in dem Siedequalm des Hintergrundes Seh ich die Flammenstadt in ewiger Glut. Die rothe Brandung schlägt hervor bis an die Zähne, Verdammte, Rettung hoffend, schwimmen an; Doch colossal zerknirscht sie die Hyäne Und sie erneuen ängstlich heisse Bahn. In Winkeln bleibt noch vieles zu entdecken, So viel Erschrecklichstes im engsten Raum! Ihr thut sehr wohl die Sünder zu erschrecken Sie haltens doch für Lug und Trug und Traum. Zu den Dickteufeln vom kurzen, graden Horne Nun wanstige Schuften mit den Feuerbacken! Ihr glüht so recht vom Höllenschwefel feist; Klotzartige, kurze, nie bewegte Nacken Hier unten lauert ob’s wie Phosphor gleißt: Das ist das Seelchen, Psyche mit den Flügeln, Die rupft ihr aus so ists ein garstiger Wurm; Mit meinem Stempel will ich sie besiegeln Dann fort mit ihr im Feuer-Wirbel-Sturm. Paßt auf die niedern Regionen, Ihr Schläuche, das ist eure Pflicht; Ob’s ihr beliebte da zu wohnen, So accurat weiß man das nicht. Im Nabel ist sie gern zu Haus, Nehmt es in Acht sie wischt euch dort heraus. Zu den Dürrteufeln vom langen, krummen Horne Ihr Firlefanze, flügelmännische Riesen, Greift in die Luft, versucht euch ohne Rast; Die Arme strack, die Klauen scharf gewiesen, Daß ihr die flatternde, die Flüchtige faßt. Es ist ihr sicher schlecht im alten Haus Und das Genie es will gleich obenaus. Glorie von oben, rechts Himmlische Heerschaar Folget Gesandte, Himmelsverwandte, Gemächlichen Flugs; Sündern vergeben, Staub zu beleben, Allen Naturen Freundliche Spuren Wirket im Schweben Des weilenden Zugs. Mephistopheles Mißtöne hör ich, garstiges Geklimper, Von oben kommts mit unwillkommnem Tag; Es ist das bübisch-mädchenhafte Gestümper, Wie frömmelnder Geschmack sichs lieben mag. Ihr wißt wie wir, in tiefverruchten Stunden, Vernichtung sannen menschlichem Geschlecht; Das Schändlichste was wir erfunden Ist ihrer Andacht eben recht. Sie kommen gleisnerisch die Laffen! So haben sie uns manchen weggeschnappt, Bekriegen uns mit unsern eignen Waffen; Es sind auch Teufel, doch verkappt. Hier zu verlieren wär euch ewge Schande; Ans Grab heran und haltet fest am Rande! Chor der Engel Rosen streuend Rosen, ihr blendenden, Balsam versendenden! Flatternde, schwebende, Heimlich belebende, Zweiglein beflügelte, Knospen entsiegelte, Eilet zu blühn. Frühling entsprieße, Purpur und Grün; Tragt Paradiese Dem Ruhenden hin. Mephistopheles zu den Satanen Was duckt und zuckt ihr? ist das Höllenbrauch? So haltet Stand und laßt sie streuen. An seinen Platz ein jeder Gauch! Sie denken wohl mit solchen Blümeleyen Die heißen Teufel einzuschneyen; Das schmilzt und schrumpft vor eurem Hauch. Nun pustet Püstriche! – Genug genug! Vor eurem Broden bleicht der ganze Flug. – Nicht so gewaltsam! schließet Maul und Nasen. Fürwahr ihr habt zu stark geblasen; Daß ihr doch nie die rechten Maaße kennt. Das schrumpft nicht nur, es bräunt sich, dorrt, es brennt! Schon schwebts heran mit giftig klaren Flammen, Stemmt euch dagegen, drängt euch fest zusammen! Die Kraft erlischt dahin ist aller Muth Die Teufel wittern fremde Schmeichelglut. Engel Blüten die seligen, Flammen die fröhlichen, Liebe verbreiten sie, Wonne bereiten sie, Herz wie es mag. Worte die wahren, Äther im klaren, Ewigen Schaaren Überal Tag. Mephistopheles O Fluch! o Schande solchen Tröpfen! Satane stehen auf den Köpfen, Die Plumpen schlagen Rad auf Rad Und stürzen ärschlings in die Hölle. Gesegn’ euch das verdiente heiße Bad! Ich aber bleib auf meiner Stelle. – Sich mit den schwebenden Rosen herumschlagend Irrlichter fort! du! leuchte noch so stark, Du bleibst gehascht ein eckler Gallert-Quarck. Was flatterst du? Willst du dich packen! – Es klemmt wie Pech und Schwefel mir im Nacken. Engel. Chor Was euch nicht angehört Müsset ihr meiden, Was euch das Innre stört Dürft ihr nicht leiden. Dringt es gewaltig ein Müssen wir tüchtig seyn. Liebe nur Liebende Führet herein. Mephistopheles Mir brennt der Kopf, das Herz, die Leber brennt, Ein überteuflich Element! Weit spitziger als Höllenfeuer. – Drum jammert ihr so ungeheuer Unglückliche Verliebte! die, verschmäht, Verdrehten Halses nach der Liebsten späht. Auch mir! Was zieht den Kopf auf jene Seite? Bin ich mit ihr doch im geschwornem Streite? Der Anblick war mir sonst so feindlich scharf. Hat mich ein Fremdes durch und durch gedrungen, Ich mag sie gerne sehn die allerliebsten Jungen; Was hält mich ab daß ich nicht fluchen darf? – Und wenn ich mich bethören lasse Wer heißt denn künftighin der Thor? Die Wetterbuben die ich hasse Sie kommen mir doch gar zu lieblich vor. – Ihr schönen Kinder laßt mich wissen: Seyd ihr nicht auch von Lucifers Geschlecht? Ihr seyd so hübsch, fürwahr ich möcht euch küssen; Mir ists als kommt ihr eben recht. Es ist mir so behaglich, so natürlich Als hätt ich euch schon tausendmal gesehn, So heimlich-kätzchenhaft begierlich; Mit jedem Blick aufs neue schöner schön. O nähert euch, o gönnt mir Einen Blick! Engel Wir kommen schon, warum weichst du zurück? Wir nähern uns und wenn du kannst so bleib. die Engel nehmen, umherziehend, den ganzen Raum ein. Mephistopheles der ins Proscenium gedrängt wird Ihr scheltet uns verdammte Geister Und seyd die wahren Hexenmeister; Denn ihr verführet Mann und Weib. – Welch ein verfluchtes Abenteuer! Ist dies das Liebeselement? Der ganze Körper steht in Feuer, Ich fühle kaum daß es im Nacken brennt. – Ihr schwanket hin und her, so senkt euch nieder, Ein bischen weltlicher bewegt die holden Glieder; Fürwahr der Ernst steht euch recht schön. Doch möcht’ ich euch nur einmal lächeln sehn; Das wäre mir ein ewiges Entzücken. Ich meyne so wie wenn Verliebte blicken, Ein kleiner Zug am Mund so ists gethan. Dich langer Bursche dich mag ich am liebsten leiden, Die Pfaffenmiene will dich gar nicht kleiden, So sieh mich doch ein wenig lüstern an! Auch könntet ihr anständig-nackter gehen, Das lange Faltenhemd ist übersittlich – Sie wenden sich – Von hinten anzusehen! – Die Racker sind doch gar zu appetitlich. Chor der Engel Wendet zur Klarheit Euch liebende Flammen! Die sich verdammen Heile die Wahrheit; Daß sie vom Bösen Froh sich erlösen, Um in dem Allverein Selig zu seyn. Mephistopheles sich faßend Wie wird mir! – hiobsartig, Beul an Beule Der ganze Kerl, dem’s vor sich selber graut, Und triumphirt zugleich wenn er sich ganz durchschaut, Wenn er auf sich und seinen Stamm vertraut; Gerettet sind die edlen Teufelstheile, Der Liebespuck er wirft sich auf die Haut; Schon ausgebrannt sind die verruchten Flammen, Und, wie es sich gehört, fluch ich euch allzusammen. Chor der Engel Heilige Gluten! Wen sie umschweben Fühlt sich im Leben Selig mit Guten. Alle vereinigt Hebt euch und preißt, Luft ist gereinigt Athme der Geist. Sie erheben sich, Faustens Unsterbliches entführend. Mephistopheles sich umsehend Doch wie? – wo sind sie hingezogen? Unmündiges Volk du hast mich überrascht, Sind mit der Beute himmelwärts entflogen; Drum haben sie an dieser Gruft genascht! Mir ist ein großer einziger Schatz entwendet, Die hohe Seele die sich mir verpfändet Die haben sie mir pfiffig weggepascht. Bey wem soll ich mich nun beklagen? Wer schafft mir mein erworbenes Recht? Du bist getäuscht in deinen alten Tagen, Du hasts verdient, es geht dir grimmig schlecht. Ich habe schimpflich mißgehandelt, Ein großer Aufwand, schmählich! ist verthan, Gemein Gelüst, absurde Liebschaft wandelt Den ausgepichten Teufel an. Und hat mit diesem kindisch-tollen Ding Der Klugerfahrne sich beschäftigt, So ist fürwahr die Thorheit nicht gering Die seiner sich am Schluß bemächtigt.
Bergschluchten, Wald, Fels,Einöde Heilige Anachoreten Gebirg auf vertheilt, gelagert zwischen Klüften Chor und Echo Waldung, sie schwanckt heran, Felsen, sie lasten dran, Wurzeln, sie klammern an, Stamm dicht am Stamm hinan. Woge nach Woge spritzt, Höhle die tiefste schützt. Löwen sie schleichen stumm- Freundlich um uns herum, Ehren geweihten Ort Heiligen Liebeshort. Pater extaticus auf und abschweifend Ewiger Wonnebrand, Glühendes Liebeband, Siedender Schmerz der Brust, Schäumende Gottes-Lust. Pfeile durchdringet mich, Lanzen bezwinget mich, Keulen zerschmettert mich, Blitze durchwettert mich; Daß ja das Nichtige Alles verflüchtige, Glänze der Dauerstern Ewiger Liebe Kern. Pater profundus Tiefe Region Wie Felsenabgrund mir zu Füßen Auf tieferm Abgrund lastend ruht, Wie tausend Bäche strahlend fließen Zum grausen Sturz des Schaums der Flut, Wie strack, mit eignem kräftigen Triebe, Der Stamm sich in die Lüfte trägt, So ist es die allmächtige Liebe Die alles bildet alles hegt. Ist um mich her ein wildes Brausen, Als wogte Wald und Felsengrund, Und doch stürzt, liebevoll im Sausen, Die Wasserfülle sich zum Schlund, Berufen gleich das Thal zu wässern; Der Blitz der flammend niederschlug Die Atmosphäre zu verbessern Die Gift und Dunst im Busen trug; Sind Liebesboten, sie verkünden Was ewig schaffend uns umwallt. Mein Inres mög’ es auch entzünden Wo sich der Geist, verworren kalt, Verquält in stumpfer Sinne Schranken Scharfangeschloßnem Kettenschmerz. O Gott! beschwichtige die Gedanken Erleuchte mein bedürftig Herz. Pater Seraphicus Mittlere Region Welch ein Morgenwölkchen schwebet Durch der Tannen schwankend Haar; Ahn ich was im Innern lebet? Es ist junge Geisterschaar. Chor seliger Knaben Sag uns Vater wo wir wallen, Sag uns Guter wer wir sind? Glücklich sind wir, allen allen Ist das Daseyn so gelind. Pater Seraphicus Knaben! Mitternachts Geborne, Halb erschlossen Geist und Sinn, Für die Eltern gleich Verlorne, Für die Engel zum Gewinn Daß ein Liebender zugegen Fühlt ihr wohl, so naht euch nur; Doch von schroffen Erdewegen Glückliche! habt ihr keine Spur. Steigt herab in meiner Augen Welt- und erdgemäß Organ, Könn’t sie als die euern brauchen, Schaut euch diese Gegend an. er nimmt sie in sich. Das sind Bäume, das sind Felsen, Wasserstrom, der abestürzt Und mit ungeheuerm Wälzen Sich den steilen Weg verkürzt. Selige Knaben von innen Das ist mächtig anzuschauen Doch zu düster ist der Ort, Schüttelt uns mit Schreck und Grauen, Edler, Guter laß uns fort. Pater Seraphicus Steigt hinan zu höhrem Kreise Wachset immer unvermerkt, Wie, nach ewig reiner Weise, Gottes Gegenwart verstärkt. Denn das ist der Geister Nahrung Die im freysten Äther waltet, Ewigen Liebens Offenbarung Die zur Seligkeit entfaltet. Chor seliger Knaben um die höchsten Gipfel kreisend Hände verschlinget Freudig zum Ringverein, Regt euch und singet Heilge Gefühle drein; Göttlich belehret Dürft ihr vertrauen, Den ihr verehret Werdet ihr schauen Engel schwebend in der höhern Atmosphäre, Faustens Unsterbliches tragend Gerettet ist das edle Glied Der Geisterwelt vom Bösen, „Wer immer strebend sich bemüht Den können wir erlösen.“ Und hat an ihm die Liebe gar Von oben Theil genommen, Begegnet ihm die selige Schaar Mit herzlichem Willkommen. Die jüngeren Engel Jene Rosen, aus den Händen Liebend-heiliger Büsserinnen, Halfen uns den Sieg gewinnen, Uns das hohe Werk vollenden, Diesen Seelenschatz erbeuten. Böse wichen als wir streuten, Teufel flohen als wir trafen. Statt gewohnter Höllenstrafen, Fühlten Liebesqual die Geister; Selbst der alte Satans-Meister War von spitzer Pein durchdrungen. Jauchzet auf! es ist gelungen. Die vollendeteren Engel Uns bleibt ein Erdenrest Zu tragen peinlich, Und wär’ er von Asbest Er ist nicht reinlich. Wenn starke Geisteskraft Die Elemente An sich herangerafft, Kein Engel trennte Geeinte Zwienatur Der innigen Beyden, Die ewige Liebe nur Vermags zu scheiden. Die jüngeren Engel Nebelnd um Felsenhöh Spür ich so eben, Regend sich in der Näh, Ein Geister-Leben. Die Wölkchen werden klar, Ich seh bewegte Schaar Seliger Knaben, Los von der Erde Druck, Im Kreis gesellt, Die sich erlaben Am neuen Lenz und Schmuck Der obern Welt. Sey er zum Anbeginn, Steigendem Vollgewinn, Diesen gesellt! Die seligen Knaben Freudig empfangen wir Diesen im Puppenstand; Also erlangen wir Englisches Unterpfand. Löset die Flocken los Die ihn umgeben, Schon ist er schön und groß Von heiligem Leben. Doctor Marianus in der höchsten, reinlichsten Zelle Hier ist die Aussicht frey, Der Geist erhoben. Dort ziehen Fraun vorbey, Schwebend nach oben. Die Herrliche, mitteninn, Im Sternenkranze, Die Himmelskönigin, Ich seh’s am Glanze. entzückt Höchste Herrscherin der Welt Lasse mich, im blauen, Ausgespannten Himmelszelt, Dein Geheimniß schauen. Billige was des Mannes Brust Ernst und zart beweget Und mit heiliger Liebeslust Dir entgegen träget. Unbezwinglich unser Muth Wenn du hehr gebietest, Plötzlich mildert sich die Glut, Wie du uns befriedest. Jungfrau, rein im schönsten Sinn, Mutter, Ehren würdig, Uns erwählte Königinn, Göttern ebenbürtig. Um sie verschlingen Sich leichte Wölkchen, Sind Büserinnen, Ein zartes Völkchen; Um Ihre Knie Den Äther schlürfend, Gnade bedürfend. Dir, der Unberührbaren, Ist es nicht benommen Daß die leicht Verführbaren Traulich zu dir kommen. In die Schwachheit hingerafft Sind sie schwer zu retten; Wer zerreißt aus eigner Kraft Der Gelüste Ketten? Wie entgleitet schnell der Fuß Schiefem glattem Boden? Wen bethört nicht Blick und Gruß, Schmeichelhafter Odem? Mater gloriosa schwebt einher Chor der Büsserinnen Du schwebst zu Höhen Der ewigen Reiche, Vernimm das Flehen Du Ohnegleiche, Du Gnadenreiche! Magna peccatrix (St Lucae VII. 36) Bey der Liebe, die den Füßen Deines gottverklärten Sohnes Thränen lies zum Balsam fließen, Trotz des Pharisäer-Hohnes; Beym Gefäße das so reichlich Tropfte Wohlgeruch hernieder, Bey den Locken die so weichlich Trockneten die heilgen Glieder – Mulier Samaritana (St. Joh. IV. Bey dem Bronn, zu dem schon weyland Abram lies die Heerde führen, Bey dem Eymer der dem Heyland Kühl die Lippe durft berühren; Bey der reinen reichen Quelle Die nun dorther sich ergießet, Überflüssig, ewig helle, Rings durch alle Welten fließet – Maria Egyptiaca (Acta Sanctorum) Bey dem hochgeweihten Orte Wo den Herrn man niederließ, Bey dem Arm der von der Pforte Warnend mich zurücke stieß; Bey der vierzigjährigen Busse Der ich treu in Wüsten blieb, Bey dem seligen Scheidegrusse Den im Sand ich niederschrieb – Zu drey Die du großen Sünderinnen Deine Nähe nicht verweigerst Und ein büssendes Gewinnen In die Ewigkeiten steigerst, Gönn’ auch dieser guten Seele Die sich einmal nur vergessen, Die nicht ahnte daß sie fehle, Dein Verzeihen angemessen. Una Poenitentum sich anschmiegend sonst Gretchen genannt Neige neige Du Ohnegleiche, Die Strahlenreiche, Dein Antlitz gnädig meinem Glück. Der früh Geliebte Nicht mehr Getrübte Er kommt zurück. Selige Knaben in Kreisbewegung sich nähernd Er überwächst uns schon An mächtigen Gliedern; Wird treuer Pflege Lohn Reichlich erwiedern. Wir wurden früh entfernt Von Lebechören, Doch dieser hat gelernt Er wird uns lehren. Die eine Büsserin Sonst Gretchen genannt Vom edlen Geisterchor umgeben Wird sich der Neue kaum gewahr, Er ahnet kaum das frische Leben So gleicht er schon der heiligen Schaar. Sieh! wie er jedem Erdenbande Der alten Hülle sich entrafft, Und aus ätherischem Gewande Hervortritt erste Jugendkraft. Vergönne mir ihn zu belehren, Noch blendet ihn der neue Tag. Mater gloriosa Komm! hebe dich zu höhern Sphären, Wenn er dich ahnet folgt er nach. Doctor Marianus Auf dem Angesicht anbetend Blicket auf zum Retterblick Alle reuig zarten, Euch zu seligem Geschick Dankend umzuarten. Werde jeder bessre Sinn Dir zum Dienst erbötig; Jungfrau, Mutter, Königinn, Göttin bleibe gnädig. Chorus mysticus Alles Vergängliche Ist nur ein Gleichniß; Das Unzulängliche Hier wird’s Ereigniß; Das Unbeschreibliche Hier ist es gethan; Das Ewig-Weibliche Zieht uns hinan. Finis