Zueignung
Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten!
Die früh sich einst dem trüben Blick gezeigt.
Versuch’ ich wohl euch diesmal fest zu halten?
Fühl’ ich mein Herz noch jenem Wahn geneigt?
Ihr drängt euch zu! nun gut, so mögt ihr walten,
Wie ihr aus Dunst und Nebel um mich steigt;
Mein Busen fühlt sich jugendlich erschüttert
Vom Zauberhauch der euren Zug umwittert.
Ihr bringt mit euch die Bilder froher Tage,
Und manche liebe Schatten steigen auf;
Gleich einer alten, halbverklungnen Sage,
Kommt erste Lieb’ und Freundschaft mit herauf;
Der Schmerz wird neu, es wiederholt die Klage
Des Lebens labyrinthisch irren Lauf,
Und nennt die Guten, die, um schöne Stunden
Vom Glück getäuscht, vor mir hinweggeschwunden.
Sie hören nicht die folgenden Gesänge,
Die Seelen, denen ich die ersten sang,
Zerstoben ist das freundliche Gedränge,
Verklungen ach! der erste Wiederklang.
Mein Leid ertönt der unbekannten Menge,
Ihr Beyfall selbst macht meinem Herzen bang,
Und was sich sonst an meinem Lied erfreuet,
Wenn es noch lebt, irrt in der Welt zerstreuet.
Und mich ergreift ein längst entwöhntes Sehnen
Nach jenem stillen, ernsten Geisterreich,
Es schwebet nun, in unbestimmten Tönen,
Mein lispelnd Lied, der Äolsharfe gleich,
Ein Schauer faßt mich, Thräne folgt den Thränen,
Das strenge Herz es fühlt sich mild und weich;
Was ich besitze seh’ ich wie im weiten,
Und was verschwand wird mir zu Wirklichkeiten.
Der
Tragödie
Erster Theil
Nacht
In einem
hochgewölbten, engen, gothischen Zimmer Faust unruhig auf seinem Sessel am Pulte
Faust
Habe nun, ach! Philosophie,
Juristerey und Medicin,
Und leider auch Theologie!
Durchaus studirt, mit heißem Bemühn.
Da steh’ ich nun, ich armer Thor!
Und so klug als wie zuvor;
Heiße Magister, heiße Doctor gar,
Und ziehe schon an die zehen Jahr,
Herauf, herab und quer und krumm,
Meine Schüler an der Nase herum –
Und sehe, daß wir nichts wissen können!
Das will mir schier das Herz verbrennen.
Zwar bin ich gescheidter als alle die Laffen,
Doctoren, Magister, Schreiber und Pfaffen;
Mich plagen keine Scrupel noch Zweifel,
Fürchte mich weder vor Hölle noch Teufel –
Dafür ist mir auch alle Freud’ entrissen,
Bilde mir nicht ein was rechts zu wissen,
Bilde mir nicht ein, ich könnte was lehren,
Die Menschen zu bessern und zu bekehren.
Auch hab’ ich weder Gut noch Geld,
Noch Ehr’ und Herrlichkeit der Welt.
Es möchte kein Hund so länger leben!
Drum hab’ ich mich der Magie ergeben,
Ob mir durch Geistes Kraft und Mund
Nicht manch Geheimniß würde kund;
Daß ich nicht mehr mit sauerm Schweiß,
Zu sagen brauche, was ich nicht weiß;
Daß ich erkenne, was die Welt
Im Innersten zusammenhält,
Schau’ alle Wirkenskraft und Samen,
Und thu’ nicht mehr in Worten kramen.
O sähst du, voller Mondenschein,
Zum letztenmal auf meine Pein,
Den ich so manche Mitternacht
An diesem Pult herangewacht:
Dann über Büchern und Papier,
Trübsel’ger Freund, erschienst du mir!
Ach! könnt’ ich doch auf Berges-Höh’n,
In deinem lieben Lichte gehn,
Um Bergeshöhle mit Geistern schweben,
Auf Wiesen in deinem Dämmer weben,
Von allem Wissensqualm entladen,
In deinem Thau gesund mich baden!
Weh! steck’ ich in dem Kerker
noch?
Verfluchtes, dumpfes Mauerloch!
Wo selbst das liebe Himmelslicht
Trüb’ durch gemahlte Scheiben bricht.
Beschränkt mit diesem Bücherhauf,
Den Würme nagen, Staub bedeckt,
Den, bis an’s hohe Gewölb’ hinauf,
Ein angeraucht Papier umsteckt;
Mit Gläsern, Büchsen rings umstellt,
Mit Instrumenten vollgepfropft,
Urväter Hausrath drein gestopft –
Das ist deine Welt! das heißt eine Welt!
Und fragst du noch, warum dein
Herz
Sich bang’ in deinem Busen klemmt?
Warum ein unerklärter Schmerz
Dir alle Lebensregung hemmt?
Statt der lebendigen Natur,
Da Gott die Menschen schuf hinein,
Umgiebt in Rauch und Moder nur
Dich Thiergeripp’ und Todtenbein.
Flieh! auf! hinaus ins weite
Land!
Und dieß geheimnißvolle Buch,
Von Nostradamus eigner Hand,
Ist dir es nicht Geleit genug?
Erkennest dann der Sterne Lauf,
Und wenn Natur dich unterweist,
Dann geht die Seelenkraft dir auf,
Wie spricht ein Geist zum andern Geist.
Umsonst, daß trocknes Sinnen hier
Die heil’gen Zeichen dir erklärt,
Ihr schwebt, ihr Geister, neben mir,
Antwortet mir, wenn ihr mich hört!
Er schlägt das Buch
auf und erblickt das Zeichen des Makrokosmus.
Ha! welche Wonne fließt in diesem Blick
Auf einmal mir durch alle meine Sinnen!
Ich fühle junges, heil’ges Lebensglück
Neuglühend mir durch Nerv’ und Adern rinnen.
War es ein Gott, der diese Zeichen schrieb?
Die mir das innre Toben stillen,
Das arme Herz mit Freude füllen,
Und mit geheimnißvollem Trieb,
Die Kräfte der Natur rings um mich her enthüllen.
Bin ich ein Gott? Mir wird so licht!
Ich schau’ in diesen reinen Zügen
Die wirkende Natur vor meiner Seele liegen.
Jetzt erst erkenn’ ich was der Weise spricht:
„Die Geisterwelt ist nicht verschlossen;
„Dein Sinn ist zu, dein Herz ist todt!
„Auf bade, Schüler, unverdrossen,
„Die ird’sche Brust im Morgenroth!“
Er beschaut das
Zeichen.
Wie alles sich zum Ganzen webt,
Eins in dem andern wirkt und lebt!
Wie Himmelskräfte auf und nieder steigen
Und sich die goldnen Eimer reichen!
Mit segenduftenden Schwingen
Vom Himmel durch die Erde dringen,
Harmonisch all’ das All durchklingen!
Welch Schauspiel! aber ach! ein
Schauspiel nur!
Wo faß’ ich dich, unendliche Natur?
Euch Brüste, wo? Ihr Quellen alles Lebens,
An denen Himmel und Erde hängt,
Dahin die welke Brust sich drängt –
Ihr quellt, ihr tränkt, und schmacht’ ich so
vergebens?
Er schlägt
unwillig das Buch um, und erblickt das Zeichen
des Erdgeistes.
Wie anders wirkt dieß Zeichen auf mich ein!
Du, Geist der Erde, bist mir näher;
Schon fühl’ ich meine Kräfte höher,
Schon glüh’ ich wie von neuem Wein,
Ich fühle Muth, mich in die Welt zu wagen,
Der Erde Weh, der Erde Glück zu tragen,
Mit Stürmen mich herumzuschlagen,
Und in des Schiffbruchs Knirschen nicht zu zagen,
Es wölkt sich über mir –
Der Mond verbirgt sein Licht –
Die Lampe schwindet!
Es dampft! – Es zucken rothe Strahlen
Mir um das Haupt – Es weht
Ein Schauer vom Gewölb’ herab
Und faßt mich an!
Ich fühl’s, du schwebst um mich, erflehter Geist.
Enthülle dich!
Ha! wie’s in meinem Herzen reißt!
Zu neuen Gefühlen
All’ meine Sinnen sich erwühlen!
Ich fühle ganz mein Herz dir hingegeben!
Du mußt! du mußt! und kostet’ es mein Leben!
Er faßt das Buch
und spricht das Zeichen des Geistes geheimnißvoll aus. Es zuckt
eine röthliche Flamme, der Geist
erscheint in der Flamme.
Geist
Wer ruft mir?
Faust
abgewendet
Schreckliches Gesicht!
Geist
Du hast mich mächtig angezogen,
An meiner Sphäre lang’ gesogen,
Und nun –
Faust
Weh! ich ertrag’ dich nicht!
Geist
Du flehst erathmend mich zu schauen,
Meine Stimme zu hören, mein Antlitz zu sehn,
Mich neigt dein mächtig Seelenflehn,
Da bin ich! – Welch erbärmlich Grauen
Faßt Übermenschen dich! Wo ist der Seele Ruf?
Wo ist die Brust? die eine Welt in sich erschuf,
Und trug und hegte; die mit Freudebeben
Erschwoll, sich uns, den Geistern, gleich zu heben.
Wo bist du, Faust? deß Stimme mir erklang,
Der sich an mich mit allen Kräften drang?
Bist Du es? der, von
meinem Hauch umwittert,
In allen Lebenstiefen zittert,
Ein furchtsam weggekrümmter Wurm!
Faust
Soll ich dir, Flammenbildung, weichen?
Ich bin’s, bin Faust, bin deines gleichen!
Geist
In Lebensfluthen, im Thatensturm
Wall’ ich auf und ab,
Webe hin und her!
Geburt und Grab,
Ein ewiges Meer,
Ein wechselnd Weben,
Ein glühend Leben,
So schaff’ ich am sausenden Webstuhl der Zeit,
Und wirke der Gottheit lebendiges Kleid.
Faust
Der du die weite Welt umschweifst,
Geschäftiger Geist, wie nah fühl’ ich mich dir!
Geist
Du gleichst dem Geist, den du begreifst,
Nicht mir!
Verschwindet
Faust
zusammenstürzend
Nicht dir!
Wem denn?
Ich Ebenbild der Gottheit!
Und nicht einmal dir!
Es klopft.
O Tod! ich kenn’s – das ist mein Famulus –
Es wird mein schönstes Glück zu nichte!
Daß diese Fülle der Gesichte
Der trockne Schleicher stören muß!
Wagner im Schlafrocke und der
Nachtmütze, eine Lampe in der Hand. Faust wendet sich
unwillig.
Wagner
Verzeiht! ich hör’ euch declamiren;
Ihr las’t gewiß ein griechisch Trauerspiel?
In dieser Kunst möcht’ ich ’was profitiren,
Denn heut zu Tage wirkt das viel.
Ich hab’ es öfters rühmen hören,
Ein Komödiant könnt’ einen Pfarrer lehren.
Faust
Ja, wenn der Pfarrer ein Komödiant ist;
Wie das denn wohl zu Zeiten kommen mag.
Wagner
Ach! wenn man so in sein Museum gebannt ist,
Und sieht die Welt kaum einen Feyertag,
Kaum durch ein Fernglas, nur von weiten,
Wie soll man sie durch Überredung leiten?
Faust
Wenn ihr’s nicht fühlt, ihr werdet’s nicht erjagen,
Wenn es nicht aus der Seele dringt,
Und mit urkräftigem Behagen
Die Herzen aller Hörer zwingt.
Sitzt ihr nur immer! leimt zusammen,
Braut ein Ragout von andrer Schmaus,
Und blas’t die kümmerlichen Flammen
Aus eurem Aschenhäufchen ’raus!
Bewund’rung von Kindern und Affen,
Wenn euch darnach der Gaumen steht;
Doch werdet ihr nie Herz zu Herzen schaffen,
Wenn es euch nicht von Herzen geht.
Wagner
Allein der Vortrag macht des Redners Glück;
Ich fühl’ es wohl, noch bin ich weit zurück.
Faust
Such’ Er den redlichen Gewinn!
Sey er kein schellenlauter Thor!
Es trägt Verstand und rechter Sinn
Mit wenig Kunst sich selber vor;
Und wenn’s euch Ernst ist was zu sagen,
Ist’s nöthig Worten nachzujagen?
Ja, eure Reden, die so blinkend sind,
In denen ihr der Menschheit Schnitzel kräuselt,
Sind unerquicklich wie der Nebelwind,
Der herbstlich durch die dürren Blätter säuselt!
Wagner
Ach Gott! die Kunst ist lang;
Und kurz ist unser Leben.
Mir wird, bey meinem kritischen Bestreben,
Doch oft um Kopf und Busen bang’.
Wie schwer sind nicht die Mittel zu erwerben,
Durch die man zu den Quellen steigt!
Und eh’ man nur den halben Weg erreicht,
Muß wohl ein armer Teufel sterben.
Faust
Das Pergament, ist das der heilge Bronnen,
Woraus ein Trunk den Durst auf ewig stillt?
Erquickung hast du nicht gewonnen,
Wenn sie dir nicht aus eigner Seele quillt.
Wagner
Verzeiht! es ist ein groß Ergetzen,
Sich in den Geist der Zeiten zu versetzen;
Zu schauen, wie vor uns ein weiser Mann gedacht,
Und wie wir’s dann zuletzt so herrlich weit gebracht.
Faust
O ja, bis an die Sterne weit!
Mein Freund, die Zeiten der Vergangenheit
Sind uns ein Buch mit sieben Siegeln.
Was ihr den Geist der Zeiten heißt,
Das ist im Grund der Herren eigner Geist,
In dem die Zeiten sich bespiegeln.
Da ist’s dann wahrlich oft ein Jammer!
Man läuft euch bey dem ersten Blick davon.
Ein Kehrichtfaß und eine Rumpelkammer,
Und höchstens eine Haupt- und Staatsaction,
Mit trefflichen, pragmatischen Maximen,
Wie sie den Puppen wohl im Munde ziemen!
Wagner
Allein die Welt! des Menschen Herz und Geist!
Möcht’ jeglicher doch was davon erkennen.
Faust
Ja was man so erkennen heißt!
Wer darf das Kind beym rechten Namen nennen?
Die wenigen, die was davon erkannt,
Die thöricht g’nug ihr volles Herz nicht wahrten,
Dem Pöbel ihr Gefühl, ihr Schauen offenbarten,
Hat man von je gekreutzigt und verbrannt.
Ich bitt’ euch, Freund, es ist tief in der Nacht,
Wir müssen’s dießmal unterbrechen.
Wagner
Ich hätte gern nur immer fortgewacht,
Um so gelehrt mit euch mich zu besprechen.
Doch Morgen, als am ersten Ostertage,
Erlaubt mir ein’ und andre Frage.
Mit Eifer hab’ ich mich der Studien beflissen,
Zwar weiß ich viel, doch möcht’ ich alles wissen.
ab
Faust
allein
Wie nur dem Kopf nicht alle Hoffnung schwindet,
Der immerfort an schaalem Zeuge klebt,
Mit gier’ger Hand nach Schätzen gräbt,
Und froh ist, wenn er Regenwürmer findet!
Darf eine solche Menschenstimme
hier,
Wo Geisterfülle mich umgab, ertönen?
Doch ach! für dießmal dank’ ich dir,
Dem ärmlichsten von allen Erdensöhnen.
Du rissest mich von der Verzweiflung los,
Die mir die Sinne schon zerstören wollte.
Ach! die Erscheinung war so Riesen-groß,
Daß ich mich recht als Zwerg empfinden sollte.
Ich, Ebenbild der Gottheit, das sich
schon
Ganz nah gedünkt dem Spiegel ew’ger Wahrheit,
Sein selbst genoß, in Himmelsglanz und Klarheit,
Und abgestreift den Erdensohn;
Ich, mehr als Cherub, dessen freye Kraft
Schon durch die Adern der Natur zu fließen
Und, schaffend, Götterleben zu genießen
Sich ahndungsvoll vermaß, wie muß ich’s büßen!
Ein Donnerwort hat mich hinweggerafft.
Nicht darf ich dir zu gleichen mich
vermessen.
Hab’ ich die Kraft dich anzuziehn besessen;
So hatt’ ich dich zu halten keine Kraft.
In jenem sel’gen Augenblicke
Ich fühlte mich so klein, so groß,
Du stießest grausam mich zurücke,
Ins ungewisse Menschenloos.
Wer lehret mich? was soll ich meiden?
Soll ich gehorchen jenem Drang?
Ach! unsre Thaten selbst, so gut als unsre
Leiden,
Sie hemmen unsres Lebens Gang.
Dem herrlichsten, was auch der Geist
empfangen,
Drängt immer fremd und fremder Stoff sich an;
Wenn wir zum Guten dieser Welt gelangen,
Dann heißt das Beßre Trug und Wahn.
Die uns das Leben gaben, herrliche Gefühle
Erstarren in dem irdischen Gewühle.
Wenn Phantasie sich sonst, mit kühnem
Flug,
Und hoffnungsvoll zum Ewigen erweitert,
So ist ein kleiner Raum ihr nun genug,
Wenn Glück auf Glück im Zeitenstrudel scheitert.
Die Sorge nistet gleich im tiefen Herzen,
Dort wirket sie geheime Schmerzen,
Unruhig wiegt sie sich und störet Lust und Ruh;
Sie deckt sich stets mit neuen Masken zu,
Sie mag als Haus und Hof, als Weib und Kind
erscheinen,
Als Feuer, Wasser, Dolch und Gift;
Du bebst vor allem was nicht trifft,
Und was du nie verlierst das mußt du stets
beweinen.
Den Göttern gleich’ ich nicht! zu
tief ist es gefühlt;
Dem Wurme gleich’ ich, der den Staub durchwühlt;
Den, wie er sich im Staube nährend lebt,
Des Wandrers Tritt vernichtet und begräbt.
Ist es nicht Staub? was diese hohe
Wand,
Aus hundert Fächern, mir verenget;
Der Trödel, der mit tausendfachem Tand,
In dieser Mottenwelt mich dränget?
Hier soll ich finden was mir fehlt?
Soll ich vielleicht in tausend Büchern lesen,
Daß überall die Menschen sich gequält,
Daß hie und da ein Glücklicher gewesen? –
Was grinsest du mir hohler Schädel her?
Als daß dein Hirn, wie meines, einst verwirret,
Den leichten Tag gesucht und in der Dämmrung
schwer,
Mit Lust nach Wahrheit, jämmerlich geirret.
Ihr Instrumente freylich, spottet mein,
Mit Rad und Kämmen, Walz’ und Bügel.
Ich stand am Thor, ihr solltet Schlüssel seyn;
Zwar euer Bart ist kraus, doch hebt ihr nicht die
Riegel.
Geheimnißvoll am lichten Tag
Läßt sich Natur des Schleyers nicht berauben,
Und was sie deinem Geist nicht offenbaren mag,
Das zwingst du ihr nicht ab mit Hebeln und mit
Schrauben.
Du alt Geräthe das ich nicht gebraucht,
Du stehst nur hier, weil dich mein Vater
brauchte.
Du alte Rolle, du wirst angeraucht,
So lang an diesem Pult die trübe Lampe
schmauchte.
Weit besser hätt’ ich doch mein weniges verpraßt,
Als mit dem wenigen belastet hier zu schwitzen!
Was du ererbt von deinen Vätern hast
Erwirb es, um es zu besitzen.
Was man nicht nützt ist eine schwere Last,
Nur was der Augenblick erschafft, das kann er
nützen.
Doch warum heftet sich mein Blick auf
jene Stelle?
Ist jenes Fläschchen dort den Augen ein Magnet?
Warum wird mir auf einmal lieblich helle?
Als wenn im nächt’gen Wald uns Mondenglanz
umweht.
Ich grüße dich, du einzige
Phiole!
Die ich mit Andacht nun herunterhole,
In dir verehr’ ich Menschenwitz und Kunst.
Du Inbegriff der holden Schlummersäfte,
Du Auszug aller tödlich feinen Kräfte,
Erweise deinem Meister deine Gunst!
Ich sehe dich, es wird der Schmerz gelindert,
Ich fasse dich, das Streben wird gemindert,
Des Geistes Fluthstrom ebbet nach und nach.
Ins hohe Meer werd’ ich hinausgewiesen,
Die Spiegelfluth erglänzt zu meinen Füßen,
Zu neuen Ufern lockt ein neuer Tag.
Ein Feuerwagen schwebt, auf leichten
Schwingen,
An mich heran! Ich fühle mich bereit
Auf neuer Bahn den Äther zu durchdringen,
Zu neuen Sphären reiner Thätigkeit.
Dieß hohe Leben, diese Götterwonne!
Du, erst noch Wurm, und die verdienest du?
Ja, kehre nur der holden Erdensonne
Entschlossen deinen Rücken zu!
Vermesse dich die Pforten aufzureißen,
Vor denen jeder gern vorüber schleicht.
Hier ist es Zeit durch Thaten zu beweisen,
Daß Mannes-Würde nicht der Götterhöhe weicht,
Vor jener dunkeln Höhle nicht zu beben,
In der sich Phantasie zu eigner Quaal verdammt,
Nach jenem Durchgang hinzustreben,
Um dessen engen Mund die ganze Hölle flammt;
Zu diesem Schritt sich heiter zu entschließen
Und, wär’ es mit Gefahr, ins Nichts dahin zu
fließen.
Nun komm herab, krystallne reine
Schaale!
Hervor aus deinem alten Futterale,
An die ich viele Jahre nicht gedacht.
Du glänztest bey der Väter Freudenfeste,
Erheitertest die ernsten Gäste,
Wenn einer dich dem andern zugebracht.
Der vielen Bilder künstlich reiche Pracht,
Des Trinkers Pflicht, sie reimweis zu erklären,
Auf Einen Zug die Höhlung auszuleeren,
Erinnert mich an manche Jugend-Nacht,
Ich werde jetzt dich keinem Nachbar reichen,
Ich werde meinen Witz an deiner Kunst nicht
zeigen,
Hier ist ein Saft, der eilig trunken macht.
Mit brauner Flut erfüllt er deine Höhle.
Den ich bereitet, den ich wähle,
Der letzte Trunk sey nun, mit ganzer Seele,
Als festlich hoher Gruß, dem Morgen zugebracht!
Er setzt die Schale an den
Mund.
Glockenklang und Chorgesang
Chor der
Engel
Christ ist erstanden!
Freude dem Sterblichen,
Den die verderblichen,
Schleichenden, erblichen
Mängel umwanden.
Faust
Welch tiefes Summen, welch ein heller Ton,
Zieht mit Gewalt das Glas von meinem Munde?
Verkündiget ihr dumpfen Glocken schon
Des Osterfestes erste Feyerstunde?
Ihr Chöre singt ihr schon den tröstlichen Gesang?
Der einst, um Grabes Nacht, von Engelslippen klang,
Gewißheit einem neuen Bunde.
Chor der
Weiber
Mit Spezereyen
Hatten wir ihn gepflegt,
Wir seine Treuen
Hatten ihn hingelegt;
Tücher und Binden
Reinlich umwanden wir,
Ach! und wir finden
Christ nicht mehr hier.
Chor der
Engel
Christ ist erstanden!
Selig der Liebende,
Der die Betrübende,
Heilsam’ und übende
Prüfung bestanden.
Faust
Was sucht ihr, mächtig und gelind,
Ihr Himmelstöne mich am Staube?
Klingt dort umher, wo weiche Menschen sind.
Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der
Glaube;
Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind.
Zu jenen Sphären wag’ ich nicht zu streben,
Woher die holde Nachricht tönt;
Und doch, an diesen Klang von Jugend auf gewöhnt,
Ruft er auch jetzt zurück mich in das Leben.
Sonst stürzte sich der Himmels-Liebe Kuß
Auf mich herab, in ernster Sabathstille;
Da klang so ahndungsvoll des Glockentones Fülle,
Und ein Gebet war brünstiger Genuß;
Ein unbegreiflich holdes Sehnen
Trieb mich durch Wald und Wiesen hinzugehn,
Und unter tausend heißen Thränen,
Fühlt’ ich mir eine Welt entstehn.
Dieß Lied verkündete der Jugend muntre Spiele,
Der Frühlingsfeyer freyes Glück;
Erinnrung hält mich nun, mit kindlichem Gefühle,
Vom letzten, ernsten Schritt zurück.
O! tönet fort ihr süßen Himmelslieder!
Die Thräne quillt, die Erde hat mich wieder!
Chor der
Jünger
Hat der Begrabene
Schon sich nach oben,
Lebend Erhabene,
Herrlich erhoben;
Ist er in Werdelust
Schaffender Freude nah;
Ach! an der Erde Brust,
Sind wir zum Leide da.
Ließ er die Seinen
Schmachtend uns hier zurück;
Ach! wir beweinen
Meister dein Glück!
Chor der
Engel
Christ ist erstanden,
Aus der Verwesung Schoos.
Reißet von Banden
Freudig euch los!
Thätig ihn preisenden,
Liebe beweisenden,
Brüderlich speisenden,
Predigend reisenden,
Wonne verheißenden
Euch ist der Meister nah’,
Euch ist er da!
Vor dem
Thor
Spaziergänger aller Art
ziehen hinaus
Einige
Handwerksbursche
Warum denn dort hinaus?
Andre
Wir gehn hinaus auf’s Jägerhaus.
Die
Ersten
Wir aber wollen nach der Mühle wandern.
Ein
Handwerksbursch
Ich rath’ euch nach dem Wasserhof zu gehn.
Zweyter
Der Weg dahin ist gar nicht schön.
Die
Zweyten
Was thust denn du?
Ein
Dritter
Ich gehe mit den andern.
Vierter
Nach Burgdorf kommt herauf, gewiß dort findet ihr
Die schönsten Mädchen und das beste Bier,
Und Händel von der ersten Sorte.
Fünfter
Du überlustiger Gesell,
Juckt dich zum drittenmal das Fell?
Ich mag nicht hin, mir graut es vor dem Orte.
Dienstmädchen
Nein, nein! ich gehe nach der Stadt zurück.
Andre
Wir finden ihn gewiß bey jenen Pappeln stehen.
Erste
Das ist für mich kein großes Glück;
Er wird an deiner Seite gehen,
Mit dir nur tanzt er auf dem Plan.
Was gehn mich deine Freuden an!
Andre
Heut ist er sicher nicht allein,
Der Krauskopf, sagt er, würde bey ihm seyn.
Schüler
Blitz wie die wackern Dirnen schreiten!
Herr Bruder komm! wir müssen sie begleiten.
Ein starkes Bier, ein beizender Toback,
Und eine Magd im Putz das ist nun mein Geschmack.
Bürgermädchen
Da sieh mir nur die schönen Knaben!
Es ist wahrhaftig eine Schmach,
Gesellschaft könnten sie die allerbeste haben,
Und laufen diesen Mägden nach!
Zweyter
Schüler
zum ersten
Nicht so geschwind! dort hinten kommen zwey,
Sie sind gar niedlich angezogen,
’s ist meine Nachbarin dabey;
Ich bin dem Mädchen sehr gewogen.
Sie gehen ihren stillen Schritt
Und nehmen uns doch auch am Ende mit.
Erster
Herr Bruder nein! Ich bin nicht gern genirt.
Geschwind! daß wir das Wildpret nicht verlieren.
Die Hand, die Samstags ihren Besen führt,
Wird Sontags dich am besten caressiren.
Bürger
Nein, er gefällt mir nicht der neue Burgemeister!
Nun, da er’s ist, wird er nur täglich dreister.
Und für die Stadt was thut denn er?
Wird es nicht alle Tage schlimmer?
Gehorchen soll man mehr als immer,
Und zahlen mehr als je vorher.
Bettler
singt
Ihr guten Herrn, ihr schönen Frauen,
So wohlgeputzt und backenroth,
Belieb’ es euch mich anzuschauen,
Und seht und mildert meine Noth!
Laßt hier mich nicht vergebens leyern!
Nur der ist froh, der geben mag.
Ein Tag den alle Menschen feyern,
Er sey für mich ein Ärndetag.
Andrer
Bürger
Nichts bessers weiß ich mir an Sonn- und Feyertagen,
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrey,
Wenn hinten, weit, in der Türkey,
Die Völker auf einander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man Abends froh nach Haus,
Und segnet Fried’ und Friedenszeiten.
Dritter
Bürger
Herr Nachbar, ja! so laß ich’s auch geschehn,
Sie mögen sich die Köpfe spalten,
Mag alles durch einander gehn;
Doch nur zu Hause bleib’s beym Alten.
Alte
zu den
Bürgermädchen
Ey! wie geputzt! das schöne junge Blut!
Wer soll sich nicht in euch vergaffen? –
Nur nicht so stolz! es ist schon gut!
Und was ihr wünscht das wüßt’ ich wohl zu schaffen.
Bürgermädchen
Agathe fort! ich nehme mich in Acht
Mit solchen Hexen öffentlich zu gehen;
Sie ließ mich zwar, in Sanct Andreas Nacht,
Den künftgen Liebsten leiblich sehen.
Die
Andre
Mir zeigte sie ihn im Krystall,
Soldatenhaft, mit mehreren Verwegnen;
Ich seh’ mich um, ich such’ ihn überall,
Allein mir will er nicht begegnen.
Soldaten
Burgen mit hohen
Mauern und Zinnen,
Mädchen mit stolzen
Höhnenden Sinnen
Möcht’ ich gewinnen!
Kühn ist das Mühen,
Herrlich der Lohn!
Und die Trompete
Lassen wir werben,
Wie zu der Freude,
So zum Verderben.
Das ist ein Stürmen!
Das ist ein Leben!
Mädchen und Burgen
Müssen sich geben.
Kühn ist das Mühen,
Herrlich der Lohn!
Und die Soldaten
Ziehen davon.
Faust und Wagner
Faust
Vom Eise befreyt sind Strom und Bäche,
Durch des Frühlings holden, belebenden Blick,
Im Thale grünet Hoffnungs-Glück;
Der alte Winter, in seiner Schwäche,
Zog sich in rauhe Berge zurück.
Von dorther sendet er, fliehend, nur
Ohnmächtige Schauer körnigen Eises
In Streifen über die grünende Flur;
Aber die Sonne duldet kein Weißes,
Überall regt sich Bildung und Streben,
Alles will sie mit Farben beleben;
Doch an Blumen fehlts im Revier,
Sie nimmt geputzte Menschen dafür.
Kehre dich um, von diesen Höhen
Nach der Stadt zurück zu sehen.
Aus dem hohlen finstren Thor
Dringt ein buntes Gewimmel hervor.
Jeder sonnt sich heute so gern.
Sie feyern die Auferstehung des Herrn,
Denn sie sind selber auferstanden,
Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
Aus Handwerks- und Gewerbes Banden,
Aus dem Druck von Giebeln und Dächern,
Aus der Straßen quetschender Enge,
Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
Sind sie alle ans Licht gebracht.
Sieh nur sieh! wie behend sich die Menge
Durch die Gärten und Felder zerschlägt,
Wie der Fluß, in Breit’ und Länge,
So manchen lustigen Nachen bewegt,
Und, bis zum Sinken überladen,
Entfernt sich dieser letzte Kahn.
Selbst von des Berges fernen Pfaden
Blinken uns farbige Kleider an.
Ich höre schon des Dorfs Getümmel,
Hier ist des Volkes wahrer Himmel,
Zufrieden jauchzet groß und klein:
Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s seyn.
Wagner
Mit euch, Herr Doctor, zu spazieren
Ist ehrenvoll und ist Gewinn;
Doch würd’ ich nicht allein mich her verlieren,
Weil ich ein Feind von allem Rohen bin.
Das Fiedeln, Schreien, Kegelschieben,
Ist mir ein gar verhaßter Klang;
Sie toben wie vom bösen Geist getrieben
Und nennen’s Freude, nennen’s Gesang.
Bauern
unter der Linde
Tanz und
Gesang
Der Schäfer putzte sich zum Tanz,
Mit bunter Jacke, Band und Kranz,
Schmuck war er angezogen.
Schon um die Linde war es voll
Und alles tanzte schon wie toll.
Juchhe! Juchhe!
Juchheisa! Heisa! He!
So ging der Fiedelbogen.
Er drückte hastig sich heran,
Da stieß er an ein Mädchen an,
Mit seinem Ellenbogen;
Die frische Dirne kehrt sich um
Und sagte: nun das find’ ich dumm!
Juchhe! Juchhe!
Juchheisa! Heisa! He!
Seyd nicht so ungezogen.
Doch hurtig in dem Kreise ging’s,
Sie tanzten rechts sie tanzten links
Und alle Röcke flogen.
Sie wurden roth, sie wurden warm
Und ruhten athmend Arm in Arm,
Juchhe! Juchhe!
Juchheisa! Heisa! He!
Und Hüft’ an Ellenbogen.
Und thu mir doch nicht so vertraut!
Wie mancher hat nicht seine Braut
Belogen und betrogen!
Er schmeichelte sie doch bey Seit’
Und von der Linde scholl es weit:
Juchhe! Juchhe!
Juchheisa! Heisa! He!
Geschrei und Fiedelbogen.
Alter
Bauer
Herr Doctor, das ist schön von euch,
Daß ihr uns heute nicht verschmäht,
Und unter dieses Volksgedräng’,
Als ein so Hochgelahrter, geht.
So nehmet auch den schönsten Krug,
Den wir mit frischem Trunk gefüllt,
Ich bring’ ihn zu und wünsche laut,
Daß er nicht nur den Durst euch stillt;
Die Zahl der Tropfen, die er hegt,
Sey euren Tagen zugelegt.
Faust
Ich nehme den Erquickungs-Trank,
Erwiedr’ euch allen Heil und Dank.
Das Volk sammelt sich im Kreis
umher
Alter
Bauer
Fürwahr es ist sehr wohl gethan,
Daß ihr am frohen Tag erscheint;
Habt ihr es vormals doch mit uns
An bösen Tagen gut gemeynt!
Gar mancher steht lebendig hier,
Den euer Vater noch zuletzt
Der heißen Fieberwuth entriß,
Als er der Seuche Ziel gesetzt.
Auch damals ihr, ein junger Mann,
Ihr gingt in jedes Krankenhaus,
Gar manche Leiche trug man fort,
Ihr aber kamt gesund heraus,
Bestandet manche harte Proben;
Dem Helfer half der Helfer droben.
Alle
Gesundheit dem bewährten Mann,
Daß er noch lange helfen kann!
Faust
Vor jenem droben steht gebückt,
Der helfen lehrt und Hülfe schickt.
Er geht mit Wagnern
weiter.
Wagner
Welch ein Gefühl mußt du, o großer Mann!
Bey der Verehrung dieser Menge haben!
O! glücklich! wer von seinen Gaben
Solch einen Vortheil ziehen kann.
Der Vater zeigt dich seinem Knaben,
Ein jeder fragt und drängt und eilt,
Die Fiedel stockt, der Tänzer weilt.
Du gehst, in Reihen stehen sie,
Die Mützen fliegen in die Höh’;
Und wenig fehlt, so beugten sich die Knie,
Als käm’ das Venerabile.
Faust
Nur wenig Schritte noch hinauf zu jenem Stein,
Hier wollen wir von unsrer Wandrung rasten.
Hier saß ich oft gedankenvoll allein
Und quälte mich mit Beten und mit Fasten.
An Hoffnung reich, im Glauben fest,
Mit Thränen, Seufzen, Händeringen
Dacht’ ich das Ende jener Pest
Vom Herrn des Himmels zu erzwingen.
Der Menge Beyfall tönt mir nun wie Hohn.
O könntest du in meinem Innern lesen,
Wie wenig Vater und Sohn
Solch eines Ruhmes werth gewesen!
Mein Vater war ein dunkler Ehrenmann,
Der über die Natur und ihre heilgen Kreise,
In Redlichkeit, jedoch auf seine Weise,
Mit grillenhafter Mühe sann.
Der, in Gesellschaft von Adepten,
Sich in die schwarze Küche schloß,
Und, nach unendlichen Recepten,
Das Widrige zusammengoß.
Da ward ein rother Leu, ein kühner Freyer,
Im lauen Bad, der Lilie vermählt
Und beyde dann, mit offnem Flammenfeuer,
Aus einem Brautgemach ins andere gequält.
Erschien darauf, mit bunten Farben,
Die junge Königin im Glas,
Hier war die Arzeney, die Patienten starben,
Und niemand fragte: wer genas?
So haben wir, mit höllischen Latwergen,
In diesen Thälern, diesen Bergen,
Weit schlimmer als die Pest getobt.
Ich habe selbst den Gift an Tausende gegeben,
Sie welkten hin, ich muß erleben
Daß man die frechen Mörder lobt.
Wagner
Wie könnt ihr euch darum betrüben!
Thut nicht ein braver Mann genug;
Die Kunst, die man ihm übertrug,
Gewissenhaft und pünctlich auszuüben.
Wenn du, als Jüngling, deinen Vater ehrst,
So wirst du gern von ihm empfangen;
Wenn du, als Mann, die Wissenschaft vermehrst,
So kann dein Sohn zu höhrem Ziel gelangen.
Faust
O! glücklich! wer noch hoffen kann
Aus diesem Meer des Irrthums aufzutauchen.
Was man nicht weiß das eben brauchte man,
Und was man weiß kann man nicht brauchen.
Doch laß uns dieser Stunde schönes Gut,
Durch solchen Trübsinn, nicht verkümmern!
Betrachte wie, in Abendsonne-Glut,
Die grünumgebnen Hütten schimmern.
Sie rückt und weicht, der Tag ist überlebt,
Dort eilt sie hin und fördert neues Leben.
O! daß kein Flügel mich vom Boden hebt,
Ihr nach und immer nach zu streben.
Ich säh’ im ewigen Abendstrahl
Die stille Welt zu meinen Füßen,
Entzündet alle Höhn, beruhigt jedes Thal,
Den Silberbach in goldne Ströme fließen.
Nicht hemmte dann den göttergleichen Lauf
Der wilde Berg mit allen seinen Schluchten;
Schon thut das Meer sich mit erwärmten Buchten
Vor den erstaunten Augen auf.
Doch scheint die Göttin endlich wegzusinken;
Allein der neue Trieb erwacht,
Ich eile fort ihr ew’ges Licht zu trinken,
Vor mir den Tag, und hinter mir die Nacht,
Den Himmel über mir und unter mir die Wellen.
Ein schöner Traum, indessen sie entweicht.
Ach! zu des Geistes Flügeln wird so leicht
Kein körperlicher Flügel sich gesellen.
Doch ist es jedem eingeboren,
Daß sein Gefühl hinauf und vorwärts dringt,
Wenn über uns, im blauen Raum verloren,
Ihr schmetternd Lied die Lerche singt;
Wenn über schroffen Fichtenhöhen
Der Adler ausgebreitet schwebt,
Und über Flächen, über Seen,
Der Kranich nach der Heimat strebt.
Wagner
Ich hatte selbst oft grillenhafte Stunden,
Doch solchen Trieb hab’ ich noch nie empfunden.
Man sieht sich leicht an Wald und Feldern satt,
Des Vogels Fittig werd’ ich nie beneiden.
Wie anders tragen uns die Geistesfreuden,
Von Buch zu Buch, von Blatt zu Blatt!
Da werden Winternächte hold und schön,
Ein selig Leben wärmet alle Glieder,
Und ach! entrollst du gar ein würdig Pergamen;
So steigt der ganze Himmel zu dir nieder.
Faust
Du bist dir nur des einen Triebs bewußt,
O lerne nie den andern kennen!
Zwey Seelen wohnen, ach! in meiner Brust,
Die eine will sich von der andern trennen;
Die eine hält, in derber Liebeslust,
Sich an die Welt, mit klammernden Organen;
Die andre hebt gewaltsam sich vom Dust,
Zu den Gefilden hoher Ahnen.
O giebt es Geister in der Luft,
Die zwischen Erd’ und Himmel herrschend weben,
So steiget nieder aus dem goldnen Duft
Und führt mich weg, zu neuem buntem Leben!
Ja, wäre nur ein Zaubermantel mein!
Und trüg’ er mich in fremde Länder,
Mir sollt’ er, um die köstlichsten Gewänder,
Nicht feil um einen Königsmantel seyn.
Wagner
Berufe nicht die wohlbekannte Schaar,
Die, strömend, sich im Dunstkreis überbreitet,
Dem Menschen tausendfältige Gefahr,
Von allen Enden her, bereitet.
Von Norden dringt der scharfe Geisterzahn
Auf dich herbey, mit pfeilgespitzten Zungen;
Von Morgen ziehn, vertrocknend, sie heran,
Und nähren sich von deinen Lungen;
Wenn sie der Mittag aus der Wüste schickt,
Die Glut auf Glut um deinen Scheitel häufen,
So bringt der West den Schwarm, der erst erquickt,
Um dich und Feld und Aue zu ersäufen.
Sie hören gern, zum Schaden froh gewandt,
Gehorchen gern, weil sie uns gern betrügen,
Sie stellen wie vom Himmel sich gesandt,
Und lispeln englisch, wenn sie lügen.
Doch gehen wir! ergraut ist schon die Welt,
Die Luft gekühlt, der Nebel fällt!
Am Abend schätzt man erst das Haus. –
Was stehst du so und blickst erstaunt hinaus?
Was kann dich in der Dämmrung so ergreifen?
Faust
Siehst du den schwarzen Hund durch Saat und Stoppel
streifen?
Wagner
Ich sah ihn lange schon, nicht wichtig schien er
mir.
Faust
Betracht’ ihn recht! für was hältst du das Thier?
Wagner
Für einen Pudel, der auf seine Weise
Sich auf der Spur des Herren plagt.
Faust
Bemerkst du, wie in weitem Schneckenkreise
Er um uns her und immer näher jagt?
Und irr’ ich nicht, so zieht ein Feuerstrudel
Auf seinen Pfaden hinterdrein.
Wagner
Ich sehe nichts als einen schwarzen Pudel,
Es mag bey euch wohl Augentäuschung seyn.
Faust
Mir scheint es, daß er magisch leise Schlingen,
Zu künftgem Band, um unsre Füße zieht.
Wagner
Ich seh’ ihn ungewiß und furchtsam uns umspringen,
Weil er, statt seines Herrn, zwey Unbekannte sieht.
Faust
Der Kreis wird eng, schon ist er nah!
Wagner
Du siehst! ein Hund, und kein Gespenst ist da.
Er knurrt und zweifelt, legt sich auf den Bauch,
Er wedelt. Alles Hunde Brauch.
Faust
Geselle dich zu uns! Komm hier!
Wagner
Es ist ein pudelnärrisch Thier.
Du stehest still, er wartet auf;
Du sprichst ihn an, er strebt an dir hinauf;
Verliere was, er wird es bringen,
Nach deinem Stock ins Wasser springen.
Faust
Du hast wohl recht, ich finde nicht die Spur
Von einem Geist, und alles ist Dressur.
Wagner
Dem Hunde, wenn er gut gezogen,
Wird selbst ein weiser Mann gewogen.
Ja deine Gunst verdient er ganz und gar
Er, der Studenten trefflicher Scolar.
Sie gehen in das
Stadt-Thor.
Studirzimmer
Faust
mit dem
Pudel
hereintretend
Verlassen hab’ ich Feld und Auen,
Die eine tiefe Nacht bedeckt,
Mit ahndungsvollem heil’gem Grauen
In uns die bessre Seele weckt.
Entschlafen sind nun wilde Triebe,
Mit jedem ungestümen Thun;
Es reget sich die Menschenliebe,
Die Liebe Gottes regt sich nun.
Sey ruhig Pudel! renne nicht hin und wieder!
An der Schwelle was schnoperst du hier?
Lege dich hinter den Ofen nieder,
Mein bestes Kissen geb’ ich dir.
Wie du draußen auf dem bergigen Wege,
Durch Rennen und Springen, ergetzt uns hast,
So nimm nun auch von mir die Pflege,
Als ein willkommner stiller Gast.
Ach wenn in unsrer engen Zelle
Die Lampe freundlich wieder brennt,
Dann wird’s in unserm Busen helle,
Im Herzen, das sich selber kennt.
Vernunft fängt wieder an zu sprechen,
Und Hoffnung wieder an zu blühn,
Man sehnt sich nach des Lebens Bächen,
Ach! nach des Lebens Quelle hin.
Knurre nicht Pudel! Zu den heiligen Tönen,
Die jetzt meine ganze Seel’ umfassen,
Will der thierische Laut nicht passen.
Wir sind gewohnt, daß die Menschen verhöhnen
Was sie nicht verstehn,
Daß sie vor dem Guten und Schönen,
Das ihnen oft beschwerlich ist, murren;
Will es der Hund, wie sie, beknurren?
Aber ach! schon fühl’ ich, bey dem besten
Willen,
Befriedigung nicht mehr aus dem Busen quillen.
Aber warum muß der Strom so bald versiegen,
Und wir wieder im Durste liegen?
Davon hab’ ich so viel Erfahrung.
Doch dieser Mangel läßt sich ersetzen,
Wir lernen das Überirdische schätzen,
Wir sehnen uns nach Offenbarung,
Die nirgends würd’ger und schöner brennt,
Als in dem neuen Testament.
Mich drängt’s den Grundtext aufzuschlagen,
Mit redlichem Gefühl einmal
Das heilige Original
In mein geliebtes Deutsch zu übertragen.
Er schlägt ein
Volum auf und schickt sich an.
Geschrieben steht: „im Anfang war das Wort!“
Hier stock’ ich schon! Wer hilft mir weiter
fort?
Ich kann das Wort
so hoch unmöglich schätzen,
Ich muß es anders übersetzen,
Wenn ich vom Geiste recht erleuchtet bin.
Geschrieben steht: im Anfang war der Sinn.
Bedenke wohl die erste Zeile,
Daß deine Feder sich nicht übereile!
Ist es der Sinn,
der alles wirkt und schafft?
Es sollte stehn: im Anfang war die Kraft!
Doch, auch indem ich dieses niederschreibe,
Schon warnt mich was, daß ich dabey nicht
bleibe.
Mir hilft der Geist! auf einmal seh’ ich Rath
Und schreibe getrost: im Anfang war die That!
Soll ich mit dir das Zimmer theilen,
Pudel, so laß das Heulen,
So laß das Bellen!
Solch einen störenden Gesellen
Mag ich nicht in der Nähe leiden.
Einer von uns beyden
Muß die Zelle meiden.
Ungern heb’ ich das Gastrecht auf,
Die Thür’ ist offen, hast freyen Lauf.
Aber was muß ich sehen!
Kann das natürlich geschehen?
Ist es Schatten? ist’s Wirklichkeit?
Wie wird mein Pudel lang und breit!
Er hebt sich mit Gewalt,
Das ist nicht eines Hundes Gestalt!
Welch ein Gespenst bracht’ ich ins Haus!
Schon sieht er wie ein Nilpferd aus,
Mit feurigen Augen, schrecklichem Gebiß.
O! du bist mir gewiß!
Für solche halbe Höllenbrut
Ist Salomonis Schlüssel gut.
Geister
auf dem Gange
Drinnen gefangen ist einer!
Bleibet haußen, folg’ ihm keiner!
Wie im Eisen der Fuchs,
Zagt ein alter Höllenluchs.
Aber gebt Acht!
Schwebet hin, schwebet wieder,
Auf und nieder,
Und er hat sich losgemacht.
Könnt ihr ihm nützen,
Laßt ihn nicht sitzen!
Denn er that uns allen
Schon viel zu Gefallen.
Faust
Erst zu begegnen dem Thiere,
Brauch’ ich den Spruch der Viere:
Salamander soll glühen,
Undene sich winden,
Silphe verschwinden,
Kobold sich mühen.
Wer sie nicht kennte
Die Elemente,
Ihre Kraft
Und Eigenschaft,
Wäre kein Meister
Über die Geister.
Verschwind’ in Flammen
Salamander!
Rauschend fließe zusammen
Undene!
Leucht’ in Meteoren-Schöne
Silphe!
Bring’ häußliche Hülfe
Incubus! incubus!
Tritt hervor und mache den Schluß.
Keines der Viere
Steckt in dem Thiere.
Es liegt ganz ruhig und grins’t mich an,
Ich hab’ ihm noch nicht weh gethan.
Du sollst mich hören
Stärker beschwören.
Bist du Geselle
Ein Flüchtling der Hölle?
So sieh dies Zeichen!
Dem sie sich beugen
Die schwarzen Schaaren.
Schon schwillt es auf mit borstigen Haaren.
Verworfnes Wesen!
Kannst du ihn lesen?
Den nie entsprossnen,
Unausgesprochnen,
Durch alle Himmel gegossnen,
Freventlich durchstochnen.
Hinter den Ofen gebannt
Schwillt es wie ein Elephant,
Den ganzen Raum füllt es an,
Es will zum Nebel zerfließen.
Steige nicht zur Decke hinan!
Lege dich zu des Meisters Füßen!
Du siehst daß ich nicht vergebens drohe.
Ich versenge dich mit heiliger Lohe!
Erwarte nicht
Das dreymal glühende Licht!
Erwarte nicht
Die stärkste von meinen Künsten!
Mephistopheles
tritt, indem der
Nebel fällt, gekleidet wie ein fahrender
Scholastikus, hinter dem Ofen hervor
Wozu der Lärm? was steht dem Herrn zu Diensten?
Faust
Das also war des Pudels Kern!
Ein fahrender Scolast? Der Casus macht mich lachen.
Mephistopheles
Ich salutire den gelehrten Herrn!
Ihr habt mich weidlich schwitzen machen.
Faust
Wie nennst du dich?
Mephistopheles
Die Frage scheint mir klein,
Für einen der das Wort so sehr verachtet,
Der, weit entfernt von allem Schein,
Nur in der Wesen Tiefe trachtet.
Faust
Bey euch, ihr Herrn, kann man das Wesen
Gewöhnlich aus dem Namen lesen,
Wo es sich allzudeutlich weis’t,
Wenn man euch Fliegengott, Verderber, Lügner heißt.
Nun gut wer bist du denn?
Mephistopheles
Ein Theil von jener Kraft,
Die stets das Böse will und stets das Gute schafft.
Faust
Was ist mit diesem Räthselwort gemeynt?
Mephistopheles
Ich bin der Geist der stets verneint!
Und das mit Recht; denn alles was entsteht
Ist werth daß es zu Grunde geht;
Drum besser wär’s daß nichts entstünde.
So ist denn alles was ihr Sünde,
Zerstörung, kurz das Böse nennt,
Mein eigentliches Element.
Faust
Du nennst dich einen Theil, und stehst doch ganz vor
mir?
Mephistopheles
Bescheidne Wahrheit sprech’ ich dir.
Wenn sich der Mensch, die kleine Narrenwelt,
Gewöhnlich für ein Ganzes hält;
Ich bin ein Theil des Theils, der Anfangs alles war,
Ein Theil der Finsterniß, die sich das Licht gebar,
Das stolze Licht, das nun der Mutter Nacht
Den alten Rang, den Raum ihr streitig macht,
Und doch gelingt’s ihm nicht, da es, so viel es
strebt,
Verhaftet an den Körpern klebt.
Von Körpern strömt’s, die Körper macht es schön,
Ein Körper hemmt’s auf seinem Gange,
So, hoff’ ich, dauert es nicht lange
Und mit den Körpern wird’s zu Grunde gehn.
Faust
Nun kenn’ ich deine würd’gen Pflichten!
Du kannst im Großen nichts vernichten
Und fängst es nun im Kleinen an.
Mephistopheles
Und freylich ist nicht viel damit gethan.
Was sich dem Nichts entgegenstellt,
Das Etwas, diese plumpe Welt,
So viel als ich schon unternommen
Ich wußte nicht ihr beyzukommen,
Mit Wellen, Stürmen, Schütteln, Brand,
Geruhig bleibt am Ende Meer und Land!
Und dem verdammten Zeug, der Thier- und
Menschenbrut,
Dem ist nun gar nichts anzuhaben,
Wie viele hab’ ich schon begraben!
Und immer zirkulirt ein neues, frisches Blut.
So geht es fort, man möchte rasend werden!
Der Luft, dem Wasser, wie der Erden
Entwinden tausend Keime sich,
Im Trocknen, Feuchten, Warmen, Kalten!
Hätt’ ich mir nicht die Flamme vorbehalten;
Ich hätte nichts apart’s für mich.
Faust
So setzest du der ewig regen,
Der heilsam schaffenden Gewalt
Die kalte Teufelsfaust entgegen,
Die sich vergebens tückisch ballt!
Was anders suche zu beginnen
Des Chaos wunderlicher Sohn!
Mephistopheles
Wir wollen wirklich uns besinnen,
Die nächstenmale mehr davon!
Dürft’ ich wohl diesmal mich entfernen?
Faust
Ich sehe nicht warum du fragst.
Ich habe jetzt dich kennen lernen,
Besuche nun mich wie du magst.
Hier ist das Fenster, hier die Thüre,
Ein Rauchfang ist dir auch gewiß.
Mephistopheles
Gesteh’ ichs nur! daß ich hinausspaziere
Verbietet mir ein kleines Hinderniß,
Der Drudenfuß auf eurer Schwelle –
Faust
Das Pentagramma macht dir Pein?
Ey sage mir, du Sohn der Hölle,
Wenn das dich bannt, wie kamst du denn herein?
Wie ward ein solcher Geist betrogen?
Mephistopheles
Beschaut es recht! es ist nicht gut gezogen;
Der eine Winkel, der nach außen zu,
Ist, wie du siehst, ein wenig offen.
Faust
Das hat der Zufall gut getroffen!
Und mein Gefangner wärst denn du?
Das ist von ohngefähr gelungen!
Mephistopheles
Der Pudel merkte nichts als er hereingesprungen,
Die Sache sieht jetzt anders aus;
Der Teufel kann nicht aus dem Haus.
Faust
Doch warum gehst du nicht durchs Fenster?
Mephistopheles
’s ist ein Gesetz der Teufel und Gespenster:
Wo sie hereingeschlüpft, da müssen sie hinaus.
Das erste steht uns frey, beym zweyten sind wir
Knechte.
Faust
Die Hölle selbst hat ihre Rechte?
Das find’ ich gut, da ließe sich ein Packt,
Und sicher wohl, mit euch ihr Herren schließen?
Mephistopheles
Was man verspricht, das sollst du rein genießen,
Dir wird davon nichts abgezwackt.
Doch das ist nicht so kurz zu fassen,
Und wir besprechen das zunächst;
Doch jetzo bitt’ ich, hoch und höchst,
Für diesesmal mich zu entlassen.
Faust
So bleibe doch noch einen Augenblick,
Um mir erst gute Mähr zu sagen.
Mephistopheles
Jetzt laß mich los! ich komme bald zurück,
Dann magst du nach Belieben fragen.
Faust
Ich habe dir nicht nachgestellt,
Bist du doch selbst ins Garn gegangen.
Den Teufel halte wer ihn hält!
Er wird ihn nicht sobald zum zweytenmale fangen.
Mephistopheles
Wenn dir’s beliebt, so bin ich auch bereit
Dir zur Gesellschaft hier zu bleiben;
Doch mit Bedingniß, dir die Zeit,
Durch meine Künste, würdig zu vertreiben.
Faust
Ich seh’ es gern, das steht dir frey;
Nur daß die Kunst gefällig sey!
Mephistopheles
Du wirst, mein Freund, für deine Sinnen,
In dieser Stunde mehr gewinnen,
Als in des Jahres Einerley.
Was dir die zarten Geister singen,
Die schönen Bilder die sie bringen,
Sind nicht ein leeres Zauberspiel.
Auch dein Geruch wird sich ergetzen,
Dann wirst du deinen Gaumen letzen,
Und dann entzückt sich dein Gefühl.
Bereitung braucht es nicht voran,
Beysammen sind wir, fanget an!
Geister
Schwindet ihr dunkeln
Wölbungen droben!
Reizender schaue,
Freundlich, der blaue
Äther herein!
Wären die dunkeln
Wolken zerronnen!
Sternelein funkeln,
Mildere Sonnen
Scheinen darein.
Himmlischer Söhne
Geistige Schöne,
Schwankende Beugung
Schwebet vorüber.
Sehnende Neigung
Folget hinüber;
Und der Gewänder
Flatternde Bänder
Decken die Länder,
Decken die Laube,
Wo sich für’s Leben,
Tief in Gedanken,
Liebende geben.
Laube bey Laube!
Sprossende Ranken!
Lastende Traube
Stürzt in’s Behälter
Drängender Kelter,
Stürzen in Bächen
Schäumende Weine,
Rieseln durch reine,
Edle Gesteine,
Lassen die Höhen
Hinter sich liegen,
Breiten zu Seen
Sich ums Genügen
Grünender Hügel.
Und das Geflügel
Schlürfet sich Wonne,
Flieget der Sonne,
Flieget den hellen
Inseln entgegen,
Die sich auf Wellen
Gauklend bewegen;
Wo wir in Chören
Jauchzende hören,
Über den Auen
Tanzende schauen,
Die sich im Freyen
Alle zerstreuen.
Einige glimmen
Über die Höhen,
Andere schwimmen
Über die Seen,
Andere schweben;
Alle zum Leben,
Alle zur Ferne
Liebender Sterne
Seliger Huld.
Mephistopheles
Er schläft! So recht, ihr luft’gen, zarten
Jungen!
Ihr habt ihn treulich eingesungen!
Für dies Concert bin ich in eurer Schuld.
Du bist noch nicht der Mann den Teufel fest zu
halten!
Umgaukelt ihn mit süßen Traumgestalten,
Versenkt ihn in ein Meer des Wahns;
Doch dieser Schwelle Zauber zu zerspalten
Bedarf ich eines Rattenzahns.
Nicht lange brauch’ ich zu beschwören,
Schon raschelt eine hier und wird sogleich mich
hören.
Der Herr der Ratten und der
Mäuse,
Der Fliegen, Frösche, Wanzen, Läuse,
Befiehlt dir dich hervor zu wagen
Und diese Schwelle zu benagen,
So wie er sie mit Öl betupft –
Da kommst du schon hervorgehupft!
Nur frisch ans Werk! Die Spitze, die mich
bannte,
Sie sitzt ganz vornen an der Kante.
Noch einen Biß, so ist’s geschehn. –
Nun Fauste träume fort, bis wir uns wiedersehn.
Faust
erwachend
Bin ich denn abermals betrogen?
Verschwindet so der geisterreiche Drang?
Daß mir ein Traum den Teufel vorgelogen,
Und daß ein Pudel mir entsprang.
Studirzimmer
Faust.
Mephistopheles
Faust
Es klopft? Herein! Wer will mich wieder plagen?
Mephistopheles
Ich bin’s.
Faust
Herein!
Mephistopheles
Du mußt es dreymal sagen.
Faust
Herein denn!
Mephistopheles
So gefällst du mir.
Wir werden, hoff’ ich, uns vertragen;
Denn dir die Grillen zu verjagen
Bin ich, als edler Junker, hier,
In rothem goldverbrämten Kleide,
Das Mäntelchen von starrer Seide,
Die Hahnenfeder auf dem Hut,
Mit einem langen, spitzen Degen,
Und rathe nun dir, kurz und gut,
Dergleichen gleichfalls anzulegen;
Damit du, losgebunden, frey,
Erfahrest was das Leben sey.
Faust
In jedem Kleide werd’ ich wohl die Pein
Des engen Erdelebens fühlen.
Ich bin zu alt, um nur zu spielen,
Zu jung, um ohne Wunsch zu seyn.
Was kann die Welt mir wohl gewähren?
Entbehren sollst du! sollst entbehren!
Das ist der ewige Gesang,
Der jedem an die Ohren klingt,
Den, unser ganzes Leben lang,
Uns heiser jede Stunde singt.
Nur mit Entsetzen wach’ ich Morgens auf,
Ich möchte bittre Thränen weinen,
Den Tag zu sehn, der mir in seinem Lauf
Nicht Einen Wunsch erfüllen wird, nicht Einen,
Der selbst die Ahndung jeder Lust
Mit eigensinnigem Krittel mindert,
Die Schöpfung meiner regen Brust
Mit tausend Lebensfratzen hindert.
Auch muß ich, wenn die Nacht sich niedersenkt,
Mich ängstlich auf das Lager strecken,
Auch da wird keine Rast geschenkt,
Mich werden wilde Träume schrecken.
Der Gott, der mir im Busen wohnt,
Kann tief mein Innerstes erregen,
Der über allen meinen Kräften thront,
Er kann nach außen nichts bewegen;
Und so ist mir das Daseyn eine Last,
Der Tod erwünscht, das Leben mir verhaßt.
Mephistopheles
Und doch ist nie der Tod ein ganz willkommner Gast.
Faust
O seelig der! dem er im Siegesglanze
Die blutgen Lorbeern um die Schläfe windet,
Den er, nach rasch durchrastem Tanze,
In eines Mädchens Armen findet.
O wär’ ich vor des hohen Geistes Kraft
Entzückt, entseelt dahin gesunken!
Mephistopheles
Und doch hat Jemand einen braunen Saft,
In jener Nacht, nicht ausgetrunken.
Faust
Das Spioniren, scheint’s, ist deine Lust.
Mephistopheles
Allwissend bin ich nicht; doch viel ist mir bewußt.
Faust
Wenn aus dem schrecklichen Gewühle
Ein süß bekannter Ton mich zog,
Den Rest von kindlichem Gefühle
Mit Anklang froher Zeit betrog;
So fluch’ ich allem was die Seele
Mit Lock- und Gaukelwerk umspannt,
Und sie in diese Trauerhöle
Mit Blend- und Schmeichelkräften bannt!
Verflucht voraus die hohe Meinung,
Womit der Geist sich selbst umfängt!
Verflucht das Blenden der Erscheinung,
Die sich an unsre Sinne drängt!
Verflucht was uns in Träumen heuchelt,
Des Ruhms, der Namensdauer Trug!
Verflucht was als Besitz uns schmeichelt,
Als Weib und Kind, als Knecht und Pflug!
Verflucht sey Mammon, wenn mit Schätzen
Er uns zu kühnen Thaten regt,
Wenn er zu müßigem Ergetzen
Die Polster uns zurechte legt!
Fluch sey dem Balsamsaft der Trauben!
Fluch jener höchsten Liebeshuld!
Fluch sey der Hoffnung! Fluch dem Glauben,
Und Fluch vor allen der Geduld!
Geisterchor
unsichtbar
Weh! weh!
Du hast sie zerstört,
Die schöne Welt,
Mit mächtiger Faust,
Sie stürzt, sie zerfällt!
Ein Halbgott hat sie zerschlagen!
Wir tragen
Die Trümmern ins Nichts hinüber,
Und klagen
Über die verlorne Schöne.
Mächtiger
Der Erdensöhne,
Prächtiger
Baue sie wieder,
In deinem Busen baue sie auf!
Neuen Lebenslauf
Beginne,
Mit hellem Sinne,
Und neue Lieder
Tönen darauf!
Mephistopheles
Dies sind die kleinen
Von den Meinen.
Höre, wie zu Lust und Thaten
Altklug sie rathen!
In die Welt weit,
Aus der Einsamkeit,
Wo Sinnen und Säfte stocken,
Wollen sie dich locken.
Hör’ auf mit deinem Gram zu spielen,
Der, wie ein Geyer, dir am Leben frißt;
Die schlechteste Gesellschaft läßt dich fühlen
Daß du ein Mensch mit Menschen bist.
Doch so ist’s nicht gemeynt
Dich unter das Pack zu stoßen.
Ich bin keiner von den Großen;
Doch willst du, mit mir vereint,
Deine Schritte durchs Leben nehmen;
So will ich mich gern bequemen
Dein zu seyn, auf der Stelle.
Ich bin dein Geselle
Und, mach’ ich dir’s recht,
Bin ich dein Diener, bin dein Knecht!
Faust
Und was soll ich dagegen dir erfüllen?
Mephistopheles
Dazu hast du noch eine lange Frist.
Faust
Nein nein! der Teufel ist ein Egoist
Und thut nicht leicht um Gottes Willen
Was einem andern nützlich ist.
Sprich die Bedingung deutlich aus;
Ein solcher Diener bringt Gefahr ins Haus.
Mephistopheles
Ich will mich hier zu
deinem Dienst verbinden,
Auf deinen Wink nicht rasten und nicht ruhn;
Wenn wir uns drüben
wieder finden,
So sollst du mir das Gleiche thun.
Faust
Das Drüben kann mich wenig kümmern,
Schlägst du erst diese Welt zu Trümmern,
Die andre mag darnach entstehn.
Aus dieser Erde quillen meine Freuden,
Und diese Sonne scheinet meinen Leiden;
Kann ich mich erst von ihnen scheiden,
Dann mag was will und kann geschehn.
Davon will ich nichts weiter hören,
Ob man auch künftig haßt und liebt,
Und ob es auch in jenen Sphären
Ein Oben oder Unten giebt.
Mephistopheles
In diesem Sinne kannst du’s wagen.
Verbinde dich; du sollst, in diesen Tagen,
Mit Freuden meine Künste sehn,
Ich gebe dir was noch kein Mensch gesehn.
Faust
Was willst du armer Teufel geben?
Ward eines Menschen Geist, in seinem hohen Streben,
Von deines Gleichen je gefaßt?
Doch hast du Speise die nicht sättigt, hast
Du rothes Gold, das ohne Rast,
Quecksilber gleich, dir in der Hand zerrinnt,
Ein Spiel, bey dem man nie gewinnt,
Ein Mädchen, das an meiner Brust
Mit Äugeln schon dem Nachbar sich verbindet,
Der Ehre schöne Götterlust,
Die, wie ein Meteor, verschwindet.
Zeig mir die Frucht die fault, eh’ man sie bricht,
Und Bäume die sich täglich neu begrünen!
Mephistopheles
Ein solcher Auftrag schreckt mich nicht,
Mit solchen Schätzen kann ich dienen.
Doch, guter Freund, die Zeit kommt auch heran
Wo wir was Gut’s in Ruhe schmausen mögen.
Faust
Werd’ ich beruhigt je mich auf ein Faulbett legen;
So sey es gleich um mich gethan!
Kannst du mich schmeichelnd je belügen,
Daß ich mir selbst gefallen mag,
Kannst du mich mit Genuß betrügen;
Das sey für mich der letzte Tag!
Die Wette biet’ ich!
Mephistopheles
Top!
Faust
Und Schlag auf Schlag!
Werd’ ich zum Augenblicke sagen:
Verweile doch! du bist so schön!
Dann magst du mich in Fesseln schlagen,
Dann will ich gern zu Grunde gehn!
Dann mag die Todtenglocke schallen,
Dann bist du deines Dienstes frey,
Die Uhr mag stehn, der Zeiger fallen,
Es sey die Zeit für mich vorbey!
Mephistopheles
Bedenk’ es wohl, wir werden’s nicht vergessen.
Faust
Dazu hast du ein volles Recht;
Ich habe mich nicht freventlich vermessen.
Wie ich beharre bin ich Knecht,
Ob dein, was frag’ ich, oder wessen.
Mephistopheles
Ich werde heute gleich, beym Doctorschmaus,
Als Diener, meine Pflicht erfüllen.
Nur eins! – um Lebens oder Sterbens willen,
Bitt’ ich mir ein Paar Zeilen aus.
Faust
Auch was geschriebnes forderst du Pedant?
Hast du noch keinen Mann, nicht Mannes-Wort gekannt?
Ist’s nicht genug, daß mein gesprochnes Wort
Auf ewig soll mit meinen Tagen schalten?
Ras’t nicht die Welt in allen Strömen fort,
Und mich soll ein Versprechen halten?
Doch dieser Wahn ist uns ins Herz gelegt,
Wer mag sich gern davon befreyen?
Beglückt wer Treue rein im Busen trägt,
Kein Opfer wird ihn je gereuen!
Allein ein Pergament, beschrieben und beprägt,
Ist ein Gespenst vor dem sich alle scheuen.
Das Wort erstirbt schon in der Feder,
Die Herrschaft führen Wachs und Leder.
Was willst du böser Geist von mir?
Erz, Marmor, Pergament, Papier?
Soll ich mit Griffel, Meißel, Feder schreiben?
Ich gebe jede Wahl dir frey.
Mephistopheles
Wie magst du deine Rednerey
Nur gleich so hitzig übertreiben?
Ist doch ein jedes Blättchen gut.
Du unterzeichnest dich mit einem Tröpfchen Blut.
Faust
Wenn dieß dir völlig G’nüge thut,
So mag es bey der Fratze bleiben.
Mephistopheles
Blut ist ein ganz besondrer Saft.
Faust
Nur keine Furcht, daß ich dieß Bündniß breche!
Das Streben meiner ganzen Kraft
Ist g’rade das was ich verspreche.
Ich habe mich zu hoch gebläht,
In deinen Rang gehör’ ich nur.
Der große Geist hat mich verschmäht,
Vor mir verschließt sich die Natur.
Des Denkens Faden ist zerrissen,
Mir ekelt lange vor allem Wissen.
Laß in den Tiefen der Sinnlichkeit
Uns glühende Leidenschaften stillen!
In undurchdrungnen Zauberhüllen
Sey jedes Wunder gleich bereit!
Stürzen wir uns in das Rauschen der Zeit
In’s Rollen der Begebenheit!
Da mag denn Schmerz und Genuß,
Gelingen und Verdruß,
Mit einander wechseln wie es kann;
Nur rastlos bethätigt sich der Mann.
Mephistopheles
Euch ist kein Maß und Ziel gesetzt.
Beliebt’s euch überall zu naschen,
Im Fliehen etwas zu erhaschen;
Bekomm euch wohl was euch ergetzt.
Nur greift mir zu und seyd nicht blöde!
Faust
Du hörest ja, von Freud’ ist nicht die Rede.
Dem Taumel weih’ ich mich, dem schmerzlichsten
Genuß,
Verliebtem Haß, erquickendem Verdruß.
Mein Busen, der vom Wissensdrang geheilt ist,
Soll keinen Schmerzen künftig sich verschließen,
Und was der ganzen Menschheit zugetheilt ist,
Will ich in meinem innern Selbst genießen,
Mit meinem Geist das Höchst’ und Tiefste greifen,
Ihr Wohl und Weh auf meinen Busen häufen,
Und so mein eigen Selbst zu ihrem Selbst erweitern,
Und, wie sie selbst, am End’ auch ich zerscheitern.
Mephistopheles
O glaube mir, der manche tausend Jahre
An dieser harten Speise kaut,
Daß von der Wiege bis zur Bahre
Kein Mensch den alten Sauerteig verdaut!
Glaub’ unser einem, dieses Ganze
Ist nur für einen Gott gemacht!
Er findet sich in einem ew’gen Glanze,
Uns hat er in die Finsterniß gebracht,
Und euch taugt einzig Tag und Nacht.
Faust
Allein ich will!
Mephistopheles
Das läßt sich hören!
Doch nur vor Einem ist mir bang’;
Die Zeit ist kurz, die Kunst ist lang.
Ich dächt’, ihr ließet euch belehren.
Associirt euch mit einem Poeten,
Laßt den Herrn in Gedanken schweifen,
Und alle edlen Qualitäten
Auf euren Ehren-Scheitel häufen,
Des Löwen Muth,
Des Hirsches Schnelligkeit,
Des Italiäners feurig Blut,
Des Nordens Dau’rbarkeit.
Laßt ihn euch das Geheimniß finden,
Großmuth und Arglist zu verbinden,
Und euch, mit warmen Jugendtrieben,
Nach einem Plane, zu verlieben.
Möchte selbst solch einen Herren kennen,
Würd’ ihn Herrn Mikrokosmus nennen.
Faust
Was bin ich denn? wenn es nicht möglich ist
Der Menschheit Krone zu erringen,
Nach der sich alle Sinne dringen.
Mephistopheles
Du bist am Ende – was du bist.
Setz’ dir Perrücken auf von Millionen Locken,
Setz’ deinen Fuß auf ellenhohe Socken,
Du bleibst doch immer was du bist.
Faust
Ich fühl’s, vergebens hab’ ich alle Schätze
Des Menschengeist’s auf mich herbeygerafft,
Und wenn ich mich am Ende niedersetze,
Quillt innerlich doch keine neue Kraft;
Ich bin nicht um ein Haar breit höher,
Bin dem Unendlichen nicht näher.
Mephistopheles
Mein guter Herr, ihr seht die Sachen,
Wie man die Sachen eben sieht;
Wir müssen das gescheidter machen,
Eh’ uns des Lebens Freude flieht.
Was Henker! freylich Händ’ und Füße
Und Kopf und H —
— die sind dein;
Doch alles was ich frisch genieße,
Ist das drum weniger mein?
Wenn ich sechs Hengste zahlen kann,
Sind ihre Kräfte nicht die meine?
Ich renne zu und bin ein rechter Mann,
Als hätt’ ich vier und zwanzig Beine.
Drum frisch! laß alles Sinnen seyn,
Und g’rad’ mit in die Welt hinein!
Ich sag’ es dir: ein Kerl der speculirt,
Ist wie ein Thier, auf dürrer Heide
Von einem bösen Geist im Kreis herum geführt,
Und rings umher liegt schöne grüne Weide.
Faust
Wie fangen wir das an?
Mephistopheles
Wir gehen eben fort.
Was ist das für ein Marterort?
Was heißt das für ein Leben führen,
Sich und die Jungens ennuyiren?
Laß du das dem Herrn Nachbar Wanst!
Was willst du dich das Stroh zu dreschen plagen?
Das beste, was du wissen kannst,
Darfst du den Buben doch nicht sagen.
Gleich hör’ ich einen auf dem Gange!
Faust
Mir ist’s nicht möglich ihn zu sehn.
Mephistopheles
Der arme Knabe wartet lange,
Der darf nicht ungetröstet gehn.
Komm, gib mir deinen Rock und Mütze;
Die Maske muß mir köstlich stehn.
Er kleidet sich
um.
Nun überlaß es meinem Witze!
Ich brauche nur ein Viertelstündchen Zeit;
Indessen mache dich zur schönen Fahrt bereit!
Faust ab
Mephistopheles
in Faust’s langem
Kleide
Verachte nur Vernunft und Wissenschaft,
Des Menschen allerhöchste Kraft,
Laß nur in Blend- und Zauberwerken
Dich von dem Lügengeist bestärken,
So hab’ ich dich schon unbedingt –
Ihm hat das Schicksal einen Geist gegeben,
Der ungebändigt immer vorwärts dringt,
Und dessen übereiltes Streben
Der Erde Freuden überspringt.
Den schlepp’ ich durch das wilde Leben,
Durch flache Unbedeutenheit,
Er soll mir zappeln, starren, kleben,
Und seiner Unersättlichkeit
Soll Speis’ und Trank vor gier’gen Lippen schweben;
Er wird Erquickung sich umsonst erflehn,
Und hätt’ er sich auch nicht dem Teufel übergeben,
Er müßte doch zu Grunde gehn!
Ein Schüler tritt auf
Schüler
Ich bin alhier erst kurze Zeit,
Und komme voll Ergebenheit,
Einen Mann zu sprechen und zu kennen,
Den alle mir mit Ehrfurcht nennen.
Mephistopheles
Eure Höflichkeit erfreut mich sehr!
Ihr seht einen Mann wie andre mehr.
Habt ihr euch sonst schon umgethan?
Schüler
Ich bitt’ euch, nehmt euch meiner an!
Ich komme mit allem guten Muth,
Leidlichem Geld und frischem Blut;
Meine Mutter wollte mich kaum entfernen;
Möchte gern’ was rechts hieraußen lernen.
Mephistopheles
Da seyd ihr eben recht am Ort.
Schüler
Aufrichtig, möchte schon wieder fort:
In diesen Mauern, diesen Hallen,
Will es mir keineswegs gefallen.
Es ist ein gar beschränkter Raum,
Man sieht nichts Grünes, keinen Baum,
Und in den Sälen, auf den Bänken,
Vergeht mir Hören, Seh’n und Denken.
Mephistopheles
Das kommt nur auf Gewohnheit an.
So nimmt ein Kind der Mutter Brust
Nicht gleich im Anfang willig an,
Doch bald ernährt es sich mit Lust.
So wird’s euch an der Weisheit Brüsten
Mit jedem Tage mehr gelüsten.
Schüler
An ihrem Hals will ich mit Freuden hangen;
Doch sagt mir nur, wie kann ich hingelangen?
Mephistopheles
Erklärt euch, eh’ ihr weiter geht,
Was wählt ihr für eine Facultät?
Schüler
Ich wünschte recht gelehrt zu werden,
Und möchte gern, was auf der Erden
Und in dem Himmel ist, erfassen,
Die Wissenschaft und die Natur.
Mephistopheles
Da seyd ihr auf der rechten Spur;
Doch müßt ihr euch nicht zerstreuen lassen.
Schüler
Ich bin dabey mit Seel’ und Leib;
Doch freylich würde mir behagen
Ein wenig Freyheit und Zeitvertreib,
An schönen Sommerfeiertagen.
Mephistopheles
Gebraucht der Zeit, sie geht so schnell von hinnen,
Doch Ordnung lehrt euch Zeit gewinnen.
Mein theurer Freund, ich rath’ euch drum
Zuerst Collegium Logicum.
Da wird der Geist euch wohl dressirt,
In spanische Stiefeln eingeschnürt,
Daß er bedächtiger so fort an
Hinschleiche die Gedankenbahn,
Und nicht etwa, die Kreuz’ und Quer,
Irlichtelire hin und her.
Dann lehret man euch manchen Tag,
Daß, was ihr sonst auf einen Schlag
Getrieben, wie Essen und Trinken frey,
Eins! Zwey! Drey! dazu nöthig sey.
Zwar ist’s mit der Gedanken-Fabrik
Wie mit einem Weber-Meisterstück,
Wo Ein Tritt tausend Fäden regt,
Die Schifflein herüber hinüber schießen,
Die Fäden ungesehen fließen,
Ein Schlag tausend Verbindungen schlägt:
Der Philosoph der tritt herein,
Und beweis’t euch, es müßt’ so seyn:
Das Erst’ wär’ so, das Zweyte so,
Und drum das Dritt’ und Vierte so;
Und wenn das Erst’ und Zweyt’ nicht wär’,
Das Dritt’ und Viert’ wär’ nimmermehr.
Das preisen die Schüler aller Orten,
Sind aber keine Weber geworden.
Wer will was lebendig’s erkennen und beschreiben,
Sucht erst den Geist heraus zu treiben,
Dann hat er die Theile in seiner Hand,
Fehlt leider! nur das geistige Band.
Encheiresin naturae nennt’s die
Chimie,
Spottet ihrer selbst und weiß nicht wie.
Schüler
Kann euch nicht eben ganz verstehen.
Mephistopheles
Das wird nächstens schon besser gehen,
Wenn ihr lernt alles reduciren
Und gehörig klassificiren.
Schüler
Mir wird von alle dem so dumm,
Als ging’ mir ein Mühlrad im Kopf herum.
Mephistopheles
Nachher, vor allen andern Sachen
Müßt ihr euch an die Metaphysik machen!
Da seht, daß ihr tiefsinnig faßt,
Was in des Menschen Hirn nicht paßt;
Für, was drein geht und nicht drein geht,
Ein prächtig Wort zu Diensten steht.
Doch vorerst dieses halbe Jahr
Nehmt ja der besten Ordnung wahr.
Fünf Stunden habt ihr jeden Tag;
Seyd drinnen mit dem Glockenschlag!
Habt euch vorher wohl präparirt,
Paragraphos wohl einstudirt,
Damit ihr nachher besser seht,
Daß er nichts sagt, als was im Buche steht;
Doch euch des Schreibens ja befleißt,
Als dictirt’ euch der Heilig’ Geist!
Schüler
Das sollt ihr mir nicht zweymal sagen!
Ich denke mir wie viel es nützt;
Denn, was man schwarz auf weiß besitzt,
Kann man getrost nach Hause tragen.
Mephistopheles
Doch wählt mir eine Facultät!
Schüler
Zur Rechtsgelehrsamkeit kann ich mich nicht
bequemen.
Mephistopheles
Ich kann es euch so sehr nicht übel nehmen,
Ich weiß wie es um diese Lehre steht.
Es erben sich Gesetz’ und Rechte
Wie eine ew’ge Krankheit fort,
Sie schleppen von Geschlecht sich zum Geschlechte,
Und rücken sacht von Ort zu Ort.
Vernunft wird Unsinn, Wohlthat Plage;
Weh dir, daß du ein Enkel bist!
Vom Rechte, das mit uns geboren ist,
Von dem ist leider! nie die Frage.
Schüler
Mein Abscheu wird durch euch vermehrt.
O glücklich der! den ihr belehrt.
Fast möcht’ ich nun Theologie studiren.
Mephistopheles
Ich wünschte nicht euch irre zu führen.
Was diese Wissenschaft betrifft,
Es ist so schwer den falschen Weg zu meiden,
Es liegt in ihr so viel verborgnes Gift,
Und von der Arzeney ists kaum zu unterscheiden.
Am besten ist’s auch hier, wenn ihr nur Einen hört,
Und auf des Meisters Worte schwört.
Im Ganzen – haltet euch an Worte!
Dann geht ihr durch die sichre Pforte
Zum Tempel der Gewißheit ein.
Schüler
Doch ein Begriff muß bey dem Worte seyn.
Mephistopheles
Schon gut! Nur muß man sich nicht allzu ängstlich
quälen;
Denn eben wo Begriffe fehlen,
Da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein.
Mit Worten läßt sich trefflich streiten,
Mit Worten ein System bereiten,
An Worte läßt sich trefflich glauben,
Von einem Wort läßt sich kein Jota rauben.
Schüler
Verzeiht, ich halt’ euch auf mit vielen Fragen,
Allein ich muß euch noch bemüh’n.
Wollt ihr mir von der Medicin
Nicht auch ein kräftig Wörtchen sagen?
Drey Jahr’ ist eine kurze Zeit,
Und, Gott! das Feld ist gar zu weit.
Wenn man einen Fingerzeig nur hat,
Läßt sich’s schon eher weiter fühlen.
Mephistopheles
für sich
Ich bin des trocknen Tons nun satt,
Muß wieder recht den Teufel spielen.
Laut
Der Geist der Medicin ist leicht zu fassen;
Ihr durchstudirt die groß’ und kleine Welt,
Um es am Ende gehn zu lassen,
Wie’s Gott gefällt.
Vergebens daß ihr ringsum wissenschaftlich schweift,
Ein jeder lernt nur was er lernen kann;
Doch der den Augenblick ergreift,
Das ist der rechte Mann.
Ihr seyd noch ziemlich wohlgebaut,
An Kühnheit wird’s euch auch nicht fehlen,
Und wenn ihr euch nur selbst vertraut,
Vertrauen euch die andern Seelen.
Besonders lernt die Weiber führen;
Es ist ihr ewig Weh und Ach
So tausendfach
Aus Einem Puncte zu curiren,
Und wenn ihr halbweg ehrbar thut,
Dann habt ihr sie all’ unter’m Hut.
Ein Titel muß sie erst vertraulich machen,
Daß eure Kunst viel Künste übersteigt;
Zum Willkomm’ tappt ihr dann nach allen
Siebensachen,
Um die ein andrer viele Jahre streicht,
Versteht das Pülslein wohl zu drücken,
Und fasset sie, mit feurig schlauen Blicken,
Wohl um die schlanke Hüfte frey,
Zu seh’n, wie fest geschnürt sie sey.
Schüler
Das sieht schon besser aus! Man sieht doch wo und
wie.
Mephistopheles
Grau, theurer Freund, ist alle Theorie,
Und grün des Lebens goldner Baum.
Schüler
Ich schwör’ euch zu, mir ist’s als wie ein Traum.
Dürft’ ich euch wohl ein andermal beschweren,
Von eurer Weisheit auf den Grund zu hören?
Mephistopheles
Was ich vermag, soll gern geschehn.
Schüler
Ich kann unmöglich wieder gehn,
Ich muß euch noch mein Stammbuch überreichen.
Gönn’ eure Gunst mir dieses Zeichen!
Mephistopheles
Sehr wohl.
Er schreibt und
giebt’s.
Schüler
lies’t
Eritis sicut Deus, scientes bonum et
malum.
Macht’s
ehrerbietieg zu und empfiehlt sich.
Mephistopheles
Folg’ nur dem alten Spruch und meiner Muhme der
Schlange,
Dir wird gewiß einmal bey deiner Gottähnlichkeit
bange!
Faust tritt auf
Faust
Wohin soll es nun gehn?
Mephistopheles
Wohin es dir gefällt.
Wir sehn die kleine, dann die große Welt.
Mit welcher Freude, welchem Nutzen,
Wirst du den Cursum durchschmarutzen!
Faust
Allein bey meinem langen Bart
Fehlt mir die leichte Lebensart.
Es wird mir der Versuch nicht glücken;
Ich wußte nie mich in die Welt zu schicken,
Vor andern fühl’ ich mich so klein;
Ich werde stets verlegen seyn.
Mephistopheles
Mein guter Freund, das wird sich alles geben;
Sobald du dir vertraust, sobald weißt du zu leben.
Faust
Wie kommen wir denn aus dem Haus?
Wo hast du Pferde, Knecht und Wagen?
Mephistopheles
Wir breiten nur den Mantel aus,
Der soll uns durch die Lüfte tragen.
Du nimmst bey diesem kühnen Schritt
Nur keinen großen Bündel mit.
Ein Bißchen Feuerluft, die ich bereiten werde,
Hebt uns behend von dieser Erde.
Und sind wir leicht, so geht es schnell hinauf;
Ich gratulire dir zum neuen Lebenslauf!
Auerbachs
Keller in Leipzig
Zeche
lustiger Gesellen
Frosch
Will keiner trinken? keiner lachen?
Ich will euch lehren Gesichter machen!
Ihr seyd ja heut wie nasses Stroh,
Und brennt sonst immer lichterloh.
Brander
Das liegt an dir; du bringst ja nichts herbey,
Nicht eine Dummheit, keine Sauerey.
Frosch
gießt ihm ein Glas
Wein über den Kopf
Da hast du beydes!
Brander
Doppelt Schwein!
Frosch
Ihr wollt’ es ja, man soll es seyn!
Siebel
Zur Thür hinaus wer sich entzweyt!
Mit offner Brust singt Runda, sauft und schreyt!
Auf! Holla! Ho!
Altmayer
Weh mir, ich bin verloren!
Baumwolle her! der Kerl sprengt mir die Ohren.
Siebel
Wenn das Gewölbe wiederschallt,
Fühlt man erst recht des Basses Grundgewalt.
Frosch
So recht, hinaus mit dem der etwas übel nimmt!
A! tara lara da!
Altmayer
A! tara lara da!
Frosch
Die Kehlen sind gestimmt.
Singt
Das liebe, heil’ge Röm’sche Reich,
Wie hält’s nur noch zusammen?
Brander
Ein garstig Lied! Pfuy! ein politisch Lied!
Ein leidig Lied! Dankt Gott mit jedem Morgen
Daß ihr nicht braucht für’s Röm’sche Reich zu
sorgen!
Ich halt’ es wenigstens für reichlichen Gewinn,
Daß ich nicht Kaiser oder Kanzler bin.
Doch muß auch uns ein Oberhaupt nicht fehlen;
Wir wollen einen Papst erwählen.
Ihr wißt, welch eine Qualität
Den Ausschlag giebt, den Mann erhöht.
Frosch
singt
Schwing’ dich auf, Frau Nachtigall,
Grüß’ mir mein Liebchen zehentausendmal.
Siebel
Dem Liebchen keinen Gruß! ich will davon nichts
hören!
Frosch
Dem Liebchen Gruß und Kuß! du wirst mir’s nicht
verwehren!
Singt
Riegel auf! in stiller Nacht.
Riegel auf! der Liebste wacht.
Riegel zu! des Morgens früh.
Siebel
Ja, singe, singe nur, und lob’ und rühme sie!
Ich will zu meiner Zeit schon lachen.
Sie hat mich angeführt, dir wird sie’s auch so
machen.
Zum Liebsten sey ein Kobold ihr bescheert!
Der mag mit ihr auf einem Kreuzweg schäkern;
Ein alter Bock, wenn er vom Blocksberg kehrt,
Mag im Galopp noch gute Nacht ihr meckern!
Ein braver Kerl von echtem Fleisch und Blut
Ist für die Dirne viel zu gut.
Ich will von keinem Gruße wissen,
Als ihr die Fenster eingeschmissen!
Brander
auf den Tisch
schlagend
Paßt auf! paßt auf! Gehorchet mir!
Ihr Herrn gesteht, ich weiß zu leben,
Verliebte Leute sitzen hier,
Und diesen muß, nach Standsgebühr,
Zur guten Nacht ich was zum Besten geben.
Gebt Acht! Ein Lied vom neusten Schnitt!
Und singt den Rundreim kräftig mit!
Er singt.
Es war eine Ratt’ im Kellernest,
Lebte nur von Fett und Butter,
Hatte sich ein Ränzlein angemäst’t,
Als wie der Doctor Luther.
Die Köchinn hatt’ ihr Gift gestellt;
Da ward’s so eng’ ihr in der Welt,
Als hätte sie Lieb’ im Leibe.
Chorus
jauchzend
Als hätte sie Lieb’ im Leibe.
Brander
Sie fuhr herum, sie fuhr heraus,
Und soff aus allen Pfützen,
Zernagt’, zerkratzt’ das ganze Haus,
Wollte nichts ihr Wüthen nützen;
Sie thät gar manchen Ängstesprung,
Bald hatte das arme Thier genung,
Als hätt’ es Lieb’ im Leibe.
Chorus
Als hätt’ es Lieb’ im Leibe.
Brander
Sie kam für Angst am hellen Tag
Der Küche zugelaufen,
Fiel an den Heerd und zuckt’ und lag,
Und thät erbärmlich schnaufen.
Da lachte die Vergifterinn noch:
Ha! sie pfeift auf dem letzten Loch,
Als hätte sie Lieb’ im Leibe.
Chorus
Als hätte sie Lieb’ im Leibe.
Siebel
Wie sich die platten Bursche freuen!
Es ist mir eine rechte Kunst,
Den armen Ratten Gift zu streuen!
Brander
Sie stehn wohl sehr in deiner Gunst?
Altmayer
Der Schmerbauch mit der kahlen Platte!
Das Unglück macht ihn zahm und mild;
Er sieht in der geschwollnen Ratte
Sein ganz natürlich Ebenbild.
Faust und Mephistopheles
Mephistopheles
Ich muß dich nun vor allen Dingen
In lustige Gesellschaft bringen,
Damit du siehst, wie leicht sich’s leben läßt.
Dem Volke hier wird jeder Tag ein Fest.
Mit wenig Witz und viel Behagen
Dreht jeder sich im engen Zirkeltanz,
Wie junge Katzen mit dem Schwanz.
Wenn sie nicht über Kopfweh klagen,
So lang’ der Wirth nur weiter borgt,
Sind sie vergnügt und unbesorgt.
Brander
Die kommen eben von der Reise,
Man sieht’s an ihrer wunderlichen Weise;
Sie sind nicht eine Stunde hier.
Frosch
Wahrhaftig du hast Recht! Mein Leipzig lob’ ich mir!
Es ist ein klein Paris, und bildet seine Leute.
Siebel
Für was siehst du die Fremden an?
Frosch
Laßt mich nur gehn! bey einem vollen Glase,
Zieh’ ich, wie einen Kinderzahn,
Den Burschen leicht die Würmer aus der Nase.
Sie scheinen mir aus einem edlen Haus,
Sie sehen stolz und unzufrieden aus.
Brander
Marktschreyer sind’s gewiß, ich wette!
Altmayer
Vielleicht.
Frosch
Gib Acht, ich schraube sie!
Mephistopheles
zu Faust
Den Teufel spürt das Völkchen nie,
Und wenn er sie beym Kragen hätte.
Faust
Seyd uns gegrüßt, ihr Herrn!
Siebel
Viel Dank zum Gegengruß.
Leise, Mephistopheles
von der Seite ansehend
Was hinkt der Kerl auf Einem Fuß?
Mephistopheles
Ist es erlaubt, uns auch zu euch zu setzen?
Statt eines guten Trunks, den man nicht haben kann,
Soll die Gesellschaft uns ergetzen.
Altmayer
Ihr scheint ein sehr verwöhnter Mann.
Frosch
Ihr seyd wohl spät von Rippach aufgebrochen?
Habt ihr mit Herren Hans noch erst zu Nacht
gespeis’t?
Mephistopheles
Heut sind wir ihn vorbey gereis’t;
Wir haben ihn das letztemal gesprochen.
Von seinen Vettern wußt’ er viel zu sagen,
Viel Grüße hat er uns an jeden aufgetragen.
Er neigt sich gegen
Frosch.
Altmayer
leise
Da hast du’s! der versteht’s!
Siebel
Ein pfiffiger Patron!
Frosch
Nun, warte nur, ich krieg’ ihn schon!
Mephistopheles
Wenn ich nicht irrte, hörten wir
Geübte Stimmen Chorus singen?
Gewiß, Gesang muß trefflich hier
Von dieser Wölbung wiederklingen!
Frosch
Seyd ihr wohl gar ein Virtuos?
Mephistopheles
O nein! die Kraft ist schwach, allein die Lust ist
groß.
Altmayer
Gebt uns ein Lied!
Mephistopheles
Wenn ihr begehrt, die Menge.
Siebel
Nur auch ein nagelneues Stück!
Mephistopheles
Wir kommen erst aus Spanien zurück,
Dem schönen Land des Weins und der Gesänge.
Singt
Es war einmal ein König,
Der hatt’ einen großen Floh –
Frosch
Horcht! Einen Floh! Habt ihr das wohl gefaßt?
Ein Floh ist mir ein saub’rer Gast.
Mephistopheles
singt
Es war einmal ein König,
Der hatt’ einen großen Floh,
Den liebt’ er gar nicht wenig,
Als wie seinen eignen Sohn.
Da rief er seinen Schneider,
Der Schneider kam heran.
Da miß dem Junker Kleider,
Und miß ihm Hosen an!
Brander
Vergeßt nur nicht dem Schneider einzuschärfen,
Daß er mir auf’s genauste mißt,
Und daß, so lieb sein Kopf ihm ist,
Die Hosen keine Falten werfen!
Mephistopheles
In Sammet und in Seide
War er nun angethan,
Hatte Bänder auf dem Kleide,
Hatt’ auch ein Kreuz daran,
Und war sogleich Minister,
Und hatt’ einen großen Stern.
Da wurden seine Geschwister
Bey Hof’ auch große Herrn.
Und Herrn und Frau’n am Hofe,
Die waren sehr geplagt,
Die Königinn und die Zofe
Gestochen und genagt,
Und durften sie nicht knicken,
Und weg sie jucken nicht.
Wir knicken und ersticken
Doch gleich wenn einer sticht.
Chorus
jauchzend
Wir knicken und ersticken
Doch gleich wenn einer sticht.
Frosch
Bravo! Bravo! Das war schön!
Siebel
So soll es jedem Floh ergehn!
Brander
Spitzt die Finger und packt sie fein!
Altmayer
Es lebe die Freyheit! Es lebe der Wein!
Mephistopheles
Ich tränke gern ein Glas, die Freyheit hoch zu
ehren,
Wenn eure Weine nur ein Bißchen besser wären.
Siebel
Wir mögen das nicht wieder hören!
Mephistopheles
Ich fürchte nur der Wirth beschweret sich,
Sonst gäb’ ich diesen werthen Gästen
Aus unserm Keller was zum Besten.
Siebel
Nur immer her! ich nehm’s auf mich.
Frosch
Schafft ihr ein gutes Glas, so wollen wir euch
loben.
Nur gebt nicht gar zu kleine Proben;
Denn wenn ich judiciren soll,
Verlang’ ich auch das Maul recht voll.
Altmayer
leise
Sie sind vom Rheine, wie ich spüre.
Mephistopheles
Schafft einen Bohrer an!
Brander
Was soll mit dem geschehn?
Ihr habt doch nicht die Fässer vor der Thüre?
Altmayer
Dahinten hat der Wirth ein Körbchen Werkzeug stehn.
Mephistopheles
nimmt den
Bohrer
zu Frosch
Nun sagt, was wünschet ihr zu schmecken?
Frosch
Wie meynt ihr das? Habt ihr so mancherley?
Mephistopheles
Ich stell’ es einem jeden frey.
Altmayer
zu Frosch
Aha! du fängst schon an die Lippen abzulecken.
Frosch
Gut! wenn ich wählen soll, so will ich Rheinwein
haben.
Das Vaterland verleiht die allerbesten Gaben.
Mephistopheles
indem er an dem
Platz, wo Frosch sitzt, ein Loch in den
Tischrand bohrt
Verschafft ein wenig Wachs, die Pfropfen gleich zu
machen!
Altmayer
Ach das sind Taschenspielersachen.
Mephistopheles
zu Brander
Und ihr?
Brander
Ich will Champagner Wein,
Und recht mussirend soll er seyn!
Mephistopheles
bohrt, einer hat indessen die Wachspropfen gemacht und verstopft.
Brander
Man kann nicht stets das Fremde meiden,
Das Gute liegt uns oft so fern.
Ein echter deutscher Mann mag keinen Franzen leiden,
Doch ihre Weine trinkt er gern.
Siebel
indem sich
Mephistopheles seinem Platze nähert
Ich muß gestehn, den sauren mag ich nicht,
Gebt mir ein Glas vom echten süßen!
Mephistopheles
bohrt
Euch soll sogleich Tokayer fließen.
Altmayer
Nein, Herren, seht mir in’s Gesicht!
Ich seh’ es ein, ihr habt uns nur zum Besten.
Mephistopheles
Ey! Ey! Mit solchen edlen Gästen
Wär’ es ein Bißchen viel gewagt.
Geschwind! Nur grad’ heraus gesagt!
Mit welchem Weine kann ich dienen?
Altmayer
Mit jedem! Nur nicht lang gefragt.
Nachdem die Löcher alle
gebohrt und verstopft sind,
Mephistopheles
mit seltsamen
Geberden
Trauben trägt der Weinstock!
Hörner der Ziegenbock;
Der Wein ist saftig, Holz die Reben,
Der hölzerne Tisch kann Wein auch geben.
Ein tiefer Blick in die Natur!
Hier ist ein Wunder, glaubet nur!
Nun zieht die Pfropfen und genießt!
Alle
indem sie die
Pfropfen ziehen, und jedem der verlangte Wein in’s Glas
läuft
O schöner Brunnen, der uns fließt!
Mephistopheles
Nur hütet euch, daß ihr mir nichts vergießt!
Sie trinken
wiederholt.
Alle
singen
Uns ist ganz kannibalisch wohl,
Als wie fünf hundert Säuen!
Mephistopheles
Das Volk ist frey, seht an, wie wohl’s ihm geht!
Faust
Ich hätte Lust nun abzufahren.
Mephistopheles
Gib nur erst Acht, die Bestialität
Wird sich gar herrlich offenbaren.
Siebel
trinkt unvorsichtig,
der Wein fließt auf die Erde, und wird zur Flamme.
Helft! Feuer! helft! die Hölle brennt!
Mephistopheles
die Flamme
besprechend
Sey ruhig, freundlich Element!
zu dem
Gesellen
Für dießmal war es nur ein Tropfen Fegefeuer.
Siebel
Was soll das seyn? Wart! ihr bezahlt es theuer!
Es scheinet, daß ihr uns nicht kennt.
Frosch
Laß er uns das zum zweytenmale bleiben!
Altmayer
Ich dächt’, wir hießen ihn ganz sachte seitwärts
gehn.
Siebel
Was Herr? Er will sich unterstehn,
Und hier sein Hokuspokus treiben?
Mephistopheles
Still, altes Weinfaß!
Siebel
Besenstiel!
Du willst uns gar noch grob begegnen?
Brander
Wart nur! es sollen Schläge regnen.
Altmayer
zieht einen Pfropf
aus dem Tisch, es springt ihm Feuer entgegen.
Ich brenne! ich brenne!
Siebel
Zauberey!
Stoßt zu! der Kerl ist vogelfrey!
Sie ziehen die Messer und
gehn auf Mephistopheles los.
Mephistopheles
mit ernsthafter
Geberde
Falsch Gebild und Wort
Verändern Sinn und Ort!
Seyd hier und dort!
Sie stehn erstaunt und
sehn einander an.
Altmayer
Wo bin ich? Welches schöne Land!
Frosch
Weinberge! Seh’ ich recht?
Siebel
Und Trauben gleich zur Hand!
Brander
Hier unter diesem grünen Laube,
Seht, welch ein Stock! Seht, welche Traube!
Er faßt Siebeln bei der
Nase. Die andern thun es wechselseitig und heben die
Messer.
Mephistopheles
wie oben
Irrthum, laß los der Augen Band!
Und merkt euch, wie der Teufel spaße.
Er verschwindet mit
Faust, die Gesellen fahren aus einander.
Siebel
Was giebt’s?
Altmayer
Wie?
Frosch
War das deine Nase?
Brander
zu Siebel
Und deine hab’ ich in der Hand!
Altmayer
Es war ein Schlag, der ging durch alle Glieder!
Schafft einen Stuhl, ich sinke nieder!
Frosch
Nein, sagt mir nur, was ist geschehn?
Siebel
Wo ist der Kerl? Wenn ich ihn spüre,
Er soll mir nicht lebendig gehn!
Altmayer
Ich hab’ ihn selbst hinaus zur Kellerthüre –
Auf einem Fasse reiten sehn – –
Es liegt mir bleyschwer in den Füßen.
Sich nach dem Tische
wendend
Mein! Sollte wohl der Wein noch fließen?
Siebel
Betrug war alles, Lug und Schein.
Frosch
Mir däuchte doch als tränk’ ich Wein.
Brander
Aber wie war es mit den Trauben?
Altmayer
Nun sag’ mir eins, man soll kein Wunder glauben!
Hexenküche
Auf einem
niedrigen Herde steht ein großer Kessel über dem Feuer. In dem
Dampfe, der davon in die Höhe steigt, zeigen sich
verschiedne Gestalten. Eine
Meerkatze sitzt bey dem Kessel und schäumt ihn, und
sorgt daß er nicht überläuft. Der
Meerkater mit den Jungen sitzt darneben und wärmt sich.
Wände und Decke sind mit dem seltsamsten Hexenhausrath
ausgeschmückt.
Faust.
Mephistopheles
Faust
Mir widersteht das tolle Zauberwesen!
Versprichst du mir, ich soll genesen,
In diesem Wust von Raserey?
Verlang’ ich Rath von einem alten Weibe?
Und schafft die Sudelköcherey
Wohl dreyßig Jahre mir vom Leibe?
Weh mir, wenn du nichts bessers weißt!
Schon ist die Hoffnung mir verschwunden.
Hat die Natur und hat ein edler Geist
Nicht irgend einen Balsam ausgefunden?
Mephistopheles
Mein Freund, nun sprichst du wieder klug!
Doch zu verjüngen, gibt’s auch ein natürlich Mittel;
Allein es steht in einem andern Buch,
Und ist ein wunderlich Capitel.
Faust
Ich will es wissen.
Mephistopheles
Gut! Ein Mittel, ohne Geld
Und Arzt und Zauberey, zu haben:
Begib dich gleich hinaus aufs Feld,
Fang’ an zu hacken und zu graben,
Erhalte dich und deinen Sinn
In einem ganz beschränkten Kreise,
Ernähre dich mit ungemischter Speise,
Leb’ mit dem Vieh als Vieh, und acht’ es nicht für
Raub,
Den Acker, den du ärndest, selbst zu düngen;
Das ist das beste Mittel, glaub’,
Auf achtzig Jahr dich zu verjüngen!
Faust
Das bin ich nicht gewöhnt, ich kann mich nicht
bequemen,
Den Spaten in die Hand zu nehmen,
Das enge Leben steht mir gar nicht an.
Mephistopheles
So muß denn doch die Hexe dran.
Faust
Warum denn just das alte Weib?
Kannst du den Trank nicht selber brauen?
Mephistopheles
Das wär’ ein schöner Zeitvertreib!
Ich wollt’ indeß wohl tausend Brücken bauen.
Nicht Kunst und Wissenschaft allein,
Geduld will bey dem Werke seyn.
Ein stiller Geist ist Jahre lang geschäftig,
Die Zeit nur macht die feine Gährung kräftig.
Und alles was dazu gehört
Es sind gar wunderbare Sachen!
Der Teufel hat sie’s zwar gelehrt;
Allein der Teufel kann’s nicht machen.
Die Thiere
erblickend
Sieh, welch ein zierliches Geschlecht!
Das ist die Magd! das ist der Knecht!
Zu den Thieren
Es scheint, die Frau ist nicht zu Hause?
Die
Thiere
Beym Schmause,
Aus dem Haus
Zum Schornstein hinaus!
Mephistopheles
Wie lange pflegt sie wohl zu schwärmen?
Die
Thiere
So lange wir uns die Pfoten wärmen.
Mephistopheles
zu Faust
Wie findest du die zarten Thiere?
Faust
So abgeschmackt, als ich nur jemand sah!
Mephistopheles
Nein, ein Discours wie dieser da,
Ist g’rade der, den ich am liebsten führe!
Zu den Thieren
So sagt mir doch, verfluchte Puppen!
Was quirlt ihr in dem Brey herum?
Thiere
Wir kochen breite Bettelsuppen.
Mephistopheles
Da habt ihr ein groß Publicum.
Der
Kater
macht sich herbey und
schmeichelt dem Mephistopheles
O würfle nur gleich,
Und mache mich reich,
Und laß mich gewinnen!
Gar schlecht ist’s bestellt,
Und wär’ ich bey Geld,
So wär’ ich bey Sinnen.
Mephistopheles
Wie glücklich würde sich der Affe schätzen,
Könnt’ er nur auch ins Lotto setzen!
Indessen haben die jungen
Meerkätzchen mit einer großen Kugel gespielt und rollen sie
hervor.
Der
Kater
Das ist die Welt;
Sie steigt und fällt
Und rollt beständig;
Sie klingt wie Glas;
Wie bald bricht das?
Ist hohl inwendig,
Hier glänzt sie sehr,
Und hier noch mehr,
Ich bin lebendig!
Mein lieber Sohn,
Halt dich davon!
Du mußt sterben!
Sie ist von Thon,
Es giebt Scherben.
Mephistopheles
Was soll das Sieb?
Der
Kater
holt es
herunter
Wärst du ein Dieb,
Wollt’ ich dich gleich erkennen.
Er läuft zur Kätzinn
und läßt sie durchsehen.
Sieh durch das Sieb!
Erkennst du den Dieb,
Und darfst ihn nicht nennen?
Mephistopheles
sich dem Feuer
nähernd
Und dieser Topf?
Kater und Kätzinn
Der alberne Tropf!
Er kennt nicht den Topf,
Er kennt nicht den Kessel!
Mephistopheles
Unhöfliches Thier!
Der
Kater
Den Wedel nimm hier,
Und setz’ dich in Sessel!
Er nöthigt den
Mephistopheles zu sitzen.
Faust
welcher diese Zeit
über vor einem Spiegel gestanden, sich ihm bald genähert, bald sich von ihm entfernt hat
Was seh’ ich? Welch ein himmlisch Bild
Zeigt sich in diesem Zauberspiegel!
O Liebe, leihe mir den schnellsten deiner Flügel,
Und führe mich in ihr Gefild!
Ach wenn ich nicht auf dieser Stelle bleibe,
Wenn ich es wage nah’ zu gehn,
Kann ich sie nur als wie im Nebel sehn! –
Das schönste Bild von einem Weibe!
Ist’s möglich, ist das Weib so schön?
Muß’ ich an diesem hingestreckten
Leibe
Den Inbegriff von allen Himmeln sehn?
So etwas findet sich auf Erden?
Mephistopheles
Natürlich, wenn ein Gott sich erst sechs Tage plagt,
Und selbst am Ende Bravo sagt,
Da muß es was gescheidtes werden.
Für dießmal sieh dich immer satt;
Ich weiß dir so ein Schätzchen auszuspüren,
Und selig wer das gute Schicksal hat,
Als Bräutigam sie heim zu führen!
Faust sieht
immmerfort in den Spiegel.
Mephistopheles, sich in dem Sessel dehnend und mit dem Wedel
spielend, fährt fort zu sprechen.
Hier sitz’ ich wie der König auf dem Throne,
Den Zepter halt’ ich hier, es fehlt nur noch die
Krone.
Die
Thiere
welche bisher
allerley wunderliche Bewegungen durch einander
gemacht haben, bringen dem Mephistopheles eine Krone mit
großem Geschrey
O sey doch so gut,
Mit Schweiß und mit Blut
Die Krone zu leimen!
Sie gehn ungeschickt
mit der Krone um und zerbrechen sie in zwey Stücke, mit
welchen sie herumspringen.
Nun ist es geschehn!
Wir reden und sehn,
Wir hören und reimen;
Faust
gegen den
Spiegel
Weh mir! ich werde schier verrückt.
Mephistopheles
auf die Thiere
deutend
Nun fängt mir an fast selbst der Kopf zu schwanken.
Die
Thiere
Und wenn es uns glückt,
Und wenn es sich schickt,
So sind es Gedanken!
Faust
wie oben
Mein Busen fängt mir an zu brennen!
Entfernen wir uns nur geschwind!
Mephistopheles
in obiger
Stellung
Nun, wenigstens muß man bekennen,
Daß es aufrichtige Poeten sind.
Der Kessel, welchen die
Kätzinn bisher ausser Acht gelassen, fängt an überzulaufen; es
entsteht eine grosse Flamme, welche zum Schornstein hinaus
schlägt. Die Hexe kommt durch
die Flamme mit entsetzlichem Geschrey herunter
gefahren.
Die
Hexe
Au! Au! Au! Au!
Verdammtes Thier! verfluchte Sau!
Versäumst den Kessel, versengst die Frau!
Verfluchtes Thier!
Faust und
Mephistopheles erblickend
Was ist das hier?
Wer seyd ihr hier?
Was wollt ihr da?
Wer schlich sich ein?
Die Feuerpein
Euch in’s Gebein!
Sie fährt mit dem
Schaumlöffel in den Kessel, und spritzt Flammen nach Faust,
Mephistopheles und den Thieren. Die Thiere winseln.
Mephistopheles
welcher den Wedel,
den er in der Hand hält, umkehrt, und unter die Gläser und
Töpfe schlägt
Entzwey! entzwey!
Da liegt der Brey!
Da liegt das Glas!
Es ist nur Spaß,
Der Tact, du Aas,
Zu deiner Melodey.
Indem die Hexe voll
Grimm und Entsetzen zurücktritt.
Erkennst du mich? Gerippe! Scheusal du!
Erkennst du deinen Herrn und Meister?
Was hält mich ab, so schlag’ ich zu,
Zerschmettre dich und deine Katzen-Geister!
Hast du vor’m rothen Wamms nicht mehr Respect?
Kannst du die Hahnenfeder nicht erkennen?
Hab’ ich dieß Angesicht versteckt?
Soll ich mich etwa selber nennen?
Die
Hexe
O Herr, verzeiht den rohen Gruß!
Sah’ ich doch keinen Pferdefuß.
Wo sind denn eure beyden Raben?
Mephistopheles
Für dießmal kamst du so davon;
Denn freylich ist es eine Weile schon,
Daß wir uns nicht gesehen haben.
Auch die Cultur, die alle Welt beleckt,
Hat auf den Teufel sich erstreckt;
Das nordische Phantom ist nun nicht mehr zu schauen,
Wo siehst du Hörner, Schweif und Klauen?
Und was den Fuß betrifft, den ich nicht missen kann,
Der würde mir bey Leuten schaden;
Darum bedien’ ich mich, wie mancher junge Mann,
Seit vielen Jahren falscher Waden.
Die
Hexe
tanzend
Sinn und Verstand verlier’ ich schier,
Seh’ ich den Junker Satan wieder hier!
Mephistopheles
Den Nahmen, Weib, verbitt’ ich mir!
Die
Hexe
Warum? Was hat er euch gethan?
Mephistopheles
Er ist schon lang’ in’s Fabelbuch geschrieben;
Allein die Menschen sind nichts besser dran,
Den Bösen sind sie los, die Bösen sind geblieben.
Du nennst mich Herr Baron, so ist die Sache gut;
Ich bin ein Cavalier, wie andre Cavaliere.
Du zweifelst nicht an meinem edlen Blut;
Sieh her, das ist das Wapen, das ich führe!
Er macht eine
unanständige Gebärde.
Die
Hexe
lacht unmäßig
Ha! Ha! Das ist in eurer Art!
Ihr seyd ein Schelm, wie ihr nur immer war’t!
Mephistopheles
zu Faust
Mein Freund, das lerne wohl verstehn!
Dieß ist die Art mit Hexen umzugehn.
Die
Hexe
Nun sagt, ihr Herren, was ihr schafft.
Mephistopheles
Ein gutes Glas von dem bekannten Saft!
Doch muß ich euch um’s ält’ste bitten;
Die Jahre doppeln seine Kraft.
Die
Hexe
Gar gern! Hier hab’ ich eine Flasche,
Aus der ich selbst zuweilen nasche,
Die auch nicht mehr im mind’sten stinkt;
Ich will euch gern ein Gläschen geben.
Leise
Doch wenn es dieser Mann unvorbereitet trinkt,
So kann er, wißt ihr wohl, nicht eine Stunde leben.
Mephistopheles
Es ist ein guter Freund, dem es gedeihen soll;
Ich gönn’ ihm gern das beste deiner Küche.
Zieh deinen Kreis, sprich deine Sprüche,
Und gieb ihm eine Tasse voll!
Die Hexe
mit seltsamen Geberden, zieht einen Kreis und stellt wunderbare
Sachen hinein; indessen fangen die Gläser an zu klingen, die
Kessel zu tönen, und machen Musik. Zuletzt bringt sie ein großes
Buch, stellt die Meerkatzen in den Kreis, die ihr
zum Pult dienen und die Fackel halten müssen. Sie winkt Fausten,
zu ihr zu treten.
Faust
zu
Mephistopheles
Nein, sage mir, was soll das werden?
Das tolle Zeug, die rasenden Geberden,
Der abgeschmackteste Betrug
Sind mir bekannt, verhaßt genug.
Mephistopheles
Ey Possen! Das ist nur zum Lachen;
Sey nur nicht ein so strenger Mann!
Sie muß als Arzt ein Hokuspokus machen,
Damit der Saft dir wohl gedeihen kann.
Er nöthigt Fausten in den
Kreis zu treten.
Die
Hexe
mit großer Emphase
fängt an aus dem Buche zu declamiren
Du mußt verstehn!
Aus Eins mach’ Zehn,
Und Zwey laß gehn,
Und Drey mach’ gleich,
So bist du reich.
Verlier’ die Vier!
Aus Fünf und Sechs,
So sagt die Hex’,
Mach’ Sieben und Acht,
So ist’s vollbracht:
Und Neun ist Eins,
Und Zehn ist keins.
Das ist das Hexen-Einmal-Eins!
Faust
Mich dünkt, die Alte spricht im Fieber.
Mephistopheles
Das ist noch lange nicht vorüber,
Ich kenn’ es wohl, so klingt das ganze Buch;
Ich habe manche Zeit damit verloren,
Denn ein vollkommner Widerspruch
Bleibt gleich geheimnißvoll für Kluge wie für
Thoren.
Mein Freund, die Kunst ist alt und neu.
Es war die Art zu allen Zeiten,
Durch Drey und Eins, und Eins und Drey
Irrthum statt Wahrheit zu verbreiten.
So schwätzt und lehrt man ungestört;
Wer will sich mit den Narr’n befassen?
Gewöhnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Worte
hört,
Es müsse sich dabey doch auch was denken lassen.
Die
Hexe
fährt fort
Die hohe Kraft
Der Wissenschaft,
Der ganzen Welt verborgen!
Und wer nicht denkt,
Dem wird sie geschenkt,
Er hat sie ohne Sorgen.
Faust
Was sagt sie uns für Unsinn vor?
Es wird mir gleich der Kopf zerbrechen.
Mich dünkt, ich hör’ ein ganzes Chor
Von hundert tausend Narren sprechen.
Mephistopheles
Genug, genug, o treffliche Sibylle!
Gib deinen Trank herbey, und fülle
Die Schale rasch bis an den Rand hinan;
Denn meinem Freund wird dieser Trunk nicht schaden:
Er ist ein Mann von vielen Graden,
Der manchen guten Schluck gethan.
Die Hexe
mit vielen Ceremonien, schenkt den Trank in eine Schale; wie sie
Faust an den Mund bringt, entsteht eine leichte Flamme.
Mephistopheles
Nur frisch hinunter! Immer zu!
Es wird dir gleich das Herz erfreuen.
Bist mit dem Teufel du und du,
Und willst dich vor der Flamme scheuen?
Die Hexe lös’t den
Kreis
Faust tritt heraus
Mephistopheles
Nun frisch hinaus! Du darfst nicht ruhn.
Die
Hexe
Mög’ euch das Schlückchen wohl behagen!
Mephistopheles
zur Hexe
Und kann ich dir was zu Gefallen thun;
So darfst du mir’s nur auf Walpurgis sagen.
Die
Hexe
Hier ist ein Lied! wenn ihr’s zuweilen singt,
So werdet ihr besondre Würkung spüren.
Mephistopheles
zu Faust
Komm nur geschwind und laß dich führen;
Du mußt nothwendig transpiriren,
Damit die Kraft durch inn- und äußres dringt.
Den edlen Müßiggang lehr’ ich hernach dich schätzen,
Und bald empfindest du mit innigem Ergetzen,
Wie sich Cupido regt und hin und wieder springt.
Faust
Laß mich nur schnell noch in den Spiegel schauen!
Das Frauenbild war gar zu schön!
Mephistopheles
Nein! Nein! Du sollst das Muster aller Frauen
Nun bald leibhaftig vor dir seh’n.
Leise
Du siehst, mit diesem Trank im Leibe,
Bald Helenen in jedem Weibe.
Straße
Faust. Margarete vorüber
gehend
Faust
Mein schönes Fräulein, darf ich wagen,
Meinen Arm und Geleit Ihr anzutragen?
Margarete
Bin weder Fräulein, weder schön,
Kann ungeleitet nach Hause gehn.
Sie macht sich los und
ab.
Faust
Beym Himmel, dieses Kind ist schön!
So etwas hab’ ich nie gesehn.
Sie ist so sitt- und tugendreich,
Und etwas schnippisch doch zugleich.
Der Lippe Roth, der Wange Licht,
Die Tage der Welt vergess’ ich’s nicht!
Wie sie die Augen niederschlägt,
Hat tief sich in mein Herz geprägt;
Wie sie kurz angebunden war,
Das ist nun zum Entzücken gar!
Mephistopheles tritt auf
Faust
Hör, du mußt mir die Dirne schaffen!
Mephistopheles
Nun, welche?
Faust
Sie ging just vorbey.
Mephistopheles
Da die? Sie kam von ihrem Pfaffen,
Der sprach sie aller Sünden frey;
Ich schlich mich hart am Stuhl vorbey,
Es ist ein gar unschuldig Ding,
Das eben für nichts zur Beichte ging;
Über die hab’ ich keine Gewalt!
Faust
Ist über vierzehn Jahr doch alt.
Mephistopheles
Du sprichst ja wie Hans Liederlich,
Der begehrt jede liebe Blum’ für sich,
Und dünkelt ihm, es wär’ kein’ Ehr’
Und Gunst, die nicht zu pflücken wär’;
Geht aber doch nicht immer an.
Faust
Mein Herr Magister Lobesan,
Laß er mich mit dem Gesetz in Frieden!
Und das sag’ ich ihm kurz und gut,
Wenn nicht das süße junge Blut
Heut’ Nacht in meinen Armen ruht;
So sind wir um Mitternacht geschieden.
Mephistopheles
Bedenkt was gehn und stehen mag!
Ich brauche wenigstens vierzehn Tag’
Nur die Gelegenheit auszuspüren.
Faust
Hätt’ ich nur sieben Stunden Ruh,
Brauchte den Teufel nicht dazu,
So ein Geschöpfchen zu verführen.
Mephistopheles
Ihr sprecht schon fast wie ein Franzos;
Doch bitt’ ich, laßt’s euch nicht verdrießen:
Was hilft’s nur g’rade zu genießen?
Die Freud’ ist lange nicht so groß,
Als wenn ihr erst herauf, herum,
Durch allerley Brimborium,
Das Püppchen geknetet und zugericht’t,
Wie’s lehret manche welsche Geschicht’.
Faust
Hab’ Appetit auch ohne das.
Mephistopheles
Jetzt ohne Schimpf und ohne Spaß.
Ich sag’ euch, mit dem schönen Kind
Geht’s ein-für allemal nicht geschwind.
Mit Sturm ist da nichts einzunehmen;
Wir müssen uns zur List bequemen.
Faust
Schaff’ mir etwas vom Engelsschatz!
Führ’ mich an ihren Ruheplatz!
Schaff’ mir ein Halstuch von ihrer Brust,
Ein Strumpfband meiner Liebeslust!
Mephistopheles
Damit ihr seht, daß ich eurer Pein
Will förderlich und dienstlich seyn;
Wollen wir keinen Augenblick verlieren,
Will euch noch heut’ in ihr Zimmer führen.
Faust
Und soll sie sehn? sie haben?
Mephistopheles
Nein!
Sie wird bey einer Nachbarinn seyn.
Indessen könnt ihr ganz allein
An aller Hoffnung künft’ger Freuden
In ihrem Dunstkreis satt euch weiden.
Faust
Können wir hin?
Mephistopheles
Es ist noch zu früh.
Faust
Sorg’ du mir für ein Geschenk für sie.
ab
Mephistopheles
Gleich schenken? Das ist brav! Da wird er reüssiren!
Ich kenne manchen schönen Platz
Und manchen alt vergrabnen Schatz,
Ich muß ein Bißchen revidiren.
ab
Abend
Ein kleines
reinliches Zimmer
Margarete
ihre Zöpfe flechtend
und aufbindend
Ich gäb’ was drum, wenn ich nur wüßt’,
Wer heut der Herr gewesen ist!
Er sah gewiß recht wacker aus,
Und ist aus einem edlen Haus;
Das konnt’ ich ihm an der Stirne lesen –
Er wär’ auch sonst nicht so keck gewesen.
ab
Mephistopheles. Faust
Mephistopheles
Herein, ganz leise, nur herein!
Faust
nach einigem
Stillschweigen
Ich bitte dich, laß mich allein!
Mephistopheles
herumspürend
Nicht jedes Mädchen hält so rein.
ab
Faust
rings
aufschauend
Willkommen süßer Dämmerschein!
Der du dieß Heiligthum durchwebst.
Ergreif mein Herz, du süße Liebespein!
Die du vom Thau der Hoffnung schmachtend lebst.
Wie athmet rings Gefühl der Stille,
Der Ordnung, der Zufriedenheit!
In dieser Armuth welche Fülle!
In diesem Kerker welche Seligkeit!
Er wirft sich auf
den ledernen Sessel am Bette.
O nimm mich auf! der du die Vorwelt schon
Bey Freud’ und Schmerz in offnen Arm empfangen!
Wie oft, ach! hat an diesem Väter-Thron
Schon eine Schaar von Kindern rings gehangen!
Vielleicht hat, dankbar für den heil’gen Christ,
Mein Liebchen hier, mit vollen Kinderwangen,
Dem Ahnherrn fromm die welke Hand geküßt.
Ich fühl’, o Mädchen, deinen Geist
Der Füll’ und Ordnung um mich säuseln,
Der mütterlich dich täglich unterweis’t,
Den Teppich auf den Tisch dich reinlich breiten
heißt,
Sogar den Sand zu deinen Füßen kräuseln.
O liebe Hand! so göttergleich!
Die Hütte wird durch dich ein Himmelreich.
Und hier!
Er hebt einen
Bettvorhang auf.
Was faßt mich für ein
Wonnegraus!
Hier möcht’ ich volle Stunden säumen.
Natur! Hier bildetest in leichten Träumen
Den eingebornen Engel aus;
Hier lag das Kind! mit warmem Leben
Den zarten Busen angefüllt,
Und hier mit heilig reinem Weben
Entwirkte sich das Götterbild!
Und du! Was hat dich hergeführt?
Wie innig fühl’ ich mich gerührt!
Was willst du hier? Was wird das Herz dir
schwer?
Armsel’ger Faust! ich kenne dich nicht mehr.
Umgiebt mich hier ein
Zauberduft?
Mich drang’s so g’rade zu genießen,
Und fühle mich in Liebestraum zerfließen!
Sind wir ein Spiel von jedem Druck der Luft?
Und träte sie den Augenblick
herein,
Wie würdest du für deinen Frevel büßen!
Der große Hans, ach wie so klein!
Läg’, hingeschmolzen, ihr zu Füßen.
Mephistopheles
Geschwind! ich seh’ sie unten kommen.
Faust
Fort! Fort! Ich kehre nimmermehr!
Mephistopheles
Hier ist ein Kästchen leidlich schwer,
Ich hab’s wo anders hergenommen.
Stellt’s hier nur immer in den Schrein,
Ich schwör’ euch, ihr vergehn die Sinnen;
Ich that euch Sächelchen hinein,
Um eine andre zu gewinnen.
Zwar Kind ist Kind und Spiel ist Spiel.
Faust
Ich weiß nicht, soll ich?
Mephistopheles
Fragt ihr viel?
Meint ihr vielleicht den Schatz zu wahren?
Dann rath’ ich eurer Lüsternheit
Die liebe schöne Tageszeit,
Und mir die weitre Müh’ zu sparen.
Ich hoff’ nicht daß ihr geitzig seyd!
Ich kratz’ den Kopf, reib’ an den Händen –
Er stellt das Kästchen
in den Schrein und drückt das Schloß wieder zu.
Nur fort! geschwind! –
Um euch das süße junge Kind
Nach Herzens Wunsch und Will’ zu wenden;
Und ihr seht drein,
Als solltet ihr in den Hörsal hinein,
Als stünd’ leibhaftig vor euch da
Physik und Metaphysika!
Nur fort! –
ab
Margarete
mit einer
Lampe
Es ist so schwül, so dumpfig hie,
Sie macht das
Fenster auf.
Und ist doch eben so warm nicht drauß’.
Es wird mir so, ich weiß’ nicht
wie –
Ich wollt’, die Mutter käm’ nach Haus.
Mir läuft ein Schauer über’n Leib –
Bin doch ein thöricht furchtsam Weib!
Sie fängt an zu singen,
indem sie sich auszieht.
Es war ein König in Thule
Gar treu bis an das Grab,
Dem sterbend seine Buhle
Einen goldnen Becher gab.
Es ging ihm nichts darüber,
Er leert ihn jeden Schmaus;
Die Augen gingen ihm über,
So oft er trank daraus.
Und als er kam zu sterben,
Zählt’ er seine Städt’ im Reich,
Gönnt’ alles seinem Erben,
Den Becher nicht zugleich.
Er saß beym Königsmahle,
Die Ritter um ihn her,
Auf hohem Väter-Saale,
Dort auf dem Schloß am Meer.
Dort stand der alte Zecher,
Trank letzte Lebensgluth,
Und warf den heiligen Becher
Hinunter in die Fluth.
Er sah ihn stürzen, trinken
Und sinken tief ins Meer,
Die Augen thäten ihm sinken,
Trank nie einen Tropfen mehr.
Sie eröffnet den
Schrein, ihre Kleider einzuräumen, und erblickt
das Schmuckkästchen.
Wie kommt das schöne Kästchen hier herein?
Ich schloß doch ganz gewiß den Schrein.
Es ist doch wunderbar! Was mag wohl drinne seyn?
Vielleicht bracht’s jemand als ein Pfand,
Und meine Mutter lieh darauf.
Da hängt ein Schlüsselchen am Band,
Ich denke wohl, ich mach’ es auf!
Was ist das? Gott im Himmel! schau,
So was hab’ ich mein’ Tage nicht gesehn!
Ein Schmuck! Mit dem könnt’ eine Edelfrau
Am höchsten Feiertage gehn.
Wie sollte mir die Kette stehn?
Wem mag die Herrlichkeit gehören?
Sie putzt sich
damit auf und tritt vor den Spiegel.
Wenn nur die Ohrring’ meine wären!
Man sieht doch gleich ganz anders drein.
Was hilft euch Schönheit, junges Blut?
Das ist wohl alles schön und gut,
Allein man läßt’s auch alles seyn;
Man lobt euch halb mit Erbarmen.
Nach Golde drängt,
Am Golde hängt
Doch alles. Ach wir Armen!
Spazirgang
Faust in Gedanken auf und ab
gehend. Zu ihm Mephistopheles
Mephistopheles
Bey aller verschmähten Liebe! Beym höllischen
Elemente!
Ich wollt’, ich wüßte ’was ärgers, daß ich’s fluchen
könnte!
Faust
Was hast? was kneipt dich denn so sehr?
So kein Gesicht sah’ ich in meinem Leben!
Mephistopheles
Ich möcht’ mich gleich dem Teufel übergeben,
Wenn ich nur selbst kein Teufel wär’!
Faust
Hat sich dir was im Kopf verschoben?
Dich kleidet’s, wie ein Rasender zu toben!
Mephistopheles
Denkt nur, den Schmuck für Gretchen angeschafft,
Den hat ein Pfaff hinweggerafft! –
Die Mutter kriegt das Ding zu schauen,
Gleich fängt’s ihr heimlich an zu grauen:
Die Frau hat gar einen feinen Geruch,
Schnuffelt immer im Gebetbuch,
Und riecht’s einem jeden Möbel an,
Ob das Ding heilig ist oder profan;
Und an dem Schmuck da spürt sie’s klar,
Daß dabey nicht viel Segen war.
Mein Kind, rief sie, ungerechtes Gut
Befängt die Seele, zehrt auf das Blut.
Wollen’s der Mutter Gottes weihen,
Wird uns mit Himmels-Manna erfreuen!
Margretlein zog ein schiefes Maul,
Ist halt, dacht’ sie, ein geschenkter Gaul,
Und wahrlich! gottlos ist nicht der,
Der ihn so fein gebracht hierher.
Die Mutter ließ einen Pfaffen kommen;
Der hatte kaum den Spaß vernommen,
Ließ sich den Anblick wohl behagen.
Er sprach: So ist man recht gesinnt!
Wer überwindet der gewinnt.
Die Kirche hat einen guten Magen,
Hat ganze Länder aufgefressen,
Und doch noch nie sich übergessen;
Die Kirch’ allein, meine lieben Frauen,
Kann ungerechtes Gut verdauen.
Faust
Das ist ein allgemeiner Brauch,
Ein Jud’ und König kann es auch.
Mephistopheles
Strich drauf ein Spange, Kett’ und Ring’,
Als wären’s eben Pfifferling’,
Dankt’ nicht weniger und nicht mehr,
Als ob’s ein Korb voll Nüsse wär’,
Versprach ihnen allen himmlischen Lohn –
Und sie waren sehr erbaut davon.
Faust
Und Gretchen?
Mephistopheles
Sitzt nun unruhvoll,
Weiß weder was sie will noch soll,
Denkt an’s Geschmeide Tag und Nacht,
Noch mehr an den, der’s ihr gebracht.
Faust
Des Liebchens Kummer thut mir leid.
Schaff’ du ihr gleich ein neu Geschmeid’!
Am ersten war ja so nicht viel.
Mephistopheles
O ja, dem Herrn ist alles Kinderspiel!
Faust
Und mach’, und richt’s nach meinem Sinn!
Häng’ dich an ihre Nachbarinn.
Sey Teufel doch nur nicht wie Brey,
Und schaff’ einen neuen Schmuck herbey!
Mephistopheles
Ja, gnäd’ger Herr, von Herzen gerne.
Faust ab
Mephistopheles
So ein verliebter Thor verpufft
Euch Sonne, Mond und alle Sterne
Zum Zeitvertreib dem Liebchen in die Luft.
ab
Der
Nachbarinn Haus
Marthe
allein
Gott verzeih’s meinem lieben Mann,
Er hat an mir nicht wohl gethan!
Geht da stracks in die Welt hinein,
Und läßt mich auf dem Stroh allein.
Thät’ ihn doch wahrlich nicht betrüben,
Thät’ ihn, weiß Gott, recht herzlich lieben.
Sie weint.
Vielleicht ist er gar todt! – O Pein! – –
Hätt’ ich nur einen Todtenschein!
Margarete kommt
Margarete
Frau Marthe!
Marthe
Gretelchen, was soll’s?
Margarete
Fast sinken mir die Kniee nieder!
Da find’ ich so ein Kästchen wieder
In meinem Schrein, von Ebenholz,
Und Sachen herrlich ganz und gar,
Weit reicher als das erste war.
Marthe
Das muß sie nicht der Mutter sagen;
Thät’s wieder gleich zur Beichte tragen.
Margarete
Ach seh’ sie nur! ach schau’ sie nur!
Marthe
putzt sie auf
O du glücksel’ge Creatur!
Margarete
Darf mich, leider, nicht auf der Gassen,
Noch in der Kirche mit sehen lassen.
Marthe
Komm du nur oft zu mir herüber,
Und leg’ den Schmuck hier heimlich an;
Spazier’ ein Stündchen lang dem Spiegelglas vorüber,
Wir haben unsre Freude dran;
Und dann gibt’s einen Anlaß, gibt’s ein Fest,
Wo man’s so nach und nach den Leuten sehen läßt.
Ein Kettchen erst, die Perle dann in’s Ohr;
Die Mutter sieht’s wohl nicht, man macht ihr auch was
vor.
Margarete
Wer konnte nur die beyden Kästchen bringen?
Es geht nicht zu mit rechten Dingen!
Es klopft.
Margarete
Ach Gott! mag das meine Mutter seyn?
Marthe
durchs Vorhängel
guckend
Es ist ein fremder Herr – Herein!
Mephistopheles tritt auf
Mephistopheles
Bin so frey g’rad’ herein zu treten,
Muß bey den Frauen Verzeihn erbeten.
Tritt ehrerbietig vor
Margareten zurück
Wollte nach Frau Marthe Schwerdlein fragen!
Marthe
Ich bin’s, was hat der Herr zu sagen?
Mephistopheles
leise zu ihr
Ich kenne Sie jetzt, mir ist das genug;
Sie hat da gar vornehmen Besuch.
Verzeiht die Freyheit die ich genommen,
Will Nachmittage wieder kommen.
Marthe
laut
Denk’, Kind, um alles in der Welt!
Der Herr dich für ein Fräulein hält.
Margarete
Ich bin ein armes junges Blut;
Ach Gott! der Herr ist gar zu gut:
Schmuck und Geschmeide sind nicht mein.
Mephistopheles
Ach, es ist nicht der Schmuck allein;
Sie hat ein Wesen, einen Blick so scharf!
Wie freut mich’s, daß ich bleiben darf.
Marthe
Was bringt Er denn? Verlange sehr –
Mephistopheles
Ich wollt’ ich hätt’ eine frohere Mähr’!
Ich hoffe, Sie läßt mich’s drum nicht büßen:
Ihr Mann ist todt und läßt Sie grüßen.
Marthe
Ist todt? das treue Herz! O weh!
Mein Mann ist todt! Ach ich vergeh’!
Margarete
Ach! liebe Frau, verzweifelt nicht!
Mephistopheles
So hört die traurige Geschicht’!
Margarete
Ich möchte drum mein’ Tag’ nicht lieben,
Würde mich Verlust zu Tode betrüben.
Mephistopheles
Freud’ muß Leid, Leid muß Freude haben.
Marthe
Erzählt mir seines Lebens Schluß!
Mephistopheles
Er liegt in Padua begraben
Bey’m heiligen Antonius,
An einer wohlgeweihten Stätte
Zum ewig kühlen Ruhebette.
Marthe
Habt ihr sonst nichts an mich zu bringen?
Mephistopheles
Ja, eine Bitte, groß und schwer;
Laß Sie doch ja für ihn dreyhundert Messen singen!
Im übrigen sind meine Taschen leer.
Marthe
Was! nicht ein Schaustück? Kein Geschmeid’?
Was jeder Handwerksbursch im Grund des Säckels
spart,
Zum Angedenken aufbewahrt,
Und lieber hungert lieber bettelt!
Mephistopheles
Madam, es thut mir herzlich leid;
Allein er hat sein Geld wahrhaftig nicht verzettelt.
Auch er bereute seine Fehler sehr,
Ja, und bejammerte sein Unglück noch viel mehr.
Margarete
Ach! daß die Menschen so unglücklich sind!
Gewiß ich will für ihn manch Requiem noch beten.
Mephistopheles
Ihr wäret werth, gleich in die Eh’ zu treten:
Ihr seyd ein liebenswürdig Kind.
Margarete
Ach nein, das geht jetzt noch nicht an.
Mephistopheles
Ist’s nicht ein Mann, sey’s derweil’ ein Galan.
’s ist eine der größten Himmelsgaben,
So ein lieb Ding im Arm zu haben.
Margarete
Das ist des Landes nicht der Brauch.
Mephistopheles
Brauch oder nicht! es gibt sich auch.
Marthe
Erzählt mir doch!
Mephistopheles
Ich stand an seinem Sterbebette,
Es war was besser als von Mist,
Von halbgefaultem Stroh; allein er starb als Christ,
Und fand, daß er weit mehr noch auf der Zeche hätte.
Wie, rief er, muß ich mich von Grund aus hassen,
So mein Gewerb, mein Weib so zu verlassen!
Ach! die Erinnerung tödtet mich.
Vergäb’ sie mir nur noch in diesem Leben! –
Marthe
weinend
Der gute Mann! ich hab’ ihm längst vergeben.
Mephistopheles
Allein, weiß Gott! sie war mehr Schuld als ich.
Marthe
Das lügt er! Was! am Rand des Grab’s zu lügen!
Mephistopheles
Er fabelte gewiß in letzten Zügen,
Wenn ich nur halb ein Kenner bin.
Ich hatte, sprach er, nicht zum Zeitvertreib zu
gaffen,
Erst Kinder, und dann Brot für sie zu schaffen,
Und Brot im allerweit’sten Sinn,
Und konnte nicht einmal mein Theil in Frieden essen.
Marthe
Hat er so aller Treu’, so aller Lieb’ vergessen,
Der Plackerey bey Tag und Nacht!
Mephistopheles
Nicht doch, er hat euch herzlich dran gedacht.
Er sprach: Als ich nun weg von Malta ging,
Da betet’ ich für Frau und Kinder brünstig;
Uns war denn auch der Himmel günstig,
Daß unser Schiff ein Türkisch Fahrzeug fing,
Das einen Schatz des großen Sultans führte.
Da ward der Tapferkeit ihr Lohn,
Und ich empfing denn auch, wie sich’s gebührte,
Mein wohlgemess’nes Theil davon.
Marthe
Ey wie? Ey wo? Hat er’s vielleicht vergraben?
Mephistopheles
Wer weiß, wo nun es die vier Winde haben.
Ein schönes Fräulein nahm sich seiner an,
Als er in Napel fremd umher spazirte;
Sie hat an ihm viel Lieb’s und Treu’s gethan,
Daß er’s bis an sein selig Ende spürte.
Marthe
Der Schelm! der Dieb an seinen Kindern!
Auch alles Elend, alle Noth
Konnt’ nicht sein schändlich Leben hindern!
Mephistopheles
Ja seht! dafür ist er nun todt.
Wär’ ich nun jetzt an eurem Platze;
Betraurt’ ich ihn ein züchtig Jahr,
Visirte dann unterweil’ nach einem neuen Schatze.
Marthe
Ach Gott! wie doch mein erster war,
Find’ ich nicht leicht auf dieser Welt den andern!
Es konnte kaum ein herziger Närrchen seyn.
Er liebte nur das allzuviele Wandern,
Und fremde Weiber, und fremden Wein,
Und das verfluchte Würfelspiel.
Mephistopheles
Nun, nun, so konnt’ es gehn und stehen,
Wenn er euch ungefähr so viel
Von seiner Seite nachgesehen.
Ich schwör’ euch zu, mit dem Beding
Wechselt’ ich selbst mit euch den Ring!
Marthe
O es beliebt dem Herrn zu scherzen!
Mephistopheles
für sich
Nun mach’ ich mich bey Zeiten fort!
Die hielte wohl den Teufel selbst beym Wort.
zu Gretchen
Wie steht es denn mit Ihrem Herzen?
Margarete
Was meint der Herr damit?
Mephistopheles
für sich
Du gut’s, unschuldig’s Kind!
Laut
Lebt wohl ihr Frauen!
Margarete
Lebt wohl!
Marthe
O sagt mir doch geschwind!
Ich möchte gern ein Zeugniß haben,
Wo, wie und wann mein Schatz gestorben und begraben.
Ich bin von je der Ordnung Freund gewesen,
Möcht’ ihn auch todt im Wochenblättchen lesen.
Mephistopheles
Ja, gute Frau, durch zweyer Zeugen Mund
Wird allerwegs die Wahrheit kund;
Habe noch gar einen feinen Gesellen,
Den will ich euch vor den Richter stellen.
Ich bring’ ihn her.
Marthe
O thut das ja!
Mephistopheles
Und hier die Jungfrau ist auch da? –
Ein braver Knab’! ist viel gereis’t,
Fräuleins alle Höflichkeit erweis’t.
Margarete
Müßte vor dem Herren schamroth werden.
Mephistopheles
Vor keinem Könige der Erden.
Marthe
Da hinter’m Haus in meinem Garten
Wollen wir der Herrn heut’ Abend warten.
Straße
Faust.
Mephistopheles
Faust
Wie ist’s? Will’s fördern? Will’s bald gehn?
Mephistopheles
Ah bravo! Find’ ich euch in Feuer?
In kurzer Zeit ist Gretchen euer.
Heut’ Abend sollt ihr sie bey Nachbar’ Marthen sehn:
Das ist ein Weib wie auserlesen
Zum Kuppler- und Zigeunerwesen!
Faust
So recht!
Mephistopheles
Doch wird auch was von uns begehrt.
Faust
Ein Dienst ist wohl des andern werth.
Mephistopheles
Wir legen nur ein gültig Zeugniß nieder,
Daß ihres Ehherrn ausgereckte Glieder
In Padua an heil’ger Stätte ruhn.
Faust
Sehr klug! Wir werden erst die Reise machen müssen!
Mephistopheles
Sancta Simplicitas! darum ist’s
nicht zu thun;
Bezeugt nur ohne viel zu wissen.
Faust
Wenn Er nichts bessers hat, so ist der Plan
zerrissen.
Mephistopheles
O heil’ger Mann! Da wär’t ihr’s nun!
Ist es das erstemal in eurem Leben,
Daß ihr falsch Zeugniß abgelegt?
Habt ihr von Gott, der Welt und was sich d’rin
bewegt,
Vom Menschen, was sich ihm in Kopf und Herzen regt,
Definitionen nicht mit großer Kraft gegeben?
Mit frecher Stirne, kühner Brust?
Und wollt ihr recht in’s Innre gehen,
Habt ihr davon, ihr müßt es g’rad’ gestehen,
So viel als von Herrn Schwerdleins Tod gewußt!
Faust
Du bist und bleibst ein Lügner, ein Sophiste.
Mephistopheles
Ja, wenn man’s nicht ein Bißchen tiefer wüßte.
Denn morgen wirst in allen Ehren
Das arme Gretchen nicht bethören,
Und alle Seelenlieb’ ihr schwören?
Faust
Und zwar von Herzen.
Mephistopheles
Gut und schön!
Dann wird von ewiger Treu’ und Liebe,
Von einzig überallmächt’gem Triebe –
Wird das auch so von Herzen gehn?
Faust
Laß das! Es wird! – Wenn ich empfinde,
Für das Gefühl, für das Gewühl
Nach Namen suche, keinen finde,
Dann durch die Welt mit allen Sinnen schweife,
Nach allen höchsten Worten greife,
Und diese Gluth, von der ich brenne,
Unendlich, ewig, ewig nenne,
Ist das ein teuflisch Lügenspiel?
Mephistopheles
Ich hab’ doch Recht!
Faust
Hör’! merk’ dir dieß –
Ich bitte dich, und schone meine Lunge –
Wer Recht behalten will und hat nur eine Zunge,
Behält’s gewiß.
Und komm’, ich hab’ des Schwätzens Überdruß,
Denn du hast Recht, vorzüglich weil ich muß.
Garten
Margarete an Faustens Arm,
Marthe mit Mephistopheles auf und ab spazirend
Margarete
Ich fühl’ es wohl, daß mich der Herr nur schont,
Herab sich läßt, mich zu beschämen.
Ein Reisender ist so gewohnt
Aus Gütigkeit fürlieb zu nehmen,
Ich weiß zu gut, daß solch’ erfahrnen Mann
Mein arm Gespräch nicht unterhalten kann.
Faust
Ein Blick von dir, Ein Wort mehr unterhält,
Als alle Weisheit dieser Welt.
Er küßt ihre
Hand.
Margarete
Incommodirt euch nicht! Wie könnt ihr sie nur
küssen?
Sie ist so garstig, ist so rauh!
Was hab’ ich nicht schon alles schaffen müssen!
Die Mutter ist gar zu genau.
Gehn vorüber
Marthe
Und ihr, mein Herr, ihr reis’t so immer fort?
Mephistopheles
Ach, daß Gewerb’ und Pflicht uns dazu treiben!
Mit wie viel Schmerz verläßt man manchen Ort,
Und darf doch nun einmal nicht bleiben!
Marthe
In raschen Jahren geht’s wohl an,
So um und um frey durch die Welt zu streifen;
Doch kömmt die böse Zeit heran,
Und sich als Hagestolz allein zum Grab’ zu
schleifen,
Das hat noch keinem wohl gethan.
Mephistopheles
Mit Grausen seh’ ich das von weiten.
Marthe
Drum, werther Herr, berathet euch in Zeiten.
Gehn vorüber
Margarete
Ja, aus den Augen aus dem Sinn!
Die Höflichkeit ist euch geläufig;
Allein ihr habt der Freunde häufig,
Sie sind verständiger als ich bin.
Faust
O Beste! glaube, was man so verständig nennt,
Ist oft mehr Eitelkeit und Kurzsinn.
Margarete
Wie?
Faust
Ach, daß die Einfalt, daß die Unschuld nie
Sich selbst und ihren heil’gen Werth erkennt!
Daß Demuth, Niedrigkeit, die höchsten Gaben
Der liebevoll austheilenden Natur –
Margarete
Denkt ihr an mich ein Augenblickchen nur,
Ich werde Zeit genug an euch zu denken haben.
Faust
Ihr seyd wohl viel allein?
Margarete
Ja, unsre Wirthschaft ist nur klein,
Und doch will sie versehen seyn.
Wir haben keine Magd; muß kochen, fegen, stricken
Und nähn, und laufen früh und spat;
Und meine Mutter ist in allen Stücken
So accurat!
Nicht daß sie just so sehr sich einzuschränken hat;
Wir könnten uns weit eh’r als andre regen:
Mein Vater hinterließ ein hübsch Vermögen,
Ein Häuschen und ein Gärtchen vor der Stadt.
Doch hab’ ich jetzt so ziemlich stille Tage;
Mein Bruder ist Soldat,
Mein Schwesterchen ist todt.
Ich hatte mit dem Kind wohl meine liebe Noth;
Doch übernähm’ ich gern noch einmal alle Plage,
So lieb war mir das Kind.
Faust
Ein Engel, wenn dir’s glich.
Margarete
Ich zog es auf, und herzlich liebt’ es mich.
Es war nach meines Vaters Tod geboren.
Die Mutter gaben wir verloren,
So elend wie sie damals lag,
Und sie erholte sich sehr langsam, nach und nach.
Da konnte sie nun nicht d’ran denken
Das arme Würmchen selbst zu tränken,
Und so erzog ich’s ganz allein,
Mit Milch und Wasser; so ward’s mein.
Auf meinem Arm, in meinem Schoos
War’s freundlich, zappelte, ward groß.
Faust
Du hast gewiß das reinste Glück empfunden.
Margarete
Doch auch gewiß gar manche schwere Stunden.
Des Kleinen Wiege stand zu Nacht
An meinem Bett’, es durfte kaum sich regen,
War ich erwacht;
Bald mußt’ ich’s tränken, bald es zu mir legen,
Bald, wenn’s nicht schwieg, vom Bett’ aufstehn,
Und tänzelnd in der Kammer auf und nieder gehn,
Und früh am Tage schon am Waschtrog stehn;
Dann auf dem Markt und an dem Herde sorgen,
Und immer fort wie heut so morgen.
Da geht’s, mein Herr, nicht immer muthig zu;
Doch schmeckt dafür das Essen, schmeckt die Ruh.
Gehn vorüber
Marthe
Die armen Weiber sind doch übel dran:
Ein Hagestolz ist schwerlich zu bekehren.
Mephistopheles
Es käme nur auf eures gleichen an,
Mich eines bessern zu belehren.
Marthe
Sagt g’rad’, mein Herr, habt ihr noch nichts
gefunden?
Hat sich das Herz nicht irgendwo gebunden?
Mephistopheles
Das Sprichwort sagt: Ein eigner Herd,
Ein braves Weib, sind Gold und Perlen werth.
Marthe
Ich meine, ob ihr niemals Lust bekommen?
Mephistopheles
Man hat mich überall recht höflich aufgenommen.
Marthe
Ich wollte sagen: ward’s nie Ernst in eurem Herzen?
Mephistopheles
Mit Frauen soll man sich nie unterstehn zu scherzen.
Marthe
Ach, ihr versteht mich nicht!
Mephistopheles
Das thut mir herzlich leid!
Doch ich versteh’ – daß ihr sehr gütig seyd.
Gehn vorüber
Faust
Du kanntest mich, o kleiner Engel, wieder,
Gleich als ich in den Garten kam?
Margarete
Saht ihr es nicht? ich schlug die Augen nieder.
Faust
Und du verzeihst die Freyheit, die ich nahm?
Was sich die Frechheit unterfangen,
Als du jüngst aus dem Dom gegangen.
Margarete
Ich war bestürzt, mir war das nie geschehn;
Es konnte niemand von mir übels sagen.
Ach, dacht’ ich, hat er in deinem Betragen
Was freches, unanständiges gesehn?
Es schien ihn gleich nur anzuwandeln,
Mit dieser Dirne g’rade hin zu handeln.
Gesteh’ ich’s doch! Ich wußte nicht was sich
Zu eurem Vortheil hier zu regen gleich begonnte;
Allein gewiß, ich war recht bös’ auf mich,
Daß ich auf euch nicht böser werden konnte.
Faust
Süß Liebchen!
Margarete
Laßt einmal!
Sie pflückt eine
Sternblume und zupft die Blätter ab, eins nach
dem andern.
Faust
Was soll das? Einen Strauß?
Margarete
Nein, es soll nur ein Spiel.
Faust
Wie?
Margarete
Geht! ihr lacht mich aus.
Sie rupft und
murmelt.
Faust
Was murmelst du?
Margarete
halb laut
Er liebt mich – liebt mich nicht.
Faust
Du holdes Himmels-Angesicht!
Margarete
fährt fort
Liebt mich – Nicht – Liebt mich – Nicht –
Das lezte Blatt
ausrupfend, mit holder Freude
Er liebt mich!
Faust
Ja, mein Kind! Laß dieses
Blumenwort
Dir Götter-Ausspruch seyn. Er liebt dich!
Verstehst du, was das heißt? Er liebt dich!
Er faßt ihre beyden
Hände.
Margarete
Mich überläuft’s!
Faust
O schaudre nicht! Laß diesen Blick,
Laß diesen Händedruck dir sagen,
Was unaussprechlich ist:
Sich hinzugeben ganz und eine Wonne
Zu fühlen, die ewig seyn muß!
Ewig! – Ihr Ende würde Verzweiflung seyn.
Nein, kein Ende! Kein Ende!
Margarete
drückt ihm die Hände, macht sich los und läuft weg. Er steht
einen Augenblick in Gedanken, dann folgt er ihr.
Marthe
kommend
Die Nacht bricht an.
Mephistopheles
Ja, und wir wollen fort.
Marthe
Ich bät’ euch länger hier zu bleiben,
Allein es ist ein gar zu böser Ort.
Es ist als hätte niemand nichts zu treiben
Und nichts zu schaffen,
Als auf des Nachbarn Schritt und Tritt zu gaffen,
Und man kommt in’s Gered’, wie man sich immer
stellt.
Und unser Pärchen?
Mephistopheles
Ist den Gang dort aufgeflogen.
Muthwill’ge Sommervögel!
Marthe
Er scheint ihr gewogen.
Mephistopheles
Und sie ihm auch. Das ist der Lauf der Welt.
Ein
Gartenhäuschen
Margarete springt herein, steckt
sich hinter die Thür, hält die Fingerspitze an die Lippen, und
guckt durch die Ritze.
Margarete
Er kommt!
Faust
kommt
Ach Schelm, so neckst du mich!
Treff’ ich dich!
Er küßt sie.
Margarete
ihn fassend und den
Kuß zurück gebend
Bester Mann! von Herzen lieb’ ich dich!
Mephistopheles klopft an
Faust
stampfend
Wer da?
Mephistopheles
Gut Freund!
Faust
Ein Thier!
Mephistopheles
Es ist wohl Zeit zu scheiden.
Marthe
kommt
Ja, es ist spät, mein Herr.
Faust
Darf ich euch nicht geleiten?
Margarete
Die Mutter würde mich – Lebt wohl!
Faust
Muß ich denn gehn?
Lebt wohl!
Marthe
Ade!
Margarete
Auf baldig Wiedersehn!
Faust und Mephistopheles
ab
Margarete
Du lieber Gott! was so ein Mann
Nicht alles alles denken kann!
Beschämt nur steh’ ich vor ihm da,
Und sag’ zu allen Sachen ja.
Bin doch ein arm unwissend Kind,
Begreife nicht was er an mir find’t.
ab
Wald und
Höhle
Faust
allein
Erhabner Geist, du gabst mir, gabst mir alles,
Warum ich bat. Du hast mir nicht umsonst
Dein Angesicht im Feuer zugewendet.
Gabst mir die herrliche Natur zum Königreich,
Kraft, sie zu fühlen, zu genießen. Nicht
Kalt staunenden Besuch erlaubst du nur,
Vergönnest mir in ihre tiefe Brust,
Wie in den Busen eines Freund’s, zu schauen.
Du führst die Reihe der Lebendigen
Vor mir vorbey, und lehrst mich meine Brüder
Im stillen Busch, in Luft und Wasser kennen.
Und wenn der Sturm im Walde braus’t und knarrt,
Die Riesenfichte, stürzend, Nachbaräste
Und Nachbarstämme, quetschend, nieder streift,
Und ihrem Fall dumpf hohl der Hügel donnert;
Dann führst du mich zur sichern Höhle, zeigst
Mich dann mir selbst, und meiner eignen Brust
Geheime tiefe Wunder öffnen sich.
Und steigt vor meinem Blick der reine Mond
Besänftigend herüber; schweben mir
Von Felsenwänden, aus dem feuchten Busch,
Der Vorwelt silberne Gestalten auf,
Und lindern der Betrachtung strenge Lust.
O daß dem Menschen nichts
Vollkomm’nes wird,
Empfind’ ich nun. Du gabst zu dieser Wonne,
Die mich den Göttern nah’ und näher bringt,
Mir den Gefährten, den ich schon nicht mehr
Entbehren kann, wenn er gleich, kalt und frech,
Mich vor mir selbst erniedrigt, und zu Nichts,
Mit einem Worthauch, deine Gaben wandelt.
Er facht in meiner Brust ein wildes Feuer
Nach jenem schönen Bild geschäftig an.
So tauml’ ich von Begierde zu Genuß,
Und im Genuß verschmacht’ ich nach Begierde.
Mephistopheles tritt auf
Mephistopheles
Habt ihr nun bald das Leben g’nug geführt?
Wie kann’s euch in die Länge freuen?
Es ist wohl gut, daß man’s einmal probirt;
Dann aber wieder zu was neuen!
Faust
Ich wollt’, du hättest mehr zu thun,
Als mich am guten Tag zu plagen.
Mephistopheles
Nun nun! ich laß’ dich gerne ruhn,
Du darfst mir’s nicht im Ernste sagen.
An dir Gesellen unhold, barsch und toll,
Ist wahrlich wenig zu verlieren.
Den ganzen Tag hat man die Hände voll!
Was ihm gefällt und was man lassen soll,
Kann man dem Herrn nie an der Nase spüren.
Faust
Das ist so just der rechte Ton!
Er will noch Dank, daß er mich ennüyirt.
Mephistopheles
Wie hätt’st du, armer Erdensohn,
Dein Leben ohne mich geführt?
Vom Kribskrabs der Imagination
Hab’ ich dich doch auf Zeiten lang curirt;
Und wär’ ich nicht, so wär’st du schon
Von diesem Erdball abspazirt.
Was hast du da in Höhlen, Felsenritzen
Dich wie ein Schuhu zu versitzen?
Was schlurfst aus dumpfem Moos und triefendem
Gestein,
Wie eine Kröte, Nahrung ein?
Ein schöner, süßer Zeitvertreib!
Dir steckt der Doctor noch im Leib.
Faust
Verstehst du, was für neue Lebenskraft
Mir dieser Wandel in der Öde schafft?
Ja, würdest du es ahnden können,
Du wärest Teufel g’nug mein Glück mir nicht zu
gönnen.
Mephistopheles
Ein überirdisches Vergnügen!
In Nacht und Thau auf den Gebirgen liegen,
Und Erd und Himmel wonniglich umfassen,
Zu einer Gottheit sich aufschwellen lassen,
Der Erde Mark mit Ahndungsdrang durchwühlen,
Alle sechs Tagewerk’ im Busen fühlen,
In stolzer Kraft ich weiß nicht was genießen,
Bald liebewonniglich in alles überfließen,
Verschwunden ganz der Erdensohn,
Und dann die hohe Intuition –
Mit einer
Geberde
Ich darf nicht sagen wie – zu schließen.
Faust
Pfuy über dich!
Mephistopheles
Das will euch nicht behagen;
Ihr habt das Recht gesittet pfuy zu sagen.
Man darf das nicht vor keuschen Ohren nennen,
Was keusche Herzen nicht entbehren können.
Und kurz und gut, ich gönn’ Ihm das Vergnügen,
Gelegentlich sich etwas vorzulügen;
Doch lange hält Er das nicht aus.
Du bist schon wieder abgetrieben,
Und, währt es länger, aufgerieben
In Tollheit oder Angst und Graus.
Genug damit! dein Liebchen sitzt dadrinne,
Und alles wird ihr eng’ und trüb’.
Du kommst ihr gar nicht aus dem Sinne,
Sie hat dich übermächtig lieb.
Erst kam deine Liebeswuth übergeflossen,
Wie vom geschmolznen Schnee ein Bächlein übersteigt;
Du hast sie ihr in’s Herz gegossen,
Nun ist dein Bächlein wieder seicht.
Mich dünkt, anstatt in Wäldern zu thronen,
Ließ es dem großen Herren gut,
Das arme affenjunge Blut
Für seine Liebe zu belohnen.
Die Zeit wird ihr erbärmlich lang;
Sie steht am Fenster, sieht die Wolken ziehn
Über die alte Stadtmauer hin.
Wenn ich ein Vöglein wär’! so geht ihr Gesang
Tagelang, halbe Nächte lang.
Einmal ist sie munter, meist betrübt,
Einmal recht ausgeweint,
Dann wieder ruhig, wie’s scheint,
Und immer verliebt.
Faust
Schlange! Schlange!
Mephistopheles
für sich
Gelt! daß ich dich fange!
Faust
Verruchter! hebe dich von hinnen,
Und nenne nicht das schöne Weib!
Bring’ die Begier zu ihrem süßen Leib
Nicht wieder vor die halb verrückten Sinnen!
Mephistopheles
Was soll es denn? Sie meint, du seyst entfloh’n,
Und halb und halb bist du es schon.
Faust
Ich bin ihr nah’, und wär’ ich noch so fern,
Ich kann sie nie vergessen, nie verlieren;
Ja, ich beneide schon den Leib des Herrn,
Wenn ihre Lippen ihn indeß berühren.
Mephistopheles
Gar wohl, mein Freund! Ich hab’ euch oft beneidet
Um’s Zwillingspaar, das unter Rosen weidet.
Faust
Entfliehe, Kuppler!
Mephistopheles
Schön! Ihr schimpft und ich muß lachen.
Der Gott, der Bub’ und Mädchen schuf,
Erkannte gleich den edelsten Beruf,
Auch selbst Gelegenheit zu machen.
Nur fort, es ist ein großer Jammer!
Ihr sollt in eures Liebchens Kammer,
Nicht etwa in den Tod.
Faust
Was ist die Himmelsfreud’ in ihren Armen?
Laß mich an ihrer Brust erwarmen!
Fühl’ ich nicht immer ihre Noth?
Bin ich der Flüchtling nicht? der Unbehaus’te?
Der Unmensch ohne Zweck und Ruh?
Der wie ein Wassersturz von Fels zu Felsen braus’te
Begierig wüthend nach dem Abgrund zu.
Und seitwärts sie, mit kindlich dumpfen Sinnen,
Im Hüttchen auf dem kleinen Alpenfeld,
Und all ihr häusliches Beginnen
Umfangen in der kleinen Welt.
Und ich, der Gottverhaßte, hatte nicht genug,
Daß ich die Felsen faßte
Und sie zu Trümmern schlug!
Sie, ihren Frieden mußt’ ich untergraben!
Du, Hölle, mußtest dieses Opfer haben!
Hilf, Teufel, mir die Zeit der Angst verkürzen,
Was muß geschehn, mag’s gleich geschehn!
Mag ihr Geschick auf mich zusammenstürzen
Und sie mit mir zu Grunde gehn!
Mephistopheles
Wie’s wieder siedet, wieder glüht!
Geh’ ein und tröste sie, du Thor!
Wo so ein Köpfchen keinen Ausgang sieht,
Stellt er sich gleich das Ende vor.
Es lebe wer sich tapfer hält!
Du bist doch sonst so ziemlich eingeteufelt.
Nichts abgeschmackters find’ ich auf der Welt,
Als einen Teufel der verzweifelt.
Gretchens
Stube
Gretchen
am Spinnrade
allein
Meine Ruh’ ist hin,
Mein Herz ist schwer,
Ich finde sie nimmer
Und nimmermehr.
Wo ich ihn nicht hab’
Ist mir das Grab,
Die ganze Welt
Ist mir vergällt.
Mein armer Kopf
Ist mir verrückt,
Mein armer Sinn
Ist mir zerstückt.
Meine Ruh’ ist hin,
Mein Herz ist schwer,
Ich finde sie nimmer
Und nimmermehr.
Nach ihm nur schau’ ich
Zum Fenster hinaus,
Nach ihm nur geh’ ich
Aus dem Haus.
Sein hoher Gang,
Sein’ edle Gestalt,
Seines Mundes Lächeln,
Seiner Augen Gewalt,
Und seiner Rede
Zauberfluß,
Sein Händedruck,
Und ach sein Kuß!
Meine Ruh’ ist hin,
Mein Herz ist schwer,
Ich finde sie nimmer
Und nimmermehr.
Mein Busen drängt
Sich nach ihm hin,
Ach dürft’ ich fassen
Und halten ihn!
Und küssen ihn
So wie ich wollt’,
An seinen Küssen
Vergehen sollt’!
Marthens
Garten
Margarete.
Faust
Margarete
Versprich mir, Heinrich!
Faust
Was ich kann!
Margarete
Nun sag’, wie hast du’s mit der Religion?
Du bist ein herzlich guter Mann,
Allein ich glaub’, du hält’st nicht viel davon.
Faust
Laß das, mein Kind! du fühlst, ich bin dir gut;
Für meine Lieben ließ’ ich Leib und Blut,
Will niemand sein Gefühl und seine Kirche rauben.
Margarete
Das ist nicht recht, man muß d’ran glauben!
Faust
Muß man?
Margarete
Ach! wenn ich etwas auf dich könnte!
Du ehrst auch nicht die heil’gen Sacramente.
Faust
Ich ehre sie.
Margarete
Doch ohne Verlangen.
Zur Messe, zur Beichte bist du lange nicht gegangen.
Glaubst du an Gott?
Faust
Mein Liebchen, wer darf sagen,
Ich glaub’ an Gott?
Magst Priester oder Weise fragen,
Und ihre Antwort scheint nur Spott
Über den Frager zu seyn.
Margarete
So glaubst du nicht?
Faust
Mißhör’ mich nicht, du holdes Angesicht!
Wer darf ihn nennen?
Und wer bekennen:
Ich glaub’ ihn.
Wer empfinden?
Und sich unterwinden
Zu sagen: ich glaub’ ihn nicht.
Der Allumfasser,
Der Allerhalter,
Faßt und erhält er nicht
Dich, mich, sich selbst?
Wölbt sich der Himmel nicht dadroben?
Liegt die Erde nicht hierunten fest?
Und steigen freundlich blickend
Ewige Sterne nicht herauf?
Schau’ ich nicht Aug’ in Auge dir,
Und drängt nicht alles
Nach Haupt und Herzen dir,
Und webt in ewigem Geheimniß
Unsichtbar sichtbar neben dir?
Erfüll’ davon dein Herz, so groß es ist,
Und wenn du ganz in dem Gefühle selig bist,
Nenn’ es dann wie du willst,
Nenn’s Glück! Herz! Liebe! Gott!
Ich habe keinen Nahmen
Dafür! Gefühl ist alles;
Name ist Schall und Rauch,
Umnebelnd Himmelsgluth.
Margarete
Das ist alles recht schön und gut;
Ungefähr sagt das der Pfarrer auch,
Nur mit ein Bißchen andern Worten.
Faust
Es sagen’s aller Orten
Alle Herzen unter dem himmlischen Tage,
Jedes in seiner Sprache;
Warum nicht ich in der meinen?
Margarete
Wenn man’s so hört, möcht’s leidlich scheinen,
Steht aber doch immer schief darum;
Denn du hast kein Christenthum.
Faust
Lieb’s Kind!
Margarete
Es thut mir lang’ schon weh,
Daß ich dich in der Gesellschaft seh’.
Faust
Wie so?
Margarete
Der Mensch, den du da bey dir hast,
Ist mir in tiefer inn’rer Seele verhaßt:
Es hat mir in meinem Leben
So nichts einen Stich in’s Herz gegeben,
Als des Menschen widrig Gesicht.
Faust
Liebe Puppe, fürcht’ ihn nicht!
Margarete
Seine Gegenwart bewegt mir das Blut.
Ich bin sonst allen Menschen gut;
Aber, wie ich mich sehne dich zu schauen,
Hab’ ich vor dem Menschen ein heimlich Grauen,
Und halt’ ihn für einen Schelm dazu!
Gott verzeih’ mir’s, wenn ich ihm Unrecht thu’!
Faust
Es muß auch solche Käuze geben.
Margarete
Wollte nicht mit seines Gleichen leben!
Kommt er einmal zur Thür herein,
Sieht er immer so spöttisch drein,
Und halb ergrimmt;
Man sieht, daß er an nichts keinen Antheil nimmt;
Es steht ihm an der Stirn’ geschrieben,
Daß er nicht mag eine Seele lieben.
Mir wird’s so wohl in deinem Arm,
So frey, so hingegeben warm,
Und seine Gegenwart schnürt mir das Inn’re zu.
Faust
Du ahndungsvoller Engel du!
Margarete
Das übermannt mich so sehr,
Daß, wo er nur mag zu uns treten,
Meyn’ ich sogar, ich liebte dich nicht mehr.
Auch wenn er da ist, könnt’ ich nimmer beten,
Und das frißt mir in’s Herz hinein;
Dir, Heinrich, muß es auch so seyn.
Faust
Du hast nun die Antipathie!
Margarete
Ich muß nun fort.
Faust
Ach kann ich nie
Ein Stündchen ruhig dir am Busen hängen,
Und Brust an Brust und Seel’ in Seele drängen?
Margarete
Ach wenn ich nur alleine schlief!
Ich ließ dir gern heut Nacht den Riegel offen;
Doch meine Mutter schläft nicht tief,
Und würden wir von ihr betroffen,
Ich wär’ gleich auf der Stelle todt!
Faust
Du Engel, das hat keine Noth.
Hier ist ein Fläschchen! Drey Tropfen nur
In ihren Trank umhüllen
Mit tiefem Schlaf gefällig die Natur.
Margarete
Was thu’ ich nicht um deinetwillen?
Es wird ihr hoffentlich nicht schaden!
Faust
Würd’ ich sonst, Liebchen, dir es rathen?
Margarete
Seh’ ich dich, bester Mann, nur an,
Weiß nicht was mich nach deinem Willen treibt,
Ich habe schon so viel für dich gethan,
Daß mir zu thun fast nichts mehr übrig bleibt.
ab
Mephistopheles tritt auf
Mephistopheles
Der Grasaff’! ist er weg?
Faust
Hast wieder spionirt?
Mephistopheles
Ich hab’s ausführlich wohl vernommen.
Herr Doctor wurden da katechisirt;
Hoff’ es soll Ihnen wohl bekommen.
Die Mädels sind doch sehr interessirt,
Ob einer fromm und schlicht nach altem Brauch.
Sie denken, duckt er da, folgt er uns eben auch.
Faust
Du Ungeheuer siehst nicht ein,
Wie diese treue liebe Seele
Von ihrem Glauben voll,
Der ganz allein
Ihr selig machend ist, sich heilig quäle,
Daß sie den liebsten Mann verloren halten soll.
Mephistopheles
Du übersinnlicher, sinnlicher Freyer,
Ein Mägdelein nasführet dich.
Faust
Du Spottgeburt von Dreck und Feuer!
Mephistopheles
Und die Physiognomie versteht sie meisterlich.
In meiner Gegenwart wird’s ihr sie weiß nicht wie,
Mein Mäskchen da weissagt verborgnen Sinn;
Sie fühlt, daß ich ganz sicher ein Genie,
Vielleicht wohl gar der Teufel bin.
Nun heute Nacht –?
Faust
Was geht dich’s an?
Mephistopheles
Hab’ ich doch meine Freude d’ran!
Am
Brunnen
Gretchen und Lieschen
mit Krügen
Lieschen
Hast nichts von Bärbelchen gehört?
Gretchen
Kein Wort. Ich komm’ gar wenig unter Leute.
Lieschen
Gewiß, Sibylle sagt’ mir’s heute!
Die hat sich endlich auch bethört.
Das ist das Vornehmthun!
Gretchen
Wie so?
Lieschen
Es stinkt!
Sie füttert zwey, wenn sie nun ißt und trinkt.
Gretchen
Ach!
Lieschen
So ist’s ihr endlich recht ergangen.
Wie lange hat sie an dem Kerl gehangen!
Das war ein Spaziren,
Auf Dorf und Tanzplatz Führen,
Mußt’ überall die erste seyn,
Curtesirt’ ihr immer mit Pastetchen und Wein;
Bild’t sich was auf ihre Schönheit ein,
War doch so ehrlos sich nicht zu schämen
Geschenke von ihm anzunehmen.
War ein Gekos’ und ein Geschleck’;
Da ist denn auch das Blümchen weg!
Gretchen
Das arme Ding!
Lieschen
Bedauerst sie noch gar!
Wenn unser eins am Spinnen war,
Uns Nachts die Mutter nicht hinunterließ;
Stand sie bey ihrem Buhlen süß,
Auf der Thürbank und im dunkeln Gang
Ward’ ihnen keine Stunde zu lang.
Da mag sie denn sich ducken nun,
Im Sünderhemdchen Kirchbuß’ thun!
Gretchen
Er nimmt sie gewiß zu seiner Frau.
Lieschen
Er wär’ ein Narr! Ein flinker Jung’
Hat anderwärts noch Luft genung.
Er ist auch fort.
Gretchen
Das ist nicht schön!
Lieschen
Kriegt sie ihn, soll’s ihr übel gehn.
Das Kränzel reißen die Buben ihr,
Und Häckerling streuen wir vor die Thür!
ab
Gretchen
nach Hause
gehend
Wie konnt’ ich sonst so tapfer schmählen,
Sah ich ein armes Mägdlein fehlen!
Wie konnt’ ich über andrer Sünden
Nicht Worte g’nug der Zunge finden!
Wie schien mir’s schwarz, und schwärzt’s noch gar,
Mir’s immer doch nicht schwarz g’nug war,
Und segnet’ mich und that so groß,
Und bin nun selbst der Sünde bloß!
Doch – alles was dazu mich trieb,
Gott! war so gut! ach war so lieb!
Zwinger
In der Mauerhöhle ein
Andachtsbild der Mater dolorosa, Blumenkrüge davor
Gretchen
steckt frische Blumen
in die Krüge
Ach neige,
Du Schmerzenreiche,
Dein Antlitz gnädig meiner Noth!
Das Schwert im Herzen,
Mit tausend Schmerzen
Blickst auf zu deines Sohnes Tod.
Zum Vater blickst du,
Und Seufzer schickst du
Hinauf um sein’ und deine Noth.
Wer fühlet,
Wie wühlet
Der Schmerz mir im Gebein?
Was mein armes Herz hier banget,
Was es zittert, was verlanget,
Weißt nur du, nur du allein!
Wohin ich immer gehe,
Wie weh, wie weh, wie wehe
Wird mir im Busen hier!
Ich bin ach kaum alleine,
Ich wein’, ich wein’, ich weine,
Das Herz zerbricht in mir.
Die Scherben vor meinem Fenster
Bethaut’ ich mit Thränen, ach!
Als ich am frühen Morgen
Dir diese Blumen brach.
Schien hell in meine Kammer
Die Sonne früh herauf,
Saß ich in allem Jammer
In meinem Bett’ schon auf.
Hilf! rette mich von Schmach und Tod!
Ach neige,
Du Schmerzenreiche,
Dein Antlitz gnädig meiner Noth!
Nacht
Straße vor
Gretchens Thüre
Valentin
Soldat, Gretchens
Bruder
Wenn ich saß bey einem Gelag,
Wo mancher sich berühmen mag,
Und die Gesellen mir den Flor
Der Mägdlein laut gepriesen vor,
Mit vollem Glas das Lob verschwemmt,
Den Ellenbogen aufgestemmt;
Saß ich in meiner sichern Ruh
Hört’ all’ dem Schwadroniren zu.
Und streiche lächelnd meinen Bart,
Und kriege das volle Glas zur Hand
Und sage: alles nach seiner Art!
Aber ist eine im ganzen Land,
Die meiner trauten Gretel gleicht,
Die meiner Schwester das Wasser reicht?
Top! Top! Kling! Klang! das ging herum!
Die einen schrieen: er hat Recht,
Sie ist die Zier vom ganzen Geschlecht!
Da saßen alle die Lober stumm.
Und nun! – um’s Haar sich auszuraufen
Und an den Wänden hinauf zu laufen! –
Mit Stichelreden, Naserümpfen
Soll jeder Schurke mich beschimpfen!
Soll wie ein böser Schuldner sitzen,
Bey jedem Zufallswörtchen schwitzen!
Und möcht’ ich sie zusammenschmeißen;
Könnt’ ich sie doch nicht Lügner heißen.
Was kommt heran? Was schleicht
herbey?
Irr’ ich nicht, es sind ihrer zwey.
Ist er’s, gleich pack’ ich ihn beym Felle,
Soll nicht lebendig von der Stelle!
Faust.
Mephistopheles
Faust
Wie von dem Fenster dort der Sakristey
Aufwärts der Schein des ewigen Lämpchens flämmert
Und schwach und schwächer seitwärts dämmert,
Und Finsterniß drängt ringsum bey!
So sieht’s in meinem Busen nächtig.
Mephistopheles
Und mir ist’s wie dem Kätzlein schmächtig,
Das an den Feuerleitern schleicht,
Sich leis’ dann um die Mauern streicht.
Mir ist’s ganz tugendlich dabey,
Ein Bißchen Diebsgelüst, ein Bißchen Rammeley.
So spukt mir schon durch alle Glieder
Die herrliche Walpurgisnacht.
Die kommt uns übermorgen wieder,
Da weiß man doch warum man wacht.
Faust
Rückt wohl der Schatz indessen in die Höh’?
Den ich dorthinten flimmern seh’.
Mephistopheles
Du kannst die Freude bald erleben,
Das Kesselchen herauszuheben.
Ich schielte neulich so hinein,
Sind herrliche Löwenthaler drein.
Faust
Nicht ein Geschmeide? Nicht ein Ring?
Meine liebe Buhle damit zu zieren.
Mephistopheles
Ich sah dabey wohl so ein Ding,
Als wie eine Art von Perlenschnüren.
Faust
So ist es recht! Mir thut es weh,
Wenn ich ohne Geschenke zu ihr geh’.
Mephistopheles
Es sollt’ euch eben nicht verdrießen
Umsonst auch etwas zu genießen.
Jetzt da der Himmel voller Sterne glüht,
Sollt ihr ein wahres Kunststück hören:
Ich sing’ ihr ein moralisch Lied,
Um sie gewisser zu bethören.
Singt zur
Zither
Was machst du mir
Vor Liebchens Thür
Cathrinchen hier
Bey frühem Tagesblicke?
Laß, laß es seyn!
Er läßt dich ein
Als Mädchen ein,
Als Mädchen nicht zurücke.
Nehmt euch in Acht!
Ist es vollbracht,
Dann gute Nacht
Ihr armen, armen Dinger!
Habt ihr euch lieb,
Thut keinem Dieb
Nur nichts zu Lieb’,
Als mit dem Ring am Finger.
Valentin
tritt vor
Wen lockst du hier? beym Element!
Vermaledeyter Rattenfänger!
Zum Teufel erst das Instrument!
Zum Teufel hinter drein den Sänger!
Mephistopheles
Die Zither ist entzwey! an der ist nichts zu halten.
Valentin
Nun soll es an ein Schedelspalten!
Mephistopheles
zu Faust
Herr Doctor nicht gewichen! Frisch!
Hart an mich an, wie ich euch führe.
Heraus mit eurem Flederwisch!
Nur zugestoßen! ich parire.
Valentin
Parire den!
Mephistopheles
Warum denn nicht?
Valentin
Auch den!
Mephistopheles
Gewiß!
Valentin
Ich glaub’ der Teufel ficht!
Was ist denn das? Schon wird die Hand mir lahm.
Mephistopheles
zu Faust
Stoß zu!
Valentin
fällt
O weh!
Mephistopheles
Nun ist der Lümmel zahm!
Nun aber fort! Wir müssen gleich verschwinden:
Denn schon entsteht ein mörderlich Geschrey.
Ich weiß mich trefflich mit der Polizey,
Doch mit dem Blutbann schlecht mich abzufinden.
Marthe
am Fenster
Heraus! Heraus!
Gretchen
am Fenster
Herbey ein Licht!
Marthe
wie oben
Man schilt und rauft, man schreit und ficht.
Volk
Da liegt schon einer todt!
Marthe
heraustretend
Die Mörder sind sie denn entflohn?
Gretchen
heraustretend
Wer liegt hier?
Volk
Deiner Mutter Sohn.
Gretchen
Allmächtiger! welche Noth!
Valentin
Ich sterbe! das ist bald gesagt
Und bälder noch gethan.
Was steht ihr Weiber, heult und klagt?
Kommt her und hört mich an!
Alle treten um
ihn.
Mein Gretchen sieh! du bist noch jung,
Bist gar noch nicht gescheidt genung,
Machst deine Sachen schlecht.
Ich sag’ dir’s im Vertrauen nur:
Du bist doch nun einmal eine Hur’;
So sey’s auch eben recht.
Gretchen
Mein Bruder! Gott! Was soll mir das?
Valentin
Laßt unsern Herr Gott aus dem Spaß.
Geschehn ist leider nun geschehn,
Und wie es gehn kann, so wird’s gehn.
Du fingst mit Einem heimlich an,
Bald kommen ihrer mehre dran,
Und wenn dich erst ein Dutzend hat,
So hat dich auch die ganze Stadt.
Wenn erst die Schande wird
geboren,
Wird sie heimlich zur Welt gebracht,
Und man zieht den Schleyer der Nacht
Ihr über Kopf und Ohren;
Ja, man möchte sie gern ermorden.
Wächst sie aber und macht sich groß,
Dann geht sie auch bey Tage bloß,
Und ist doch nicht schöner geworden.
Je häßlicher wird ihr Gesicht,
Je mehr sucht sie des Tageslicht.
Ich seh’ wahrhaftig schon die
Zeit,
Daß alle brave Bürgersleut’
Wie von einer angesteckten Leichen
Von dir, du Metze! seitab weichen.
Dir soll das Herz im Leib verzagen!
Wenn sie dir in die Augen sehn.
Sollst keine goldne Kette mehr tragen!
In der Kirche nicht mehr am Altar stehn!
In einem schönen Spitzenkragen
Dich nicht beym Tanze wohlbehagen!
In eine finstre Jammerecken
Unter Bettler und Krüpel dich verstecken,
Und wenn dir denn auch Gott verzeiht,
Auf Erden seyn vermaledeyt!
Marthe
Befehlt eure Seele Gott zu Gnaden!
Wollt ihr noch Lästrung auf euch laden?
Valentin
Könnt’ ich dir nur an den dürren Leib
Du schändlich kupplerisches Weib!
Da hofft’ ich aller meiner Sünden
Vergebung reiche Maß zu finden.
Gretchen
Mein Bruder! Welche Höllenpein!
Valentin
Ich sage, laß die Thränen seyn!
Da du dich sprachst der Ehre los,
Gabst mir den schwersten Herzensstoß.
Ich gehe durch den Todesschlaf
Zu Gott ein als Soldat und brav.
stirbt
Dom
Amt, Orgel und Gesang
Gretchen unter vielem Volke. Böser Geist
hinter Gretchen
Böser
Geist
Wie anders, Gretchen, war dir’s,
Als du noch voll Unschuld
Hier zum Altar trat’st,
Aus dem vergriffnen Büchelchen
Gebete lalltest,
Halb Kinderspiele,
Halb Gott im Herzen!
Gretchen!
Wo steht dein Kopf?
In deinem Herzen,
Welche Missethat?
Bet’st du für deiner Mutter Seele? die
Durch dich zur langen, langen Pein hinüberschlief.
Auf deiner Schwelle wessen Blut?
– Und unter deinem Herzen
Regt sich’s nicht quillend schon,
Und ängstet dich und sich
Mit ahndungsvoller Gegenwart?
Gretchen
Weh! Weh!
Wär’ ich der Gedanken los,
Die mir herüber und hinüber gehen
Wider mich!
Chor
Dies irae, dies illa
Solvet saeclum in favilla.
Orgelton
Böser
Geist
Grimm faßt dich!
Die Posaune tönt!
Die Gräber beben!
Und dein Herz,
Aus Aschenruh’
Zu Flammenqualen
Wieder aufgeschaffen,
Bebt auf!
Gretchen
Wär’ ich hier weg!
Mir ist als ob die Orgel mir
Den Athem versetzte,
Gesang mein Herz
Im Tiefsten lös’te.
Chor
Judex ergo cum sedebit,
Quidquid latet adparebit,
Nil inultum remanebit.
Gretchen
Mir wird so eng’!
Die Mauern-Pfeiler
Befangen mich!
Das Gewölbe
Drängt mich! – Luft!
Böser
Geist
Verbirg’ dich! Sünd’ und Schande
Bleibt’ nicht verborgen.
Luft? Licht?
Weh dir!
Chor
Quid sum miser tunc dicturus?
Quem patronum rogaturus?
Cum vix justus sit securus.
Böser
Geist
Ihr Antlitz wenden
Verklärte von dir ab.
Die Hände dir zu reichen,
Schauert’s den Reinen.
Weh!
Chor
Quid sum miser tunc dicturus?
Gretchen
Nachbarin! Euer Fläschchen! –
Sie fällt in
Ohnmacht.
Walpurgisnacht
Harzgebirg
Gegend von
Schirke und Elend
Faust.
Mephistopheles
Mephistopheles
Verlangst du nicht nach einem Besenstiele?
Ich wünschte mir den allerderbsten Bock.
Auf diesem Weg sind wir noch weit vom Ziele.
Faust
So lang’ ich mich noch frisch auf meinen Beinen
fühle,
Genügt mir dieser Knotenstock.
Was hilft’s daß man den Weg verkürzt! –
Im Labyrinth der Thäler hinzuschleichen,
Dann diesen Felsen zu ersteigen,
Von dem der Quell sich ewig sprudelnd stürzt,
Das ist die Lust, die solche Pfade würzt!
Der Frühling webt schon in den Birken
Und selbst die Fichte fühlt ihn schon,
Sollt’ er nicht auch auf unsre Glieder wirken?
Mephistopheles
Fürwahr ich spüre nichts davon!
Mir ist es winterlich im Leibe,
Ich wünschte Schnee und Frost auf meiner Bahn.
Wie traurig steigt die unvollkommne Scheibe
Des rothen Monds mit später Gluth heran!
Und leuchtet schlecht, daß man bey jedem Schritte,
Vor einen Baum, vor einen Felsen rennt!
Erlaub’ daß ich ein Irrlicht bitte!
Dort seh’ ich eins, das eben lustig brennt.
He da! mein Freund! darf ich dich zu uns fodern?
Was willst du so vergebens lodern?
Sey doch so gut und leucht’ uns da hinauf!
Irrlicht
Aus Ehrfurcht, hoff’ ich, soll es mir gelingen
Mein leichtes Naturell zu zwingen,
Nur Zickzack geht gewöhnlich unser Lauf.
Mephistopheles
Ei! Ei! er denkt’s den Menschen nachzuahmen.
Geh er nur g’rad’, in’s Teufels Nahmen!
Sonst blas’ ich ihm sein Flacker-Leben aus.
Irrlicht
Ich merke wohl, ihr seyd der Herr vom Haus,
Und will mich gern nach euch bequemen.
Allein bedenkt! der Berg ist heute zaubertoll,
Und wenn ein Irrlicht euch die Wege weisen soll,
So müßt ihr’s so genau nicht nehmen.
Faust,
Mephistopheles, Irrlicht
im
Wechselgesang
In die Traum- und Zaubersphäre
Sind wir, scheint es, eingegangen.
Führ’ uns gut und mach’ dir Ehre!
Daß wir vorwärts bald gelangen,
In den weiten, öden Räumen.
Seh’ die Bäume hinter Bäumen,
Wie sie schnell vorüber rücken,
Und die Klippen, die sich bücken,
Und die langen Felsennasen,
Wie sie schnarchen, wie sie blasen!
Durch die Steine, durch den
Rasen
Eilet Bach und Bächlein nieder.
Hör’ ich Rauschen? hör’ ich Lieder?
Hör’ ich holde Liebesklage,
Stimmen jener Himmelstage?
Was wir hoffen, was wir lieben!
Und das Echo, wie die Sage
Alter Zeiten, hallet wieder.
Uhu! Schuhu! tönt es näher,
Kauz und Kibitz und der Häher,
Sind sie alle wach geblieben?
Sind das Molche durchs Gesträuche?
Lange Beine, dicke Bäuche.
Und die Wurzeln, wie die Schlangen,
Winden sich aus Fels und Sande;
Strecken wunderliche Bande,
Uns zu schrecken, uns zu fangen;
Aus belebten, derben Masern
Stecken sie Polypenfasern
Nach dem Wandrer. Und die Mäuse
Tausendfärbig, schaarenweise,
Durch das Moos und durch die Heide!
Und die Funkenwürmer fliegen,
Mit gedrängten Schwärme-Zügen,
Zum verwirrenden Geleite.
Aber sag’ mir ob wir stehen?
Oder ob wir weiter gehen?
Alles alles scheint zu drehen,
Fels und Bäume, die Gesichter
Schneiden, und die irren Lichter,
Die sich mehren, die sich blähen.
Mephistopheles
Fasse wacker meinen Zipfel!
Hier ist so ein Mittelgipfel,
Wo man mit Erstaunen sieht,
Wie im Berg der Mammon glüht.
Faust
Wie seltsam glimmert durch die Gründe
Ein morgenröthlich trüber Schein!
Und selbst bis in die tiefen Schlünde
Des Abgrunds wittert er hinein.
Da steigt ein Dampf, dort ziehen Schwaden,
Hier leuchtet Glut aus Dunst und Flor,
Dann schleicht sie wie ein zarter Faden,
Dann bricht sie wie ein Quell hervor.
Hier schlingt sie eine ganze Strecke,
Mit hundert Adern, sich durchs Thal,
Und hier in der gedrängten Ecke
Vereinzelt sie sich auf einmal.
Da sprühen Funken in der Nähe,
Wie ausgestreuter goldner Sand.
Doch schau! in ihrer ganzen Höhe
Entzündet sich die Felsenwand.
Mephistopheles
Erleuchtet nicht zu diesem Feste
Herr Mammon prächtig den Pallast?
Ein Glück daß du’s gesehen hast;
Ich spüre schon die ungestümen Gäste.
Faust
Wie ras’t die Windsbraut durch die Luft!
Mit welchen Schlägen trifft sie meinen Nacken!
Mephistopheles
Du mußt des Felsens alte Rippen packen,
Sonst stürzt sie dich hinab in dieser Schlünde
Gruft.
Ein Nebel verdichtet die Nacht.
Höre wie’s durch die Wälder kracht!
Aufgescheucht fliegen die Eulen.
Hör’ es splittern die Säulen
Ewig grüner Palläste.
Girren und Brechen der Äste
Der Stämme mächtiges Dröhnen!
Der Wurzeln Knarren und Gähnen!
Im fürchterlich verworrenen Falle
Über einander krachen sie alle,
Und durch die übertrümmerten Klüfte
Zischen und heulen die Lüfte.
Hörst du Stimmen in der Höhe?
In der Ferne in der Nähe?
Ja, den ganzen Berg entlang
Strömt ein wüthender Zaubergesang.
Hexen
im Chor
Die Hexen zu dem Brocken ziehn,
Die Stoppel ist gelb die Saat ist grün.
Dort sammelt sich der große Hauf,
Herr Urian sitzt oben auf.
So geht es über Stein und Stock
Es f—t die Hexe, es st—t der Bock.
Stimme
Die alte Baubo kommt allein,
Sie reitet auf einem Mutterschwein.
Chor
So Ehre dem, wem Ehre gebürt!
Frau Baubo vor! und angeführt!
Ein tüchtig Schwein und Mutter drauf,
Da folgt der ganze Hexenhauf.
Stimme
Welchen Weg kommst du her?
Stimme
Über’n Ilsenstein!
Da guckt’ ich der Eule ins Nest hinein.
Die macht ein Paar Augen!
Stimme
O fahre zur Hölle!
Was reit’st du so schnelle!
Stimme
Mich hat sie geschunden,
Da sieh nur die Wunden!
Hexen
Chor
Der Weg ist breit, der Weg ist lang,
Was ist das für ein toller Drang?
Die Gabel sticht, der Besen kratzt,
Das Kind erstickt, die Mutter platzt.
Hexenmeister
Halbes Chor
Wir schleichen wie die Schneck’ im Haus,
Die Weiber alle sind voraus.
Denn, geht es zu des Bösen Haus,
Das Weib hat tausend Schritt voraus.
Andre
Hälfte
Wir nehmen das nicht so genau,
Mit tausend Schritten macht’s die Frau;
Doch, wie sie auch sich eilen kann,
Mit Einem Sprunge macht’s der Mann.
Stimme
oben
Kommt mit, kommt mit, vom Felsensee!
Stimmen
von unten
Wir möchten gerne mit in die Höh’.
Wir waschen und blank sind wir ganz und gar;
Aber auch ewig unfruchtbar.
Beyde
Chöre
Es schweigt der Wind, es flieht der Stern,
Der trübe Mond verbirgt sich gern.
Im Sausen sprüht das Zauberchor
Viel tausend Feuerfunken hervor.
Stimme
von unten
Halte!
Halte!
Stimme
von oben
Wer ruft da aus
der Felsenspalte?
Stimme
unten
Nehmt mich mit! Nehmt mich mit!
Ich steige schon dreyhundert Jahr,
Und kann den Gipfel nicht erreichen.
Ich wäre gern bey meines gleichen.
Beyde
Chöre
Es trägt der Besen, trägt der Stock
Die Gabel trägt, es trägt der Bock,
Wer heute sich nicht heben kann,
Ist ewig ein verlorner Mann.
Halbhexe
unten
Ich tripple nach, so lange Zeit,
Wie sind die andern schon so weit!
Ich hab’ zu Hause keine Ruh,
Und komme hier doch nicht dazu.
Chor der
Hexen
Die Salbe giebt den Hexen Muth,
Ein Lumpen ist zum Segel gut,
Ein gutes Schiff ist jeder Trog,
Der flieget nie, der heut nicht flog.
Beyde
Chöre
Und wenn wir um den Gipfel ziehn,
So streichet an dem Boden hin,
Und deckt die Heide weit und breit
Mit eurem Schwarm der Hexenheit.
Sie lassen sich
nieder.
Mephistopheles
Das drängt und stößt, das ruscht und klappert!
Das zischt und quirlt, das zieht und plappert!
Das leuchtet, sprüht und stinkt und brennt!
Ein wahres Hexenelement!
Nur fest an mir! sonst sind wir gleich getrennt.
Wo bist du?
Faust
in der Ferne
Hier!
Mephistopheles
Was! dort schon hingerissen?
Da werd’ ich Hausrecht brauchen müssen.
Platz! Junker Voland kommt. Platz! süßer Pöbel,
Platz!
Hier, Doctor, fasse mich! und nun, in Einem Satz,
Laß uns aus dem Gedräng’ entweichen;
Es ist zu toll, sogar für meines gleichen.
Dort neben leuchtet was mit ganz besond’rem Schein,
Es zieht mich was nach jenen Sträuchen.
Komm, komm! wir schlupfen da hinein.
Faust
Du Geist des Widerspruchs! Nur zu! du magst mich
führen.
Ich denke doch das war recht klug gemacht.
Zum Brocken wandlen wir in der Walpurgisnacht,
Um uns beliebig nun hieselbst zu isoliren.
Mephistopheles
Da sieh nur welche bunten Flammen!
Es ist ein muntrer Klub beysammen.
Im Kleinen ist man nicht allein.
Faust
Doch droben möcht’ ich lieber seyn!
Schon seh’ ich Glut und Wirbelrauch.
Dort strömt die Menge zu dem Bösen;
Da muß sich manches Räthsel lösen.
Mephistopheles
Doch manches Räthsel knüpft sich auch.
Laß du die große Welt nur sausen,
Wir wollen hier im Stillen hausen.
Es ist doch lange hergebracht,
Daß in der großen Welt man kleine Welten macht.
Da seh’ ich junge Hexchen nackt und blos,
Und alte die sich klug verhüllen.
Seyd freundlich, nur um meinetwillen,
Die Müh’ ist klein, der Spaß ist groß.
Ich höre was von Instrumenten tönen!
Verflucht Geschnarr! Man muß sich dran gewöhnen.
Komm mit! Komm mit! Es kann nicht anders seyn,
Ich tret’ heran und führe dich herein,
Und ich verbinde dich aufs neue.
Was sagst du Freund? das ist kein kleiner Raum.
Da sieh nur hin! du siehst das Ende kaum.
Ein Hundert Feuer brennen in der Reihe;
Man tanzt, man schwazt, man kocht, man trinkt, man
liebt;
Nun sage mir, wo es was bessers giebt?
Faust
Willst du dich nun, um uns hier einzuführen
Als Zaub’rer oder Teufel produziren?
Mephistopheles
Zwar bin ich sehr gewohnt incognito zu gehn;
Doch läßt am Galatag man seinen Orden sehn.
Ein Knieband zeichnet mich nicht aus,
Doch ist der Pferdefuß hier ehrenvoll zu Haus.
Siehst du die Schnecke da! sie kommt herangekrochen;
Mit ihrem tastenden Gesicht
Hat sie mir schon was abgerochen.
Wenn ich auch will, verläugn’ ich hier mich nicht.
Komm nur! von Feuer gehen wir zu Feuer,
Ich bin der Werber und du bist der Freyer.
zu einigen, die um
verglimmende Kohlen sitzen
Ihr alten Herrn, was macht ihr hier am Ende?
Ich lobt’ euch, wenn ich euch hübsch in der Mitte
fände,
Von Saus umzirkt und Jugendbraus.
Genug allein ist jeder ja zu Haus.
General
Wer mag auf Nationen trauen!
Man habe noch so viel für sie gethan;
Denn bey dem Volk, wie bey den Frauen,
Steht immerfort die Jugend oben an.
Minister
Jetzt ist man von dem Rechten allzuweit,
Ich lobe mir die guten Alten;
Denn freylich, da wir alles galten,
Da war die rechte goldne Zeit.
Parvenü
Wir waren wahrlich auch nicht dumm,
Und thaten oft was wir nicht sollten;
Doch jetzo kehrt sich alles um und um,
Und eben da wir’s fest erhalten wollten.
Autor
Wer mag wohl überhaupt jetzt eine Schrift
Von mäßig klugem Inhalt lesen!
Und was das liebe junge Volk betrifft,
Das ist noch nie so naseweis gewesen.
Mephistopheles
auf einmal sehr alt
erscheint
Zum jüngsten Tag fühl’ ich das Volk gereift;
Da ich zum letztenmal den Hexenberg ersteige,
Und, weil mein Fäßchen trübe läuft;
So ist die Welt auch auf der Neige.
Trödelhexe
Ihr Herren geht nicht so vorbey!
Laßt die Gelegenheit nicht fahren!
Aufmerksam blickt nach meinen Waaren,
Es steht dahier gar mancherley.
Und doch ist nichts in meinem Laden,
Dem keiner auf der Erde gleicht,
Das nicht einmal zum tücht’gen Schaden
Der Menschen und der Welt gereicht.
Kein Dolch ist hier, von dem nicht Blut geflossen,
Kein Kelch, aus dem sich nicht, in ganz gesunden
Leib,
Verzehrend heißes Gift ergossen.
Kein Schmuck, der nicht ein liebenswürdig Weib
Verführt, kein Schwerdt das nicht den Bund
gebrochen,
Nicht etwa hinterrücks den Gegenmann durchstochen.
Mephistopheles
Frau Muhme! Sie versteht mir schlecht die Zeiten.
Gethan geschehn! Geschehn gethan!
Verleg’ sie sich auf Neuigkeiten,
Nur Neuigkeiten ziehn uns an.
Faust
Daß ich mich nur nicht selbst vergesse!
Heiß’ ich mir das doch eine Messe!
Mephistopheles
Der ganze Strudel strebt nach oben;
Du glaubst zu schieben und du wirst geschoben.
Faust
Wer ist denn das?
Mephistopheles
Betrachte sie genau!
Lilith ist das.
Faust
Wer?
Mephistopheles
Adams erste Frau.
Nimm dich in Acht vor ihren schönen Haaren,
Vor diesem Schmuck, mit dem sie einzig prangt.
Wenn sie damit den jungen Mann erlangt,
So läßt sie ihn sobald nicht wieder fahren.
Faust
Da sitzen zwey, die alte mit der jungen;
Die haben schon was rechts gesprungen!
Mephistopheles
Das hat nun heute keine Ruh.
Es geht zum neuen Tanz, nun komm! wir greifen zu.
Faust
mit der jungen
tanzend
Einst hatt’ ich einen schönen Traum;
Da sah ich einen Apfelbaum,
Zwey schöne Äpfel glänzten dran,
Sie reizten mich, ich stieg hinan.
Die
Schöne
Der Äpfelchen begehrt ihr sehr
Und schon vom Paradiese her.
Von Freuden fühl’ ich mich bewegt,
Daß auch mein Garten solche trägt
Mephistopheles
mit der Alten
Einst hatt’ ich einen wüsten Traum;
Da sah’ ich einen gespaltnen Baum,
Der hatt’ ein —
—
—;
So — es war, gefiel mir’s
doch.
Die
Alte
Ich biete meinen besten Gruß
Dem Ritter mit dem Pferdefuß!
Halt’ er einen —
— bereit,
Wenn er —
—
— nicht scheut.
Brocktophantasmist
Verfluchtes Volk! was untersteht ihr
euch?
Hat man euch lange nicht bewiesen?
Ein Geist steht nie auf ordentlichen Füßen;
Nun tanzt ihr gar, uns andern Menschen gleich!
Die
Schöne
tanzend
Was will denn der auf unserm Ball?
Faust
tanzend
Ey! der ist eben überall.
Was andre tanzen muß er schätzen.
Kann er nicht jeden Schritt beschwätzen;
So ist der Schritt so gut als nicht geschehn.
Am meisten ärgert ihn, sobald wir vorwärts gehn.
Wenn ihr euch so im Kreise drehen wolltet,
Wie er’s in seiner alten Mühle thut,
Das hieß er allenfalls noch gut;
Besonders wenn ihr ihn darum begrüßen solltet.
Brocktophantasmist
Ihr seyd noch immer da! nein das ist unerhört.
Verschwindet doch! Wir haben ja aufgeklärt.
Das Teufelspack es fragt nach keiner Regel.
Wir sind so klug und dennoch spukt’s in Tegel.
Wie lange hab’ ich nicht am Wahn hinausgekehrt
Und nie wird’s rein, das ist doch unerhört!
Die
Schöne
So hört doch auf uns hier zu ennuyiren!
Brocktophantasmist
Ich sag’s euch Geistern in’s Gesicht,
Den Geistesdespotismus leid’ ich nicht;
Mein Geist kann ihn nicht exerziren.
es wird
fortgetanzt.
Heut, seh’ ich, will mir nichts gelingen,
Doch eine Reise nehm’ ich immer mit
Und hoffe noch, vor meinem letzten Schritt,
Die Teufel und die Dichter zu bezwingen.
Mephistopheles
Er wird sich gleich in eine Pfütze
setzen,
Das ist die Art wie er sich soulagirt,
Und wenn Blutegel sich an seinem Steiß ergötzen,
Ist er von Geistern und von Geist kurirt.
zu Faust der aus dem
Tanz getreten ist
Was lässest du das schöne Mädchen fahren?
Das dir zum Tanz so lieblich sang.
Faust
Ach! mitten im Gesange sprang
Ein rothes Mäuschen ihr aus dem Munde.
Mephistopheles
Das ist was rechts! Das nimmt man nicht genau.
Genug die Maus war doch nicht grau.
Wer fragt darnach in einer Schäferstunde?
Faust
Dann sah’ ich –
Mephistopheles
Was?
Faust
Mephisto siehst du dort
Ein blasses, schönes Kind allein und ferne stehen?
Sie schiebt sich langsam nur vom Ort,
Sie scheint mit geschloßnen Füßen zu gehen.
Ich muß bekennen, daß mir däucht,
Daß sie dem guten Gretchen gleicht.
Mephistopheles
Laß das nur stehn! dabey wird’s niemand wohl.
Es ist ein Zauberbild, ist leblos, ein Idol.
Ihm zu begegnen ist nicht gut,
Vom starren Blick erstarrt des Menschen Blut,
Und er wird fast in Stein verkehrt,
Von der Meduse hast du ja gehört.
Faust
Fürwahr es sind die Augen eines Todten,
Die eine liebende Hand nicht schloß.
Das ist die Brust, die Gretchen mir geboten,
Das ist der süße Leib, den ich genoß.
Mephistopheles
Das ist die Zauberey, du leicht verführter Thor!
Denn jedem kommt sie wie sein Liebchen vor.
Faust
Welch eine Wonne! welch ein Leiden!
Ich kann von diesem Blick nicht scheiden.
Wie sonderbar muß diesen schönen Hals
Ein einzig rothes Schnürchen schmücken,
Nicht breiter als ein Messerrücken!
Mephistopheles
Ganz recht! ich seh’ es ebenfalls.
Sie kann das Haupt auch unterm Arme tragen;
Denn Perseus hat’s ihr abgeschlagen.
Nur immer diese Lust zum Wahn!
Komm doch das Hügelchen heran,
Hier ist’s so lustig wie im Prater;
Und hat man mir’s nicht angethan,
So seh’ ich wahrlich ein Theater.
Was giebt’s denn da?
Servibilis
Gleich fängt man wieder an.
Ein neues Stück, das letzte Stück von sieben,
Soviel zu geben ist allhier der Brauch.
Ein Dilettant hat es geschrieben,
Und Dilettanten spielen’s auch.
Verzeiht ihr Herrn, wenn ich verschwinde;
Mich dilettirt’s den Vorhang aufzuziehn.
Mephistopheles
Wenn ich euch auf dem Blocksberg
finde,
Das find’ ich gut; denn da gehört ihr hin.
Walpurgisnachtstraum
oder
Oberons und Titanias goldne Hochzeit
Intermezzo
Theatermeister
Heute ruhen wir einmal
Miedings wackre Söhne.
Alter Berg und feuchtes Thal,
Das ist die ganze Scene!
Herold
Daß die Hochzeit golden sey
Soll’n funfzig Jahr seyn vorüber;
Aber ist der Streit vorbey,
Das golden ist mir
lieber.
Oberon
Seyd ihr Geister wo ich bin,
So zeigt’s in diesen Stunden;
König und die Königinn,
Sie sind auf’s neu verbunden.
Puck
Kommt der Puck und dreht sich queer
Und schleift den Fuß im Reihen,
Hundert kommen hinterher
Sich auch mit ihm zu freuen.
Ariel
Ariel bewegt den Sang
In himmlisch reinen Tönen,
Viele Fratzen lockt sein Klang,
Doch lockt er auch die Schönen.
Oberon
Gatten die sich vertragen wollen,
Lernen’s von uns beyden!
Wenn sich zweye lieben sollen,
Braucht man sie nur zu scheiden.
Titania
Schmollt der Mann und grillt die Frau,
So faßt sie nur behende,
Führt mir nach dem Mittag Sie
Und Ihn an Nordens Ende.
Orchester
Tutti
Fortissimo
Fliegenschnauz’ und Mückennas’,
Mit ihren Anverwandten,
Frosch im Laub’ und Grill’ im Gras’
Das sind die Musikanten!
Solo
Seht da kommt der Dudelsack!
Es ist die Seifenblase,
Hört den Schneckeschnickeschnack
Durch seine stumpfe Nase.
Geist der
sich erst bildet
Spinnenfuß und Krötenbauch
Und Flügelchen dem Wichtchen!
Zwar ein Thierchen giebt es nicht,
Doch giebt es ein Gedichtchen.
Ein
Pärchen
Kleiner Schritt und hoher Sprung
Durch Honigthau und Düfte;
Zwar du trippelst mir genung,
Doch geht’s nicht in die Lüfte.
Neugieriger
Reisender
Ist das nicht Maskeraden-Spott?
Soll ich den Augen trauen?
Oberon den schönen Gott
Auch heute hier zu schauen!
Orthodox
Keine Klauen, keinen Schwanz!
Doch bleibt es außer Zweifel,
So wie die Götter Griechenlands,
So ist auch er ein Teufel.
Nordischer
Künstler
Was ich ergreife das ist heut
Fürwahr nur skizzenweise;
Doch ich bereite mich bey Zeit
Zur Italiän’schen Reise.
Purist
Ach! mein Unglück führt mich her.
Wie wird nicht hier geludert!
Und von dem ganzen Hexenheer
Sind zweye nur gepudert.
Junge
Hexe
Der Puder ist so wie der Rock
Für alt’ und graue Weibchen,
Drum sitz’ ich nackt auf meinem Bock
Und zeig’ ein derbes Leibchen.
Matrone
Wir haben zu viel Lebensart
Um hier mit euch zu maulen;
Doch hoff’ ich, sollt ihr jung und zart,
So wie ihr seyd verfaulen.
Capellmeister
Fliegenschnauz’ und Mückennas’
Umschwärmt mir nicht die Nackte!
Frosch im Laub’ und Grill’ im Gras’
So bleibt doch auch im Tacte!
Windfahne
nach der einen
Seite
Gesellschaft wie man wünschen kann.
Wahrhaftig lauter Bräute!
Und Junggesellen, Mann für Mann,
Die hoffnungsvollsten Leute.
Windfahne
nach der andern
Seite
Und thut sich nicht der Boden auf
Sie alle zu verschlingen,
So will ich mit behendem Lauf
Gleich in die Hölle springen.
Xenien
Als Insekten sind wir da,
Mit kleinen scharfen Scheren,
Satan unsern Herrn Papa,
Nach Würden zu verehren.
Hennings
Seht! wie sie in gedrängter Schaar
Naiv zusammen scherzen.
Am Ende sagen sie noch gar,
Sie hätten gute Herzen.
Musaget
Ich mag in diesem Hexenheer
Mich gar zu gern verlieren;
Denn freylich diese wüßt’ ich eh’r,
Als Musen anzuführen.
Ci-devant
Genius der Zeit
Mit rechten Leuten wird man was.
Komm fasse meinen Zipfel!
Der Blocksberg, wie der deutsche Parnaß,
Hat gar einen breiten Gipfel.
Neugieriger
Reisender
Sagt wie heißt der steife Mann?
Er geht mit stolzen Schritten.
Er schnopert was er schnopern kann.
„Er spürt nach Jesuiten.“
Kranich
In dem Klaren mag ich gern
Und auch im Trüben fischen,
Darum seht ihr den frommen Herrn
Sich auch mit Teufeln mischen.
Weltkind
Ja für die Frommen, glaubet mir,
Ist alles ein Vehikel,
Sie bilden auf dem Blocksberg hier
Gar manches Conventikel.
Tänzer
Da kommt ja wohl ein neues Chor?
Ich höre ferne Trommeln.
Nur ungestört! es sind im Rohr
Die unisonen Dommeln.
Dogmatiker
Ich lasse mich nicht irre schreyn,
Nicht durch Critik noch Zweifel.
Der Teufel muß doch etwas seyn;
Wie gäb’s denn sonst auch Teufel?
Idealist
Die Phantasie in meinem Sinn
Ist dießmal gar zu herrisch.
Fürwahr, wenn ich das alles bin,
So bin ich heute närrisch.
Realist
Das Wesen ist mir recht zur Qual
Und muß mich baß verdrießen;
Ich stehe hier zum erstenmal
Nicht fest auf meinen Füßen.
Supernaturalist
Mit viel Vergnügen bin ich da
Und freue mich mit diesen;
Denn von den Teufeln kann ich ja
Auf gute Geister schließen.
Skeptiker
Sie gehn den Flämmchen auf der Spur,
Und glaub’n sich nah dem Schatze.
Auf Teufel reimt der Zweifel nur,
Da bin ich recht am Platze.
Capellmeister
Frosch im Laub’ und Grill’ im Gras’
Verfluchte Dilettanten!
Fliegenschnauz’ und Mückennas’
Ihr seyd doch Musikanten!
Die
Gewandten
Sanssouci so heißt das Heer
Von lustigen Geschöpfen,
Auf den Füßen geht’s nicht mehr,
Drum gehn wir auf den Köpfen.
Die
Unbehülflichen
Sonst haben wir manchen Bissen erschranzt,
Nun aber Gott befohlen!
Unsere Schuhe sind durchgetanzt,
Wir laufen auf nackten Sohlen.
Irrlichter
Von dem Sumpfe kommen wir,
Woraus wir erst entstanden;
Doch sind wir gleich im Reihen hier
Die glänzenden Galanten.
Sternschnuppe
Aus der Höhe schoß ich her
Im Stern- und Feuerscheine,
Liege nun im Grase quer,
Wer hilft mir auf die Beine?
Die
Massiven
Platz und Platz! und ringsherum!
So gehn die Gräschen nieder,
Geister kommen, Geister auch
Sie haben plumpe Glieder.
Puck
Tretet nicht so mastig auf
Wie Elephantenkälber,
Und der plumpst’ an diesem Tag
Sey Puck der derbe selber.
Ariel
Gab die liebende Natur
Gab der Geist euch Flügel,
Folget meiner leichten Spur,
Auf zum Rosenhügel!
Orchester
pianissimo
Wolkenzug und Nebelflor
Erhellen sich von oben.
Luft im Laub und Wind im Rohr,
Und alles ist zerstoben.
Trüber
Tag
Feld
Faust.
Mephistopheles
Faust
Im
Elend! Verzweifelnd! Erbärmlich auf der Erde lange
verirrt und nun
gefangen! Als Missethäterinn im Kerker
zu entsetzlichen Qualen
eingesperrt das holde unselige Ge
schöpf!
Bis dahin! dahin! –
Verräthrischer, nichtswürdi
ger Geist, und das hast du mir
verheimlicht! – Steh nur,
steh! wälze die teuflischen Augen ingrimmend im
Kopf her
um! Steh und trutze mir durch deine unerträgliche Gegen
wart! Gefangen! Im unwiederbringlichen Elend! Bösen
Geistern übergeben und der
richtenden gefühllosen Mensch
heit! Und mich wiegst du indeß in
abgeschmackten Zerstreu
ungen, verbirgst mir ihren wachsenden
Jammer und lässest
sie hülflos verderben!
Mephistopheles
Sie ist die erste nicht.
Faust
Hund! abscheuliches Unthier! – Wandle ihn, du unendli
cher Geist! wandle den Wurm wieder in seine Hundsgestalt,
wie er sich oft nächtlicher Weise
gefiel vor mir herzutrotten,
dem harmlosen Wandrer vor die Füße zu kollern
und sich
dem
niederstürzenden auf die Schultern zu hängen. Wandl’
ihn wieder in
seine Lieblingsbildung, daß er vor mir im
Sand auf dem Bauch krieche, ich
ihn mit Füßen trete, den
Verworfnen! – die erste nicht! – Jammer! Jammer!
von keiner
Menschenseele zu fassen, daß mehr als ein Ge
schöpf in die Tiefe
dieses Elendes versank, daß nicht das erste
genugthat für die Schuld aller
übrigen in seiner windenden
Todesnoth vor den Augen des ewig Verzeihenden!
Mir
wühlt es Mark und
Leben durch das Elend dieser einzigen,
du grinsest gelassen über das
Schicksal von Tausenden hin.
Mephistopheles
Nun sind wir schon wieder an der Gränze unsres Witzes,
da wo euch
Menschen der Sinn überschnappt. Warum machst
du Gemeinschaft mit uns, wenn du
sie nicht durchführen
kannst? Willst fliegen und bist vorm Schwindel nicht sicher?
Drangen wir uns
dir auf, oder du dich uns?
Faust
Fletsche deine gefräßigen Zähne mir nicht so entgegen! Mir
eckelts! – Großer
herrlicher Geist, der du mir zu erscheinen
würdigtest, der du mein Herz
kennest und meine Seele,
warum an den Schandgesellen mich schmieden? der
sich am
Schaden
weidet und am Verderben sich letzt.
Mephistopheles
Endigst du?
Faust
Rette sie! oder weh dir! den gräßlichsten Fluch über dich
auf
Jahrtausende!
Mephistopheles
Ich kann die Bande des Rächers nicht lösen, seine Riegel
nicht öffnen. –
Rette sie! – Wer war’s, der sie ins Ver
derben
stürzte? Ich oder
du?
Faust blickt wild
umher
Mephistopheles
Greifst du nach dem Donner? Wohl, daß er euch elenden
Sterblichen nicht
gegeben ward! Den unschuldig entgegnen
den
zu zerschmettern, das
ist so Tyrannen-Art sich in Verle
genheiten
Luft zu machen.
Faust
Bringe mich hin! Sie soll frey seyn!
Mephistopheles
Und die Gefahr der du dich aussetzest? Wisse, noch liegt
auf der Stadt
Blutschuld von deiner Hand. Über des Er
schlagenen Stätte
schweben rächende Geister und lauern auf
den wiederkehrenden Mörder.
Faust
Noch das von dir? Mord und Tod einer Welt über dich
Ungeheuer! Führe
mich hin, sag’ ich, und befrey sie!
Mephistopheles
Ich führe dich und was ich thun kann, höre! Habe ich alle
Macht im Himmel
und auf Erden? Des Thürners Sinne
will ich umnebeln, bemächtige dich der Schlüssel
und führe
sie heraus
mit Menschenhand. Ich wache! die Zauberpferde
sind bereit, ich entführe euch.
Das vermag ich!
Faust
Auf und davon!
Nacht, offen Feld
Faust. Mephistopheles
auf schwarzen Pferden daher brausend
Faust
Was weben die dort um den Rabenstein?
Mephistopheles
Weiß nicht was sie kochen und schaffen.
Faust
Schweben auf, schweben ab, neigen sich, beugen sich.
Mephistopheles
Eine Hexenzunft.
Faust
Sie streuen und weihen.
Mephistopheles
Vorbey! Vorbey!
Kerker
Faust,
mit einem Bund
Schlüssel und einer Lampe, vor einem eisernen
Thürchen
Mich faßt ein längst entwohnter Schauer,
Der Menschheit ganzer Jammer faßt mich an.
Hier wohnt sie hinter dieser feuchten Mauer,
Und ihr Verbrechen war ein guter Wahn!
Du zauderst zu ihr zu gehen!
Du fürchtest sie wieder zu sehen!
Fort! dein Zagen zögert den Tod heran.
er ergreift das Schloß. Es
singt inwendig.
Meine Mutter, die Hur,
Die mich umgebracht hat!
Mein Vater, der Schelm,
Der mich gessen hat!
Mein Schwesterlein klein
Hub auf die Bein,
An einem kühlen Ort;
Da ward ich ein schönes Waldvögelein,
Fliege fort, fliege fort!
Faust
aufschließend
Sie ahndet nicht, daß der Geliebte lauscht,
Die Ketten klirren hört, das Stroh das rauscht.
er tritt ein.
Margarete
sich auf dem Lager
verbergend
Weh! Weh! Sie kommen. Bittrer Tod!
Faust
leise
Still! Still! ich komme dich zu befreyen.
Margarete
sich vor ihn
hinwälzend
Bist du ein Mensch, so fühle meine Noth.
Faust
Du wirst die Wächter aus dem Schlafe schreyen!
er faßt die Ketten, sie
aufzuschließen.
Margarete
auf den Knieen
Wer hat dir Henker diese Macht
Über mich gegeben!
Du holst mich schon um Mitternacht.
Erbarme dich und laß mich leben!
Ist’s morgen früh nicht zeitig genung?
sie steht auf.
Bin ich doch noch so jung, so jung!
Und soll schon sterben!
Schön war ich auch, und das war mein Verderben.
Nah war der Freund, nun ist er weit,
Zerrissen liegt der Kranz die Blumen zerstreut.
Fasse mich nicht so gewaltsam an!
Schone mich! Was hab’ ich dir gethan?
Laß mich nicht vergebens flehen,
Hab’ ich dich doch mein Tage nicht gesehen!
Faust
Werd’ ich den Jammer überstehen!
Margarete
Ich bin nun ganz in deiner Macht.
Laß mich nur erst das Kind noch tränken.
Ich herzt’ es diese ganze Nacht;
Sie nahmen mir’s um mich zu kränken
Und sagen nun, ich hätt’ es umgebracht.
Und niemals werd’ ich wieder froh.
Sie singen Lieder auf mich! Es ist bös von den
Leuten!
Ein altes Mährchen endigt so,
Wer heißt sie’s deuten?
Faust
wirft sich
nieder
Ein Liebender liegt dir zu Füßen
Die Jammerknechtschaft aufzuschließen.
Margarete
wirft sich zu
ihm
O laß uns knien die Heil’gen anzurufen!
Sieh! unter diesen Stufen,
Unter der Schwelle
Siedet die Hölle!
Der Böse,
Mit furchtbarem Grimme,
Macht ein Getöse!
Faust
laut
Gretchen! Gretchen!
Margarete
aufmerksam
Das war des Freundes Stimme!
Sie springt auf. Die
Ketten fallen ab.
Wo ist er? ich hab’ ihn rufen hören.
Ich bin frey! mir soll niemand wehren.
An seinen Hals will ich fliegen,
An seinem Busen liegen!
Er rief Gretchen! Er stand auf der Schwelle.
Mitten durch’s Heulen und Klappen der Hölle,
Durch den grimmigen, teuflischen Hohn,
Erkannt’ ich den süßen, den liebenden Ton.
Faust
Ich bin’s!
Margarete
Du bist’s! O sag’ es noch einmal!
ihn fassend
Er ist’s! Er ist’s! Wohin ist alle Qual?
Wohin die Angst des Kerkers? der Ketten?
Du bist’s! Kommst mich zu retten.
Ich bin gerettet! –
Schon ist die Straße wieder da,
Auf der ich dich zum erstenmale sah.
Und der heitere Garten,
Wo ich und Marthe deiner warten.
Faust
fortstrebend
Komm mit! Komm mit!
Margarete
O weile!
Weil’ ich doch so gern wo du weilest.
liebkosend
Faust
Eile!
Wenn du nicht eilest,
Werden wir’s theuer büßen müssen.
Margarete
Wie? du kannst nicht mehr küssen?
Mein Freund, so kurz von mir entfernt,
Und hast’s Küssen verlernt?
Warum wird mir an deinem Halse so bang?
Wenn sonst von deinen Worten, deinen Blicken
Ein ganzer Himmel mich überdrang,
Und du mich küßtest als wolltest du mich ersticken.
Küsse mich!
Sonst küss’ ich dich!
Sie umfaßt ihn.
O weh! deine Lippen sind kalt,
Sind stumm.
Wo ist dein Lieben
Geblieben?
Wer brachte mich drum?
sie wendet sich von
ihm.
Faust
Komm! Folge mir! Liebchen fasse Muth!
Ich herze dich mit tausendfacher Glut,
Nur folge mir! Ich bitte dich nur dieß!
Margarete
zu ihm
gewendet
Und bist du’s denn? Und bist du’s auch gewiß.
Faust
Ich bin’s! Komm mit!
Margarete
Du machst die Fesseln los,
Nimmst wieder mich in deinen Schoos.
Wie kommt es, daß du dich vor mir nicht scheust? –
Und weißt du denn, mein Freund, wen du befreyst?
Faust
Komm! komm! schon weicht die tiefe Nacht.
Margarete
Meine Mutter hab’ ich umgebracht,
Mein Kind hab’ ich ertränkt.
War es nicht dir und mir geschenkt?
Dir auch – Du bist’s! ich glaub’ es kaum.
Gieb deine Hand! Es ist kein Traum!
Deine liebe Hand! – Ach aber sie ist feucht!
Wische sie ab! Wie mich däucht
Ist Blut dran.
Ach Gott! was hast du gethan!
Stecke den Degen ein,
Ich bitte dich drum!
Faust
Laß das Vergang’ne vergangen seyn,
Du bringst mich um.
Margarete
Nein, du mußt übrig bleiben!
Ich will dir die Gräber beschreiben,
Für die mußt du sorgen
Gleich morgen;
Der Mutter den besten Platz geben,
Meinen Bruder sogleich darneben,
Mich ein wenig bey Seit’,
Nur nicht gar zu weit!
Und das Kleine mir an die rechte Brust.
Niemand wird sonst bey mir liegen! –
Mich an deine Seite zu schmiegen
Das war ein süßes, ein holdes Glück!
Aber es will mir nicht mehr gelingen,
Mir ist’s als müßt’ ich mich zu dir zwingen,
Als stießest du mich von dir zurück.
Und doch bist du’s und blickst so gut, so fromm.
Faust
Fühlst du daß ich es bin, so komm!
Margarete
Dahinaus?
Faust
In’s Freye.
Margarete
Ist das Grab drauß’,
Lauert der Tod; so komm!
Von hier in’s ewige Ruhebett
Und weiter keinen Schritt –
Du gehst nun fort? O Heinrich könnt’ ich mit!
Faust
Du kannst! So wolle nur! die Thür steht offen.
Margarete
Ich darf nicht fort; für mich ist nichts zu hoffen.
Was hilft es fliehn? sie lauern doch mir auf.
Es ist so elend betteln zu müssen,
Und noch dazu mit bösem Gewissen!
Es ist so elend in der Fremde schweifen
Und sie werden mich doch ergreifen!
Faust
Ich bleibe bey dir.
Margarete
Geschwind! Geschwind!
Rette dein armes Kind.
Fort! immer den Weg
Am Bach hinauf,
Über den Steg,
In den Wald hinein,
Links wo die Planke steht,
Im Teich.
Faß es nur gleich!
Es will sich heben,
Es zappelt noch,
Rette! rette!
Faust
Besinne dich doch!
Nur Einen Schritt, so bist du frey!
Margarete
Wären wir nur den Berg vorbey!
Da sitzt meine Mutter auf einem Stein,
Es faßt mich kalt beym Schopfe!
Da sizt meine Mutter auf einem Stein
Und wackelt mit dem Kopfe;
Sie winkt nicht, sie nickt nicht, der Kopf ist ihr
schwer,
Sie schlief so lange, sie wacht nicht mehr.
Sie schlief damit wir uns freuten.
Es waren glückliche Zeiten!
Faust
Hilft hier kein Flehen, hilft kein Sagen;
So wag’ ich’s dich hinweg zu tragen.
Margarete
Laß mich! Nein, ich leide keine Gewalt!
Fasse mich nicht so mörderisch an!
Sonst hab’ ich dir ja alles zu lieb gethan.
Faust
Der Tag graut! Liebchen! Liebchen!
Margarete
Tag! Ja es wird Tag! der letzte Tag dringt herein!
Mein Hochzeittag sollt’ es seyn!
Sag Niemand daß du schon bey Gretchen warst.
Weh meinem Kranze!
Es ist eben geschehn!
Wir werden uns wiedersehn;
Aber nicht beym Tanze.
Die Menge drängt sich, man hört sie nicht.
Der Platz, die Gassen
Können sie nicht fassen.
Die Glocke ruft, das Stäbchen bricht.
Wie sie mich binden und packen!
Zum Blutstuhl bin ich schon entrückt.
Schon zuckt nach jedem Nacken
Die Schärfe die nach meinem zückt.
Stumm liegt die Welt wie das Grab!
Faust
O wär’ ich nie geboren!
Mephistopheles
erscheint
draußen
Auf! oder ihr seyd verloren.
Unnützes Zagen! Zaudern und Plaudern!
Meine Pferde schaudern,
Der Morgen dämmert auf.
Margarete
Was steigt aus dem Boden herauf?
Der! der! Schicke ihn fort!
Was will der an dem heiligen Ort?
Er will mich!
Faust
Du sollst leben!
Margarete
Gericht Gottes! dir hab’ ich mich übergeben!
Mephistopheles
zu Faust
Komm! komm! Ich lasse dich mit ihr im Stich.
Margarete
Dein bin ich Vater! Rette mich!
Ihr Engel! Ihr heiligen Schaaren
Lagert euch umher, mich zu bewahren!
Heinrich! Mir graut’s vor dir.
Mephistopheles
Sie ist gerichtet!
Stimme
von oben
Ist gerettet!
Mephistopheles
zu Faust
Her zu mir!
verschwindet mit
Faust
Stimme
von innen,
verhallend
Heinrich! Heinrich!
Der Tragödie zweiter Theil
in fünf
Acten
Erster Act
Anmuthige Gegend
Faust auf blumigen Rasen
gebettet, ermüdet, unruhig, schlafsuchend
Dämmerung
Geister-Kreis schwebend bewegt, anmuthige kleine Gestalten
Ariel
Gesang von Äolsharfen
begleitet
Wenn der Blüten Frühlings-Regen
Über Alle schwebend sinkt,
Wenn der Felder grüner Segen
Allen Erdgebornen blinkt,
Kleiner Elfen Geistergröße
Eilet wo sie helfen kann,
Ob er heilig? ob er böse?
Jammert sie der Unglücksmann.
Die ihr dies Haupt umschwebt im luft’gen Kreise,
Erzeigt euch hier nach edler Elfen Weise,
Besänftiget des Herzens grimmen Strauß,
Entfernt des Vorwurfs glühend bittre Pfeile,
Sein Innres reinigt von erlebtem Graus.
Vier sind die Pausen nächtiger Weile,
Nun ohne Säumen füllt sie freundlich aus.
Erst senkt sein Haupt aufs kühle Polster nieder,
Dann badet ihn im Thau aus Lethe’s Fluth,
Gelenk sind bald die krampferstarrten Glieder,
Wenn er gestärkt dem Tag entgegen ruht;
Vollbringt der Elfen schönste Pflicht,
Gebt ihn zurück dem heiligen Licht.
Chor
Einzeln, zu zweyen und vielen, abwechselnd und
gesammelt
Wenn sich lau die Lüfte füllen
Um den grünumschränkten Plan,
Süße Düfte, Nebelhüllen
Senkt die Dämmerung heran.
Lispelt leise süßen Frieden
Wiegt das Herz in Kindesruh;
Und den Augen dieses Müden
Schließt des Tages Pforte zu.
Nacht ist schon hereingesunken
Schließt sich heilig Stern an Stern,
Große Lichter, kleine Funken,
Glitzern nah und glänzen fern;
Glitzern hier im See sich spiegelnd
Glänzen droben klarer Nacht,
Tiefsten Ruhens Glück besiegelnd
Herrscht des Mondes volle Pracht.
Schon verloschen sind die Stunden,
Hingeschwunden Schmerz und Glück;
Fühl’ es vor! Du wirst gesunden;
Traue neuem Tagesblick.
Thäler grünen, Hügel schwellen,
Buschen sich zu Schatten-Ruh;
Und in schwanken Silberwellen
Wogt die Saat der Erndte zu.
Wunsch um Wünsche zu erlangen
Schaue nach dem Glanze dort!
Leise bist du nur umfangen,
Schlaf ist Schaale, wirf sie fort!
Säume nicht dich zu erdreisten
Wenn die Menge zaudernd schweift;
Alles kann der Edle leisten,
Der versteht und rasch ergreift.
Ungeheures Getöse verkündet das Herannahen der
Sonne.
Ariel
Horchet! horcht! dem Sturm der Horen,
Tönend wird für Geistes-Ohren
Schon der neue Tag geboren.
Felsenthore knarren rasselnd,
Phöbus Räder rollen prasselnd,
Welch Getöse bringt das Licht!
Es trommetet, es posaunet,
Auge blinzt und Ohr erstaunet,
Unerhörtes hört sich nicht.
Schlüpfet zu den Blumenkronen,
Tiefer tiefer, still zu wohnen,
In die Felsen unters Laub;
Trifft es euch so seyd ihr taub.
Faust
Des Lebenspulse schlagen frisch lebendig,
Ätherische Dämmmerung milde zu
begrüßen;
Du Erde warst auch diese Nacht beständig
Und athmest neu erquickt zu meinen Füßen,
Beginnest schon mit Lust mich zu umgeben,
Du regst und rührst ein kräftiges Beschließen,
Zum höchsten Daseyn immerfort zu streben. –
In Dämmerschein liegt schon die Welt erschlossen,
Der Wald ertönt von tausendstimmigen Leben
Thal aus, Thal ein ist Nebelstreif ergossen,
Doch senkt sich Himmelsklarheit in die Tiefen,
Und Zweig und Äste, frisch erquickt,
entsprossen
Dem duft’gen Abgrund wo versenkt sie schliefen;
Auch Farb’ an Farbe klärt sich los vom Grunde,
Wo Blum’ und Blatt von Zitterperle triefen,
Ein Paradies wird um mich her die Runde.
Hinaufgeschaut! – Der Berge Gipfelriesen
Verkünden schon die feyerlichste Stunde,
Sie dürfen früh des ewigen Lichts genießen
Das später sich zu uns hernieder wendet.
Jetzt zu der Alpe grüngesenkten Wiesen
Wird neuer Glanz und Deutlichkeit gespendet,
Und stufenweis herab ist es gelungen; –
Sie tritt hervor! – und, leider schon geblendet,
Kehr’ ich mich weg, vom Augenschmerz durchdrungen.
So ist es also, wenn ein sehnend Hoffen
Dem höchsten Wunsch sich traulich zugerungen,
Erfüllungspforten findet flügeloffen,
Nun aber bricht aus jenen ewigen Gründen
Ein Flammen-Übermaas, wir stehn
betroffen;
Des Lebens Fackel wollten wir entzünden,
Ein Feuermeer umschlingt uns, welch’ ein Feuer!
Ist’s Lieb? Ist’s Haß? die glühend uns umwinden,
Mit Schmerz und Freuden wechselnd ungeheuer,
So daß wir wieder nach der Erde blicken,
Zu bergen uns in jugendlichstem Schleyer.
So bleibe denn die Sonne mir im Rücken!
Der Wassersturz, das Felsenriff durchbrausend,
Ihn schau’ ich an mit wachsendem Entzücken.
Von Sturz zu Sturzen wälzt er jetzt in tausend
Dann aber tausend Strömen sich ergießend,
Hoch in die Lüfte Schaum an Schäume sausend.
Allein wie herrlich diesem Sturm ersprießend,
Wölbt sich des bunten Bogens Wechsel-Dauer,
Bald rein gezeichnet, bald in Luft zerfließend,
Umher verbreitend duftig kühle Schauer.
Der spiegelt ab das menschliche
Bestreben.
Ihm sinne nach und du begreifst genauer:
Am farbigen Abglanz haben wir das Leben.
Kaiserliche Pfalz
Saal des Thrones
Staatsrath in Erwartung des
Kaisers
Trompeten
Hofgesinde aller Art prächtig
gekleidet tritt vor
Der Kaiser gelangt auf
den Thron, zu seiner Rechten der Astrolog
Kaiser
Ich grüße die Getreuen, Lieben,
Versammelt aus der Näh’ und Weite; –
Den Weisen seh ich mir zur Seite,
Allein wo ist der Narr geblieben?
Junker
Gleich hinter deiner Mantel-Schleppe
Stürzt’ er zusammen auf der Treppe,
Man trug hinweg das Fett-Gewicht
Todt oder trunken? weis man nicht.
Zweyter Junker
Sogleich mit wunderbarer Schnelle
Drängt sich ein andrer an die Stelle.
Gar köstlich ist er aufgeputzt,
Doch frazzenhaft daß
jeder stutzt;
Die Wache hält ihm an der Schwelle
Kreuzweis die Hellebarden vor –
Da ist er doch der kühne Thor!
Mephistopheles
am Throne knieend
Was ist verwünscht und stets willkommen?
Was ist ersehnt und stets verjagt?
Was immerfort in Schutz genommen?
Was hart gescholten und verklagt?
Wen darfst du nicht herbeyberufen?
Wen höret jeder gern genannt?
Was naht sich deines Thrones Stufen?
Was hat sich selbst hinweggebannt?
Kaiser
Für diesmal spare deine Worte!
Hier sind die Räthsel nicht am Orte,
Das ist die Sache dieser Herrn. –
Da löse du! das hört ich gern:
Mein alter Narr ging, fürcht’ ich, weit in’s Weite;
Nimm seinen Platz und komm an meine Seite.
Mephistopheles
steigt hinauf und stellt sich zur Linken
Gemurmel der Menge
Ein neuer Narr – Zu neuer Pein –
Wo kommt er her – Wie kam er ein –
Der Alte fiel – der hat verthan –
Es war ein Faß – Nun ists ein Span –
Kaiser
Und also ihr Getreuen,
Lieben,
Willkommen aus der Näh’ und Ferne
Ihr sammelt Euch mit günstigem Sterne
Da droben ist uns Glück und Heil geschrieben.
Doch sagt warum in diesen Tagen,
Wo wir der Sorgen uns entschlagen,
Schönbärte mummenschänzlich tragen
Und heitres nur genießen wollten,
Warum wir uns rathschlagend quälen sollten?
Doch weil ihr meynt es ging nicht anders an,
Geschehen ist’s, so sey’s gethan.
Canzler
Die höchste Tugend, wie ein Heiligen-Schein,
Umgiebt des Kaisers Haupt, nur er allein
Vermag sie gültig auszuüben:
Gerechtigkeit! – Was alle Menschen lieben,
Was alle fordern, wünschen, schwer entbehren,
Es liegt an ihm dem Volk es zu gewähren.
Doch ach! Was hilft dem Menschengeist Verstand,
Dem Herzen Güte, Willigkeit der Hand,
Wenns fieberhaft durchaus im Staate wüthet,
Und Übel sich in Übeln
überbrütet.
Wer schaut hinab von diesem hohen Raum
Ins weite Reich, ihm scheint’s ein schwerer
Traum;
Wo Mißgestalt in Mißgestalten schaltet,
Das Ungesetz gesetzlich überwaltet,
Und eine Welt des Irrthums sich entfaltet.
Der raubt sich Heerden, der ein Weib,
Kelch, Kreuz und Leuchter vom Altare,
Berühmt sich dessen manche Jahre
Mit heiler Haut, mit unverletztem Leib.
Jetzt drängen Kläger sich zur Halle,
Der Richter prunkt auf hohem Pfühl,
Indessen wogt, in grimmigem Schwalle,
Des Aufruhrs wachsendes Gewühl.
Der darf auf Schand und Frevel pochen
Der auf Mitschuldigste sich stützt,
Und: Schuldig! hörst du
ausgesprochen
Wo Unschuld nur sich selber schützt.
So will sich alle Welt zerstückeln,
Vernichtigen was sich gebührt;
Wie soll sich da der Sinn entwickeln
Der einzig uns zum Rechten führt?
Zuletzt ein wohlgesinnter Mann
Neigt sich dem Schmeichler, dem Bestecher,
Ein Richter der nicht strafen kann
Gesellt sich endlich zum Verbrecher.
Ich malte schwarz, doch dichtern Flor
Zög’ ich dem Bilde lieber vor.
Pause
Entschlüsse sind nicht zu vermeiden,
Wenn alle schädigen, alle leiden
Geht selbst die Majestät zu
Raub.
Heermeister
Wie tobt’s in diesen wilden Tagen
Ein jeder schlägt und wird erschlagen
Und fürs Commando bleibt man taub.
Der Bürger hinter seinen Mauern
Der Ritter auf dem Felsennest
Verschwuren sich uns auszudauern
Und halten ihre Kräfte fest.
Der Miethsoldat wird
ungeduldig,
Mit Ungestüm verlangt er seinen Lohn,
Und wären wir ihm nichts mehr schuldig
Er liefe ganz und gar davon.
Verbiete wer was alle wollten,
Der hat ins Wespennest gestört;
Das Reich das sie beschützen sollten,
Es liegt geplündert und verheert.
Man läßt ihr Toben wüthend hausen,
Schon ist die halbe Welt verthan;
Es sind noch Könige da draußen
Doch keiner denkt es ging ihn irgend an.
Schatzmeister
Wer wird auf Bundsgenossen pochen!
Subsidien die man uns versprochen,
Wie Röhrenwasser, bleiben aus.
Auch Herr, in deinen weiten Staaten
An wen ist der Besitz gerathen?
Wohin man kommt, da
hält ein Neuer Haus
Und unabhängig will er leben,
Zusehen muß man wie er’s treibt;
Wir haben soviel Rechte hingegeben,
Daß uns auf nichts ein Recht mehr übrig bleibt.
Auch auf Partheyen, wie sie heißen,
Ist heut zu Tage kein Verlaß;
Sie mögen schelten oder preisen,
Gleichgültig wurden Lieb und Haß.
Die Ghibellinen wie die Guelfen
Verbergen sich um auszuruhn;
Wer jetzt will seinem Nachbar helfen?
Ein jeder hat für sich zu thun.
Die Goldespforten sind verammelt,
Ein jeder krazt und scharrt und sammelt
Und unsre Cassen bleiben leer.
Marschalk
Welch Unheil muß auch ich erfahren;
Wir wollen alle Tage sparen
Und brauchen alle Tage mehr.
Und täglich wächst mir neue Pein.
Den Köchen thut kein Mangel wehe;
Wildschweine, Hirsche, Hasen, Rehe,
Welschhüner, Hühner, Gäns’ und Enten,
Die Deputate, sichre Renten,
Sie gehen noch so ziemlich ein.
Jedoch am Ende fehlt’s an Wein.
Wenn sonst im Keller Faß an Faß sich häufte,
Der besten Berg- und Jahresläufte,
So schlürft unendliches Gesäufte
Der edlen Herrn den letzten Tropfen aus.
Der Stadtrath muß sein Lager auch verzapfen,
Man greift zu Humpen, greift zu Napfen,
Und unterm Tische liegt der Schmaus.
Nun soll ich zahlen, alle lohnen;
Der Jude wird mich nicht verschonen
Der schafft Anticipationen,
Die speisen Jahr um Jahr voraus.
Die Schweine kommen nicht zu Fette,
Verpfändet ist der Pfühl im Bette,
Und auf den Tisch kommt vorgegessen Brot.
Kaiser
nach einigem Nachdenken zu
Mephistopheles
Sag, weist du Narr nicht auch noch eine Noth?
Mephistopheles
Ich keineswegs. Den Glanz umher zu
schauen,
Dich und die deinen! – Mangelte Vertrauen,
Wo Majestät unweigerlich gebeut?
Bereite Macht Feindseliges zerstreut,
Wo guter Wille, kräftig durch Verstand
Und Thätigkeit, vielfältige, zur Hand?
Was könnte da zum Unheil sich vereinen,
Zur Finsterniß wo solche Sterne scheinen?
Gemurmel
Das ist ein Schalk – ders wohl versteht –
Er lügt sich ein – So lang es geht –
Ich weis schon – Was dahinter steckt –
Und was denn weiter? – Ein Project –
Mephistopheles
Wo fehlts nicht irgendwo auf dieser Welt?
Dem dies, dem das, hier aber fehlt das Geld.
Vom Estrich zwar ist es nicht aufzuraffen;
Doch Weisheit weis das Tiefste herzuschaffen.
In Bergesadern, Mauergründen
Ist Gold gemünzt und ungemünzt zu finden,
Und fragt ihr mich wer es zu Tage schafft:
Begabten Mann’s Natur- und Geisteskraft.
Canzler
Natur und Geist – so spricht man
nicht zu Christen.
Deshalb verbrennt man Atheisten,
Weil solche Reden höchst gefährlich sind.
Natur ist Sünde, Geist ist Teufel,
Sie hegen zwischen sich den Zweifel
Ihr mißgestaltet Zwitterkind.
Uns nicht so! – Kaisers alten Landen
Sind zwey Geschlechter nur entstanden,
Sie stützen würdig seinen Thron:
Die Heiligen sind es und die Ritter;
Sie stehen jedem Ungewitter
Und nehmen Kirch’ und Staat zum Lohn.
Dem Pöbelsinn verworrener Geister
Entwickelt sich ein Widerstand,
Die Ketzer sind’s! die Hexenmeister!
Und sie verderben Stadt und
Land.
Die willst du nun mit frechen Scherzen
In diese hohen Kreise schwärzen,
Ihr hegt euch an verderbtem Herzen,
Dem Narren sind sie nah verwandt.
Mephistopheles
Daran erkenn’ ich den gelehrten Herrn!
Was ihr nicht tastet steht euch meilenfern,
Was ihr nicht faßt das fehlt euch ganz und gar,
Was ihr nicht rechnet, glaubt ihr sey nicht wahr,
Was ihr nicht wägt hat für euch kein Gewicht,
Was ihr nicht münzt das meynt ihr gelte nicht.
Kaiser
Dadurch sind unsre Mängel nicht erledigt,
Was willst du jetzt mit deiner Fastenpredigt.
Ich habe satt das ewige Wie und Wenn;
Es fehlt an Geld, nun gut so schaff’ es denn.
Mephistopheles
Ich schaffe was ihr wollt und schaffe mehr;
Zwar ist es leicht, doch ist das Leichte schwer;
Es liegt schon da, doch um es zu erlangen
Das ist die Kunst, wer weis es anzufangen?
Bedenkt doch nur: in jenen Schreckensläuften
Wo Menschenfluten Land und Volk ersäuften,
Wie der und der, so sehr es ihn erschreckte,
Sein Liebstes da-
und dort wohin versteckte.
So war’s von je in mächtiger Römer Zeit,
Und so fortan, bis gestern, ja bis heut.
Das alles liegt im Boden still begraben,
Der Boden ist des Kaisers, der soll’s haben.
Schatzmeister
Für einen Narren spricht er gar nicht schlecht,
Das ist fürwahr des alten Kaisers Recht.
Canzler
Der Satan legt euch goldgewirkte Schlingen:
Es geht nicht zu mit frommen rechten Dingen.
Marschalk
Schafft’ er uns nur zu Hof willkommne Gaben,
Ich wollte gern ein Bischen Unrecht haben.
Heermeister
Der Narr ist klug, verspricht was jedem frommt;
Fragt der Soldat doch nicht woher es kommt.
Mephistopheles
Und glaubt ihr euch vielleicht durch mich betrogen;
Hier steht ein Mann! da! fragt den Astrologen,
In Kreis’ um Kreise kennt er Stund und Haus,
So sage denn wie siehts am Himmel aus.
Gemurmel
Zwey Schelme sinds – Verstehn sich schon –
Narr und Phantast – So nah dem Thron –
Ein mattgesungen – alt Gedicht –
Der Thor bläst ein – der Weise spricht –
Astrolog
spricht,
Mephistopheles bläst ein.
Die Sonne selbst sie ist ein lautres Gold,
Merkur der Bote dient um Gunst und Sold,
Frau Venus hat’s euch allen angethan,
So früh als spat blickt sie euch lieblich an;
Die keusche Luna launet grillenhaft,
Mars trifft er nicht, so dräut euch seine Kraft.
Und Jupiter bleibt doch der schönste Schein,
Saturn ist groß, dem Auge fern und klein.
Ihn als Metall verehren wir nicht sehr,
An Werth gering, doch im Gewichte schwer.
Ja! wenn zu Sol sich Luna fein gesellt,
Zum Silber Gold, dann ist es heitre Welt,
Das Übrige ist alles zu erlangen,
Palläste, Gärten, Brüstlein, rothe Wangen,
Das alles schafft der hochgelahrte Mann
Der das vermag was unser keiner kann.
Kaiser
Ich höre doppelt was er spricht
Und dennoch überzeugt’s mich nicht.
Gemurmel
Was soll uns das – Gedroschner Spaß –
Calenderey – Chymisterey –
Das hört ich oft – Und falschgehofft –
Und kommt er auch – So ists ein Gauch –
Mephistopheles
Da stehen sie umher und staunen,
Vertrauen nicht dem hohen Fund,
Der eine faselt von Alraunen
Der andre von dem schwarzen Hund.
Was soll es daß der eine witzelt,
Ein andrer Zauberey verklagt,
Wenn ihm doch auch einmal die Sohle kitzelt
Wenn ihm der sichre Schritt versagt.
Ihr alle fühlt geheimes Wirken
Der ewig waltenden Natur,
Und aus den untersten Bezirken
Schmiegt sich herauf lebendge Spur.
Wenn es in allen Gliedern zwackt,
Wenn es unheimlich wird am Platz,
Nur gleich entschlossen grabt und hackt,
Da liegt der Spielmann, liegt der Schatz!
Gemurmel
Mir liegts im Fuß wie Bleygewicht –
Mir krampfts im Arme – das ist Gicht –
Mir krabbelts an der großen Zeh’ –
Mir thut der ganze Rücken weh –
Nach solchen Zeichen wäre hier
Das allerreichste Schatzrevier.
Kaiser
Nur eilig! du entschlüpfst nicht wieder,
Erprobe deine Lügenschäume,
Und zeig’ uns gleich die edlen Räume.
Ich lege Schwerdt und Scepter nieder,
Und will mit eignen hohen Händen,
Wenn du nicht lügst, das Werk vollenden,
Dich, wenn du lügst, zur Hölle senden!
Mephistopheles
Den Weg dahin wüßt’ allenfalls zu finden. –
Doch kann ich nicht genug verkünden
Was überall besitzlos harrend liegt.
Der Bauer der die Furche pflügt
Hebt einen Goldtopf mit der Scholle,
Salpeter hofft er von der Leimenwand
Und findet golden-goldne Rolle,
Erschreckt, erfreut in kümmerlicher Hand.
Was für Gewölbe sind zu sprengen,
In welchen Klüften, welchen Gängen
Muß sich der Schatzbewußte drängen,
Zur Nachbarschaft der Unterwelt!
In weiten, allverwahrten Kellern,
Von goldnen Humpen, Schüsseln, Tellern,
Sieht er sich Reihen aufgestellt.
Pokale stehen aus Rubinen
Und will er deren sich bedienen
Daneben liegt uraltes Naß.
Doch – werdet ihr dem Kundigen glauben –
Verfault ist längst das Holz der Tauben
Der Weinstein schuf dem Wein ein Faß.
Essenzen solcher edlen Weine,
Gold und Juwelen nicht alleine
Umhüllen sich mit Nacht und Graus.
Der Weise forscht hier unverdrossen;
Am Tag’ erkennen das sind Possen,
Im Finstern sind Mysterien zu Haus.
Kaiser
Die laß ich dir! Was will das Düstre frommen?
Hat etwas Werth, es muß zu Tage kommen.
Wer kennt den Schelm in tiefer Nacht genau?
Schwarz sind die Kühe, so die Katzen grau.
Die Töpfe drunten, voll von Goldgewicht;
Zieh’ deinen Pflug, und ackre sie ans Licht.
Mephistopheles
Nimm Hack’ und Spaten grabe selber,
Die Bauernarbeit macht dich groß,
Und eine Heerde goldner Kälber
Sie reißen sich vom Boden los.
Dann ohne Zaudern, mit Entzücken,
Kannst du dich selbst, wirst die Geliebte schmücken;
Ein leuchtend Farb- und Glanzgestein erhöht
Die Schönheit wie die Majestät.
Kaiser
Nur gleich, nur gleich! Wie lange soll es währen!
Astrolog
wie oben
Herr mäßige solch dringendes Begehren,
Laß erst vorbey das bunte Freudenspiel;
Zerstreutes Wesen führt uns nicht zum Ziel.
Erst müssen wir in
Fassung uns versühnen,
Das Untre durch das Obere verdienen.
Wer Gutes will der sey erst gut;
Wer Freude will besänftige sein Blut;
Wer Wein verlangt der keltre reife Trauben,
Wer Wunder hofft der stärke seinen Glauben.
Kaiser
So sey die Zeit in Fröhlichkeit verthan!
Und ganz erwünscht kommt Aschermittwoch an.
Indessen feyern wir, auf jeden Fall,
Nur lustiger das wilde Carneval.
Trompeten, Exeunt
Mephistopheles
Wie sich Verdienst und Glück verketten
Das fällt den Thoren niemals ein;
Wenn sie den Stein der Weisen hätten
Der Weise mangelte dem Stein.
Weitläufiger Saal, mit Nebengemächern, verziert
und aufgeputzt zur Mummenschanz
Herold
Denkt nicht ihr seyd in deutschen Gränzen
Von Teufels-, Narren- und Todtentänzen,
Ein heitres Fest erwartet euch.
Der Herr, auf seinen Römerzügen
Hat, sich zu Nutz, euch zum Vergnügen,
Die hohen Alpen überstiegen,
Gewonnen sich ein heitres Reich.
Der Kaiser, er, an heiligen Solen,
Erbat sich erst das Recht zur Macht,
Und als er ging die Krone sich zu holen,
Hat er uns auch die Kappe mitgebracht.
Nun sind wir alle neugeboren;
Ein jeder weltgewandte Mann
Zieht sie behaglich über Kopf und Ohren;
Sie ähnlet ihn verrückten Thoren,
Er ist darunter weise wie er kann.
Ich sehe schon wie sie sich schaaren,
Sich schwankend sondern, traulich paaren;
Zudringlich schließt sich Chor an Chor.
Herein, hinaus, nur unverdrossen;
Es bleibt doch endlich nach wie vor,
Mit ihren hunderttausend Possen,
Die Welt ein einziger großer Thor.
Gärtnerinnen
Gesang begleitet von
Mandolinen
Euren Beyfall zu gewinnen
Schmückten wir uns diese Nacht,
Junge Florentinerinnen
Folgten deutschen Hofes Pracht;
Tragen wir in braunen Locken
Mancher heiteren Blume Zier,
Seidenfäden, Seidenflocken
Spielen ihre Rolle hier.
Denn wir halten es verdienstlich,
Lobenswürdig ganz und gar,
Unsere Blumen, glänzend künstlich,
Blühen fort das ganze Jahr.
Allerley gefärbten Schnitzeln
Ward symmetrisch Recht gethan;
Mögt ihr Stück für Stück bewitzeln,
Doch das Ganze zieht euch an.
Niedlich sind wir anzuschauen,
Gärtnerinnen und galant;
Denn das Naturell der Frauen
Ist so nah mit Kunst verwandt
Herold
Laßt die reichen Körbe sehen
Die ihr auf den Häupten traget,
Die sich bunt am Arme blähen,
Jeder wähle was behaget.
Eilig daß in Laub und Gängen
Sich ein Garten offenbare,
Würdig sind sie zu umdrängen
Krämerinnen wie die Waare.
Gärtnerinnen
Feilschet nun am heitern Orte,
Doch kein Markten finde statt!
Und mit sinnig kurzem Worte
Wisse jeder was er hat.
Olivenzweig mit Früchten
Keinen Blumenflor beneid’ ich,
Allen Widerstreit vermeid’ ich;
Mir ists gegen die Natur.
Bin ich doch das Mark der Lande,
Und, zum sichern Unterpfande,
Friedenszeichen jeder Flur.
Heute, hoff’
ich, soll mirs
glücken
Würdig schönes Haupt zu schmücken.
Ährenkranz
golden
Ceres Gaben,
euch zu putzen,
Werden hold und lieblich stehn:
Das Erwünschteste dem Nutzen
Sey als eure Zierde schön.
Phantasiekranz
Bunte Blumen Malven ähnlich
Aus dem Moos ein Wunderflor!
Der Natur ist’s nicht gewöhnlich
Doch die Mode bringts hervor.
Phantasie-Straus
Meinen Namen euch zu sagen
Würde Theophrast nicht wagen,
Und doch hoff’
ich wo nicht allen,
Aber mancher zu gefallen,
Der ich mich wohl eignen möchte,
Wenn sie mich ins Haar verflöchte,
Wenn sie sich entschließen könnte
Mir am Herzen Platz vergönnte.
Ausforderung
Mögen bunte Phantasien
Für des Tages Mode blühen,
Wunder seltsam seyn gestaltet
Wie Natur sich nie entfaltet;
Grüne Stiele, goldne Glocken
Blickt hervor aus reichen Locken! –
Doch wir
Rosenknospen
halten uns versteckt,
Glücklich wer uns frisch entdeckt.
Wenn der Sommer
sich verkündet
Rosenknospe sich entzündet,
Wer mag solches Glück entbehren?
Das Versprechen, das Gewähren.
Das beherrscht, in Florens Reich,
Blick und Sinn und Herz zugleich.
Unter grünen Laubgängen putzen die
Gärtnerinnen zierlich ihren Kram auf.
Gärtner
Gesang begleitet von
Theorben
Blumen sehet ruhig sprießen
Reizend euer Haupt umzieren,
Früchte wollen nicht verführen,
Kostend mag man sie genießen.
Bieten bräunliche Gesichter
Kirschen, Pfirschen, Königspflaumen,
Kauft! denn gegen Zung’ und Gaumen
Hält sich Auge schlecht als Richter.
Kommt von allerreifsten Früchten
Mit Geschmack und Lust zu speisen!
Über Rosen läßt sich dichten,
In die Äpfel muß man beißen.
Seys erlaubt uns anzupaaren
Eurem reichen Jugendflor,
Und wir putzen reifer Waaren
Fülle nachbarlich empor.
Unter lustigen Gewinden
In geschmückter Lauben Bucht,
Alles ist zugleich zu finden:
Knospe, Blätter, Blume, Frucht.
Unter Wechselgesang, begleitet von Guitarren und
Theorben, fahren beyde Chöre fort ihre Waaren stufenweis in die Höhe
zu schmücken und auszubieten.
Mutter und Tochter
Mutter
Mädchen als du kamst ans Licht
Schmückt ich dich im Häubchen,
Warst so lieblich von Gesicht,
Und so zart am Leibchen.
Dachte sie sogleich als Braut,
Gleich dem Reichsten angetraut,
Dachte dich als Weibchen.
Ach! Nun ist schon manches Jahr
Ungenützt verflogen,
Der Sponsirer bunte Schaar
Schnell vorbey gezogen;
Tanztest mit dem einen flink,
Gabst dem andern stillen Wink
Mit dem Ellenbogen.
Welches Fest man auch ersann,
Ward umsonst begangen,
Pfänderspiel und dritter Mann
Wollten nicht verfangen;
Heute sind die Narren los,
Liebchen öffne deinen Schoos,
Bleibt wohl einer hangen.
Gespielinnen
jung und schön gesellen sich hinzu, ein
vertrauliches Geplauder wird laut.
Fischer und Vogelsteller
Mit Netzen, Angel und Leimruthen, auch sonstigem Geräthe treten auf, mischen sich unter die schönen Kinder.
Wechselseitige Versuche zu gewinnen, zu fangen, zu entgehen und fest
zu halten geben zu den angenehmsten Dialogen Gelegenheit.
Holzhauer
treten ein ungestüm und
ungeschlacht
Nur Platz! nur Blöße!
Wir brauchen Räume,
Wir fällen Bäume
Die krachen schlagen;
Und wenn wir tragen
Da giebt es Stöße.
Zu unserm Lobe
Bringt dies ins Reine;
Denn wirkten Grobe
Nicht auch im Lande,
Wie kämen Feine
Für sich zu Stande,
So sehr sie witzten?
Des seyd belehret;
Denn ihr erfröret
Wenn wir nicht schwitzten.
Pulcinelle
täppisch fast
läppisch
Ihr seyd die Thoren
Gebückt geboren.
Wir sind die Klugen
Die nie was trugen;
Denn unsre Kappen
Jacken und Lappen
Sind leicht zu tragen.
Und mit Behagen
Wir immer müßig
Pantoffelfüßig,
Durch Markt und Haufen
Einher zu laufen.
Gaffend zu stehen,
Uns anzukrähen;
Auf solche Klänge
Durch Drang und Menge
Aalgleich zu schlüpfen,
Gesammt zu hüpfen,
Vereint zu toben.
Ihr mögt uns loben,
Ihr mögt uns schelten
Wir lassens gelten.
Parasiten
schmeichelnd-lüstern
Ihr wackern Träger
Und eure Schwäger,
Die Kohlenbrenner,
Sind unsre Männer.
Denn alles Bücken,
Bejah’ndes Nicken,
Gewundne Phrasen,
Das Doppelblasen,
Das wärmt und kühlet
Wie’s einer fühlet,
Was könnt es frommen?
Es möchte Feuer
Selbst ungeheuer
Vom Himmel kommen,
Gäb’ es nicht Scheite
Und Kohlentrachten
Die Heerdesbreite
Zur Glut entfachten.
Da brät’s und prudelt’s,
Da kocht’s und strudelt’s.
Der wahre Schmecker,
Der Tellerlecker,
Er riecht den Braten,
Er ahnet Fische;
Das regt zu Thaten
An Gönners Tische.
Trunkner
unbewußt
Sey mir heute nichts zuwider!
Fühle mich so frank und frey;
Frische Luft und heitre Lieder
Holt’ ich selbst
sie doch herbey.
Und so trink’
ich! trinke, trinke.
Stoßet an ihr! Tinke, Tinke!
Du dorthinten komm heran!
Stoßet an, so ists gethan.
Schrie mein Weibchen doch entrüstet,
Rümpfte diesem bunten Rock,
Und, wie sehr ich mich gebrüstet,
Schalt mich einen Maskenstock.
Doch ich trinke! Trinke, Trinke!
Angeklungen! Tinke, Tinke!
Maskenstöcke stoßet an!
Wenn es klingt so ists gethan.
Saget nicht daß ich verirrt bin,
Bin ich doch wo mir’s behagt.
Borgt der Wirth nicht, borgt die Wirthin,
Und am Ende kneipt die Magd.
Immer trink’
ich! Trinke, Trinke!
Auf ihr Andern! Tinke, Tinke!
Jeder jedem! so fortan!
Dünkt mich’s doch es sey gethan.
Wie und wo ich mich vergnüge
Mag es immerhin geschehn;
Laßt mich liegen wo ich liege,
Denn ich mag nicht länger stehn.
Chor
Jeder Bruder trinke, trinke!
Toastet frisch ein Tinke, Tinke!
Sitzet fest auf Bank und Span,
Unterm Tisch Dem ist’s gethan.
Der Herold
Kündigt verschiedene Poeten an. Naturdichter, Hof- und Rittersänger, zärtliche so wie
Enthusiasten. Im Gedräng von Mitwerbern aller Art, läßt keiner den
Andern zum Vortrag kommen. Einer schleicht mit wenigen Worten
vorüber.
Satyriker
Wißt ihr was mich Poeten
Erst recht erfreuen sollte?
Dürft’ ich
singen und reden
Was niemand hören wollte.
Die Nacht- und Grabdichter lassen sich
entschuldigen, weil sie so eben im interessantesten Gespräch mit
einem frischerstandenen Vampyren begriffen seyen; woraus eine neue Dichtart sich
vielleicht entwickeln könnte; der Herold muß es gelten lassen und
ruft indessen die griechische Mythologie hervor, die, selbst in
moderner Maske, weder Charakter noch Gefälliges verliert.
Die Grazien
Aglaia
Anmuth bringen wir in’s Leben;
Leget Anmuth in das Geben.
Hegemone
Leget Anmuth ins Empfangen,
Lieblich ist’s den Wunsch erlangen.
Euphrosyne
Und in stiller Tage Schranken
Höchst anmuthig sey das Danken.
Die
Parzen
Atropos
Mich die älteste zum Spinnen
Hat man diesmal eingeladen;
Viel zu denken, viel zu sinnen
Giebts beym zarten Lebensfaden.
Daß er euch gelenk und weich sey
Wußt’ ich
feinsten Flachs zu sichten;
Daß er glatt und schlank und gleich sey
Wird der kluge Finger schlichten.
Wolltet ihr bey Lust und Tänzen
Allzuüppig euch erweisen;
Denkt an dieses Fadens Gränzen,
Hütet euch! Er möchte reißen!
Klotho
Wißt in diesen letzten Tagen
Ward die Scheere mir vertraut;
Denn man war von dem Betragen
Unsrer Alten nicht erbaut.
Zerrt unnützeste Gespinnste
Lange sie an Licht und Luft,
Hoffnung herrlichster Gewinnste
Schleppt sie schneidend zu der Gruft.
Doch auch ich im Jugend-Walten,
Irrte mich schon hundertmal;
Heute mich im Zaum zu halten,
Scheere stickt im Futteral.
Und so bin ich gern gebunden,
Blicke freundlich diesem Ort;
Ihr in diesen freyen Stunden
Schwärmt nur immer fort und fort.
Lachesis
Mir, die ich allein verständig,
Blieb das Ordnen zugetheilt;
Meine Weife, stets lebendig,
Hat noch nie sich übereilt.
Fäden kommen, Fäden weifen,
Jeden lenk’ ich
seine Bahn,
Keinen laß ich überschweifen,
Füg’ er sich im
Kreis heran.
Könnt’ ich
einmal mich vergessen
Wär’ es um die Welt mir bang;
Stunden zählen, Jahre messen
Und der Weber nimmt den Strang.
Herold
Die jetzo kommen werdet ihr nicht kennen,
Wärt ihr noch so gelehrt in alten Schriften;
Sie anzusehn die so viel Übel
stiften
Ihr würdet sie willkommne Gäste nennen.
Die Furien sind es, niemand wird uns
glauben,
Hübsch, wohlgestaltet, freundlich, jung von
Jahren;
Laßt euch mit ihnen ein, ihr sollt erfahren
Wie schlangenhaft verletzen solche Tauben.
Zwar sind sie tückisch, doch am heutigen Tage
Wo jeder Narr sich rühmet seiner Mängel,
Auch sie verlangen nicht den Ruhm als Engel,
Bekennen sich als Stadt- und Landesplage.
Alecto
Was hilft es euch, ihr werdet uns vertrauen,
Denn wir sind hübsch und jung und
Schmeichelkätzchen,
Hat einer unter euch ein Liebe-Schätzchen;
Wir werden ihm so lange die Ohren krauen.
Bis wir ihm sagen dürfen, Aug in Auge:
Daß sie zugleich auch dem und jenem winke,
Im Kopfe dumm, im Rücken krumm, und hinke,
Und, wenn sie seine Braut ist, gar nichts tauge.
So wissen wir die Braut auch zu bedrängen:
Es hat sogar der Freund, vor wenig Wochen,
Verächtliches von ihr zu der
gesprochen! –
Versöhnt man sich so bleibt doch etwas hängen.
Megära
Das ist nur Spaß! denn, sind sie erst verbunden,
Ich nehm’ es
auf, und weis in allen Fällen,
Das schönste Glück durch Grille zu
vergällen;
Der Mensch ist ungleich, ungleich sind die
Stunden.
Und niemand hat Erwünschtes fest in Armen,
Der sich nicht nach Erwünschterem thörig sehnte,
Vom höchsten Glück, woran er sich gewöhnte;
Die Sonne flieht er, will den Frost erwarmen.
Mit diesem allen weis ich zu gebahren,
Und führe her Asmodi den Getreuen,
Zu rechter Zeit Unseliges auszustreuen,
Verderbe so das Menschenvolk in Paaren.
Tisiphone
Gift und Dolch statt böser Zungen
Misch’ ich
schärf’ ich dem
Verräther;
Liebst du andre, früher, später
Hat Verderben dich durchdrungen.
Muß der Augenblicke Süßtes
Sich zu Gischt und Galle wandeln!
Hier kein Markten, hier kein Handeln
Wie er es beging’, er büßt es.
Singe keiner vom Vergeben!
Felsen klag’ ich
meine Sache,
Echo! Horch! Erwiedert Rache;
Und wer wechselt soll nicht leben.
Herold
Belieb’ es euch zur
Seite wegzuweichen,
Denn was jetzt kommt ist nicht von eures Gleichen.
Ihr seht wie sich ein Berg herangedrängt,
Mit bunten Teppichen die Weichen stolz behängt,
Ein Haupt mit langen Zähnen, Schlangenrüssel,
Geheimnißvoll, doch zeig’ ich euch den Schlüssel.
Im Nacken sitzt ihm zierlich-zarte Frau,
Mit feinem Stäbchen lenkt sie ihn genau,
Die andre droben stehend herrlich-hehr,
Umgiebt ein Glanz der blendet mich zu sehr.
Zur Seite gehn gekettet edle Frauen,
Die eine bang, die andre froh zu schauen,
Die eine wünscht, die andre fühlt sich frey,
Verkünde jede wer sie sey.
Furcht
Dunstige Fackeln, Lampen, Lichter,
Dämmern durchs verworrne Fest,
Zwischen diese Truggesichter
Bannt mich ach die Kette fest.
Fort, ihr lächerlichen Lacher!
Euer Grinsen giebt Verdacht;
Alle meine Widersacher
Drängen mich in dieser Nacht.
Hier! ein Freund ist Feind geworden,
Seine Maske kenn’ ich schon;
Jener wollte mich ermorden,
Nun entdeckt schleicht er davon.
Ach wie gern in jeder Richtung,
Flöh’ ich zu der
Welt hinaus;
Doch von drüben droht Vernichtung,
Hält mich zwischen Dunst und Graus.
Hoffnung
Seyd gegrüßt ihr lieben Schwestern,
Habt ihr euch schon heut und gestern
In Vermumungen gefallen,
Weis ich doch gewiß von allen
Morgen wollt ihr euch enthüllen.
Und wenn wir bey Fackelscheine
Uns nicht sonderlich behagen,
Werden wir in heitern Tagen,
Ganz nach unserm eignen Willen,
Bald gesellig, bald alleine
Frey durch schöne Fluren wandeln,
Nach Belieben ruhn und handeln
Und in sorgenfreyem Leben,
Nie entbehren, stets erstreben;
Überall willkommne Gäste
Treten wir getrost hinein:
Sicherlich es muß das Beste
Irgendwo zu finden seyn.
Klugheit
Zwey der größten Menschenfeinde
Furcht und Hoffnung angekettet,
Halt’ ich ab von
der Gemeinde;
Platz gemacht! ihr seyd gerettet.
Den lebendigen Colossen
Führ’ ich, seht
ihr, thurmbeladen
Und er wandelt unverdrossen
Schritt vor Schritt auf steilen Pfaden.
Droben aber auf der Zinne
Jene Göttin mit behenden
Breiten Flügeln, zum Gewinne
Allerseits sich hinzuwenden.
Rings umgiebt sie Glanz und Glorie
Leuchtend fern nach allen Seiten;
Und sie nennet sich Viktorie,
Göttin aller Thätigkeiten.
Zoilo-Thersites
Hu! Hu! da komm’ ich
eben recht,
Ich schelt’ euch allzusammen schlecht!
Doch was ich mir zum Ziel ersah
Ist oben Frau Victoria,
Mit ihrem weißen Flügelpaar,
Sie dünkt sich wohl sie sey ein Aar.
Und wo sie sich nur hingewandt
Gehör’ ihr alles
Volk und Land;
Doch, wo was Rühmliches gelingt
Es mich sogleich in Harnisch bringt.
Das Tiefe hoch, das
Hohe tief,
Das Schiefe grad, das Grade schief,
Das ganz allein macht mich gesund
So will ich’s auf
dem Erdenrund.
Herold
So treffe dich, du Lumpenhund,
Des frommen Stabes Meisterstreich,
Da krümm’ und winde
dich sogleich! –
Wie sich die Doppelzwerggestalt
So schnell zum eklen Klumpen ballt! –
– Doch Wunder! – Klumpen wird zum Ey,
Das bläht sich auf und platzt entzwey.
Nun fällt ein Zwillingspaar heraus,
Die Otter und die Fledermaus;
Die eine fort im Staube kriecht,
Die andre schwarz zur Decke fliegt.
Sie eilen draußen
zum Verein,
Da möcht’ ich nicht
der Dritte seyn.
Gemurmel
Frisch! dahinten tanzt man schon –
Nein! Ich wollt’ ich
wär davon –
Fühlst du? wie uns das umflicht,
Das Gespenstische Gezücht –
Saust es mir doch über’s Haar –
Ward ich’s doch am Fuß gewahr –
Keiner ist von uns verletzt –
Alle doch in Furcht gesetzt –
Ganz verdorben ist der Spas –
Und die Bestien wollten das.
Herold
Seit mir sind bey Maskeraden
Heroldspflichten aufgeladen,
Wach’ ich ernstlich
an der Pforte,
Daß euch hier am lustigen Orte
Nichts Verderbliches erschleiche,
Weder wanke, weder weiche.
Doch ich fürchte durch die Fenster
Ziehen luftige Gespenster,
Und von Spuk und Zaubereyen
Wüßt’ ich euch nicht
zu befreyen.
Machte sich der Zwerg verdächtig,
Nun! dort hinten strömt es mächtig.
Die Bedeutung der Gestalten
Möcht’ ich amtsgemäß
entfalten.
Aber was nicht zu begreifen
Wüßt’ ich auch nicht
zu erklären,
Helfet alle mich belehren! –
Seht ihr’s durch die Menge schweifen? –
Vierbespannt ein prächtiger Wagen
Wird durch alles durchgetragen;
Doch er theilet nicht die Menge,
Nirgend seh’ ich ein
Gedränge.
Farbig glitzert’s in
der Ferne,
Irrend leuchten bunte Sterne,
Wie von magischer Laterne.
Schnaubt heran mit Stürmgewalt.
Platz gemacht! Mich schaudert’s!
Knabe
Wagenlenker
Halt!
Rosse hemmet eure Flügel,
Fühlet den gewohnten Zügel,
Meistert euch wie ich euch meistre,
Rauschet hin wenn ich begeistre –
Diese Räume laßt uns ehren,
Schaut umher wie sie sich mehren
Die Bewundrer, Kreis
um Kreise.
Herold auf! nach deiner Weise,
Ehe wir von euch entfliehen,
Uns zu schildern uns zu nennen;
Denn wir sind Allegorien
Und so solltest du uns kennen.
Herold
Wüßte nicht dich zu benennen,
Eher könnt’ ich dich
beschreiben.
Knabe Lenker
So probir’s!
Herold
Man muß gestehn:
Erstlich bist du jung und schön.
Halbwüchsiger Knabe bist du; doch die Frauen
Sie möchten dich ganz ausgewachsen schauen.
Du scheinest mir ein künftiger Sponsirer
Recht so von Haus aus ein Verführer.
Knabe Lenker
Das läßt sich hören! fahre fort
Erfinde dir des Räthsels heitres Wort.
Herold
Der Augen schwarzer Blitz, die Nacht der Locken
Erheitert von juwelnem Band!
Und welch ein zierliches Gewand
Fließt dir von Schultern zu den Socken,
Mit Purpursaum und Glitzertand!
Man könnte dich ein Mädchen schelten,
Doch würdest du, zu Wohl und Weh,
Auch jetzo schon bey Mädchen gelten,
Sie lehrten dich das A. B. C.
Knabe Lenker
Und dieser der als Prachtgebilde
Hier auf dem Wagenthrone prangt?
Herold
Er scheint ein König reich und milde,
Wohl dem der seine Gunst erlangt!
Er hat nichts weiter zu erstreben,
Wo’s irgend fehlte späht sein Blick,
Und seine reine Lust zu geben
Ist größer als Besitz und Glück.
Knabe Lenker
Hiebey darfst du nicht stehen bleiben,
Du mußt ihn recht genau beschreiben.
Herold
Das Würdige beschreibt sich nicht.
Doch das gesunde Mondgesicht,
Ein voller Mund, erblühte Wangen,
Die unterm Schmuck des Turbans prangen.
Im Faltenkleid ein reich Behagen!
Was soll ich von dem Anstand sagen?
Als Herrscher scheint er mir bekannt.
Knabe Lencker
Plutus, des Reichthums Gott genannt,
Derselbe kommt in Prunk daher,
Der hohe Kaiser wünscht ihn sehr.
Herold
Sag von dir selber auch das Was und
Wie?
Knabe Lenker
Bin die Verschwendung, bin die Poesie;
Bin der Poet, der sich vollendet
Wenn er sein
eigenst Gut
verschwendet.
Auch ich bin unermeßlich reich
Und schätze mich dem Plutus gleich,
Beleb’ und
schmück’ ihm Tanz und
Schmaus,
Das was ihm fehlt das theil’ ich aus.
Herold
Das Prahlen steht dir gar zu schön,
Doch laß uns deine Künste sehn.
Knabe Lenker
Hier seht mich nur ein Schnippchen schlagen,
Schon glänzt’s und glitzert’s um den Wagen.
Da springt eine Perlenschnur hervor
immerfort umherschnippend
Nehmt goldne Spange für Hals und Ohr;
Auch Kamm und Krönchen ohne Fehl,
In Ringen köstlichstes Juwel;
Auch Flämmchen spend’ ich
dann und wann,
Erwartend wo es zünden kann.
Herold
Wie greift und hascht die liebe Menge!
Fast kommt der Geber ins Gedränge.
Kleinode schnippt er wie ein Traum
Und alles hascht im weiten Raum.
Doch da erleb’ ich neue
Pfiffe;
Was einer noch so emsig griffe
Deß hat er wirklich schlechten Lohn,
Die Gabe flattert ihm davon.
Es löst sich auf das Perlenband,
Ihm krabbeln Käfer in der Hand,
Er wirft sie weg der arme Tropf,
Und sie umsummen ihm den Kopf.
Die andern statt solider Dinge
Erhaschen frevle Schmetterlinge.
Wie doch der Schelm so viel verheißt,
Und nur verleiht was golden gleißt!
Knabe Lenker
Zwar Masken, merk’ ich,
weist du zu verkünden,
Allein der Schaale Wesen zu ergründen
Sind Herolds Hofgeschäfte nicht;
Das fordert schärferes Gesicht.
Doch hüt’ ich mich vor jeder
Fehde;
An dich, Gebieter, wend ich Frag und Rede.
zu Plutus gewendet
Hast du mir nicht die Windesbraut
Des Viergespannes anvertraut?
Lenk’ ich nicht glücklich
wie du leitest?
Bin ich nicht da wohin du deutest?
Und wußt’ ich nicht auf
kühnen Schwingen
Für dich die Palme zu erringen?
Wie oft ich auch für dich gefochten,
Mir ist es jederzeit geglückt:
Wenn Lorbeer deine Stirne schmückt,
Hab’ ich ihn nicht mit Sinn
und Hand geflochten?
Plutus
Wenn’s nöthig ist daß ich
dir Zeugniß leiste,
So sag’ ich gern: Bist Geist
von meinem Geiste.
Du handelst stets nach meinem Sinn,
Bist reicher als ich selber bin.
Ich schätze, deinen Dienst zu lohnen,
Den grünen Zweig vor allen meinen Kronen,
Ein wahres Wort verkünd’ ich
allen:
Mein lieber Sohn an dir hab’
ich Gefallen.
Knabe Lenker
zur Menge
Die größten Gaben meiner Hand
Seht! hab’ ich ringsumher
gesandt.
Auf dem und jenem Kopfe glüht
Ein Flämmchen das ich angesprüht,
Von einem zu dem andern hüpft’s,
An diesem hält sich’s, dem entschlüpft’s,
Gar selten aber flammt’s
empor,
Und leuchtet rasch in kurzem Flor;
Doch vielen, eh mans noch erkannt,
Verlischt es, traurig ausgebrannt.
Weiber Geklatsch
Da droben auf dem Viergespann
Das ist gewiß ein Charlatan;
Gekauzt da hintendrauf Hanswurst,
Doch abgezehrt von Hunger und Durst,
Wie man ihn niemals noch erblickt.
Er fühlt wohl nicht wenn man ihn zwickt.
Der Abgemagerte
Vom Leibe mir ekles Weibsgeschlecht!
Ich weis dir komm ich niemals recht. –
Wie noch die Frau den Heerd versah,
Da hies ich Avaritia;
Da stand es gut um unser Haus:
Nur viel herein, und nichts hinaus!
Ich eiferte für Kist und Schrein;
Das sollte wohl gar ein Laster seyn.
Doch als in allerneusten Jahren
Das Weib nicht mehr gewohnt zu sparen,
Und, wie ein jeder böser Zahler,
Weit mehr Begierden hat als Thaler,
Da bleibt dem Manne viel zu dulden,
Wo er nur hinsieht da sind Schulden.
Sie wendet’s, kann sie was
erspulen,
An ihren Leib, an ihren
Buhlen;
Auch speist sie besser, trinkt noch mehr
Mit der Sponsirer leidigem Heer;
Das steigert mir des Goldes Reiz:
Bin männlichen Geschlechts, der Geiz!
Hauptweib
Mit Drachen mag der Drache geitzen,
Ist’s doch am Ende Lug und Trug!
Er kommt die Männer aufzureizen,
Sie sind schon unbequem genug.
Weiber in Masse
Der Strohmann! Reich ihm eine Schlappe!
Was will das Marterholz uns dräun?
Wir sollen seine Fratze scheun!
Die Drachen sind von Holz und Pappe,
Frisch an und dringt auf ihn hinein!
Herold
Bey meinem Stabe! Ruh gehalten! –
Doch braucht es meiner Hülfe kaum,
Seht wie die grimmen Ungestalten
Bewegt im rasch gewonnenen Raum
Das Doppel-Flügelpaar entfalten.
Entrüstet schütteln sich der Drachen
Umschuppte, feuerspeiende Rachen;
Die Menge flieht, rein ist der Platz.
Plutus steigt vom
Wagen
Herold
Er tritt herab wie königlich!
Er winkt, die Drachen rühren sich,
Die Kiste haben sie vom Wagen
Mit Gold und Geitz herangetragen,
Sie steht zu seinen Füßen da:
Ein Wunder ist es wie’s geschah.
Plutus
zum Lenker
Nun bist du los der alzulästigen Schwere,
Bist frey und frank, nun frisch zu deiner Sphäre!
Hier ist sie nicht! Verworren, schäckig, wild
Umdrängt uns hier ein frazzenhaft Gebild.
Nur wo du klar ins holde Klare schaust,
Dir angehörst und dir allein vertraust,
Dorthin wo Schönes Gutes nur gefällt,
Zur Einsamkeit! – Da schaffe deine Welt.
Knabe Lenker
So acht’ ich mich als
werthen Abgesandten,
So lieb’ ich dich als
nächsten Anverwandten.
Wo du verweilst ist Fülle, wo ich bin
Fühlt jeder sich im herrlichsten Gewinn;
Auch schwankt er oft im widersinnigen Leben:
Soll er sich dir? soll er
sich mir ergeben?
Die deinen freylich können müssig ruhn,
Doch wer mir folgt hat immer was zu thun.
Nicht ins Geheim
vollführ’ ich meine Thaten,
Ich athme nur und schon bin ich verrathen.
So lebe wohl! du, gönnst mir ja mein Glück,
Doch lisple leis’ und gleich bin ich zurück.
ab wie er kam
Plutus
Nun ist es Zeit die Schätze zu entfesseln!
Die Schlösser treff’ ich mit
des Herolds Ruthe.
Es thut sich auf! schaut her! in ehrnen Kesseln
Entwickelt sichs und wallt von goldnem Blute,
Zunächst der Schmuck von Kronen, Ketten, Ringen;
Es schwillt und droht ihn schmelzend zu
verschlingen.
Wechselgeschrey der Menge
Seht hier, o hin! wie’s
reichlich quillt
Die Kiste bis zum Rande füllt. –
Gefäße goldne schmelzen sich,
Gemünzte Rollen wälzen sich. –
Dukaten hüpfen wie geprägt,
O wie mir das den Busen regt –
Wie schau ich alle mein Begehr!
Da kollern sie am Boden her. –
Man bietet’s euch, benutzts nur gleich
Und bückt euch nur und werdet reich. –
Wir andern, rüstig wie der Blitz,
Wir nehmen den Koffer in Besitz.
Herold
Was soll’s ihr Thoren? soll mir das?
Es ist ja nur ein Maskenspas.
Heut Abend wird nicht mehr begehrt;
Glaubt ihr man geb euch Gold und Werth?
Sind doch für euch in diesem Spiel
Selbst Rechenpfennige zuviel.
Ihr Täppischen! ein artiger Schein
Soll gleich die plumpe Wahrheit seyn.
Was soll euch Wahrheit? – dumpfen Wahn
Packt ihr an allen Zipfeln an. –
Vermumter Plutus, Maskenheld,
Schlag dieses Volk mir aus dem Feld.
Plutus
Dein Stab ist wohl dazu bereit,
Verleih’ ihn mir auf kurze
Zeit. –
Ich tauch’ ihn rasch in Sud
und Glut. –
Nun! Masken seyd auf eurer Hut.
Wie’s blitzt und platzt, in Funken sprüht!
Der Stab schon ist er angeglüht.
Wer sich zu nah herangedrängt
Ist unbarmherzig gleich versengt. –
Jetzt fang’ ich meinen
Umgang an.
Geschrey und Gedräng
O weh! Es ist um uns gethan. –
Entfliehe wer entfliehen kann! –
Zurück zurück du Hindermann!
–
Mir sprüht es heiß ins Angesicht. –
Mich drückt des glühenden Stabs Gewicht –
Verloren sind wir all und all. –
Zurück zurück, du
Maskenschwall!
Zurück zurück, unsinniger
Hauf –
O hätt’ ich Flügel flög’ ich
auf. –
Plutus
Schon ist der Kreis zurückgedrängt
Und niemand glaub’ ich ist
versengt
Die Menge weicht;
Sie ist verscheucht. –
Doch solcher Ordnung Unterpfand
Zieh’ ich ein unsichtbares
Band.
Herold
Du hast ein herrlich Werk vollbracht,
Wie dank’ ich deiner klugen
Macht!
Plutus
Noch braucht es, edler
Freund, Geduld;
Es droht noch mancherley Tumult.
Geiz
So kann man doch, wenn es
beliebt,
Vergnüglich diesen Kreis beschauen;
Denn immerfort sind vornen an die Frauen
Wo’s was zu gaffen was zu
naschen giebt.
Noch bin ich nicht so völlig eingerostet:
Ein schönes Weib ist immer schön;
Und heute weil es mich nichts kostet,
So wollen wir getrost sponsiren gehn.
Doch weil am überfülltem Orte
Nicht jedem Ohr vernehmlich alle Worte,
Versuch’ ich klug und
hoff’ es soll mir glücken,
Mich pantomimisch deutlich auszudrücken.
Hand, Fuß, Gebärde reicht mir da nicht hin,
Da muß ich mich um einen Schwank bemühn.
Wie feuchten Thon will ich das Gold behandeln,
Denn dies Metall läßt sich in alles wandeln.
Herold
Was fängt der an der magre Thor!
Hat so ein Hungermann Humor?
Er knetet alles Gold zu Teig,
Ihm wird es untern Händen weich,
Wie er es drückt und wie es ballt
Bleibt’s immer doch nur ungestalt.
Er wendet sich zu den Weibern dort,
Sie schreyen alle, möchten fort,
Gebärden sich gar widerwärtig;
Der Schalk erweist sich übelfertig.
Ich fürchte daß er sich ergötzt
Wenn er die Sittlichkeit verletzt.
Dazu darf ich nicht schweigsam bleiben,
Gieb meinen Stab, ihn zu vertreiben.
Plutus
Er ahnet nicht was uns von außen droht;
Laß ihn die Narrentheidung treiben,
Ihm wird kein Raum für seine Possen bleiben;
Gesetz ist mächtig, mächtiger ist die Noth.
Getümmel und Gesang
Das wilde Heer es kommt zumal
Von Bergeshöh’ und
Waldes Thal,
Unwiderstehlich schreitet’s an:
Sie feyern ihren großen Pan.
Sie wissen doch was keiner weis
Und drängen in den leeren Kreis.
Plutus
Ich kenn’ euch wohl und
euren großen Pan!
Zusammen habt ihr kühnen Schritt gethan.
Ich weis recht gut was nicht ein jeder weis,
Und öffne schuldig diesen engen Kreis.
Mag sie ein gut Geschick
begleiten!
Das Wunderlichste kann geschehn;
Sie wissen nicht wohin sie schreiten,
Sie haben sich nicht vorgesehn.
Wildgesang
Geputztes Volk du, Flitterschau!
Sie kommen roh, sie
kommen rauh,
In hohem Sprung in raschem Lauf,
Sie treten derb und tüchtig auf.
Faunen
Die Faunenschaar
Im lustigen Tanz,
Den Eichenkranz
Im krausen Haar,
Ein feines zugespitztes Ohr
Dringt an dem Lockenkopf hervor,
Ein stumpfes Näschen, ein breit Gesicht
Das schadet alles bey Frauen nicht:
Dem Faun wenn er die Patsche reicht
Versagt die Schönste den Tanz nicht leicht.
Satyr
Der Satyr hüpft nun hinterdrein
Mit Ziegenfuß und dürrem Bein,
Ihm sollen sie mager und sehnig seyn.
Und gemsenartig auf Bergeshöhn,
Belustigt er sich umherzusehn.
In Freyheitsluft erquickt alsdann
Verhöhnt er Kind und Weib und Mann,
Die tief in Thales Dampf und Rauch
Behaglich meinen sie lebten auch,
Da ihm doch rein und ungestört
Die Welt dort oben allein gehört.
Gnomen
Da trippelt ein die kleine Schaar,
Sie hält nicht gern sich Paar und Paar;
Im moosigen Kleid mit Lämplein hell
Bewegt sichs durcheinander schnell,
Wo jedes für sich selber schafft,
Wie Leuchtameisen wimmelhaft;
Und wuselt emsig hin und her,
Beschäftigt in die Kreuz und Quer.
Den frommen Gütchen nah verwandt,
Als Felschirurgen wohl bekannt;
Die hohen Berge schröpfen wir,
Aus vollen Adern schöpfen wir;
Metalle stürzen wir zu Hauf,
Mit Gruß getrost: Glück auf! Glück auf!
Das ist von Grund aus wohlgemeynt:
Wir sind der guten Menschen Freund.
Doch bringen wir das Gold zu Tag
Damit man stehlen und kuppeln mag,
Nicht Eisen fehle dem stolzen Mann,
Der allgemeinen Mord ersann.
Und wer die drey Gebot veracht
Sich auch nichts aus den andern macht.
Das alles ist nicht unsre Schuld,
Drum habt sofort wie wir Geduld.
Riesen
Die wilden Männer sind’s
genannt,
Am Harzgebirge wohl bekannt,
Natürlich nackt in aller Kraft,
Sie kommen sämtlich riesenhaft.
Den Fichtenstamm in rechter Hand
Und um den Leib ein wulstig Band,
Den derbsten Schurz von Zweig und Blatt,
Leibwache wie der Papst nicht hat.
Nymphen
im Chor
sie umschließen den großen Pan.
Auch kommt er an! –
Das All der Welt
Wird vorgestellt
Im großen Pan.
Ihr heitersten umgebet ihn,
Im Gaukeltanz umschwebet ihn,
Denn weil er ernst und gut dabey,
So will er daß man fröhlich sey.
Auch unterm blauen Wölbedach
Verhielt er sich beständig wach,
Doch rieseln ihm die Bäche zu,
Und Lüftlein wiegen ihn mild in Ruh.
Und wenn er zu Mittage schläft
Sich nicht das Blatt am Zweige regt,
Gesunder Pflanzen Balsamduft
Erfüllt die schweigsam stille Luft,
Die Nymphe darf nicht munter seyn
Und wo sie stand da schläft sie ein.
Wenn unerwartet mit Gewalt
Dann aber seine Stimm erschallt,
Wie Blitzes Knattern, Meergebraus,
Dann niemand weis wo ein noch aus,
Zerstreut sich tapfres Heer im Feld
Und im Getümmel bebt der Held.
So ehre dem, dem Ehre gebührt
Und Heil ihm der uns hergeführt!
Deputation der Gnomen
an den großen Pan
Wenn das glänzend reiche Gute
Fadenweis durch Klüfte streicht,
Nur der klugen Wünschelruthe
Seine Labyrinthe zeigt,
Wölben wir in dunklen Grüften
Troglodytisch unser Haus,
Und an reinen Tageslüften,
Theilst du Schätze
gnädig aus.
Nun entdecken wir hieneben
Eine Quelle wunderbar,
Die bequem verspricht zu geben
Was kaum zu erreichen war.
Dies vermagst du zu vollenden,
Nimm es Herr in deine Hut:
Jeder Schatz in deinen Händen
Kommt der ganzen Welt zu gut.
Plutus
zum Herold
Wir müssen uns im hohen Sinne fassen
Und was geschieht getrost geschehen lassen,
Du bist ja sonst des stärksten Muthes voll.
Nun wird sich gleich ein Gräulichstes eräugnen,
Hartnäckig wird es Welt und Nachwelt läugnen:
Du schreib’ es treulich in
dein Protokoll.
Herold
den Stab anfassend, welchen
Plutus in der Hand behält
Die Zwerge führen den großen Pan
Zur Feuerquelle sacht heran,
Sie siedet auf vom tiefsten Schlund,
Dann sinkt sie wieder hinab zum Grund,
Und finster steht der offne Mund;
Wallt wieder auf in Glut und Sud,
Der große Pan steht wohlgemuth
Freut sich des wundersamen Dings.
Und Perlenschaum sprüht recht und links,
Wie mag er solchen Wesen traun?
Er bückt sich tief hinein zu schaun. –
Nun aber fällt sein Bart hinein! –
Wer mag das glatte Kinn wohl seyn?
Die Hand verbirgt es unserm Blick. –
Nun folgt ein großes Ungeschick
Der Bart entflammt und fliegt zurück.
Entzündet Kranz und Haupt und Brust,
Zu Leiden wandelt sich die Lust. –
Zu löschen läuft die Schaar herbey,
Doch keiner bleibt von Flammen frey,
Und wie es patscht und wie es schlägt
Wird neues Flammen aufgeregt;
Verflochten in das Element
Ein ganzer Maskenklump verbrennt.
Was aber hör’ ich wird
uns kund
Von Ohr zu Ohr, von Mund
zu Mund!
„O ewig unglückselge
Nacht
Was hast du uns für Leid gebracht!
Verkünden wird der nächste Tag
Was niemand willig hören mag;
Doch hör’ ich aller
Orten schreyn
„Der
Kaiser“ leidet
solche Pein.
O wäre doch ein andres wahr!
Der Kaiser brennt und seine Schaar.
Sie sey verflucht die ihn
verführt,
In harzig Reis sich eingeschnürt,
Zu toben her mit Brüll-Gesang
Zu allerseitigem Untergang.
O Jugend Jugend wirst du nie
Der Freude reines Maas bezirken?
O Hoheit Hoheit wirst du nie
Vernünftig wie allmächtig wirken?
Schon geht der Wald in Flammen auf,
Sie züngeln leckend spitz hinauf,
Zum holzverschränkten Deckenband,
Uns droht ein allgemeiner Brand.
Des Jammers Maaß ist übervoll,
Ich weis nicht wer uns retten soll.
Ein Aschenhaufen einer Nacht
Liegt morgen reiche Kaiserpracht.
Plutus
Schrecken ist genug verbreitet,
Hülfe sey nun eingeleitet! –
Schlage heilgen Stabs Gewalt,
Daß der Boden bebt und schallt!
Du geräumig weite Luft
Fülle dich mit kühlem Duft;
Zieht heran,
umherzuschweifen,
Nebeldünste, schwangre
Streifen,
Deckt ein flammendes Gewühl;
Rieselt, säuselt, Wölkchen kräuselt,
Schlüpfet wallend, leise dämpfet,
Löschend überall bekämpfet,
Ihr, die lindernden, die
feuchten,
Wandelt in ein Wetterleuchten
Solcher eitlen Flamme Spiel. –
Drohen Geister uns zu schädigen
Soll sich die Magie bethätigen.
Lustgarten
Morgensonne
Der Kayser, Hofleute; Faust, Mephistopheles, anständig, nicht auffallend, nach Sitte gekleidet, beyde
knieen.
Faust
Verzeihst du, Herr, das Flammengaukelspiel?
Kayser
zum Aufstehen
winkend
Ich wünsche mir dergleichen Scherze viel. –
Auf einmal sah ich mich in glüh’nder Sphäre,
Es schien mir fast als ob ich Pluto wäre.
Aus Nacht und Kohlen lag ein Felsengrund,
Von Flämmchen glühend. Dem und jenem Schlund
Aufwirbelten viel tausend wilde Flammen
Und flackerten in Ein Gewölb zusammen.
Zum höchsten Dome züngelt’
es empor,
Der immer ward und immer sich verlor.
Durch fernen Raum gewundner Feuersäulen
Sah ich bewegt der Völker lange Zeilen,
Sie drängten sich im weiten Kreis heran
Und huldigten, wie sie es stets gethan.
Von meinem Hof’ erkannt’ ich ein und andern,
Ich schien ein Fürst von tausend Salamandern.
Mephistopheles
Das bist du, Herr! weil jedes Element
Die Majestät als unbedingt erkennt.
Gehorsam Feuer hast du nun erprobt;
Wirf dich ins Meer wo es am wildsten tobt,
Und kaum betritst du
perlenreichen Grund,
So bildet wallend sich ein herrlich Rund;
Siehst auf und ab lichtgrüne schwanke Wellen,
Mit Purpursaum, zur schönsten Wohnung schwellen,
Um dich, den Mittelpunct.
Bey jedem Schritt,
Wohin du gehst, gehn die
Palläste mit.
Die Wände selbst erfreuen sich des Lebens,
Pfeilschnellen Wimmlens, Hin- und Widerstrebens.
Meerwunder drängen sich zum neuen milden Schein,
Sie schießen an, und keines darf herein.
Da spielen farbig goldbeschuppte Drachen,
Der Hayfisch klafft, du lachst ihm in den Rachen.
Wie sich auch jetzt der Hof um dich entzückt,
Hast du doch nie ein solch Gedräng’ erblickt.
Doch bleibst du nicht vom Lieblichsten geschieden:
Es nahen sich neugierige Nereiden
Der prächtigen Wohnung in der ewigen Frische,
Die jüngsten scheu und lüstern wie die Fische,
Die spätern klug.
Schon wird es Thetis kund,
Dem zweyten Peleus reicht sie Hand und Mund. –
Den Sitz alsdann auf des Olymps Revier ...
Kaiser
Die luft’gen Räume die erlaß’ ich dir:
Noch früh genug besteigt man jenen Thron.
Mephistopheles
Und, höchster Herr! die Erde hast du schon.
Kaiser
Welch gut Geschick hat dich hieher gebracht?
Unmittelbar aus Tausend Einer Nacht.
Gleichst du an Fruchtbarkeit Scheherazaden,
Versichre ich dich der höchsten aller Gnaden.
Sey stets bereit, wenn eure
Tageswelt,
Wie’s oft geschieht, mir widerlichst mißfällt.
Marschalk
tritt eilig auf
Durchlauchtigster, ich dacht’ in meinem Leben
Vom schönsten Glück Verkündung nicht zu geben
Als diese, die mich hoch beglückt,
In deiner Gegenwart entzückt.
Rechnung für Rechnung ist berichtigt,
Die Wucherklauen sind beschwichtigt,
Los bin ich solcher Höllenpein;
Im Himmel kanns nicht heitrer seyn.
Heermeister
folgt eilig
Abschläglich ist der Sold entrichtet,
Das ganze Heer aufs neu verpflichtet,
Der Lanzknecht fühlt sich frisches Blut,
Und Wirth und Dirnen habens gut.
Kaiser
Wie athmet eure Brust erweitert!
Das faltige Gesicht erheitert!
Wie eilig tretet ihr heran!
Schatzmeister
der sich einfindet
Befrage diese
die das Werk gethan.
Faust
Dem Canzler ziemts die Sache vorzutragen.
Canzler
der langsam herankommt
Beglückt genug in meinen alten Tagen. –
So hört und schaut das schicksalschwere Blatt,
Das alles Weh in Wohl verwandelt hat.
er liest.
„Zu wissen sey es jedem ders begehrt:
Der Zettel hier ist tausend Kronen werth.
Ihm liegt gesichert als gewisses Pfand
Unzahl vergrabnen Guts im Kaiserland.
Nun ist gesorgt damit der reiche Schatz,
Sogleich gehoben, diene zum Ersatz.“
Kaiser
Ich ahne Frevel, ungeheuren Trug!
Wer fälschte hier des Kaisers Namenszug?
Ist solch Verbrechen ungestraft geblieben?
Schatzmeister
Erinnre dich! hast selbst es unterschrieben;
Erst heute Nacht. Du standst als großer Pan,
Der Kanzler sprach mit uns zu dir heran:
„Gewähre dir das hohe Festvergnügen,
Des Volkes Heil, mit wenig Federzügen.“
Du zogst sie rein, dann wards in dieser Nacht
Durch Tausendkünstler schnell vertausendfacht.
Damit die Wohlthat allen gleich gedeihe
So stempelten wir gleich die
ganze Reihe,
Zehn, dreyßig, Funfzig, hundert sind parat.
Ihr denkt euch nicht wie wohl’s dem Volke
that.
Seht eure Stadt, sonst halb im Tod
verschimmelt,
Wie alles lebt und lustgenießend wimmelt!
Obschon dein Name längst die Welt beglückt,
Man hat ihn nie so freundlich angeblickt.
Das Alphabet ist nun erst überzählig
In diesem Zeichen wird nun jeder selig.
Kaiser
Und meinen Leuten gilts für gutes Gold?
Dem Heer, dem Hofe gnügts zu vollem Sold?
So sehr michs wundert muß ichs gelten lassen.
Marschalck
Unmöglich wär’s die Flüchtigen einzufassen;
Mit Blitzeswink zerstreute sichs im Lauf.
Die Wechsler-Bänke stehen sperrig auf,
Man honorirt daselbst ein jedes Blatt
Durch Gold und Silber, freylich mit Rabat.
Nun gehts von da zum Fleischer, Bäcker, Schenken;
Die halbe Welt scheint nur an Schmaus zu denken,
Wenn sich die andre neu in Kleidern bläht.
Der Krämer schneidet aus, der Schneider näht.
Bey: „hoch dem Kaiser!“ sprudelts in den Kellern,
Dort kochts und bräts und klappert mit den Tellern.
Mephistofeles
Wer die Terrassen einsam abspaziert
Gewahrt die Schönste, herrlich aufgeziert.
Ein Aug’ verdeckt vom stolzen Pfauenwedel,
Sie schmunzelt uns und blickt nach solcher
Schedel;
Und hurt’ger als durch Witz und Redekunst
Vermittelt sich die reichste Liebesgunst.
Man wird sich nicht mit Börs’ und Beutel plagen,
Ein Blättchen ist im Busen leicht zu tragen,
Mit Liebesbrieflein paarts bequem sich hier. –
Der Priester trägts andächtig im Brevier,
Und der Soldat, um rascher sich zu wenden,
Erleichtert schnell den Gürtel seiner Lenden.
Die Majestät verzeihe wenn ins Kleine
Das hohe Werk ich zu erniedern scheine.
Faust
Das Übermaas der Schätze,
das, erstarrt,
In deinen Landen tief im Boden harrt,
Liegt ungenutzt. Der weiteste Gedanke
Ist solches Reichthums kümmerlichste Schranke,
Die Phantasie, in ihrem höchsten Flug,
Sie strengt sich an und thut sich nie genug.
Doch fassen Geister, würdig tief zu schauen,
Zum Gränzenlosen gränzenlos Vertrauen.
Mephistopheles
Ein solch Papier, an Gold und Perlen statt,
Ist so bequem, man weis doch was man hat,
Man braucht nicht erst zu markten noch zu tauschen,
Kann sich nach Lust in Lieb und Wein berauschen,
Will man Metall, ein Wechsler ist bereit,
Und fehlt es da, so gräbt man eine Zeit.
Pokal und Kette wird verauctionirt,
Undas Papier, sogleich amortisirt,
Beschämt den Zweifler der uns frech verhöhnt.
Man will nichts anders, ist daran gewöhnt.
So bleibt von nun an allen Kaiser Landen
An Kleinod, Gold, Papier genug vorhanden.
Kaiser
Das hohe Wohl verdankt euch unser Reich,
Wo möglich sey der Lohn dem Dienste gleich.
Vertraut sey euch des Reiches inrer Boden,
Ihr seyd der Schätze würdigste Custoden.
Ihr kennt den weiten wohlverwahrten Hort,
Und wenn man gräbt so sey’s auf euer Wort.
Vereint euch nun ihr Meister unsres Schatzes,
Erfüllt mit Lust die Würden eures Platzes,
Wo mit der obern- sich die Unterwelt,
In Einigkeit beglückt, zusammenstellt.
Schatzmeister
Soll zwischen uns kein fernster Zwist sich
regen,
Ich liebe mir den Zaubrer zum Collegen.
ab mit Faust
Kaiser
Beschenk ich nun bey Hofe Mann für Mann,
Gesteh er mir wozu er’s brauchen kann.
Page
empfangend
Ich lebe lustig, heiter, guter Dinge.
Ein Andrer
gleichfalls
Ich schaffe gleich dem Liebchen Kett und Ringe.
Cämmerer
annehmend
Von nun an trink ich doppelt bessre Flasche
Ein Andrer
gleichfalls
Die Würfel jucken mich schon in der Tasche.
Bannerherr
mit Bedacht
Mein Schloß und Feld ich mach’ es schuldenfrey,
Ein Andrer
gleichfals
Es ist ein Schatz, den leg ich Schätzen bey.
Kaiser
Ich hoffte Lust und Muth zu neuen Thaten;
Doch wer euch kennt, der wird euch leicht errathen.
Ich merk’ es wohl, bey aller Schätze Flor
Wie ihr gewesen bleibt ihr nach wie vor.
Narr
Ihr spendet Gnaden, gönnt auch mir davon.
Kaiser
Und lebst du wieder, du vertrinkst sie schon.
Narr
Die Zauber-Blätter! ich verstehs nicht recht.
Kaiser
Das glaub ich wohl, denn du gebrauchst sie schlecht.
Narr
Da fallen andere, weiß nicht was ich thu.
Kaiser
Nimm sie nur hin, sie fielen dir ja zu.
ab
Narr
Fünf tausend Kronen wären mir zu Handen!
Mephistopheles
Zweibeiniger Schlauch bist wieder auferstanden?
Narr
Geschieht mir oft, doch nicht so gut als jetzt.
Mephistopheles
Du freust dich so daß dichs in Schweiß versetzt.
Narr
Da seht nur her ist das wohl Geldes werth?
Mephistopheles
Du hast dafür was Schlund und Bauch begehrt.
Narr
Und kaufen kann ich Acker, Haus und Vieh?
Mephistopheles
Versteht sich! biete nur, das fehlt dir nie.
Narr
Und Schloß, mit Wald und Jagd und
Fischbach?
Mephistopheles
Traun!
Ich möchte dich gestrengen Herrn wohl schaun!
Narr
Heut Abend wieg ich mich im Grundbesitz!
–
ab
Mephistopheles
solus
Wer zweifelt noch an unsres Narren Witz.
Finstere Gallerie
Faust. Mephistopheles
Mephistopheles
Was ziehst du mich in diese
düstern Gänge?
Ist nicht da drinnen Lust genug,
Im dichten, bunten Hofgedränge
Gelegenheit zu Spas und Trug?
Faust
Sag mir das nicht, du hast’s in alten Tagen
Längst an den Solen abgetragen;
Doch jetzt, dein Hin- und Wiedergehn
Ist nur um mir nicht Wort zu stehn.
Ich aber bin gequält zu thun,
Der Marschalk und der Kämmrer treibt mich nun.
Der Kaiser will, es muß sogleich geschehn,
Will Helena und Paris vor sich sehn;
Das Musterbild der Männer, so der Frauen,
In deutlichen Gestalten will er schauen.
Geschwind ans Werk ich darf mein Wort nicht brechen.
Mephistopheles
Unsinnig war’s leichtsinnig zu versprechen.
Faust
Du hast, Geselle, nicht bedacht
Wohin uns deine Künste führen;
Erst haben wir ihn reich gemacht,
Nun sollen wir ihn amüsiren.
Mephistopheles
Du wähnst es füge sich sogleich;
Hier stehen wir vor steilern Stufen,
Greifst in ein fremdestes Bereich,
Machst frevelhaft am Ende neue Schulden,
Denkst Helenen so leicht hervorzurufen
Wie das Papiergespenst der Gulden. –
Mit Hexen-Fexen, mit Gespenst-Gespinnsten,
Kielkröpfigen Zwergen steh ich gleich zu Diensten;
Doch Teufels-Liebchen, wenn auch nicht zu schelten,
Sie können nicht für Heroinen gelten.
Faust
Da haben wir den alten Leyerton!
Bey dir geräth man stets ins Ungewisse.
Der Vater bist du aller Hindernisse,
Für jedes Mittel willst du neuen Lohn.
Mit wenig Murmeln, weiß ich,
ist’s gethan,
Wie man sich umschaut bringst du sie zur Stelle.
Mephistopheles
Das Haidenvolk geht mich nicht an,
Es haust in seiner eignen Hölle;
Doch giebts ein Mittel.
Faust
Sprich, und ohne Säumniß,
Mephistopheles
Ungern entdeck’ ich höheres Geheimniß. –
Göttinnen thronen hehr in Einsamkeit,
Um sie kein Ort noch weniger eine Zeit,
Von ihnen sprechen ist Verlegenheit.
Die Mütter sind es!
Faust
aufgeschreckt
Mütter!
Mephistopheles
Schauderts dich?
Faust
Die Mütter! – Mütter! – ’s klingt so
wunderlich.
Mephistopheles
Das ist es auch. Göttinnen, ungekannt
Euch Sterblichen, von uns nicht gern genannt.
Nach ihrer Wohnung magst ins Tiefste schürfen;
Du selbst bist Schuld daß ihrer wir bedürfen.
Faust
Wohin der Weg?
Mephistopheles
Kein Weg! Ins Unbetretene,
Nich zu Betretende; ein Weg ans Unerbetene
Nicht zu Erbittende. Bist du bereit? –
Nicht Schlösser sind, nicht Riegel wegzuschieben,
Von Einsamkeiten wirst umhergetrieben.
Hast du Begriff von Öd’ und Einsamkeit?
Faust
Du spartest dächt’ ich solche Sprüche,
Hier wittert’s nach der Hexenküche,
Nach einer längst vergangnen Zeit.
Mußt’ ich nicht mit der Welt verkehren,
Das Leere lernen, Leeres lehren? –
Sprach ich vernünftig wie ichs angeschaut,
Erklang der Widerspruch gedoppelt laut;
Mußt ich sogar vor widerwärtigen Streichen
Zur Einsamkeit, zur Wilderniß entweichen,
Und um nicht ganz versäumt, allein zu leben
Mich doch zuletzt dem Teufel übergeben.
Mephistopheles
Und hättest du den Ocean durchschwommen
Das Gränzenlose dort geschaut,
So sähst du dort doch Well auf Welle kommen,
Selbst wenn es dir vorm Untergange graut.
Du sähst doch etwas. Sähst wohl in der Grüne
Gestillter Meere streichende Delphine,
Sähst Wolken ziehen, Sonne, Mond und Sterne;
Nichts wirst du sehn in ewig leerer Ferne,
Den Schritt nicht hören den du thust,
Nichts Festes finden wo du ruhst.
Faust
Du sprichst als erster aller Mystagogen,
Die treue Neophyten je betrogen;
Nur umgekehrt. Du sendest mich ins Leere,
Damit ich dort so Kunst als Kraft vermehre.
Behandelst mich, daß ich, wie jene Katze,
Dir die Kastanien aus den Gluten kratze.
Nur immer zu! wir wollen es ergründen,
In deinem Nichts hoff ich das All zu finden.
Mephistopheles
Ich rühme dich eh du dich von mir trennst,
Und sehe wohl daß du den Teufel kennst;
Hier diesen Schlüssel nimm.
Faust
Das kleine Ding!
Mephistopheles
Erst faß’ ihn an und schätz’ ihn nicht
gering.
Faust
Er wächst in meiner Hand! er leuchtet, blitzt!
Mephistopheles
Merkst du nun bald was man an ihm besitzt?
Der Schlüssel wird die rechte Stelle wittern,
Folg ihm hinab, er führt dich zu den Müttern.
Faust
schaudernd
Den Müttern! Trifft’s mich immer wie ein
Schlag!
Was ist das Wort das ich nicht hören mag?
Mephistopheles
Bist du beschränkt daß neues Wort dich stört?
Willst du nur hören was du schon gehört?
Dich störe nichts wie es auch weiter klinge,
Schon längst gewohnt der wunderbarsten Dinge.
Faust
Doch im Erstarren such ich nicht mein Heil,
Das Schaudern ist der Menschheit bestes Theil;
Wie auch die Welt ihm das Gefühl vertheure,
Ergriffen, fühlt er tief das Ungeheure.
Mephistopheles
Versinke denn! Ich könnt auch sagen: steige!
’S ist einerley. Entfliehe dem Entstandnen,
In der Gebilde losgebundne Räume,
Ergötze dich am längst nicht mehr Vorhandnen,
Wie Wolkenzüge schlingt sich das Getreibe,
Den Schlüssel schwinge, halte sie vom Leibe.
Faust
begeistert
Wohl! fest ihn faßend fühl’ ich neue Stärke,
Die Brust erweitert hin zum großen Werke
Mephistopheles
Ein glühnder Dreyfuß thut dir endlich kund
Du seyst im tiefsten, allertiefsten Grund.
Bey seinem Schein wirst du die Mütter sehn,
Die einen sitzen, andre stehn und gehn,
Wie’s eben kommt. Gestaltung, Umgestaltung,
Des ewigen Sinnes ewige Unterhaltung,
Umschwebt von Bildern aller
Creatur.
Sie sehn dich nicht, denn Schemen sehn sie nur.
Da faß ein Herz, denn die Gefahr ist groß,
Und gehe grad auf jenen Dreyfuß loß,
Berühr ihn mit dem Schlüssel!
Faust macht eine entschieden gebietende
Attitüde mit dem Schlüssel
Mephistopheles
ihn betrachtend
So ists recht!....
Er schließt sich an, er folgt als treuer Knecht,
Gelassen steigst du, dich erhebt das Glück,
Und eh sie’s merken bist mit ihm zurück.
Und hast du ihn einmal hierher gebracht,
So rufst du Held und Heldin aus der Nacht,
Der erste der sich jener That erdreistet;
Sie ist gethan und du hast es geleistet,
Dann muß fortan, nach magischem Behandeln,
Der Weyrauchsnebel sich in Götter wandeln.
Faust
Und nun was jetzt?
Mephistopheles
Dein Wesen strebe nieder,
Versincke stampfend, stampfend steigst du wieder.
Faust stampft und versinkt
Mephistopheles
Wenn ihm der Schlüssel nur zum besten frommt!
Neugierig bin ich ob er wieder kommt?
Hell erleuchtete
Säale
Kaiser und Fürsten, Hof in
Bewegung
Kämerer
zu Mephistopheles
Ihr seyd uns noch die Geisterscene schuldig;
Macht euch daran! der Herr ist ungeduldig.
Marschall
So eben fragt der Gnädigste
darnach;
Ihr! zaudert nicht der Majestät zur Schmach.
Mephistopheles
Ist mein Cumpan doch deshalb weggegangen,
Er weiß schon wie es anzufangen,
Und laborirt verschlossen still,
Muß ganz besonders sich befleißen;
Denn wer den Schatz, das Schöne, heben will
Bedarf der höchsten Kunst,
Magie der Weisen.
Marschall
Was ihr für Künste braucht ist einerley,
Der Kaiser will daß alles fertig sey.
Blondine
Ein Wort, mein Herr! Ihr seht ein klar Gesicht,
Jedoch so ist’s im leidigen Sommer nicht!
Da sprossen hundert bräunlich rothe Flecken,
Die zum Verdruß die weiße Haut bedecken.
Ein Mittel!
Mephistopheles
Schade! So ein leuchtend Schätzchen,
Im May getupft wie euere Pantherkätzchen.
Nehmt Froschleich, Krötenzungen,
kohobirt,
Im vollsten Mondlicht sorglich distillirt;
Und, wenn er abnimmt, reinlich
aufgestrichen,
Der Frühling kommt, die Tupfen sind entwichen.
Braune
Die Menge drängt heran euch zu umschranzen.
Ich bitt’ um Mittel! Ein erfrorner Fuß
Verhindert mich am Wandeln wie am Tanzen,
Selbst ungeschickt beweg ich mich zum Gruß.
Mephistopheles
Erlaubet einen Tritt von meinem Fuß.
Braune
Nun das geschieht wohl unter Liebesleuten.
Mephistopheles
Mein Fußtritt, Kind! hat Größres zu bedeuten.
Zu Gleichem Gleiches; was auch einer litt;
Fuß heilet Fuß, so ists mit allen Gliedern.
Heran! Gebt acht! Ihr sollt es nicht erwiedern.
Braune
schreiend
Weh! Weh! das brennt! das war ein harter Tritt,
Wie Pferdehuf!
Mephistopheles
Die Heilung nehmt ihr mit.
Du kannst nunmehr den Tanz nach Lust verüben,
Bey Tafel schwelgend füßle mit dem Lieben.
Dame
herandringend
Laßt mich hindurch! zu groß sind meine Schmerzen,
Sie wühlen siedend mir im tiefsten Herzen.
Bis gestern sucht Er Heil in meinen Blicken,
Er schwatzt mit ihr und wendet mir den Rücken.
Mephistopheles
Bedenklich ist es, aber höre mich.
An ihn heran mußt du dich leise drücken,
Nimm diese Kohle, streich ihm einen Strich
Auf Ermel, Mantel, Schulter wie sichs macht;
Er fühlt im Herzen holden Reuestich.
Die Kohle doch mußt du sogleich verschlingen,
Nicht Wein, nicht Wasser an die Lippen bringen;
Er seufzt vor deiner Thüre heute Nacht.
Dame
Ist doch kein Gift?
Mephistopheles
entrüstet
Respect wo sichs gebührt!
Weit müßtet ihr nach solcher Kohle laufen;
Sie kommt von einem Scheiterhaufen
Den wir sonst emsiger angeschürt.
Mephistopheles
Ich weis nicht mehr wohin ich hören soll
Page
Ich bin verliebt, man hält mich nicht für voll.
Mephistopheles
Müßt euer Glück nicht auf die jüngste setzen.
Die Angejahrten wissen euch zu schätzen. –
Schon wieder Neue! Welch ein harter Strauß!
Ich helfe mir zuletzt mit Wahrheit aus;
Der schlechteste Behelf! Die Noth ist groß. –
O Mütter, Mütter! Laßt nur Fausten los!
umherschauend
Die Lichter brennen trübe schon im Saal,
Der ganze Hof bewegt sich auf einmal.
Anständig seh’ ich sie in Folge ziehn,
Durch lange Gänge, ferne Galerien.
Nun! sie versammeln sich im weiten Raum
Des alten Rittersaals, er
faßt sie kaum.
Auf breite Wände Teppiche
spendirt,
Mit Rüstung Eck und Nischen ausgeziert.
Hier braucht es, dächt’ ich, keine Zauberworte;
Die Geister finden sich von selbst zum Orte.
Rittersaal
Dammernde Beleuchtung,
Kaiser und Hof, sind eingezogen
Herold
Mein alt Geschäft, das Schauspiel anzukünden,
Verkümmert mir der Geister heimlich Walten;
Vergebens wagt man aus verständigen Gründen,
Sich zu erklären das verworrene Schalten.
Die Sessel sind, die Stühle schon zur Hand;
Den Kaiser setzt man grade vor die Wand;
Auf den Tapeten mag er da die Schlachten
Der großen Zeit beqeumlichstens betrachten.
Hier sitzt nun alles, Herr und Hof im Runde,
Die Bäncke drängen sich im Hintergrunde;
Auch Liebchen hat, in düstern Geisterstunden,
Zur Seite Liebchens lieblich Raum gefunden.
Und so, da alle schicklich Platz genommen,
Sind wir bereit, die Geister mögen kommen!
Posaunen
Astrolog
Beginne gleich das Drama seinen Lauf,
Der Herr befiehlts, ihr Wände thut euch auf!
Nichts hindert mehr, hier ist Magie zur Hand,
Die Tepp’che schwinden, wie gerollt vom Brand;
Die Mauer spaltet sich, sie kehrt sich um,
Ein tief Theater scheint sich aufzustellen,
Geheimnißvoll ein Schein uns zu erhellen,
Und ich besteige das Proscenium.
Mephistopheles
aus dem Soufleurloche
auftauchend
Von hier aus hoff’ ich allgemeine Gunst,
Einbläsereyen sind des
Teufels Redekunst.
zum Astrologen
Du kennst den Tackt in dem die Sterne gehn,
Und wirst mein Flüstern meisterlich verstehn.
Astrolog
Durch Wunderkraft erscheint alhier zur Schau,
Massiv genug, ein alter Tempelbau.
Dem Atlas gleich der einst den Himmel trug,
Steh’n, reihenweis, der Säulen hier genug;
Sie mögen wohl der Felsenlast genügen,
Da zweye schon ein groß Gebäude trügen.
Architekt
Das wär antik! ich wüßt’ es nicht zu preisen,
Es sollte plump und überlästig heißen.
Roh nennt man edel, unbehülflich groß.
Schmal-Pfeiler lieb’ ich, strebend,
gränzenlos;
Spitzbögiger Zenith erhebt den Geist;
Solch ein Gebäu erbaut uns allermeist.
Astrolog
Empfangt mit Ehrfurcht sterngegönnte Stunden;
Durch magisch Wort sey die Vernunft gebunden;
Dagegen weitheran bewege frey
Sich herrliche verwegne Phantasey.
Mit Augen schaut nun was ihr kühn begehrt,
Unmöglich ist’s, drum eben glaubenswerth.
Faust steigt auf der andern Seite des Prosceniums herauf
Astrolog
Im Priesterkleid, bekränzt, ein Wundermann,
Der nun vollbringt was er getrost begann.
Ein Dreyfuß steigt mit ihm aus hohler Gruft,
Schon ahn’ ich aus der Schaale Weihrauchduft.
Er rüstet sich das hohe Werk zu segnen,
Es kann fortan nur glückliches begegnen.
Faust
großartig
In eurem Namen, Mütter, die ihr thront
Im Gränzenlosen, ewig einsam wohnt,
Und doch gesellig. Euer Haupt umschweben
Des Lebens Bilder, regsam, ohne Leben.
Was einmal war, in allem Glanz und Schein,
Es regt sich dort; denn es will ewig seyn.
Und ihr vertheilt es, allgewaltige Mächte,
Zum Zelt des Tages, zum Gewölb der Nächte.
Die einen faßt des Lebens holder Lauf,
Die andern sucht der kühne Magier auf;
In reicher Spende läßt er, voll Vertrauen,
Was jeder wünscht, das Wunderwürdige schauen.
Astrolog
Der glühnde Schlüssel rührt die Schaale kaum,
Ein dunstiger Nebel deckt sogleich den Raum.
Er schleicht sich ein, er wogt nach Wolkenart,
Gedehnt, geballt, verschränkt, getheilt, gepaart.
Und nun erkennt ein Geister-Meister Stück!
So wie sie wandeln machen sie Musick.
Aus luftgen Tönen quillt ein Weisnichtwie,
Indem sie ziehn wird alles Melodie.
Der Saulenschaft, auch die Triglyphe klingt,
Ich glaube gar der ganze Tempel singt.
Das Dunstige senkt sich; aus dem leichten Flor
Ein schöner Jüngling tritt im Tackt hervor.
Hier schweigt mein Amt, ich brauch ihn nicht zu nennen,
Wer sollte nicht den holden Paris kennen!
Dame
O! welch ein Glanz aufblühender Jugendkraft!
Zweyte
Wie eine Pfirsche frisch und voller Saft!
Dritte
Die fein gezogenen, süß geschwollnen Lippen!
Vierte
Du möchtest wohl an solchem Becher nippen?
Fünfte
Er ist gar hübsch, wenn auch nicht eben fein.
Sechste
Ein bischen könnt’ er doch gewandter seyn.
Ritter
Den Schäferknecht glaub ich alhier zu spüren,
Vom Prinzen nichts und nichts von Hofmanieren.
Andrer
Eh nun! halb nackt ist wohl der Junge schön,
Doch müßten wir ihn erst im Harnisch sehn!
Dame
Er setzt sich nieder, weichlich, angenehm.
Ritter
Auf seinem Schoose wär’ euch wohl bequem?
Andre
Er lehnt den Arm so zierlich übers Haupt.
Kämmrer
Die Flegeley! Das find’ ich unerlaubt!
Dame
Ihr Herren wißt an allem was zu mäkeln.
Derselbe
In Kaisers Gegenwart sich hinzuräckeln!
Dame
Er stellts nur vor! Er glaubt sich ganz allein.
Derselbe
Das Schauspiel selbst, hier sollt es höflich seyn.
Dame
Sanft hat der Schlaf den Holden übernommen.
Derselbe
Er schnarcht nun gleich, natürlich ist’s, vollkommen!
Junge Dame
entzückt
Zum Weyrauchsdampf was duftet so gemischt?
Das mir das Herz zum Innigsten erfrischt.
Ältere
Fürwahr! Es dringt ein Hauch tief
ins Gemüthe,
Er kommt von ihm!
Älteste
Es ist des Wachsthums Blüte.
Im Jüngling als Ambrosia bereitet,
Und atmosphärisch ringsumher verbreitet.
Helena tritt auf
Mephistopheles
Das wär’ sie denn! Vor dieser hätt’ ich Ruh;
Hübsch ist sie wohl, doch sagt sie mir nicht zu.
Astrolog
Für mich ist diesmal weiter nichts zu thun,
Als Ehrenmann gesteh, bekenn ich’s nun.
Die Schöne kommt, und hätt’ ich Feuerzungen!
Von Schönheit ward von jeher viel gesungen;
Wem sie erscheint wird aus sich selbst entrückt,
Wem sie gehörte ward zu hoch beglückt.
Faust
Hab ich noch Augen? Zeigt sich tief im Sinn
Der Schönheit Quelle reichlichstens ergossen?
Mein Schreckensgang bringt seligsten Gewinn,
Wie war die Welt mir nichtig, unerschlossen!
Was ist sie nun seit meiner Priesterschaft?
Erst wünschenswerth, gegründet, dauerhaft!
Verschwinde mir des Lebens Athemkraft,
Wenn ich mich je von Dir zurückgewöhne! –
Die Wohlgestalt die mich voreinst entzückte,
In Zauberspiegelung beglückte,
War nur ein Schaumbild solcher Schöne! –
Du bist’s der ich die Regung aller Kraft,
Den Inbegriff der Leidenschaft,
Dir Neigung, Lieb, Anbetung, Wahnsinn zolle.
Mephistopheles
aus dem Kasten
So faßt euch doch, und fallt nicht aus der Rolle!
Ältere Dame
Groß, wohlgestaltet, nur der Kopf zu klein.
Jüngere
Seht nur den Fuß! Wie könnt’ er plumper seyn!
Diplomat
Fürstinnen hab ich dieser Art gesehn,
Mich däucht sie ist vom Kopf
zum Fuße schön.
Hofmann
Sie nähert sich dem Schläfer listig mild.
Dame
Wie häßlich neben jugendreinem Bild!
Poet
Von ihrer Schönheit ist er angestrahlt.
Dame
Endymion und Luna! wie gemahlt!
Derselbe
Ganz recht! Die Göttin scheint herabzusinken,
Sie neigt sich über, seinen Hauch zu trinken;
Beneidenswerth! – Ein Kuß! – Das Maas ist voll.
Duena
Vor allen Leuten! Das ist doch zu toll!
Faust
Furchtbare Gunst dem Knaben! –
Mephistopheles
Ruhig! still!
Laß das Gespenst doch machen was es will.
Hofmann
Sie schleicht sich weg, leichtfüßig; er erwacht.
Dame
Sie sieht sich um! Das hab’ ich wohl gedacht.
Hofmann
Er staunt! Ein Wunder ist’s was ihm geschieht.
Dame
Ihr ist kein Wunder was sie vor sich sieht.
Hofmann
Mit Anstand kehrt sie sich zu ihm herum.
Dame
Ich merke schon sie nimmt ihn in die Lehre;
In solchem Fall sind alle Männer dumm,
Er glaubt wohl auch daß er der erste wäre.
Ritter
Laßt mir sie gelten! Majestätisch fein! –
Dame
Die Buhlerin! Das nenn’ ich doch gemein!
Page
Ich möchte wohl an seiner Stelle seyn!
Hofmann
Wer würde nicht in solchem Netz gefangen?
Dame
Das Kleinod ist durch manche Hand gegangen,
Auch die Verguldung ziemlich abgebraucht.
Andre
Vom zehnten Jahr an hat sie nichts getaugt.
Ritter
Gelegentlich nimmt jeder sich das Beste;
Ich hielte mich an diese schönen Reste.
Gelahrter
Ich seh’ sie deutlich, doch gesteh’ ich
frey,
Zu zweiflen ist, ob sie die Rechte sey.
Die Gegenwart verführt ins Übertriebne,
Ich halte mich vor allem ans Geschriebne.
Da les’ ich denn: sie habe wirklich allen
Graubärten Trojas sonderlich gefallen;
Und, wie mich dünkt, vollkommen paßt das hier,
Ich bin nicht jung und doch gefällt sie mir.
Astrolog
Nicht Knabe mehr! Ein kühner Heldenmann
Umfaßt er sie, die kaum sich wehren kann.
Gestärkten Arms hebt er sie hoch empor,
Entführt er sie wohl gar?
Faust
Verwegner Thor!
Du wagst! Du hörst nicht! halt! das ist zu viel!
Mephistopheles
Machst du’s doch selbst das Frazzengeisterspiel!
Astrolog
Nur noch ein Wort! Nach allem was geschah
Nenn ich das Stück: den Raub der
Helena.
Faust
Was Raub! Bin ich für nichts an dieser Stelle!
Ist dieser Schlüssel nicht in meiner Hand!
Er führte mich, durch Graus und Wog’ und Welle
Der Einsamkeiten, her zum festen Stand.
Hier faß ich Fuß! Hier sind es Wirklichkeiten,
Von hieraus darf der Geist mit Geistern streiten,
Das Doppelreich, das große, sich bereiten.
So fern sie war, wie kann sie näher seyn.
Ich rette sie und sie ist doppelt mein.
Gewagt! Ihr Mütter! Mütter müßt’s gewähren.
Wer sie erkannt der darf sie nicht entbehren.
Astrolog
Was thust du Fauste! Fauste! – Mit Gewalt
Faßt er sie an, schon trübt sich die Gestalt.
Den Schlüssel kehrt er nach dem Jüngling zu,
Berührt ihn! – Weh uns, Wehe! Nu! im Nu!
Explosion, Faust liegt am Boden. Die Geister gehen
in Dunst auf.
Mephistopheles
der Fausten auf die Schulter
nimmt
Da habt ihr’s nun! Mit Narren sich beladen,
Das kommt zuletzt dem Teufel selbst zu Schaden.
Finsterniß, Tummult
Zweyter Act
Hochgewölbtes, enges, gothisches Zimmer,
ehemals
Faustens, unverändert
Mephistopheles
hinter einem Vorhang hervortretend.
Indem er ihn aufhebt und zurücksieht erblickt man Fausten
hingestreckt auf einem altväterischen Bette.
Hier lieg’ Unseliger! verführt
Zu schwergelöstem Liebesbande!
Wen Helena paralysirt
Der kommt so leicht nicht zu Verstande.
sich umschauend
Blick’ ich hinauf, hierher, hinüber,
Allunverändert ist es, unversehrt;
Die bunten Scheiben sind, so dünkt mich, trüber,
Die Spinneweben haben sich vermehrt;
Die Dinte starrt, vergilbt ist das Papier;
Doch alles ist am Platz geblieben;
Sogar die Feder liegt noch hier,
Mit welcher Faust dem Teufel sich verschrieben.
Ja! tiefer in dem Rohre stockt
Ein Tröpflein Blut, wie ich’s ihm abgelockt.
Zu einem solchen einzigen Stück
Wünscht’ ich dem größten Sammler Glück.
Auch hängt der alte Pelz am alten Hacken,
Erinnert mich an jene Schnacken
Wie ich den Knaben einst belehrt,
Woran er noch vielleicht als Jüngling zehrt.
Es kommt mir wahrlich das Gelüsten,
Rauchwarme Hülle, dir vereint,
Mich als Docent noch einmal zu erbrüsten,
Wie man so völlig recht zu haben meynt.
Gelehrte wissens zu erlangen,
Dem Teufel ist es längst vergangen.
er schüttelt den herabgenommenen Pelz,
Cicaden, Käfer und Farfarellen fahren
heraus.
Chor der Insecten
Willkommen! willkommen
Du alter Patron,
Wir schweben und summen
Und kennen dich schon.
Nur einzeln im Stillen
Du hast uns gepflanzt,
Zu Tausenden kommen wir
Vater getanzt.
Der Schalk in dem Busen
Verbirgt sich so sehr,
Vom Pelze die Läuschen
Enthüllen sich ehr.
Mephistopheles
Wie überraschend mich die junge Schöpfung freut!
Man säe nur, man erndtet mit der Zeit.
Ich schüttle noch einmal den alten Flaus,
Noch eines flattert hier und dort hinaus. –
Hinauf! umher! in hunderttausend Ecken
Eilt euch ihr Liebchen zu verstecken.
Dort wo die alten Schachteln stehn,
Hier im bebräunten Pergemen,
In staubigen Scherben alter Töpfe,
Dem Hohlaug’ jener Todtenköpfe.
In solchem Wust und Moderleben
Muß es für ewig Grillen geben.
schlüpft in den Pelz
Komm decke mir die Schultern noch einmal,
Heut bin ich wieder Prinzipal.
Doch hilft es nichts mich so zu nennen,
Wo sind die Leute die mich anerkennen!
er zieht die Glocke die einen gellenden, durchdringenden
Ton erschallen läßt; wovon die Hallen erbeben und die Thüren
aufspringen.
Famulus
den langen finstern Gang
herwankend
Welch ein Tönen! welch ein Schauer!
Treppe schwankt, es bebt die Mauer;
Durch der Fenster buntes Zittern,
Seh ich wetterleuchtend Wittern.
Springt das Estrich, und von Oben
Rieselt Kalk und Schutt verschoben.
Und die Thüre, fest verriegelt,
Ist durch Wunderkraft entsiegelt. –
Dort! Wie fürchterlich! Ein Riese
Steht in Faustens altem Vließe.
Seinen Blicken, seinem Winken,
Möcht’ ich in die Kniee sinken.
Soll ich fliehen? Soll ich stehn?
Ach! wie wird es mir ergehn!
Mephistopheles
winkend
Heran mein Freund! – Ihr heißet Nicodemus.
Famulus
Hochwürdiger Herr! so ist mein Nahm’ – Oremus.
Mephistopheles
Das lassen wir!
Famulus
Wie froh! daß ihr mich kennt.
Mephistopheles
Ich weiß es wohl, bejahrt und noch Student,
Bemooster Herr! Auch ein gelehrter Mann
Studirt so fort, weil er nicht anders kann.
So baut man sich ein mäßig Kartenhaus,
Der größte Geist bauts doch nicht völlig aus.
Doch euer Meister das ist ein Beschlagner:
Wer kennt ihn nicht den edlen Doctor Wagner,
Den ersten jetzt in der gelehrten Welt!
Er ist’s allein der sie zusammenhält,
Der Weisheit täglicher Vermehrer.
Allwißbegierige Horcher, Hörer
Versammeln sich um ihn zu Hauf.
Er leuchtet einzig vom Catheder;
Die Schlüssel übt er wie Sankt Peter,
Das Untre so das Obre schließt er auf.
Wie er vor Allen glüht und funkelt,
Kein Ruf, kein Ruhm hält weiter stand;
Des Meisters Name wird verdunkelt,
Er ist es, der allein erfand.
Famulus
Verzeiht! Hochwürdiger Herr! wenn ich euch sage,
Wenn ich zu widersprechen wage:
Von allem dem ist nicht die Frage,
Bescheidenheit ist sein beschieden Theil.
Ins unbegreifliche Verschwinden
Des hohen Manns weiß er sich nicht zu finden,
Von dessen Wiederkunft erfleht er Trost und Heil.
Das Zimmer, wie zu Doctor Faustus Tagen,
Noch unberührt seitdem er fern,
Erwartet seinen alten Herrn.
Kaum wag’ ich’s mich herein zu wagen.
Was muß die Sternenstunde seyn? –
Gemäuer scheint mir zu erbangen;
Thürpfosten bebten, Riegel sprangen,
Sonst kamt ihr selber nicht herein.
Mephistopheles
Wo hat der Mann sich hingethan?
Führt mich zu ihm, bringt ihn heran.
Famulus
Ach! sein Verbot ist gar zu scharf,
Ich weiß nicht ob ichs wagen darf.
Monate lang, des großen Werkes willen,
Lebt’ er im aller stillsten Stillen.
Der zarteste gelehrter Männer
Er sieht aus wie ein Kohlenbrenner,
Geschwärzt vom Ohre bis zur Nasen,
Die Augen roth vom Feuer blasen,
So lechzt er jedem Augenblick;
Geklirr der Zange giebt Musick.
Mephistopheles
Sollt’ er den Zutritt mir verneinen,
Ich bin der Mann das Glück ihm zu beschleunen.
Der Famulus geht ab,
Mephistopheles setzt sich gravitätisch nieder.
Kaum hab’ ich Posto hier gefaßt
Regt sich dort hinten, mir bekannt, ein Gast.
Doch diesmal ist er von den Neusten,
Er wird sich gränzenlos erdreusten.
Baccalaureus
den Gang herstürmend
Thor und Thüre find ich offen!
Nun da läßt sich endlich hoffen
Daß nicht, wie bisher, im Moder,
Der Lebendige wie ein Todter,
Sich verkümmere, sich verderbe
Und am Leben selber sterbe.
Diese Mauern, diese Wände
Neigen, senken sich zum Ende
Und wenn wir nicht bald entweichen
Wird uns Fall und Sturz erreichen.
Bin verwegen, wie nicht einer,
Aber weiter bringt mich keiner.
Doch was soll ich heut erfahren!
War’s nicht hier, vor so viel Jahren,
Wo ich, ängstlich und beklommen,
War als guter Fuchs gekommen?
Wo ich diesen Bärtigen traute,
Mich an ihrem Schnack erbaute.
Aus den alten Bücherkrusten
Logen sie mir was sie wußten,
Was sie wußten, selbst nicht glaubten,
Sich und mir das Leben raubten.
Wie? – Dort hinten in der Zelle
Sitzt noch Einer dunkel-helle!
Nahend seh’ ichs mit Erstaunen,
Sitzt er noch im Pelz, dem braunen;
Wahrlich wie ich ihn verließ,
Noch gehüllt im rauhen Vließ!
Damals war er schon gewandt,
Ob ich gleich ihn
nicht
verstand.
Heute wird es nicht verfangen,
Frisch an ihn herangegangen!
Wenn, alter Herr, nicht Lethes trübe Fluthen
Das schiefgesenkte, kahle Haupt durchschwommen,
Seht anerkennend hier den Schüler kommen,
Entwachsen akademischen Ruthen.
Ich find’ euch noch wie ich euch sah;
Ein Anderer bin ich wieder da.
Mephistopheles
Mich freut daß ich euch hergeläutet.
Ich schätzt’ euch damals nicht gering;
Die Raupe schon, die Chrysalide deutet
Den künftigen bunten Schmetterling.
Am Lockenkopf und Spitzenkragen,
Empfandet ihr ein kindliches Behagen. –
Ihr trugt wohl niemals einen Zopf? –
Heut schau ich euch im Schwedenkopf.
Ganz resolut und wacker seht ihr aus,
Kommt nur nicht absolut nach Haus.
Baccalaureus
Mein alter Herr! Wir sind am alten Orte,
Bedenkt jedoch erneuter Zeiten Lauf,
Und sparet doppelsinnige Worte;
Wir passen nun ganz anders auf.
Ihr hänseltet den guten treuen Jungen,
Das ist euch ohne Kunst gelungen,
Was heut zu Tage niemand wagt.
Mephistopheles
Wenn man der Jugend reine Wahrheit sagt
Die gelben Schnäbeln keineswegs behagt,
Sie aber hinterdrein nach Jahren
Das alles derb an eigner Haut erfahren,
Dann dünkeln sie es käm’ aus eignem Schopf;
Da heißt es denn: der Meister war ein Tropf.
Baccalaureus
Ein Schelm vielleicht! – denn welcher Lehrer spricht
Die Wahrheit uns direct ins Angesicht?
Ein jeder weiß zu mehren wie zu mindern,
Bald ernst, bald heiter klug, zu frommen Kindern.
Mephistopheles
Zum lernen giebt es freylich eine Zeit,
Zum lehren seyd ihr, merk’ ich, selbst bereit.
Seit manchen Monden, einigen Sonnen,
Erfahrungsfülle habt ihr wohl gewonnen.
Baccalaureus
Erfahrungswesen! Schaum und Dust!
Und mit dem Geist nicht ebenbürtig.
Gesteht! was man von je gewußt
Es ist durchaus nicht wissenswürdig...
Mephistopheles
nach einer Pause
Mich däucht es längst. Ich war ein Thor,
Nun komm’ ich mir recht schaal und albern vor.
Baccalaureus
Das freut mich sehr! da hör’ ich doch Verstand,
Der erste Greis, den ich vernünftig fand!
Mephistopheles
Ich suchte nach verborgen-goldnem Schatze,
Und schauerliche Kohlen trug ich fort.
Baccalaureus
Gesteht nur, euer Schädel, eure Glatze
Ist nicht mehr werth als jene hohlen dort?
Mephistopheles
gemüthlich
Du weißt wohl nicht, mein Freund, wie grob du bist?
Baccalaureus
Im Deutschen lügt man, wenn man höflich ist.
Mephistopheles
der mit seinem Rollstuhle immer näher ins
Proscenium rückt, zum Parterre
Hier oben wird mir Licht und Luft benommen,
Ich finde wohl bey euch ein Unterkommen?
Baccalaureus
Anmaßlich find’ ich daß zur schlechtsten Frist
Man etwas seyn will, wo man nichts mehr ist.
Des Menschen Leben lebt im Blut, und wo
Bewegt das Blut sich wie im Jüngling so?
Das ist lebendig Blut in frischer Kraft,
Das neues Leben sich aus Leben schaft.
Da regt sich alles, da wird was gethan,
Das Schwache fällt, das Tüchtige tritt heran.
Indessen wir die halbe Welt gewonnen
Was habt ihr denn gethan? genickt, gesonnen,
Geträumt, erwogen, Plan und immer Plan.
Gewiß das Alter ist ein kaltes Fieber
Im Frost von grillenhafter Noth.
Hat einer dreyßig Jahr vorüber,
So ist er schon so gut wie todt.
Am besten wär’s euch zeitig todtzuschlagen.
Mephistopheles
Der Teufel hat hier weiter nichts zu sagen.
Baccalaureus
Wenn ich nicht will, so darf kein Teufel seyn.
Mephistopheles
abseits
Der Teufel stellt dir nächstens doch ein Bein.
Baccalaureus
Dies ist der Jugend edelster Beruf!
Die Welt sie war nicht eh ich sie erschuf;
Die Sonne führt’ ich aus dem Meer herauf;
Mit mir begann der Mond des Wechsels Lauf;
Da schmückte sich der Tag auf meinen Wegen,
Die Erde grünte, blühte mir
entgegen.
Auf meinen Wink, in jener ersten Nacht,
Entfaltete sich aller Sterne Pracht.
Wer, ausser mir,
entband euch aller Schranken
Philisterhaft einklemmender Gedanken?
Ich aber frey, wie mir’s im Geiste spricht,
Verfolge froh mein innerliches Licht,
Und wandle rasch, im eigensten Entzücken,
Das Helle vor mir, Finsterniß im Rücken.
ab
Mephistopheles
Original fahr hin in deiner Pracht! –
Wie würde dich die Einsicht kränken:
Wer kann was Dummes, wer was Kluges denken
Das nicht die Vorwelt schon gedacht?
Doch sind wir auch mit diesem nicht gefährdet,
In wenig Jahren wird es anders seyn.
Wenn sich der Most auch ganz absurd gebärdet,
Es giebt zuletzt doch noch e’ Wein.
Zu dem jüngern Parterre das nicht
applaudirt
Ihr bleibt bey meinem Worte kalt,
Euch guten Kindern laß ich’s gehen;
Bedenkt: der Teufel der ist alt,
So werdet alt, ihn zu verstehen!
Laboratorium
im Sinne des
Mittelalters,
weitläufige, unbehülfliche Apparate,
zu phantastischen
Zwecken
Wagner
am Herde
Die Glocke tönt, die fürchterliche
Durchschauert die berußten Mauern.
Nicht länger kann das Ungewisse
Der ernstesten Erwartung dauern.
Schon hellen sich die Finsternisse;
Schon in der innersten Phiole
Erglüht es wie lebendige Kohle,
Ja wie der herrlichste Karfunkel,
Verstrahlend Blitze durch das Dunkel;
Ein helles weißes Licht erscheint!
O daß ich’s diesmal nicht verliere! –
Ach Gott! was rasselt an der Thüre?
Mephistopheles
eintretend
Willkommen! es ist gut gemeint.
Wagner
ängstlich
Willkommmen! zu dem Stern der Stunde.
Leise
Doch haltet Wort und Athem fest im Munde,
Ein herrlich Werk ist gleich zu Stand gebracht.
Mephistopheles
leiser
Was giebt es denn?
Wagner
leiser
Es wird ein Mensch gemacht.
Mephistopheles
Ein Mensch? Und welch verliebtes Paar
Habt ihr in’s Rauchloch eingeschloßen?
Wagner
Behüte Gott! wie sonst das Zeugen Mode war
Erklären wir für eitel Possen.
Der zarte Punct aus dem das Leben sprang,
Die holde Kraft die aus dem Innern drang
Und nahm und gab, bestimmt sich selbst zu zeichnen,
Erst Nächstes, dann sich Fremdes anzueignen,
Die ist von ihrer Würde nun entsetzt;
Wenn sich das Thier noch weiter dran ergötzt,
So muß der Mensch mit seinen großen Gaben
Doch künftig höhern, höhern
Ursprung haben.
Zum Herd gewendet
Es leuchtet seht! – Nun läßt
sich wirklich hoffen
Daß, wenn wir aus viel hundert Stoffen,
Durch Mischung, denn auf Mischung kommt es an,
Den Menschenstoff gemächlich componiren,
In einen Kolben verlutiren
Und ihn gehörig kohobiren,
So ist das Werk im Stillen abgethan.
zum Herd gewendet
Es wird! die Masse regt sich klarer,
Die Überzeugung wahrer,
wahrer:
Was man an der Natur geheimnißvolles prieß,
Das wagen wir verständig zu probiren,
Und was sie sonst organisiren ließ,
Das lassen wir krystallisiren.
Mephistopheles
Wer lange lebt hat viel erfahren,
Nichts Neues kann für ihn auf
dieser Welt geschehn,
Ich habe schon, in meinen Wanderjahren,
Krystallisirtes Menschenvolk gesehn.
Wagner
bisher immer aufmerksam auf die Phiole
Es steigt, es blitzt, es häuft sich an,
Im Augenblick ist es gethan.
Ein großer Vorsatz scheint im Anfang toll,
Doch wollen wir des Zufalls
künftig lachen,
Und so ein Hirn, das trefflich denken soll,
Wird künftig auch ein Denker machen.
Entzückt die Phiole betrachtend
Das Glas erklingt von lieblicher Gewalt,
Es trübt, es klärt sich; also muß es werden!
Ich seh’ in zierlicher Gestalt
Ein artig Männlein sich gebärden.
Was wollen wir, was will die Welt nun mehr?
Denn das Geheimniß liegt am Tage.
Gebt diesem Laute nur Gehör,
Er wird zur Stimme, wird zur Sprache.
Homunkulus
in der Phiole zu Wagner
Nun Väterchen! wie stehts? es war kein Scherz.
Komm, drücke mich recht zärtlich an dein Herz,
Doch nicht zu fest, damit das Glas nicht springe.
Das ist die Eigenschaft der Dinge:
Natürlichem genügt das Weltall kaum,
Was künstlich ist, verlangt geschloßnen Raum.
zu Mephistopheles
Du aber Schalk, Herr Vetter, bist du hier?
Im rechten Augenblick, ich danke dir.
Ein gut Geschick führt dich zu uns herein,
Dieweil ich bin, muß ich auch thätig seyn.
Ich möchte mich sogleich zur Arbeit schürzen,
Du bist gewandt, die Wege mir zu kürzen.
Wagner
Nur noch ein Wort; bisher mußt’ ich mich schämen,
Denn Alt und Jung bestürmt mich
mit Problemen.
Zum Beyspiel nur: noch niemand konnt’ es fassen
Wie Seel’ und Leib so schön zusammenpassen,
So fest sich halten als um nie zu scheiden,
Und doch den Tag sich immerfort verleiden.
Sodann –
Mephistopheles
Halt ein! ich wollte lieber fragen:
Warum sich Mann und Frau so schlecht vertragen?
Du kommst, mein Freund, hierüber nie ins Reine.
Hier giebts zu thun, das eben will der Kleine.
Homunkulus
Was giebt’s zu thun?
Mephistopheles
auf eine Seitenthüre
deutend
Hier zeige deine Gabe!
Wagner
immer in die Phiole
schauend
Fürwahr, du bist ein allerliebster Knabe.
Die Seitenthür öffnet sich, man sieht Faust auf dem
Lager hingestreckt.
Homunkulus
erstaunt
Bedeutend! –
Die Phiole entschlüpft aus Wagners Händen, schwebt
über Faust und beleuchtet ihn.
Schön umgeben! – Klar Gewässer
Im dichten Haine, Frau’n die sich entkleiden;
Die allerliebsten! – Das wird immer besser.
Doch eine läßt sich glänzend unterscheiden,
Aus höchstem Helden-, wohl aus Götterstamme;
Sie setzt den Fuß in das durchsichtige Helle;
Des edlen Körpers holde Lebensflamme
Kühlt sich im schmiegsamen Krystall der Welle. –
Doch welch Getöse rasch bewegter Flügel,
Welch Sausen, Plätschern wühlt im glatten Spiegel?
Die Mädchen fliehn verschüchtert; doch allein
Die Königin sie blickt gelassen drein,
Und sieht, mit stolzem, weiblichem Vergnügen,
Der Schwäne Fürsten ihrem Knie sich schmiegen,
Zudringlichzahm. Er
scheint sich zu gewöhnen. –
Auf einmal aber steigt ein Dunst empor,
Und deckt mit dichtgewebtem Flor
Die lieblichste von allen Scenen.
Mephistopheles
Was du nicht alles zu erzählen hast!
So klein du bist, so groß bist du Phantast.
Ich sehe nichts –
Homunkulus
Das glaub ich. Du aus Norden,
Im Nebelalter jung geworden,
Im Wust von Ritterthum und Pfäfferey,
Wo wäre da dein Auge frey!
Im Düstern bist du nur zu Hause.
umherschauend
Verbräunt Gestein, bemodert, widrig,
Spitzbögig, schnörckelhaftest, niedrig! –
Erwacht uns dieser, giebt es neue Noth,
Er bleibt gleich auf der Stelle todt.
Waldquellen, Schwäne, nackte Schönen,
Das war sein ahnungsvoller Traum;
Wie wollt’ er sich hierher gewöhnen!
Ich, der bequemste, duld’ es kaum.
Nun fort mit ihm!
Mephistopheles
Der Ausweg soll mich freuen.
Homunkulus
Befiehl den Krieger in die Schlacht,
Das Mädchen führe du zum Reihen,
So ist gleich alles abgemacht.
Jetzt eben, wie ich schnell bedacht,
Ist classische Walpurgisnacht;
Das Beste was begegnen könnte
Bringt ihn zu seinem Elemente.
Mephistopheles
Dergleichen hab ich nie vernommen.
Homunkulus
Wie wollt’ es auch zu euren Ohren kommen?
Romantische Gespenster kennt ihr nur allein,
Ein echt Gespenst auch classisch hat’s zu seyn.
Mephistopheles
Wohin denn aber soll die Fahrt sich regen?
Mich widern schon antikische Collegen.
Homunkulus
Nordwestlich, Satan, ist dein Lustrevier;
Südöstlich diesmal aber segeln wir –
An großer Fläche fließt Peneios frey,
Umbuscht, umbaumt, in still’ und feuchten Buchten,
Die Ebne dehnt sich zu der Berge Schluchten,
Und oben liegt Pharsalus alt und neu.
Mephistopheles
O weh! hinweg! und laßt mir jene Streite
Von Tyranney und Sklaverey bey
Seite.
Mich langeweilt’s, denn kaum ist’s abgethan,
So fangen sie von vorne wieder an;
Und keiner merkt: er ist doch nur geneckt
Vom Asmodeus der dahinter steckt.
Sie streiten sich, so heißt’s um Freyheitsrechte,
Genau besehn sind’s Knechte
gegen Knechte.
Homunkulus
Den Menschen laß ihr widerspenstig Wesen,
Ein jeder muß sich wehren wie er kann,
Vom Knaben auf, so wird’s zuletzt ein Mann.
Hier fragt sich’s nur wie dieser kann genesen?
Hast du ein Mittel so erprob’ es hier,
Vermagst du’s nicht so überlaß es mir.
Mephistopheles
Manch Brockenstückchen wäre durchzuproben,
Doch Heidenriegel find’ ich vorgeschoben.
Das Griechenvolk es taugte nie recht viel!
Doch blendet’s euch mit freyem Sinnen-Spiel,
Verlockt des Menschen Brust zu heitern Sünden;
Die unsern wird man immer düster finden.
Und nun was soll’s?
Homunkulus
Du bist ja sonst nicht blöde;
Und wenn ich von Thessalischen Hexen rede,
So denk’ ich hab’ ich was gesagt.
Mephistopheles
lüstern
Thessalische Hexen! Wohl! das sind Personen
Nach denen hab’ ich lang’ gefragt.
Mit ihnen Nacht für Nacht zu wohnen
Ich glaube nicht daß es behagt;
Doch zum Besuch! Versuch!
Homunkulus
den
Mantel her,
Und um den Ritter umgeschlagen!
Der Lappen wird euch, wie bisher,
Den einen mit dem andern tragen,
Ich leuchte vor.
Wagner
ängstlich
Und ich?
Homunkulus
Eh nun
Du bleibst zu Hause Wichtigstes zu thun.
Entfalte du die alten Pergamente,
Nach Vorschrift sammle Lebens-Elemente
Und füge sie mit Vorsicht eins ans andre.
Das Was bedenke, mehr bedenke Wie?
Indessen ich ein Stückchen Welt durchwandre
Entdeck’ ich wohl das Tüpfchen auf das I.
Dann ist der große Zweck erreicht,
Solch einen Lohn verdient ein solches Streben:
Gold, Ehre, Ruhm, gesundes langes Leben
Und Wissenschaft und Tugend – auch vielleicht.
Leb wohl!
Wagner
betrübt
Leb wohl! Das drückt das Herz mir nieder.
Ich fürchte schon ich seh dich niemals wieder.
Mephistopheles
Nun zum Peneios frisch hinab,
Herr Vetter ist nicht zu verachten.
ad Spectatores
Am Ende hängen wir doch ab
Von Creaturen die wir machten.
Classische Walpurgisnacht
Pharsalische
Felder,
Finsterniß
Erichto
Zum Schauderfeste dieser Nacht, wie öfter schon,
Tret’ ich einher, Erichto, ich
die düstere;
Nicht so abscheulich wie die leidigen
Dichter mich
Im Übermaaß verlästern... Endigen sie doch nie,
In Lob und
Tadel... Überbleicht
erscheint mir schon
Von grauer Zelten Woge weit das Thal dahin,
Als Nachgesicht der sorg- und grauenvollsten Nacht.
Wie oft schon wiederholt sich’s! Wird sich immerfort
In’s Ewige wiederholen... Keiner gönnt das Reich
Dem Andern, dem gönnt’s keiner der’s
mit Kraft erwarb
Und kräftig herrscht. Denn jeder, der sein innres
Selbst
Nicht zu regieren weiß, regierte gar zu gern
Des Nachbars Willen, eignem stolzen Sinn
gemäß...
Hier aber ward ein großes Beyspiel durchgekämpft,
Wie sich Gewalt Gewaltigerem entgegenstellt,
Der Freyheit holder
tausendblumiger Kranz zerreißt,
Der starre Lorbeer sich ums Haupt des Herrschers
biegt.
Hier träumte Magnus früher Größe Blütentag,
Dem schwanken Zünglein lauschend wachte Cäsar dort!
Das wird sich messen. Weiß die Welt doch wem’s
gelang.
Wachfeuer glühen, rothe Flammen spendende,
Der Boden haucht vergoßnen Blutes Wiederschein,
Und angelockt von seltnem Wunderglanz der Nacht,
Versammelt sich hellenischer Sage Legion.
Um alle Feuer schwankt unsicher, oder sitzt
Behaglich, alter Tage fabelhaft Gebild...
Der Mond, zwar unvollkommen, aber leuchtend hell,
Erhebt sich, milden Glanz verbreitend überall;
Der Zelten Trug verschwindet, Feuer brennen blau.
Doch! über mir! welch unerwartet Meteor?
Es leuchtet und beleuchtet körperlichen Ball.
Ich wittre Leben. Da geziemen will mirs nicht
Lebendigem zu nahen, dem ich
schädlich bin;
Das bringt mir bösen Ruf und frommt mir nicht.
Schon sinkt es nieder. Weich’
ich aus mit Wohlbedacht!
Entfernt sich
Die Luftfahrer oben
Homunkulus
Schwebe noch einmal die Runde
Über Flamm- und Schaudergrauen;
Ist es doch in Thal und Grunde,
Gar gespenstisch anzuschauen.
Mephistopheles
Seh’ ich, wie durchs alte
Fenster,
In des Nordens Wust und Graus,
Ganz abscheuliche Gespenster;
Bin ich hier wie dort zu Haus.
Homunkulus
Sieh! da schreitet eine Lange,
Weiten Schrittes von uns hin.
Mephistopheles
Ist es doch als wär’ ihr
bange;
Sah uns durch die Lüfte ziehn.
Homunkulus
Laß sie schreiten! setz’ ihn nieder
Deinen Ritter, und sogleich
Kehret ihm das Leben wieder,
Denn er sucht’s im
Fabelreich.
Faust
den Boden berührend
Wo ist sie?
Homunkulus
Wüßten’s
nicht zu sagen,
Doch hier wahrscheinlich zu erfragen.
In Eile magst du, eh’ es
tagt,
Von Flamm’ zu Flamme spürend gehen:
Wer zu den Müttern sich gewagt
Hat weiter nichts zu überstehen.
Mephistopheles
Auch ich bin hier an meinem Theil,
Doch wüßt’ ich besseres nicht zu unserm Heil
Als: jeder möge durch die Feuer
Versuchen sich sein eigen Abenteuer.
Dann, um uns wieder zu vereinen,
Laß deine Leuchte, Kleiner, tönend scheinen.
Homunkulus
So soll es blitzen, soll es klingen.
das Glas dröhnt und leuchtet
gewaltig.
Nun frisch zu neuen Wunderdingen!
Faust
allein
Wo ist sie? – Frage jetzt nicht weiter nach...
Wär’s nicht die Scholle die sie trug,
Die Welle nicht die ihr entgegen schlug;
So ist’s die Luft die ihre Sprache sprach.
Hier! durch ein Wunder, hier in Griechenland!
Ich fühlte gleich den Boden wo ich stand;
Wie mich, den Schläfer, frisch ein Geist durchglühte,
So steh’ ich, ein Antäus
an Gemüthe.
Und find’ ich hier das Seltsamste
beysammen,
Durchforsch’ ich ernst dies
Labyrinth der Flammen.
entfernt sich
Mephistopheles
umherspürend
Und wie ich diese Feuerchen durchschweife,
So find’ ich mich doch ganz und
gar entfremdet,
Fast alles nackt, nur hie und da behemdet:
Die Sphinxe schamlos, unverschämt die Greife,
Und was nicht alles, lockig und beflügelt,
Von vorn und hinten sich im Auge spiegelt....
Zwar sind auch wir von Herzen unanständig,
Doch das Antike find’ ich zu
lebendig;
Das müßte man mit neustem Sinn bemeistern
Und mannigfaltig modisch überkleistern....
Ein widrig Volk! doch darf michs nicht verdrießen
Als neuer Gast anständig sie zu grüßen....
Glückzu! den schönen Frau’n, den klugen Greisen.
Greif
schnarrend
Nicht Greisen! Greifen! – Niemand hört es gern
Daß man ihn Greis nennt. Jedem Worte klingt
Der Ursprung nach wo es sich her bedingt:
Grau, grämlich, griesgram, gräulich, Gräber, grimmig,
Etymologisch gleicherweise stimmig,
Verstimmen uns.
Mephistopheles
Und doch, nicht abzuschweifen,
Gefällt das Grei im Ehrentitel
Greifen.
Greif
wie oben und immer so
fort
Natürlich! die Verwandtschaft ist erprobt,
Zwar oft gescholten, mehr jedoch gelobt;
Man greife nun nach Mädchen, Kronen, Gold,
Dem Greifenden ist meist Fortuna hold.
Ameisen
von der colossalen Art
Ihr sprecht von Gold, wir hatten viel gesammelt,
In Fels und Höhlen heimlich eingerammelt;
Das Arimaspen-Volk hat’s ausgespürt,
Sie lachen dort, wie weit sie’s
weggeführt.
Greife
Wir wollen sie schon zum Geständniß bringen.
Arimaspen
Nur nicht zur freyen Jubelnacht.
Bis morgen ists alles durchgebracht,
Es wird uns diesmal wohl gelingen.
Mephistopheles
hat sich zwischen die Sphinxe gesetzt
Wie leicht und gern ich mich hierher gewöhne,
Denn ich verstehe Mann für Mann.
Sphinx
Wir hauchen unsre Geistertöne
Und ihr verkörpert sie alsdann.
Jetzt nenne dich bis wir dich weiter kennen!
Mephistopheles
Mit vielen Namen glaubt man mich zu nennen –
Sind Britten hier? Sie reisen sonst so viel,
Schlachtfeldern nachzuspüren, Wasserfällen,
Gestürzten Mauern, klassisch dumpfen Stellen;
Das wäre hier für sie ein würdig Ziel.
Sie zeugten auch: Im alten Bühnen-Spiel
Sah man mich dort als old Iniquity.
Sphinx
Wie kam man drauf?
Mephistopheles
Ich weiß es selbst nicht wie.
Sphinx
Mag seyn! Hast du von Sternen einige Kunde?
Was sagst du zu der gegenwärt’gen
Stunde?
Mephistopheles
aufschauend
Stern schießt nach Stern, beschnittner Mond scheint helle
Und mir ist wohl an dieser trauten Stelle,
Ich wärme mich an deinem Löwenfelle.
Hinauf sich zu versteigen wär’ zum Schaden,
Gieb Räthsel auf, gieb allenfalls Charaden.
Sphinx
Sprich nur dich selbst aus, wird schon Räthsel seyn.
Versuch einmal dich innigst aufzulösen:
„Dem frommen Manne nöthig wie dem bösen,
Dem ein Plastron, ascetisch zu rapiren,
Cumpan dem andern, Tolles zu vollführen,
Und beydes nur, um Zeus zu
amüsiren.“
Erster Greif
schnarrend
Den mag ich nicht!
Zweyter Greif
stärker schnarrend
Was will uns der?
Beyde
Der Garstige gehöret nicht hierher!
Mephistopheles
brutal
Du glaubst vielleicht des Gastes Nägel krauen
Nicht auch so gut wie deine scharfen Klauen?
Versuchs einmal!
Sphinx
milde
Du magst nur immer bleiben,
Wird dich’s doch selbst aus
unsrer Mitte treiben;
In deinem Lande thust dir was zu Gute,
Doch, irr’ ich nicht, hier ist
dir schlecht zu Muthe.
Mephistopheles
Du bist recht appetitlich oben
anzuschauen,
Doch unten hin, die Bestie macht mir Grauen.
Sphinx
Du Falscher kommst zu deiner bittern Buße,
Denn unsre Tatzen sind gesund;
Dir
mit verschrumpftem Pferdefuße
Behagt es nicht in unserem Bund.
Sirenen präludiren oben
Mephistopheles
Wer sind die Vögel in den Ästen
Des Pappelstromes hingewiegt?
Sphinx
Gewahrt euch nur, die Allerbesten
Hat solch ein Sing-Sang schon besiegt.
Sirenen
Ach was wollt ihr euch verwöhnen
In dem Häßlich-Wunderbaren!
Horcht, wir kommen hier zu Schaaren
Und in wohlgestimmten Tönen,
So geziemet es Sirenen.
Sphinxe
sie verspottend in derselben Melodie
Nöthigt sie herabzusteigen!
Sie verbergen in den Zweigen
Ihre garstigen Habichtskrallen,
Euch verderblich anzufallen,
Wenn ihr euer Ohr verleiht.
Sirenen
Weg! das Hassen, weg! das Neiden;
Sammeln wir die klarsten Freuden,
Unterm Himmel ausgestreut!
Auf dem Wasser, auf der Erde,
Sey’s die heiterste
Gebärde
Die man dem Willkommnen beut.
Mephistopheles
Das sind die saubern Neuigkeiten
Wo aus der Kehle, von den Saiten,
Ein Ton sich um den andern flicht.
Das Trallern ist bey mir verloren,
Es krabbelt wohl mir um die Ohren
Allein zum Herzen dringt es nicht.
Sphinxe
Sprich nicht vom Herzen! das ist eitel;
Ein lederner verschrumpfter Beutel
Das paßt dir eher zu Gesicht.
Faust
herantretend
Wie wunderbar! das Anschaun thut mir Gnüge,
Im Widerwärtigen große tüchtige Züge.
Ich ahne schon ein günstiges Geschick;
Wohin versetzt mich dieser ernste Blick?
Auf Sphinxe bezüglich
Vor solchen hat einst Ödipus gestanden;
Auf Sirenen bezüglich
Vor solchen krümmte sich Ulyss in hänfnen Banden;
Auf Ameisen bezüglich
Von solchen ward der höchste Schatz gespart;
Auf Greife bezüglich
Von diesen treu und ohne Fehl bewahrt.
Vom frischen Geiste fühl’ ich mich durchdrungen,
Gestalten groß, groß die Erinnerungen.
Mephistopheles
Sonst hättest du dergleichen weggeflucht,
Doch jetzo scheint es dir zu frommen;
Denn wo man die Geliebte sucht,
Sind Ungeheuer selbst willkommen.
Faust
zu den Sphinxen
Ihr Frauenbilder müßt mir Rede stehn:
Hat eins der Euren Helena gesehn?
Sphinxe
Wir reichen nicht hinauf zu ihren Tagen,
Die letztesten hat Herkules erschlagen.
Von Chiron könntest dus erfragen;
Der sprengt herum in dieser Geisternacht,
Wenn er dir steht so hast du’s weit gebracht.
Sirenen
Sollte dir’s doch auch nicht fehlen!...
Wie Ulyss bey uns verweilte,
Schmähend nicht vorübereilte,
Wußt’ er vieles zu erzählen;
Würden alles dir vertrauen,
Wolltest du zu unsern Gauen
Dich ans grüne Meer verfügen.
Sphinx
Laß dich Edler nicht betrügen!
Statt daß Ulyss sich binden ließ,
Laß unsern guten Rath dich binden;
Kannst du den hohen Chiron finden,
Erfährst du was ich dir verhieß.
Faust entfernt sich
Mephistopheles
verdrießlich
Was krächzt vorbey mit
Flügelschlag?
So schnell daß man’s nicht sehen
mag,
Und immer eins dem andern nach,
Den Jäger würden sie ermüden.
Sphinx
Dem Sturm des Winterwinds vergleichbar,
Alcides Pfeilen kaum erreichbar;
Es sind die raschen
Stymphaliden.
Und wohlgemeint ihr Krächzegruß,
Mit Geyerschnabel und Gänsefuß.
Sie möchten gern in unsern Kreisen
Als Stammverwandte sich erweisen.
Mephistopheles
wie verschüchtert
Noch andres Zeug zischt zwischen drein.
Sphinx
Vor diesen sey euch ja nicht bange,
Es sind die Köpfe der Lernäischen Schlange,
Vom Rumpf getrennt, und glauben
was zu seyn.
Doch sagt, was soll nur aus euch
werden?
Was für unruhige Gebärden?
Wo wollt ihr hin? Begebt euch fort!...
Ich sehe, jener Chorus dort
Macht euch zum Wendehals. Bezwingt euch nicht,
Geht hin! begrüßt manch reizendes Gesicht.
Die Lamien sinds, lustfeine Dirnen,
Mit Lächelmund und frechen
Stirnen,
Wie sie dem Satyrvolk behagen;
Ein Bocksfuß darf dort alles wagen.
Mephistopheles
Ihr bleibt doch hier? daß ich euch wiederfinde.
Sphinx
Ja! Mische dich zum luftigen Gesinde.
Wir, von Egypten her, sind längst gewohnt
Daß unsereins in tausend Jahre thront.
Und respectirt nur unsre Lage,
So
regeln wir die Mond- und Sonnentage.
Sitzen vor den Pyramiden,
Zu der Völker Hochgericht;
Überschwemmung, Krieg und Frieden –
Und verziehen kein Gesicht.
Peneius umgeben von Gewässern und Nymphen
Peneus
Rege dich du Schilfgeflüster!
Hauche leise Rohrgeschwister,
Säuselt leichte Weidensträuche
Lispelt
Pappelzitterzweige
Unterbrochnen Träumen zu!...
Weckt mich doch ein grauslich Wittern,
Heimlich allbewegend Zittern,
Aus dem Wallestrom und Ruh.
Faust
an den Fluß tretend
Hör’ ich recht, so muß ich
glauben:
Hinter den verschränkten Lauben
Dieser Zweige, dieser Stauden
Tönt ein menschlichähnlichs Lauten:
Scheint die Welle doch ein Schwätzen,
Lüftlein wie – ein Scherzergötzen.
Nymphen
zu Faust
Am besten geschäh’ dir
Du legtest dich nieder,
Erholtest im Kühlen
Ermüdete Glieder,
Genössest der immer
Dich meidenden Ruh;
Wir säuseln, wir rieseln,
Wir flüstern dir zu.
Faust
Ich wache ja! O laßt sie walten
Die unvergleichlichen Gestalten
Wie sie dorthin mein Auge schickt.
So wunderbar bin ich durchdrungen
Sind’s Träume? Sind’s
Erinnerungen?
Schon einmal warst du so beglückt.
Gewässer schleichen durch die Frische
Der dichten sanft
bewegten Büsche,
Nicht rauschen sie, sie rieseln kaum;
Von allen Seiten hundert Quellen
Vereinen sich, im reinlich hellen
Zum Bade flach vertieften Raum.
Gesunde junge Frauenglieder,
Vom feuchten Spiegel doppelt wieder
Ergötztem Auge zugebracht!
Gesellig dann und fröhlich badend,
Erdreistet schwimmend, furchtsam wadend;
Geschrey zuletzt und Wasserschlacht.
Begnügen sollt’ ich mich an
diesen,
Mein Auge sollte hier genießen,
Doch immer weiter strebt mein Sinn.
Der Blick dringt scharf nach jener Hülle,
Das reiche Laub der grünen Fülle
Verbirgt die hohe Königin.
Wundersam! auch Schwäne kommen
Aus den Buchten hergeschwommen,
Majestätisch rein bewegt.
Ruhig schwebend, zart gesellig,
Aber stolz und selbstgefällig
Wie sich Haupt und Schnabel regt....
Einer aber scheint vor allen
Brüstend kühn sich zu gefallen,
Segelnd rasch durch alle fort;
Sein Gefieder bläht sich schwellend,
Welle selbst, auf Wogen wellend,
Dringt er zu dem heiligen Ort....
Die andern schwimmen hin und wieder
Mit ruhig glänzendem Gefieder,
Bald auch in regem prächtigen Streit;
Die scheuen Mädchen abzulenken,
Daß sie an ihren Dienst nicht denken,
Nur an die eigne Sicherheit.
Nymphen
Leget Schwestern euer Ohr
An des Ufers grüne Stufe;
Hör’ ich
recht, so kommt
mir vor
Als der Schall von Pferdes
Hufe.
Wüßt’ ich nur wer dieser
Nacht
Schnelle Botschaft zugebracht.
Faust
Ist mir doch als dröhnt’ die
Erde
Schallend unter eiligem Pferde.
Dorthin mein Blick!
Ein günstiges Geschick,
Soll es mich schon erreichen?
O Wunder ohne Gleichen!
Ein Reuter kommt herangetrabt,
Er scheint von Geist und Muth begabt,
Von blendend-weißem Pferd getragen....
Ich irre nicht, ich kenn’ ihn
schon,
Der Philyra berühmter Sohn!
Halt Chiron! halt! Ich habe dir zu sagen...
Chiron
Was giebt’s? Was ist’s?
Faust
Bezähme deinen Schritt!
Chiron
Ich raste nicht!
Faust
So bitte! Nimm mich mit!
Chiron
Sitz auf! so kann ich nach Belieben fragen:
Wohin des Wegs? Du stehst am Ufer hier,
Ich bin bereit dich durch
den Fluß zu tragen.
Faust
aufsitzend
Wohin du willst. Für ewig dank’
ichs dir....
Der große Mann der edle Pädagog,
Der, sich zum Ruhm, ein
Heldenvolk erzog,
Den schönen Kreis der edlen Argonauten
Und alle die des Dichters Welt erbauten.
Chiron
Das lassen wir an seinem Ort!
Selbst Pallas kommt als Mentor nicht zu Ehren;
Am Ende treiben sie’s nach ihrer Weise fort
Als wenn sie nicht erzogen wären.
Faust
Den Arzt der jede Pflanze nennt,
Die Wurzeln bis ins Tiefste kennt,
Dem Kranken Heil, dem Wunden Lindrung schafft,
Umarm’ ich hier in Geist und
Körperkraft!
Chiron
Ward neben mir ein Held verletzt,
Da wußt’ ich Hülf’ und Rath zu schaffen;
Doch ließ ich meine Kunst zuletzt
Den Wurzelweibern und den Pfaffen.
Faust
Du bist der wahre große Mann
Der Lobeswort nicht hören kann;
Er sucht bescheiden auszuweichen
Und thut als gäb’ es Seinesgleichen.
Chiron
Du scheinest mir geschickt zu heucheln,
Dem Fürsten wie dem Volk zu schmeicheln.
Faust
So wirst du mir denn doch gestehn
Du hast die Größten deiner Zeit gesehn,
Dem Edelsten in Thaten nachgestrebt,
Halbgöttlich ernst die Tage durchgelebt.
Doch unter den heroischen Gestalten
Wen hast du für den Tüchtigsten gehalten?
Chiron
Im hehren Argonautenkreise
War jeder brav nach seiner eignen Weise,
Und, nach der Kraft die ihn beseelte,
Konnt’ er genügen, wo’s den
andern fehlte.
Die Dioskuren haben stets gesiegt,
Wo Jugendfüll’ und Schönheit überwiegt.
Entschluß und schnelle That zu andrer Heil
Den Boreaden ward’s zum schönen Theil;
Nachsinnend, kräftig, klug, im Rath bequem,
So herrschte Jason, Frauen angenehm.
Dann Orpheus, zart und immer still bedächtig,
Schlug er die Leyer allen übermächtig.
Scharfsichtig Lynceus, der, bey Tag und Nacht,
Das heilge Schiff durch Klipp’ und Strand gebracht....
Gesellig nur läßt sich Gefahr erproben:
Wenn einer wirkt, die andern alle loben.
Faust
Von Herkules willst nichts erwähnen?
Chiron
O weh! errege nicht mein Sehnen...
Ich hatte Phöbus nie gesehn,
Noch Ares, Hermes, wie sie heißen,
Da sah ich mir vor Augen stehn
Was alle Menschen göttlich preisen.
So war er ein geborner König,
Als Jüngling herrlichst anzuschaun;
Dem ältern Bruder unterthänig
Und auch den allerliebsten Fraun.
Den zweyten zeugt nicht Gäa wieder,
Nicht führt ihn Hebe himmelein;
Vergebens mühen sich die Lieder,
Vergebens quälen sie den Stein.
Faust
So sehr auch Bildner auf ihn pochen,
So herrlich kam er nie zur Schau.
Vom schönsten Mann hast du gesprochen,
Nun sprich auch von der schönsten Frau!
Chiron
Was!.. Frauen-Schönheit will nichts heißen,
Ist gar zu oft ein starres Bild;
Nur solch ein Wesen kann ich preisen
Das froh und lebenslustig quillt.
Die Schöne bleibt sich selber selig;
Die Anmuth macht unwiderstehlich,
Wie Helena, da ich sie trug.
Faust
Du trugst sie?
Chiron
Ja, auf diesem Rücken.
Faust
Bin ich nicht schon verwirrt genug,
Und solch’ ein Sitz muß mich
beglücken!
Chiron
Sie faßte so mich in das Haar
Wie du es thust.
Faust
O! ganz und gar
Verlier’ ich mich! Erzähle wie?
Sie ist mein einziges Begehren!
Woher? wohin? ach, trugst du sie?
Chiron
Die Frage läßt sich leicht gewähren.
Die Dioskuren hatten, jener Zeit,
Das Schwesterchen aus Räuberfaust befreyt.
Doch diese, nicht gewohnt besiegt zu seyn,
Ermannten sich und stürmten hinterdrein.
Da hielten der Geschwister eiligen Lauf,
Die Sümpfe bey Eleusis auf;
Die Brüder wateten, ich patschte, schwamm hinüber;
Da sprang sie ab und streichelte
Die feuchte Mähne, schmeichelte
Und dankte lieblich-klug und selbstbewusst.
Wie war sie reizend! jung, des Alten Lust!
Faust
Erst sieben Jahr!...
Chiron
Ich seh’, die
Philologen
Sie haben dich so wie sich selbst betrogen.
Ganz eigen ist’s mit mythologischer Frau;
Der Dichter bringt sie, wie er’s
braucht zur Schau:
Nie wird sie mündig, wird nicht alt,
Stets appetitlicher Gestalt,
Wird jung entführt, im Alter noch umfreyt;
G’nug, den Poeten bindet keine
Zeit.
Faust
So sey auch sie durch keine Zeit gebunden!
Hat doch Achill auf Pherä sie gefunden,
Selbst außer aller Zeit. Welch seltnes Glück:
Erungene Liebe gegen das Geschick!
Und sollt ich nicht, sehnsüchtigster Gewalt,
Ins Leben ziehn die einzigste Gestalt?
Das ewige Wesen, Göttern ebenbürtig,
So groß als zart, so hehr als liebenswürdig?
Du sahst sie einst, heut hab’ ich sie
gesehn,
So schön wie reizend, wie ersehnt so schön.
Nun ist mein Sinn, mein Wesen streng umfangen,
Ich lebe nicht, kann ich sie nicht erlangen.
Chiron
Mein fremder Mann! als Mensch bist du entzückt,
Doch unter Geistern scheinst du wohl verrückt.
Nun trifft sich’s hier zu deinem
Glücke;
Denn alle Jahr, nur wenig Augenblicke,
Pfleg’ ich bey Manto
vorzutreten,
Der Tochter Äsculaps; im stillen Beten
Fleht sie zum Vater: daß, zu seiner Ehre,
Er endlich doch der Ärzte Sinn verkläre,
Und vom verwegnen Todtschlag sie bekehre...
Die liebste mir aus der Sibyllengilde,
Nicht fratzenhaft bewegt, wohlthätig milde;
Ihr glückt es wohl, bey einigem
Verweilen,
Mit Wurzelkräften dich von Grund zu heilen.
Faust
Geheilt will ich nicht seyn, mein Sinn ist mächtig;
Da wär’ ich ja wie andre niederträchtig.
Chiron
Versäume nicht das Heil der edlen Quelle!
Geschwind herab! Wir sind zur Stelle.
Faust
Sag an! Wohin hast du, in grauser Nacht,
Durch Kiesgewässer, mich an’s Land gebracht?
Chiron
Hier trotzten Rom und Griechenland im Streite,
Peneios rechts, lincks den Olymp zur Seite.
Das größte Reich das sich im Sand verliert;
Der König flieht, der Bürger triumphirt.
Blick auf! hier steht, bedeutend nah,
Im Mondenschein der ewige Tempel da.
Manto
Inwendig träumend
Von Pferdes Hufe
Erklingt die heilige Stufe,
Halbgötter treten heran.
Chiron
Ganz recht!
Nur die Augen aufgethan!
Manto
erwachend
Willkommen! ich seh’ du bleibst
nicht aus.
Chiron
Steht dir doch auch dein Tempelhaus!
Manto
Streifst du noch immer unermüdet?
Chiron
Wohnst du doch immer still umfriedet,
Indeß zu kreisen mich erfreut.
Manto
Ich harre, mich umkreist die Zeit.
Und dieser?
Chiron
Die verrufene Nacht
Hat strudelnd ihn hierhergebracht.
Helenen, mit verrückten Sinnen,
Helenen will er sich gewinnen,
Und weiß nicht wie und wo beginnen;
Asklepischer Kur vor andern
werth.
Manto
Den lieb’ ich der Unmögliches
begehrt.
Chiron ist schon weit weg
Manto
Tritt ein, Verwegner, sollst dich
freuen;
Der dunkle Gang führt zu Persephoneien.
In des Olympus hohlem Fuß
Lauscht sie geheim verbotnem Gruß.
Hier hab’ ich einst den Orpheus
eingeschwärzt,
Benutz’ es besser, frisch! beherzt!
Sie steigen hinab.
Am obern Peneios wie zuvor
Sirenen
Stürzt euch in Peneios Fluth!
Plätschernd ziemt es da zu schwimmen,
Lied um Lieder anzustimmen,
Dem unseligen Volk zu gut.
Ohne Wasser ist kein Heil!
Führen wir mit hellem Heere
Eilig zum ägäischen Meere,
Würd’ uns jede Lust zu Theil.
Erdbeben
Sirenen
Schäumend kehrt die Welle wieder,
Fließt nicht mehr im Bett darnieder;
Grund erbebt, das Wasser staucht,
Kies und Ufer berstend raucht.
Flüchten wir! Kommt alle,
kommt!
Niemand dem das Wunder frommt.
Fort! ihr edlen frohen Gäste
Zu dem seeisch heitern Feste,
Blinkend wo die Zitterwellen,
Ufernetzend, leise schwellen;
Da wo Luna doppelt leuchtet,
Uns mit heilgem Thau befeuchtet.
Dort ein freybewegtes Leben,
Hier ein ängstlich Erde-Beben;
Eile jeder Kluge fort!
Schauderhaft ist’s um den Ort.
Seismos
in der Tiefe brummend und
polternd
Einmal noch mit Kraft geschoben,
Mit den Schultern brav gehoben!
So gelangen wir nach oben,
Wo uns alles weichen muß.
Sphinxe
Welch ein widerwärtig Zittern
Häßlich grausenhaftes Wittern!
Welch ein Schwanken, welches Beben,
Schaukelnd Hin- und Widerstreben!
Welch unleidlicher Verdruß!
Doch wir ändern nicht die Stelle,
Bräche los die ganze Hölle.
Nun erhebt sich ein Gewölbe
Wundersam. Es ist derselbe,
Jener Alte, längst Ergraute,
Der die Insel Delos baute,
Einer Kreisenden zu Lieb’
Aus der Wog’ empor sie
trieb.
Er, mit Streben, Drängen, Drücken,
Arme straff, gekrümmt den Rücken,
Wie ein Atlas an Gebärde,
Hebt er Boden, Rasen, Erde,
Kies und Gries und Sand und Letten,
Unsres Ufers stille Betten.
So zerreisst er eine Strecke
Queer des Thales ruhige Decke.
Angestregtest, nimmer müde,
Colossale Caryatide;
Trägt ein furchtbar Steingerüste,
Noch im Boden bis zur Büste;
Weiter aber solls nicht kommen,
Sphinxe haben Platz genommen.
Seismos
Das hab’ ich ganz allein
vermittelt,
Man wird mir’s endlich
zugestehn;
Und hätt’ ich nicht geschüttelt und gerüttelt,
Wie wäre diese Welt so schön?
Wie ständen eure Berge droben
In prächtig-reinem Ätherblau,
Hätt’ ich sie nicht hervorgeschoben,
Zu malerisch-entzückter Schau!
Als, Angesichts der höchsten Ahnen,
Der Nacht, des Chaos, ich mich
stark betrug
Und, in Gesellschaft von Titanen,
Mit Pelion und Ossa als mit Ballen schlug.
Wir tollten fort in jugendlicher Hitze,
Bis überdrüssig, noch
zuletzt
Wir dem Parnaß, als eine Doppelmütze,
Die beiden Berge frevelnd aufgesetzt....
Apollen hält ein froh Verweilen
Dort nun mit seliger Musen Chor.
Selbst Jupitern und seinen Donnerkeilen
Hob’ ich den Sessel hoch
empor.
Jetzt so, mit ungeheurem Streben,
Drang aus dem Abgrund ich herauf
Und fordere laut, zu neuem Leben,
Mir fröhliche Bewohner auf.
Sphinxe
Uralt müßte man
gestehen
Sey das hier Emporgebürgte,
Hätten wir nicht selbst gesehen
Wie sich’s aus dem Boden
würgte.
Bebuschter Wald verbreitet sich hinan,
Noch drängt sich Fels auf Fels bewegt heran;
Ein Sphinx wird sich daran nicht kehren:
Wir lassen uns im heiligen Sitz nicht stören.
Greife
Gold in Blättchen, Gold in Flittern
Durch die Ritze seh’ ich
zittern;
Laßt euch solchen Schatz nicht rauben;
Imsen auf! es auszuklauben.
Chor der Ameisen
Wie ihn die Riesigen
Empor geschoben,
Ihr Zappelfüßigen
Geschwind nach oben!
Behendest aus und ein!
In solchen Ritzen
Ist jedes Bröselein
Werth zu besitzen.
Das Allermindeste
Müßt ihr entdecken,
Auf das geschwindeste
In allen Ecken.
Allemsig müsst ihr seyn,
Ihr Wimmelschaaren;
Nur mit dem Gold herein!
Den Berg laßt fahren.
Greife
Herein! Herein! Nur Gold zu Hauf,
Wir legen unsre Klauen drauf;
Sind Riegel von der besten Art,
Der größte Schatz ist wohl verwahrt.
Pygmäen
Haben wirklich Platz genommen,
Wissen nicht wie es geschah;
Fraget nicht woher wir kommen:
Denn wir sind nun einmal da!
Zu des Lebens lustigem Sitze
Eignet sich ein jedes Land;
Zeigt sich eine Felsenritze,
Ist auch schon der Zwerg zur Hand.
Zwerg und Zwergin rasch zum Fleiße,
Musterhaft ein jedes Paar;
Weiß nicht ob es gleicher Weise
Schon im Paradiese war.
Doch wir findens hier zum besten,
Segnen dankbar unsern Stern;
Denn, im Osten wie im Westen,
Zeugt die Mutter Erde gern.
Dacktyle
Hat sie in einer Nacht
Die Kleinen hervorgebracht;
Sie wird die Kleinsten erzeugen,
Finden auch ihresgleichen.
Pygmäen-Älteste
Eilet bequemen
Sitz einzunehmen!
Eilig zum Werke;
Schnelle für Stärke!
Noch ist es Friede;
Baut euch die Schmiede,
Harnisch und Waffen
Dem Heer zu schaffen.
Ihr Imsen alle,
Rührig im Schwalle,
Schafft uns Metalle!
Und ihr Dacktyle,
Kleinste, so viele,
Euch sey befohlen
Hölzer zu holen!
Schichtet zusammen
Heimliche Flammen,
Schaffet uns Kohlen!
Generalissimus
Mit Pfeil und Bogen
Frisch ausgezogen!
An jenem Weiher
Schießt mir die Reiher,
Unzählig nistende,
Hochmüthig brüstende
Auf einen Ruck!
Alle wie Einen;
Daß wir erscheinen
Mit Helm und Schmuck.
Imsen und Dacktyle
Wer wird uns retten!
Wir schaffen’s Eisen,
Sie schmieden Ketten.
Uns loszureißen
Ist noch nicht zeitig,
Drum seyd geschmeidig.
Die Kraniche des
Ibykus
Mordgeschrey und Sterbeklagen,
Ängstlich Flügelflatterschlagen,
Welch ein Ächzen, welch Gestöhn
Dringt herauf zu unsern Höhn!
Alle sind sie schon ertödtet,
See von ihrem Blut geröthet;
Mißgestaltete Begierde
Raubt des Reihers edle Zierde.
Weht sie doch schon auf dem Helme
Dieser Fettbauch-Krummbein-Schelme.
Ihr Genossen unsres Heeres,
Reihenwanderer des Meeres,
Euch berufen wir zur Rache
In so nahverwandter Sache;
Keiner spare Kraft und Blut,
Ewige Feindschaft dieser Brut!
Zerstreuen sich krächzend in den Lüften
Mephistopheles
in der Ebne
Die nordischen Hexen wußt’ ich
wohl zu meistern,
Mir wirds nicht just mit diesen fremden Geistern.
Der Blocksberg bleibt ein gar bequem Local,
Wo man auch sey, man findet sich zumal.
Frau Ilse wacht für uns auf ihrem
Stein,
Auf seiner Höh wird Heinrich munter
seyn,
Die Schnarcher schnauzen zwar das
Elend an,
Doch alles ist für tausend Jahr gethan.
Wer weiß denn hier nur, wo er geht und steht,
Ob unter ihm sich nicht der Boden bläht? ..
Ich wandle lustig durch ein glattes Thal
Und hinter mir erhebt sich auf einmal
Ein Berg, zwar kaum ein Berg zu nennen,
Von meinen Sphinxen mich jedoch zu trennen
Schon hoch genug – Hier zuckt noch manches Feuer
Das Thal hinab, und flammt ums
Abenteuer...
Noch tanzt und schwebt mir lockend, weichend vor,
Spitzbübisch gaukelnd, der galante Chor.
Nur sachte drauf! Allzu gewohnt ans Naschen,
Wo es auch sey man sucht was zu erhaschen.
Lamien
Mephistopheles
nach sich
ziehend
Geschwind, geschwinder!
Und immer weiter!
Dann wieder zaudernd,
Geschwätzig plaudernd.
Es ist so heiter
Den alten Sünder
Uns nach zu ziehen,
Zu schwerer Buße.
Mit starrem Fuße
Kommt er geholpert
Einher gestolpert;
Er schleppt das Bein,
Wie wir ihn fliehen,
Uns hinterdrein.
Mephistopheles
stillstehend
Verflucht Geschick! Betrogne Mansen!
Von Adam her verführte Hansen!
Alt wird man wohl, wer aber klug?
Warst du nicht schon vernarrt genug!
Man weiß das Volk taugt aus dem Grunde nichts,
Geschnürten Leibs, geschminkten Angesichts.
Nichts haben sie gesundes zu erwiedern,
Wo man sie anfaßt, morsch in allen Gliedern.
Man weiß, man sieht’s, man kann es
greifen,
Und dennoch tanzt man wenn die Luder pfeifen!
Lamien
inne haltend
Halt! er besinnt sich,
zaudert, steht;
Entgegnet ihm daß er euch nicht entgeht!
Mephistopheles
fortschreitend
Nur zu! und laß dich ins Gewebe
Der Zweifeley nicht thörig ein;
Denn wenn es keine Hexen gäbe,
Wer Teufel möchte Teufel seyn!
Lamien
anmuthigst
Kreisen wir um diesen Helden;
Liebe wird in seinem Herzen
Sich gewiß für Eine melden.
Mephistopheles
Zwar mit ungewissen Schimmer
Scheint ihr hübsche Frauenzimmer,
Und so möcht’ ich euch nicht
schelten.
Empuse
eindringend
Auch nicht mich! als eine
solche
Laßt mich ein in eure Folge.
Lamien
Die ist in unserm Kreis zuviel,
Verdirbt doch immer unser Spiel.
Empuse
zu Mephistopheles
Begrüßt von Mühmichen Empuse,
Der Trauten mit dem Eselsfuße;
Du hast nur einen Pferdefuß
Und doch, Herr Vetter, schönsten Gruß!
Mephistopheles
Hier dacht’ ich lauter
Unbekannte,
Und finde leider Nahverwandte;
Es ist ein altes Buch zu blättern:
Vom Harz bis Hellas
imer Vettern!
Empuse
Entschieden weiß ich gleich zu handeln,
In vieles könnt’ ich mich
verwandeln;
Doch euch zu Ehren hab’ ich
jetzt
Das Eselsköpfchen aufgesetzt.
Mephistopheles
Ich merk’ es hat bey diesen
Leuten
Verwandtschaft Großes zu bedeuten;
Doch mag sich was auch will eräugnen,
Den Eselskopf möcht’ ich
verläugnen.
Lamien
Laß diese Garstige, sie verscheucht,
Was irgend schön und lieblich däucht;
Was irgend schön und lieblich wär,
Sie kommt heran, es ist nicht mehr!
Mephistopheles
Auch diese Mühmchen, zart und
schmächtig,
Sie sind mir allesamt verdächtig;
Und hinter solcher Wänglein Rosen
Fürcht’ ich doch auch
Metamorphosen.
Lamien
Versuch’
es doch! sind unsrer Viele.
Greif zu! Und hast du Glück im Spiele,
Erhasche dir das beste Loos.
Was soll das lüsterne Geleyer?
Du bist ein miserabler Freyer,
Stolzirst einher und thust so groß! –
Nun mischt er sich in unsre Schaaren;
Laßt nach und nach die Masken fahren,
Und gebt ihm euer Wesen blos.
Mephistopheles
Die schönste hab’ ich mir
erlesen....
sie umfassend
O weh mir! welch ein dürrer
Besen!
eine andere ergreifend
Und diese?....
Schmähliches Gesicht!
Lamien
Verdienst du’s besser? dünk’ es
nicht.
Mephistopheles
Die Kleine möcht’ ich mir verpfänden....
Lacerte schlüpft mir aus den Händen!
Und schlangenhaft der glatte Zopf.
Dagegegen faß’ ich mir die Lange....
Da pack’ ich eine
Thyrsusstange!
Den Pinienapfel als den Kopf.
Wo will’s hinaus?.... Noch eine Dicke,
An der ich mich vielleicht erquicke;
Zum letztenmal gewagt! Es sey!
Recht quammig, quappig, das bezahlen
Mit hohem Preis Orientalen....
Doch ach! der Bovist platzt entzwey!
Lamien
Fahrt auseinander, schwankt und schwebet
Blitzartig, schwarzen Flugs
umgebet
Den eingedrungenen Hexensohn!
Unsichre schauderhafte Kreise!
Schweigsamen Fittigs, Fledermäuse!
Zu wohlfeil kommt er doch davon.
Mephistopheles
sich schüttlend
Viel klüger, scheint es,
bin ich nicht geworden;
Absurd ist’s hier, absurd im
Norden,
Gespenster hier wie dort vertrackt,
Volk und Poeten abgeschmackt.
Ist eben hier eine Mummenschanz
Wie überall ein Sinnentanz.
Ich griff nach holden Maskenzügen
Und faßte Wesen daß mich’s
schauerte....
Ich möchte gerne mich betrügen,
Wenn es nur länger dauerte.
sich zwischen dem
Gestein verirrend
Wo bin ich denn? Wo will’s
hinaus?
Das war ein Pfad, nun ist’s ein
Graus.
Ich kam daher auf glatten Wegen,
Und jetzt steht mir Geröll entgegen.
Vergebens klettr’ ich auf und nieder,
Wo find ich meine Sphinxe wieder?
So toll hätt ich mirs nicht gedacht
Ein solch Gebirg in Einer Nacht.
Das heiß ich frischen Hexenritt
Die bringen ihren Blocksberg mit
Oreas
vom Naturfels
Herauf hier! Mein Gebirg ist alt,
Steht in ursprünglicher Gestalt.
Verehre schroffe Felsensteige,
Des Pindus letztgedehnte Zweige.
Schon stand ich unerschüttert so,
Als über mich Pompejus floh.
Daneben, das Gebild des Wahns,
Verschwindet schon beym Krähn des Hahns.
Dergleichen Mährchen seh’ ich oft
entstehn
Und plötzlich wieder untergehn.
Mephistopheles
Sey Ehre dir, ehrwürdiges
Haupt!
Von hoher Eichenkraft umlaubt;
Der allerklarste Mondenschein
Dringt nicht zur Finsterniß herein. –
Doch neben am Gebüsche zieht
Ein Licht das gar bescheiden glüht.
Wie sich das alles fügen muß!
Fürwahr! es ist Homunkulus.
Woher des Wegs, du Kleingeselle?
Homunkulus
Ich schwebe so von Stell’ zu Stelle
Und möchte gern im besten Sinn entstehn,
Voll Ungeduld mein Glas entzwey zu schlagen;
Allein was ich bisher gesehn
Hinein da möcht’ ich mich nicht wagen.
Nur, um dirs im Vertraun zu
sagen:
Zwey Philosophen bin ich auf der Spur,
Ich horchte zu, es hieß: Natur! Natur!
Von diesen will ich mich nicht trennen,
Sie müssen doch das irdische Wesen kennen;
Und ich erfahre wohl am Ende
Wohin ich mich am allerklügsten wende.
Mephistopheles
Das thu’ auf deine eigne
Hand.
Denn, wo Gespenster Platz
genommen,
Ist auch der Philosoph willkommen.
Damit man seiner Kunst und Gunst sich freue,
Erschafft er gleich ein Dutzend neue.
Wenn du nicht irrst, kommst du
nicht zu Verstand!
Willst du entstehn, entsteh’ auf
eigne Hand!
Homunkulus
Ein guter Rath ist auch nicht zu verschmähn.
Mephistopheles
So fahre hin! Wir wollen’s weiter
sehn.
trennen sich
Anaxagoras
zu Thales
Dein starrer Sinn will sich nicht beugen,
Bedarf es weit’res dich zu
überzeugen?
Thales
Die Welle beugt sich jedem Winde gern,
Doch hält sie sich vom schroffen Felsen fern.
Anaxagoras
Durch Feuerdunst ist dieser Fels zu Handen.
Thales
Im Feuchten ist Lebendiges erstanden.
Homunkulus
zwischen beiden
Laßt mich an eurer Seite gehn,
Mir selbst gelüstet’s zu
entstehn!
Anaxagoras
Hast du, o Thales, je, in Einer Nacht,
Solch einen Berg aus Schlamm hervorgebracht?
Thales
Nie war Natur und ihr lebendiges Fließen
Auf Tag und Nacht und Stunden angewiesen;
Sie bildet regelnd jegliche Gestalt,
Und selbst im Großen ist es nicht Gewalt.
Anaxagoras
Hier aber war’s! Plutonisch grimmig Feuer,
Äolischer Dünste Knallkraft ungeheuer,
Durchbrach des flachen Bodens alte Kruste
Daß neu ein Berg sogleich entstehen mußte.
Thales
Was wird dadurch nun weiter fortgesetzt?
Er ist auch da, und das ist gut zuletzt.
Mit solchem Streit verliert man Zeit und
Weile
Und führt doch nur geduldig Volk am Seile.
Anaxagoras
Schnell quillt der Berg von Myrmidonen,
Die Felsenspalten zu bewohnen,
Pygmäen, Imsen, Däumerlinge,
Und andre thätig kleine Dinge.
zum Homunnkulus
Nie hast du Großem nachgestrebt,
Einsiedlerisch-beschränkt gelebt;
Kannst du zur Herrschaft dich gewöhnen,
So laß ich dich als König krönen.
Homunkulus
Was sagt mein Thales? –
Thales
Will’s nicht rathen;
Mit Kleinen thut man kleine Thaten,
Mit Großen wird der Kleine groß.
Sieh hin! die schwarze Kranich-Wolke!
Sie droht dem aufgeregten Volke
Und würde so dem König drohn.
Mit scharfen Schnäbeln, krallen Beinen,
Sie stechen nieder auf die Kleinen;
Verhängniß wetterleuchtet schon.
Ein Frevel tödtete die Reiher,
Umstellend ruhigen Friedensweiher.
Doch jener Mordgeschosse Regen,
Schafft grausam-blut’gen
Rache-Segen,
Erregt der Nahverwandten Wuth,
Nach der Pygmäen frevlem Blut.
Was nützt nun Schild und Helm und Speer?
Was hilft der Reiherstrahl den Zwergen?
Wie sich Dacktyl und Imse bergen,
Schon wankt, es flieht, es stürzt das Heer.
Anaxagoras
nach einer Pause
feyerlich
Konnt’ ich bisher die
Unterirdischen loben,
So wend’ ich mich in diesem
Fall nach oben...
Du! droben ewig unveraltete,
Dreynamig-Dreygestaltete,
Dich ruf’ ich an bey meines
Volkes Weh,
Diana, Luna, Hekate!
Du Brust-erweiternde, im
Tiefsten-sinnige,
Du ruhig-scheinende, gewaltsam-innige,
Eröffne deiner Schatten
grausen Schlund,
Die alte Macht sey ohne Zauber kund!
Pause
Bin ich zu schnell erhört!
Hat mein Flehn
Nach jenen Höhn
Die Ordnung der Natur gestört?
Und größer, immer größer nahet
schon
Der Göttin rundumschriebner Thron,
Dem Auge furchtbar,
ungeheuer.
Ins Düstre röthet sich sein Feuer...
Nicht näher! drohend-mächtige
Runde,
Du richtest uns und Land und Meer zu Grunde!
So wär’ es wahr daß dich
Thessalische Frauen,
In frevlend magischem Vertrauen,
Von deinem Pfad herabgesungen?
Verderblichstes dir abgerungen?...
Das lichte Schild hat sich umdunkelt,
Auf einmal reißt’s und blitzt
und funkelt,
Welch ein Geprassel! Welch ein Zischen!
Ein Donnern, Windgethüm dazwischen! –
Demüthig zu des Thrones Stufen! –
Verzeiht! Ich hab’ es
hergerufen.
Wirft sich aufs Angesicht
Thales
Was dieser Mann nicht alles hört’
und sah!
Ich weiß nicht recht wie uns geschah;
Auch hab’ ich’s nicht mit ihm
empfunden.
Gestehen wir, es sind verrückte Stunden,
Und Luna wiegt sich ganz bequem
An ihrem Platz so wie vordem.
Homunkulus
Schaut hin nach der Pygmäen Sitz,
Der Berg war rund, jetzt ist er
spitz.
Ich spürt’ ein ungeheures
Prallen,
Der Fels war aus dem Mond gefallen,
Gleich hat er, ohne nachzufragen,
So Freund als Feind gequetscht, erschlagen.
Doch muß ich solche Künste loben,
Die schöpferisch, in einer Nacht,
Zugleich von unten und von oben,
Dies Berggebäu zu Stand gebracht.
Thales
Sey ruhig! Es war nur gedacht.
Sie fahre hin die garstige Brut!
Daß du nicht König warst ist gut.
Nun fort zum heitern Meeresfeste,
Dort hofft und ehrt man Wundergäste.
entfernen sich
Mephistopheles
An der Gegenseite kletternd
Da muß ich mich durch steile Felsentreppen,
Durch alter Eichen starre Wurzeln schleppen!
Auf meinem Harz der harzige Dunst
Hat was vom Pech und das hat meine Gunst;
Zunächst der Schwefel.... Hier, bey diesen Griechen
Ist von dergleichen kaum die Spur zu riechen;
Neugierig aber wär’ ich, nachzuspüren
Womit sie Höllenqual und Flamme schüren.
Dryas
In deinem Lande sey einheimisch klug,
Im fremden bist du nicht gewandt genug.
Du solltest nicht den Sinn zur Heimath kehren,
Der heiligen Eichen Würde hier verehren.
Mephistopheles
Man denkt an das was man verließ,
Was man gewohnt war bleibt ein Paradies.
Doch sagt: was in der Höhle dort,
Bey schwachem Licht, sich dreyfach hingekauert?
Dryas
Die Phorkyaden! Wage dich zum Ort,
Und sprich sie an, wenn dich nicht schauert.
Mephistopheles
Warum denn nicht! – Ich sehe was, und staune.
So stolz ich bin, muß ich mir
selbst gestehn:
Dergleichen hab’ ich nie gesehn,
Die sind ja schlimmer als Alraune....
Wird man die urverworfnen Sünden
Im mindesten noch häßlich finden,
Wenn man dies Dreygethüm erblickt?
Wir litten sie nicht auf den Schwellen
Der grauenvollsten unsrer Höllen.
Hier wurzelt’s in der Schönheit
Land,
Das wird mit Ruhm antik genannt....
Sie regen sich, sie scheinen mich zu spüren,
Sie zwitschern pfeifend,
Fledermaus-Vampyren.
Phorkyas
Gebt mir das Auge, Schwestern, daß es frage,
Wer sich so nah an unsre Tempel wage.
Mephistopheles
Verehrteste! Erlaubt mir euch zu nahen
Und euren Seegen dreyfach zu empfahen.
Ich trete vor, zwar noch als Unbekannter
Doch, irr’ ich nicht, weitläufiger Verwandter.
Altwürdige Götter hab’ ich schon erblickt,
Vor Ops und Rhea tiefstens mich gebückt,
Die Parzen selbst, des Chaos, Eure Schwestern,
Ich sah sie gestern – oder ehegestern;
Doch eures Gleichen hab’ ich nie erblickt,
Ich schweige nun und fühle mich entzückt.
Phorkyaden
Er scheint Verstand zu haben dieser Geist.
Mephistopheles
Nur wundert’s mich daß euch kein Dichter preist.
Und sagt! wie kam’s, wie konnte das geschehn?
Im Bilde hab’ ich nie euch Würdigste gesehn;
Versuch’s der Meißel doch euch zu erreichen,
Nicht Juno, Pallas, Venus und dergleichen.
Phorkyaden
Versenkt in Einsamkeit und stillste Nacht
Hat unser Drey noch nie daran gedacht!
Mephistopheles
Wie sollt’ es auch? da ihr der
Welt entrückt,
Hier niemand seht und niemand euch erblickt.
Da müßtet ihr an solchen Orten wohnen
Wo Pracht und Kunst auf gleichem Sitze thronen,
Wo jeden Tag, behend, im Doppelschritt,
Ein Marmorblock als Held ins Leben tritt.
Wo –
Phorkyaden
Schweige still und gieb uns kein
Gelüsten!
Was hülf’ es uns und wenn wir’s besser wüßten?
In Nacht geboren, Nächtlichem verwandt,
Beynah uns selbst, ganz allen unbekannt.
Mephistopheles
In solchem Fall hat es nicht viel zu sagen,
Man kann sich selbst auch andern übertragen.
Euch Dreyen g’nügt Ein Auge, g’nügt Ein
Zahn,
Da ging’ es wohl auch
mythologisch an
In zwey die Wesenheit der drey zu fassen,
Der dritten Bildniß mir zu überlassen,
Auf kurze Zeit.
Eine
Wie dünkt’s euch
ging’ es an?
Die Andern
Versuchen wir’s! – doch ohne
Aug’ und Zahn.
Mephistopheles
Nun habt ihr grad das Beste weggenommen;
Wie würde da das strengste Bild vollkommen?
Eine
Drück du ein Auge zu, ’s ist leicht geschehn,
Laß alsofort den Einen Raffzahn sehn,
Und, im Profil, wirst du sogleich erreichen
Geschwisterlich vollkommen uns zu gleichen.
Mephistopheles
Viel Ehr’! Es
sey!
Phorkyaden
Es sey!
Mephistopheles
als Phorkyas im Profil
Da steh’ ich
schon,
Des Chaos vielgeliebter Sohn!
Phorkyaden
Des Chaos Töchter sind wir unbestritten.
Mephistopheles
Man schilt mich nun,
o Schmach! Hermaphroditen.
Phorkyaden
Im neuen Drey der Schwestern welche Schöne!
Wir haben zwey der Augen, zwey
der Zähne.
Mephistopheles
Vor aller Augen muß ich mich verstecken,
Im Höllenpfuhl die Teufel zu erschrecken.
ab
Felsbuchten des Ägäischen Meers
Mond im Zenith verharrend
Sirenen
auf den Klippen umher
gelagert, flötend und
singend
Haben sonst bey nächtigem Grauen
Dich thessalische Zauberfrauen
Frevelhaft herabgezogen,
Blicke ruhig von dem Bogen
Deiner Nacht auf Zitterwogen
Mildeblitzend Glanzgewimmel,
Und erleuchte das Getümmel
Das sich aus den Wogen hebt.
Dir zu jedem Dienst erbötig,
Schöne Luna, sey uns
gnädig!
Nereiden
und
Tritonen
als Meerwunder
Tönet laut in schärfern Tönen,
Die das breite Meer durchdröhnen,
Volk der Tiefe ruft fortan!
Vor des Sturmes grausen Schlünden
Wichen wir zu stillsten
Gründen,
Holder Sang zieht uns heran.
Seht! Wie wir im Hochentzücken
Uns mit goldenen Ketten schmücken,
Auch zu Kron’ und Edelsteinen
Spang- und Gürtelschmuck vereinen.
Alles das ist eure Frucht.
Schätze, scheiternd hier verschlungen,
Habt ihr uns herangesungen,
Ihr Dämonen unsrer Bucht.
Sirenen
Wissen’s wohl, in
Meeresfrische
Glatt behagen sich die Fische,
Schwanken Lebens ohne Leid;
Doch! Ihr festlich regen Schaaren,
Heute möchten wir erfahren
Daß ihr mehr als Fische seyd.
Nereiden
und
Tritonen
Ehe wir hieher gekommen
Haben wir’s zu Sinn genommen,
Schwestern, Brüder, jetzt geschwind!
Heut bedarf’s der kleinsten
Reise,
Zum vollgültigsten Beweise:
Daß wir mehr als Fische sind.
entfernen sich
Sirenen
Fort
sind sie im Nu!
Nach Samothrace grade zu,
Verschwunden mit günstigem Wind.
Was denken sie zu vollführen
Im Reiche der hohen Kabiren?
Sind Götter! Wundersam
eigen,
Die sich immerfort selbst erzeugen,
Und niemals wissen was sie sind.
Bleibe auf deinen Höhn,
Holde Luna, gnädig stehn;
Daß es nächtig verbleibe,
Uns der Tag nicht vertreibe.
Thales
am Ufer zu Homunkulus
Ich führte dich zum alten Nereus gern;
Zwar sind wir nicht von seiner Höhle fern,
Doch hat er einen harten Kopf,
Der widerwärtige Sauertopf.
Das ganze menschliche Geschlecht
Macht’s ihm, dem Griesgram, nimmer recht.
Doch ist die Zukunft ihm entdeckt,
Dafür hat jedermann Respect,
Und ehret ihn auf seinem Posten;
Auch hat er manchem wohlgethan.
Homunkulus
Probiren wir’s und klopfen
an!
Nicht gleich wird’s Glas und Flamme kosten.
Nereus
Sind’s Menschenstimmen die mein
Ohr vernimmt?
Wie es mir gleich im tiefsten Herzen grimmt!
Gebilde, strebsam Götter zu erreichen,
Und doch verdammt sich immer selbst zu gleichen.
Seit alten Jahren konnt’ ich göttlich ruhn,
Doch trieb mich’s an den Besten
wohlzuthun;
Und schaut’ ich dann zuletzt vollbrachte
Thaten,
So war es ganz als hätt’ ich
nicht gerathen.
Thales
Und doch, o Greis des Meers, vertraut man dir,
Du bist der Weise, treib’ uns
nicht von hier!
Schau diese Flamme, menschenähnlich zwar,
Sie deinem Rath ergiebt sich ganz und gar.
Nereus
Was Rath! Hat Rath bey Menschen je gegolten?
Ein kluges Wort erstarrt im harten Ohr.
So oft auch That sich grimmig selbst gescholten,
Bleibt doch das Volk selbstwillig wie zuvor.
Wie hab’ ich Paris väterlich gewarnt,
Eh’ sein Gelüst ein fremdes Weib
umgarnt.
Am griechischen Ufer stand er kühnlich da,
Ihm kündet ich was ich im Geiste sah:
Die Lüfte qualmend, überströmend Roth,
Gebälke glühend, unten Mord und Tod:
Troja’s Gerichtstag, rhythmisch festgebannt,
Jahrtausenden so schrecklich als gekannt.
Des Alten Wort dem Frechen schien’s ein Spiel,
Er folgte seiner Lust und Ilion fiel –
Ein Riesenleichnam, starr nach langer Quaal,
Des Pindus Adlern gar willkommnes Mahl.
Ulyssen auch! sagt’ ich ihm nicht
voraus
Der Circe Listen, des Cyclopen Graus?
Das Zaudern sein, der Seinen leichten Sinn,
Und was nicht alles! bracht ihm das Gewinn?
Bis vielgeschaukelt ihn, doch spät genug,
Der Woge Gunst an gastlich Ufer trug.
Thales
Dem weisen Mann giebt solch Betragen Quaal,
Der gute doch versucht es noch einmal.
Ein Quentchen Danks wird, hoch ihn zu vergnügen,
Die Centner Undanks völlig überwiegen.
Denn nichts Geringes haben wir zu flehn:
Der Knabe da wünscht weislich zu entstehn.
Nereus
Verderbt mir nicht den seltensten Humor!
Ganz andres steht mir heute noch bevor.
Die Töchter hab’ ich alle herbeschieden,
Die Grazien des Meeres, die Doriden.
Nicht der Olymp, nicht euer Boden trägt
Ein schön Gebild das sich so zierlich regt.
Sie werfen sich, anmuthigster Gebärde,
Vom Wasserdrachen auf Neptunus Pferde,
Dem Element aufs zarteste vereint,
Daß selbst der Schaum sie noch zu heben scheint.
Im Farbenspiel von Venus Muschelwagen
Kommt Galatee, die schönste nun,
getragen,
Die, seit sich Kypris von uns abgekehrt,
In Paphos wird als Göttin selbst verehrt.
Und so besitzt die Holde, lange schon,
Als Erbin, Tempelstadt und Wagenthron.
Hinweg! Es ziemt, in Vaterfreudenstunde,
Nicht Haß dem Herzen, Scheltwort nicht dem Munde.
Hinweg zu Proteus! Fragt den Wundermann:
Wie man entstehn und sich verwandlen kann.
entfernt sich gegen das Meer
Thales
Wir haben nichts durch diesen Schritt gewonnen,
Trifft man auch Proteus, gleich ist er zerronnen;
Und steht er euch, so sagt er nur zuletzt
Was Staunen macht und in Verwirrung setzt.
Du bist einmal bedürftig solchen Raths,
Versuchen wirs und wandlen unsres Pfads!
entfernen sich
Sirenen
oben auf den Felsen
Was sehen wir von Weiten
Das Wellenreich durchgleiten?
Als wie nach Windes Regel
Anzögen weiße Segel,
So hell sind sie zu schauen,
Verklärte Meeresfrauen...
Laßt uns herunterklimmen,
Vernehmt ihr doch die Stimmen.
Nereiden und
Tritonen
Was wir auf Händen tragen
Soll allen euch behagen.
Chelonen’s Riesen-Schilde
Entglänzt ein streng Gebilde,
Sind Götter die wir bringen;
Müßt hohe Lieder singen.
Sirenen
Klein von Gestalt
Groß von Gewalt,
Der Scheiternden Retter,
Uralt verehrte Götter.
Nereiden
und
Tritonen
Wir bringen die Kabiren,
Ein friedlich Fest zu führen;
Denn wo sie heilig walten,
Neptun wird freundlich schalten.
Sirenen
Wir stehen euch nach,
Wenn ein Schiff zerbrach,
Unwiderstehbar an Kraft
Schützt ihr die Mannschaft.
Nereiden
und
Tritonen
Drey haben wir mitgenommen,
Der Vierte wollte nicht kommen,
Er sagte, er sey der
Rechte
Der für sie alle dächte.
Sirenen
Ein Gott den andern Gott
Macht wohl zu Spott.
Ehrt ihr alle Gnaden,
Fürchtet jeden Schaden.
Nereiden
und
Tritonen
Sind eigentlich ihrer Sieben.
Sirenen
Wo sind die drey geblieben?
Nereiden
und
Tritonen
Wir wüßtens nicht zu sagen,
Sind im Olymp zu erfragen;
Dort wes’t auch wohl der Achte,
An den noch niemand dachte.
In Gnaden uns gewärtig,
Doch alle noch nicht fertig.
Diese Unvergleichlichen
Wollen immer weiter,
Sehnsuchtsvolle Hungerleider
Nach dem Unerreichlichen.
Sirenen
Wir sind gewohnt,
Wo es auch thront,
In Sonn’ und Mond
Hinzubeten, es lohnt.
Nereiden
und
Tritonen
Wie unser Ruhm zum höchsten prangt
Dieses Fest anzuführen!
Sirenen
Die Helden des Alterthums
Ermangeln des Ruhms,
Wo und wie er auch prangt;
Wenn sie das goldne Vließ erlangt,
Ihr die Kabiren.
wiederholt als Allgesang
Wenn sie das goldene Vließ erlangt,
Wir! ihr! die Kabiren.
Nereiden
und Tritonen
ziehen vorüber
Homunkulus
Die Ungestalten seh ich an
Als irden-schlechte Töpfe,
Nun stoßen sich die Weisen dran
Und brechen harte Köpfe.
Thales
Das ist es ja was man begehrt,
Der Rost macht erst die Münze werth.
Proteus
unbemerkt
So etwas freut mich alten Fabler!
Je wunderlicher desto respectabler.
Thales
Wo bist du Proteus?
Proteus
Bauchrednerisch,
bald
nah,
bald fern
Hier! und hier!
Thales
Den alten Scherz verzeih’ ich
dir;
Doch, einem Freund nicht eitle Worte!
Ich weiß du sprichst vom falschen Orte.
Proteus
als aus der Ferne
Leb wohl!
Thales
leise zu
Homunkulus
Er ist ganz nah. Nun leuchte frisch,
Er ist neugierig wie ein Fisch;
Und wo er auch gestaltet stockt,
Durch Flammen wird er hergelockt.
Homunkulus
Ergieß’ ich gleich des Lichtes
Menge,
Bescheiden doch, daß ich das Glas nicht sprenge.
Proteus
in Gestalt einer
Riesen-Schildkröte
Was leuchtet so anmuthig schön?
Thales
den Homunkulus
verhüllend
Gut! Wenn du Lust hast kannst dus näher sehn.
Die kleine Mühe laß dich nicht verdrießen,
Und zeige dich auf menschlich beiden Füßen.
Mit unsern Gunsten seys, mit unserm Willen!
Wer schauen will was wir verhüllen.
Proteus
edel gestaltet
Weltweise Kniffe sind dir noch bewußt.
Thales
Gestalt zu wechseln bleibt noch deine Lust.
hat den Homunkulus enthüllt
Proteus
erstaunt
Ein leuchtend Zwerglein! Niemals noch gesehn!
Thales
Es fragt um Rath, und möchte gern entstehn.
Er ist, wie ich von ihm vernommen,
Gar wundersam nur halb zur Welt gekommen.
Ihm fehlt es nicht an geistigen Eigenschaften,
Doch gar zu sehr am greiflich Tüchtighaften.
Bis jetzt giebt ihm das Glas allein Gewicht,
Doch wär’
er gern zunächst verkörperlicht.
Proteus
Du bist ein wahrer Jungfern-Sohn,
Eh du seyn solltest bist du schon!
Thales
leise
Auch scheint es mir von andrer Seite kritisch,
Er ist, mich dünkt, hermaphroditisch.
Proteus
Da muß es desto eher glücken,
So wie er anlangt wird sichs schicken.
Doch gilt es hier nicht viel Besinnen,
Im weiten Meere mußt du anbeginnen!
Da fängt man erst im Kleinen an
Und freut sich Kleinste zu verschlingen,
Man wächst so nach und nach heran,
Und bildet sich zu höherem Vollbringen.
Homunkulus
Hier weht gar eine weiche Luft,
Es grunelt so und mir behagt der Duft!
Proteus
Das glaub ich, allerliebster
Junge!
Und weiter hin wirds viel behäglicher,
Auf dieser schmalen Strandeszunge
Der Dunstkreis noch unsäglicher;
Da vorne sehen wir den Zug,
Der eben herschwebt, nah genug.
Kommt mit dahin!
Thales
Ich gehe mit.
Homunkulus
Dreyfach merkwürdiger Geisterschritt!
Telchinen
von
Rhodus
auf Hippokampen und Meerdrachen,
Neptunens Dreyzack handhabend
Chor
Wir haben den Dreyzack Neptunen geschmiedet
Womit er die regesten Wellen begütet.
Entfaltet der Donnrer die Wolken die vollen,
Entgegnet Neptunus dem gräulichen Rollen;
Und wie auch von oben es zackig erblitzt,
Wird Woge nach Woge von unten gespritzt;
Und was auch dazwischen in Ängsten gerungen
Wird, lange geschleudert, vom Tiefsten verschlungen;
Weshalb er uns heute den Scepter gereicht,
Nun schweben wir festlich,
beruhigt und leicht.
Sirenen
Euch dem Helios Geweihten,
Heiteren Tags Gebenedeyten,
Gruß zur Stunde, die bewegt
Lunas Hochverehrung regt!
Telchinen
Alllieblichste Göttin am Bogen da droben
Du hörst mit Entzücken den Bruder beloben.
Der seligen Rhodus verleihst du ein Ohr,
Dort steigt ihm ein ewiger Päan hervor.
Beginnt er den Tagslauf und ist es gethan,
Er blickt uns mit feurigem Strahlenblick an.
Die Berge, die Städte, die Ufer, die Welle,
Gefallen dem Gotte, sind lieblich und helle.
Kein Nebel umschwebt uns, und schleicht er sich ein,
Ein Strahl und ein Lüftchen und die Insel ist rein!
Da schaut sich der Hohe in hundert Gebilden,
Als Jüngling, als Riesen, den großen, den milden.
Wir ersten wir waren’s, die
Göttergewalt
Aufstellten in würdiger Menschengestalt.
Proteus
Laß du sie singen, laß sie
prahlen!
Der Sonne heiligen Lebestrahlen
Sind todte Werke nur ein
Spaß.
Das bildet, schmelzend, unverdrossen;
Und haben sie’s in Erz gegossen
Dann denken sie es wäre was.
Was ist’s zuletzt mit diesen Stolzen?
Die Götterbilder standen groß, –
Zerstörte sie ein Erdestoß;
Längst sind sie wieder eingeschmolzen.
Das Erdetreiben, wie’s auch
sey,
Ist immer doch nur Plackerey;
Dem Leben frommt die Welle besser;
Dich trägt ins ewige Gewässer
Proteus-Delphin.
er verwandelt sich.
Schon
ists gethan!
Da soll es dir zum schönsten glücken,
Ich nehme dich auf meinen Rücken
Vermähle dich dem Ocean.
Thales
Gieb nach dem löblichen Verlangen
Von vorn die Schöpfung anzufangen,
Zu raschem Wirken sey bereit!
Da regst du dich nach ewigen Normen,
Durch tausend abertausend Formen,
Und bis zum Menschen hast du Zeit.
Homunkulus besteigt den Proteus-Delphin
Proteus
Komm geistig mit in feuchte Weite,
Da lebst du gleich in Läng’ und
Breite,
Beliebig regest du dich hier;
Nur strebe nicht nach höheren Orden,
Bist du einmal ein Mensch geworden,
Dann ist es völlig aus mit dir.
Thales
Nachdem es kommt; s’ist auch wohl fein
Ein wackrer Mann zu seiner Zeit zu seyn.
Proteus
zu Thales
So einer wohl von deinem Schlag!
Das hält noch eine Weile nach;
Denn unter bleichen Geisterschaaren
Seh’ ich dich schon seit vielen hundert
Jahren.
Sirenen
auf den Felsen
Welch ein Ring von Wölkchen ründet
Um den Mond so reichen Kreis?
Tauben sind es,
liebentzündet,
Fittige wie Licht so weiß.
Paphos hat
sie hergesendet,
Ihre brünstige Vogelschaar;
Unser Fest, es ist vollendet,
Heitre Wonne voll und klar!
Nereus
zu Thales tretend
Nennte wohl ein nächtiger Wanderer
Diesen Mondhof Lufterscheinung;
Doch wir Geister sind ganz anderer
Und der einzig richtigen Meynung.
Tauben sind es, die begleiten
Meiner Tochter Muschelpfad,
Wunderflugs besondrer Art,
Angelernt vor alten Zeiten.
Thales
Auch ich halte das fürs Beste
Was dem wackern Mann gefällt,
Wenn im stillen warmen Neste
Sich ein Heiliges lebend hält.
Psellen
und
Marsen
auf Meerstieren, Meerkälbern und Widdern
In Cyperns rauhen Höhle-Grüften,
Vom Meergott nicht verschüttet,
Vom Seismos nicht zerrüttet,
Umweht von ewigen Lüften,
Und, wie in den ältesten Tagen,
In still-bewußtem Behagen,
Bewahren wir Cypriens Wagen,
Und führen, beym Säuseln der Nächte,
Durch liebliches Wellengeflechte,
Unsichtbar dem neuen Geschlechte,
Die lieblichste Tochter heran.
Wir leise Geschäftigen scheuen
Weder Adler noch geflügelten Leuen,
Weder Kreuz noch Mond,
Wie es oben wohnt und trohnt,
Sich wechselnd wägt und regt,
Sich vertreibt und todtschlägt,
Saaten und Städte niederlegt.
Wir, so fortan,
Bringen die lieblichste Herrin heran.
Sirenen
Leicht bewegt, in mäßiger Eile,
Um den Wagen, Kreis um Kreis,
Bald verschlungen Zeil’ an
Zeile
Schlangenartig reihenweis,
Naht euch rüstige Nereiden,
Derbe Frau’n, gefällig wild,
Bringet, zärtliche
Doriden,
Galatee der Mutter Bild:
Ernst, den Göttern gleich
zu schauen,
Würdiger Unsterblichkeit,
Doch wie holde Menschenfrauen
Lockender Anmuthigkeit.
Doriden
im Chor am Nereus vorbeyziehend
sämmtlich auf Delphinen
Leih uns Luna Licht und Schatten,
Klarheit diesem Jugendflor;
Denn wir zeigen liebe Gatten
Unserm Vater bittend vor.
zu Nereus
Knaben sinds die wir gerettet,
Aus der Brandung
grimmem Zahn,
Sie, auf Schilf und Moos gebettet,
Aufgewärmt zum Licht heran,
Die es nun mit heißen Küssen
Treulich uns verdanken müssen;
Schau’ die Holden günstig an!
Nereus
Hoch ist der Doppelgewinn zu schätzen:
Barmherzig seyn, und sich zugleich ergötzen.
Doriden
Lobst du Vater unser Walten,
Gönnst uns wohlerworbene Lust,
Laß uns fest, unsterblich halten
Sie an ewiger Jugendbrust.
Nereus
Mög’t euch des schönen Fanges freuen,
Den Jüngling bildet euch als Mann;
Allein ich könnte nicht verleihen
Was Zeus allein gewähren kann.
Die Welle, die euch wogt und schaukelt,
Läßt auch der Liebe nicht Bestand,
Und hat die Neigung ausgegaukelt
So setzt gemächlich sie ans Land.
Doriden
Ihr holde Knaben seyd uns werth,
Doch müssen wir traurig scheiden;
Wir haben ewige Treue begehrt,
Die Götter wollens nicht leiden.
Die Jünglinge
Wenn ihr uns nur so ferner labt,
Uns wackre Schiffer-Knaben;
Wir haben’s nie so gut
gehabt
Und wollen’s nicht besser
haben.
Galatee auf dem Muschelwagen nähert sich
Nereus
Du bist es mein Liebchen!
Galatee
O Vater! das Glück!
Delphine verweilet! mich
fesselt der Blick.
Nereus
Vorüber schon, sie ziehen vorüber
In kreisenden Schwunges Bewegung;
Was kümmert sie die innre herzliche Regung!
Ach! nähmen sie mich mit hinüber!
Doch ein einziger Blick ergötzt
Daß er das ganze Jahr ersetzt.
Thales
Heil! Heil! aufs neue!
Wie ich mich blühend freue,
Vom Schönen, Wahren durchdrungen...
Alles ist aus dem Wasser entsprungen!!
Alles wird durch das Wasser erhalten!
Ocean gönn’ uns dein ewiges Walten.
Wenn du nicht Wolken sendetest,
Nicht reiche Bäche spendetest,
Hin und her nicht Flüsse wendetest,
Die Ströme nicht vollendetest;
Was wären Gebirge, was Ebnen und Welt?
Du bist’s der das frischeste Leben erhält.
Echo
Chorus der sämmtlichen Kreise
Du bists dem das frischeste Leben entquellt.
Nereus
Sie kehren schwankend fern zurück,
Bringen nicht mehr Blick zu Blick;
In gedehnten Kettenkreisen
Sich festgemäß zu erweisen,
Windet sich die unzählige Schaar.
Aber Galateas Muschelthron
Seh’ ich schon und aber
schon.
Er glänzt wie ein Stern
Durch die Menge;
Geliebtes leuchtet durch’s
Gedränge,
Auch noch so fern
Schimmert’s hell und klar,
Immer nah und wahr.
Homunkulus
In dieser holden Feuchte
Was ich auch hier beleuchte,
Ist alles reizend schön.
Proteus
In dieser Lebensfeuchte
Erglänzt erst deine Leuchte
Mit herrlichem Getön.
Nereus
Welch neues Geheimniß in Mitte der Schaaren
Will unseren Augen sich offengebahren?
Was flammt um die Muschel um Galatees Füße?
Bald lodert es mächtig, bald lieblich bald süße,
Als wär’ es von Pulsen der Liebe gerührt?
Thales
Homunkulus ist es, von Proteus verführt...
Es sind die Symptome des herrischen Sehnens,
Mir ahnet das Ächzen beängsteten Dröhnens;
Er wird sich zerschellen am glänzenden Thron;
Jetzt flammt es, nun blitzt es, ergießet sich schon.
Sirenen
Welch feuriges Wunder verklärt uns die Wellen,
Die gegen einander sich funkelnd zerschellen?
So leuchtet’s und schwanket
und hellet hinan:
Die Körper sie glühen auf nächtlicher Bahn,
Und rings ist alles vom Feuer umronnen;
So herrsche denn Eros der alles begonnen!
Heil dem Meere!
Heil den Wogen!
Von dem heiligen Feuer umzogen;
Heil dem Wasser! Heil dem Feuer!
Heil dem seltnen Abenteuer!
All Alle!
Heil den mildgewogenen Lüften!
Heil geheimnißreichen Grüften!
Hochgefeyert seyd alhier
Element’ ihr alle vier!
Dritter Act
Vor dem Pallaste des Menelas
zu Sparta
Helena tritt auf und Chor gefangener Trojanerinnen. Panthalis Chorführerin
Helena
Bewundert viel und viel gescholten Helena
Vom Strande komm’ ich wo wir erst gelandet sind,
Noch immer trunken von des Gewoges regsamem
Geschaukel, das vom phrygischen Blachgefild uns her
Auf sträubig-hohem Rücken, durch Poseidons Gunst
Und Euros Kraft in vaterländische Buchten trug.
Dort unten freuet nun der König Menelas
Der Rückkehr sammt den tapfersten seiner Krieger sich.
Du aber heiße mich willkommen, hohes Haus,
Das Tyndareos, mein Vater, nah dem Hange sich
Von Pallas Hügel wiederkehrend aufgebaut,
Und als ich hier mit Klytämnestren schwesterlich,
Mit Castor auch und Pollux fröhlich spielend wuchs,
Vor allen Häusern Spartas, herrlich ausgeschmückt.
Gegrüßet seyd mir der eh’rnen Pforte Flügel ihr,
Durch euer gastlich ladendes Weiteröffnen einst
Geschah’s daß mir, erwählt aus vielen, Menelas
In Bräutigams-Gestalt entgegen leuchtete.
Eröffnet mir sie wieder, daß ich ein Eilgebot
Des Königs treu erfülle, wie der Gattin ziemt.
Laßt mich hinein! und alles bleibe hinter mir,
Was mich umstürmte bis hieher, verhängnißvoll.
Denn seit ich diese Stelle sorgenlos verließ,
Cytherens Tempel besuchend, heiliger Pflicht gemäß,
Mich aber dort ein Räuber griff, der phrygische,
Ist viel geschehen, was die Menschen weit und breit
So gern erzählen, aber der nicht gerne hört
Von dem die Sage wachsend sich zum Mährchen spann.
Chor
Verschmähe nicht, o herrliche Frau,
Des höchsten Gutes Ehrenbesitz!
Denn das größte Glück ist dir einzig beschert,
Der Schönheit Ruhm der vor allen sich hebt.
Dem Helden tönt sein Name voran,
Drum schreitet er stolz,
Doch beugt sogleich hartnäckigster Mann
Vor der allbezwingenden Schöne den Sinn.
Helena
Genug! mit meinem Gatten bin ich hergeschifft
Und nun von ihm zu seiner Stadt vorausgesandt;
Doch welchen Sinn er hegen mag errath’ ich nicht.
Komm’ ich als Gattin? komm’ ich eine Königin?
Komm’ ich ein Opfer für des Fürsten bittern Schmerz
Und für der Griechen lang’erduldetes Mißgeschick?
Erobert bin ich, ob gefangen weiß ich nicht!
Denn Ruf und Schicksal bestimmten fürwahr die Unsterblichen
Zweydeutig mir, der Schöngestalt bedenkliche
Begleiter, die an dieser Schwelle mir sogar
Mit düster drohender Gegenwart zur Seite stehn.
Denn schon im hohlen Schiffe blickte mich der Gemahl
Nur selten an, auch sprach er kein erquicklich Wort.
Als wenn er Unheil sänne saß er gegen mir.
Nun aber, als des Eurotas tiefem Buchtgestad
Hinangefahren der vordern Schiffe Schnäbel kaum
Das Land begrüßten, sprach er, wie vom Gott bewegt:
Hier steigen meine Krieger, nach der Ordnung, aus,
Ich mustre sie am Strand des Meeres hingereiht,
Du aber ziehe weiter, ziehe des heiligen
Eurotas fruchtbegabtem Ufer immer auf,
Die Rosse lenkend auf der feuchten Wiese Schmuck,
Bis daß zur schönen Ebene du gelangen magst,
Wo Lakedämon einst ein fruchtbar weites Feld,
Von ernsten Bergen nah umgeben, angebaut.
Betrete dann das hochgethürmte Fürstenhaus
Und mustere mir die Mägde, die ich dort zurück
Gelassen, sammt der klugen alten Schaffnerin.
Die zeige dir der Schätze reiche Sammlung vor,
Wie sie dein Vater hinterließ und die ich selbst
In Krieg und Frieden, stets vermehrend, aufgehäuft.
Du findest alles nach der Ordnung stehen: denn
Das ist des Fürsten Vorrecht daß er alles treu
In seinem Hause, wiederkehrend, finde, noch
An seinem Platze jedes wie er’s dort verließ.
Denn nichts zu ändern hat für sich der Knecht Gewalt.
Chor
Erquicke nun am herrlichen Schatz,
Dem stets vermehrten, Augen und Brust;
Denn der Kette Zier, der Krone Geschmuck
Da ruhn sie stolz und sie dünken sich was;
Doch tritt nur ein und fordre sie auf,
Sie rüsten sich schnell.
Mich freuet zu sehn Schönheit in dem Kampf
Gegen Gold und Perlen und Edelgestein.
Helena
Sodann erfolgte des Herren ferneres Herrscherwort:
Wenn du nun alles nach der Ordnung durchgesehn,
Dann nimm so manchen Dreyfuß als du nöthig glaubst
Und mancherlei Gefäße die der Opfrer sich
Zur Hand verlangt, vollziehend heiligen Festgebrauch.
Die Kessel, auch die Schalen, wie das flache Rund,
Das reinste Wasser aus der heiligen Quelle sey
In hohen Krügen, ferner auch das trockne Holz,
Der Flammen schnell empfänglich, halte da bereit,
Ein wohlgeschliffnes Messer fehle nicht zuletzt;
Doch alles andre geb’ ich deiner Sorge hin.
So sprach er, mich zum Scheiden drängend; aber nichts
Lebendigen Athems zeichnet mir der Ordnende
Das er, die Olympier zu verehren, schlachten will.
Bedenklich ist es, doch ich sorge weiter nicht
Und alles bleibe hohen Göttern heimgestellt,
Die das vollenden, was in ihrem Sinn sie däucht,
Es möge gut von Menschen, oder möge bös
Geachtet seyn, die Sterblichen wir ertragen das.
Schon manchmal hob das schwere Beil der Opfernde
Zu des erdgebeugten Thieres Nacken weihend auf,
Und konnt’ es nicht vollbringen, denn ihn hinderte
Des nahen Feindes oder Gottes Zwischenkunft.
Chor
Was geschehen werde sinnst du nicht aus,
Königin schreite dahin
Guten Muths.
Gutes und Böses kommt
Unerwartet dem Menschen;
Auch verkündet glauben wir’s nicht.
Brannte doch Troja, sahen wir doch
Tod vor Augen, schmählichen Tod;
Und sind wir nicht hier
Dir gesellt, dienstbar freudig,
Schauen des Himmels blendende Sonne
Und das schönste der Erde
Huldvoll, dich, uns Glücklichen.
Helena
Sey’s wie es sey! Was auch bevorsteht, mir geziemt
Hinaufzusteigen ungesäumt in das Königshaus,
Das lang entbehrt, und viel ersehnt, und fast
verscherzt,
Mir abermals vor Augen steht, ich weiß nicht wie.
Die Füße tragen mich so muthig nicht empor
Die hohen Stufen die ich kindisch übersprang.
Chor
Werfet o Schwestern, ihr
Traurig gefangenen,
Alle Schmerzen ins Weite;
Theilet der Herrin Glück,
Theilet Helenens Glück,
Welche zu Vaterhauses Herd,
Zwar mit spätzurückkehrendem
Aber mit desto festerem
Fuße freudig herannaht.
Preiset die heiligen,
Glücklich herstellenden
Und heimführenden Götter!
Schwebt der Entbundene
Doch wie auf Fittigen
Über das Rauhste, wenn umsonst
Der Gefangene sehnsuchtsvoll
Über die Zinne des Kerkers hin
Armausbreitend sich abhärmt.
Aber sie ergriff ein Gott
Die Entfernte;
Und aus Ilios Schutt
Trug er hierher sie zurück,
In das alte das neugeschmückte
Vaterhaus,
Nach unsäglichen
Freuden und Qualen,
Früher Jugendzeit
Angefrischt zu gedenken.
Panthalis
als Chorführerin
Verlasset nun des Gesanges freudumgebnen Pfad
Und wendet nach der Thüre Flügeln euren Blick.
Was seh’ ich, Schwestern? Kehret nicht die Königin,
Mit heftigen Schrittes Regung, wieder zu uns her?
Was ist es, große Königin, was konnte dir
In deines Hauses Hallen, statt der Deinen Gruß,
Erschütterendes begegnen? Du verbirgst es nicht;
Denn Widerwillen seh ich an der Stirne dir
Ein edles Zürnen das mit Überraschung kämpft.
Helena
welche die Thürflügel
offen gelassen hat, bewegt
Der Tochter Zeus geziemet nicht gemeine Furcht
Und flüchtig-leise Schreckenshand berührt sie nicht;
Doch das Entsetzen, das dem Schoos der alten Nacht,
Vom Urbeginn entsteigend, vielgestaltet noch
Wie glühende Wolken, aus des Berges Feuerschlund,
Herauf sich wälzt erschüttert auch des Helden Brust.
So haben heute grauenvoll die Stygischen
In’s Haus den Eintritt mir bezeichnet, daß ich gern
Von oft betretner, langersehnter Schwelle mich,
Entlaßnem Gaste gleich, entfernend scheiden mag.
Doch nein! gewichen bin ich her an’s Licht, und sollt
Ihr weiter nicht mich treiben, Mächte, wer ihr seyd.
Auf Weihe will ich sinnen, dann gereinigt mag
Des Herdes Gluth die Frau begrüßen wie den Herrn.
Chorführerin
Entdecke deinen Dienerinnen, edle Frau,
Die dir verehrend beistehn, was begegnet ist.
Helena
Was ich gesehen sollt ihr selbst mit Augen sehn,
Wenn ihr Gebilde nicht die alte Nacht sogleich
Zurück geschlungen in ihrer Tiefe Wunderschoos.
Doch daß ihr’s wisset, sag’ ich’s euch mit Worten an:
Als ich des Königs-Hauses ernsten Binnenraum,
Der nächsten Pflicht gedenkend, feyerlich betrat,
Erstaunt’ ich ob der öden Gänge Schweigsamkeit.
Nicht Schall der emsig wandelnden begegnete
Dem Ohr, nicht raschgeschäftiges Eiligthun dem Blick,
Und keine Magd erschien mir, keine Schaffnerin
Die jeden Fremden freundlich sonst begrüßenden.
Als aber ich dem Schooße des Herdes mich genaht,
Da sah’ ich, bei verglommner Asche lauem Rest,
Am Boden sitzen welch verhülltes großes Weib,
Der Schlafenden nicht vergleichbar, wohl der Sinnenden.
Mit Herrscherworten ruf’ ich sie zur Arbeit auf,
Die Schaffnerin mir vermuthend, die indeß vielleicht
Des Gatten Vorsicht hinterlassend angestellt;
Doch eingefaltet sitzt die unbewegliche;
Nur endlich rührt sie, auf mein Dräun, den rechten Arm,
Als wiese sie von Herd und Halle mich hinweg.
Ich wende zürnend mich ab von ihr und eile gleich
Den Stufen zu, worauf empor der Thalamos
Geschmückt sich hebt und nah daran das Schatzgemach;
Allein das Wunder reißt sich schnell vom Boden auf,
Gebietrisch mir den Weg vertretend, zeigt es sich
In hagrer Größe, hohlen, blutig-trüben Blicks,
Seltsamer Bildung, wie sie Aug und Geist verwirrt.
Doch red’ ich in die Lüfte; denn das Wort bemüht
Sich nur umsonst Gestalten schöpferisch aufzubaun.
Da seht sie selbst! sie wagt sogar sich an’s Licht
hervor!
Hier sind wir Meister, bis der Herr und König kommt.
Die grausen Nachtgeburten drängt der Schönheitsfreund,
Phöbus hinweg in Höhlen, oder bändigt sie.
Phorkyas auf der Schwelle zwischen den Thürpfosten
auftretend
Chor
Vieles erlebt’ ich, obgleich die Locke
Jugendlich wallet mir um die Schläfe!
Schreckliches hab’ ich vieles gesehen,
Kriegrischen Jammer, Ilios Nacht,
Als es fiel.
Durch das umwölkte, staubende Tosen,
Drängender Krieger hört’ ich die Götter
Fürchterlich rufen, hört’ ich der Zwietracht
Eherne Stimme schallen durch’s Feld,
Mauerwärts.
Ach, sie standen noch, Ilios
Mauern, aber die Flammengluth
Zog vom Nachbar zum Nachbar schon
Sich verbreitend von hier und dort
Mit des eignen Sturmes Wehn
Über die nächtliche Stadt hin.
Flüchtend sah ich, durch Rauch und Gluth
Und der züngelnden Flamme Lohe
Gräßlich zürnender Götter Nahn,
Schreitend Wundergestalten
Riesengroß durch düsteren
Feuerumleuchteten Qualm hin.
Sah’ ich’s,
oder bildete
Mir der angstumschlungene Geist
Solches Verworrene? sagen kann
Nimmer ich’s, doch daß ich dieß
Gräßliche hier mit Augen schau
Solches gewiß ja weiß ich;
Könnt’ es mit Händen fassen gar
Hielte von dem Gefährlichen
Nicht zurücke die Furcht mich
Welche von Phorkys
Töchtern nur bist du?
Denn ich vergleiche dich
Diesem Geschlechte.
Bist du vielleicht der graugebornen,
Eines Auges und Eines Zahns
Wechselsweis theilhaftigen,
Graien eine gekommen?
Wagest du Scheusal
Neben der Schönheit
Dich vor dem Kennerblick
Phöbus zu zeigen?
Tritt du dennoch hervor nur immer
Denn das Häßliche schaut Er nicht.
Wie sein heilig Auge noch
Nie erblickte den Schatten.
Doch uns Sterbliche nöthigt, ach,
Leider trauriges Mißgeschick
Zu dem unsäglichen Augenschmerz,
Den das Verwerfliche ewig-unselige
Schönheitliebenden rege macht.
Ja so höre denn, wenn du frech
Uns entgegenest, höre Fluch,
Höre jeglicher Schelte Drohn,
Aus dem verwünschenden Munde der Glücklichen
Die von Göttern gebildet sind.
Phorkyas
Alt ist das Wort, doch bleibet hoch und wahr der
Sinn,
Daß Scham und Schönheit nie zusammen, Hand in Hand,
Den Weg verfolgen über der Erde grünen Pfad.
Tief eingewurzelt wohnt in beiden alter Haß,
Daß wo sie immer irgend auch des Weges sich
Begegnen, jede der Gegnerin den Rücken kehrt.
Dann eilet jede wieder heftiger, weiter fort,
Die Scham betrübt, die Schönheit aber frech gesinnt,
Bis sie zuletzt des Orkus hohle Nacht umfängt,
Wenn nicht das Alter sie vorher gebändigt hat.
Euch find’ ich nun, ihr frechen, aus der Fremde her
Mit Übermuth ergossen, gleich der Kraniche
Laut-heiser klingendem Zug, der über unser Haupt,
In langer Wolke, krächzend sein Getön herab
Schickt, das den stillen Wandrer über sich hinauf
Zu blicken lockt; doch ziehn sie ihren Weg dahin,
Er geht den seinen, also wird’s mit uns geschehn.
Wer seyd denn ihr? daß ihr des Königes
Hochpallast
Mänadisch wild, Betrunknen gleich umtoben dürft?
Wer seyd ihr denn, daß ihr des Hauses Schaffnerin
Entgegen heulet, wie dem Mond der Hunde Schaar?
Wähnt ihr, verborgen sey mir welch Geschlecht ihr
seyd,
Du kriegerzeugte, schlachterzogne, junge Brut?
Mannlustige du, so wie verführt verführende,
Entnervend beide, Kriegers auch und Bürgers Kraft.
Zu Hauf euch sehend scheint mir ein Cicaden-Schwarm
Herabzustürzen, deckend grüne Feldersaat.
Verzehrerinnen fremden Fleißes! Naschende
Vernichterinnen aufgekeimten Wohlstands ihr,
Erobert, marktverkauft, vertauschte Waare du!
Helena
Wer gegenwarts der Frau die Dienerinnen schilt,
Der Gebiet’rin Hausrecht tastet er vermessen an;
Denn ihr gebührt allein das Lobenswürdige
Zu rühmen, wie zu strafen was verwerflich ist.
Auch bin des Dienstes ich wohl zufrieden, den sie mir
Geleistet als die hohe Kraft von Ilios
Umlagert stand und fiel und lag; nicht weniger
Als wir der Irrfahrt kummervolle Wechselnoth
Ertrugen, wo sonst jeder sich der nächste bleibt.
Auch hier erwart’ ich gleiches von der muntern Schaar;
Nicht was der Knecht sey, fragt der Herr, nur wie er
dient,
Drum schweige du und grinse sie nicht länger an.
Hast du das Haus des Königs wohl verwahrt bisher,
Anstatt der Hausfrau, solches dient zum Ruhme dir;
Doch jetzo kommt sie selber, tritt nun du zurück,
Damit nicht Strafe werde statt verdienten Lohns.
Phorkyas
Den Hausgenossen drohen bleibt ein großes Recht,
Das gottbeglückten Herrschers hohe Gattin sich
Durch langer Jahre weise Leitung wohl verdient.
Da du, nun Anerkannte! nun den alten Platz
Der Königin und Hausfrau wiederum betrittst,
So fasse längst erschlaffte Zügel, herrsche nun,
Nimm in Besitz den Schatz und sämmtlich uns dazu.
Vor allem aber schütze mich die ältere
Vor dieser Schaar, die, neben deiner Schönheit Schwan,
Nur schlecht befittigt schnatterhafte Gänse sind.
Chorführerin
Wie häßlich neben Schönheit zeigt sich Häßlichkeit.
Phorkyas
Wie unverständig neben Klugheit Unverstand.
Von hier an
erwiedern die Choretiden, einzeln aus dem Chor
heraustretend.
Choretide
1
Von Vater Erebus melde, melde von Mutter Nacht.
Phorkyas
So sprich von Scylla, leiblich dir Geschwisterkind.
Choretide
2
An deinem Stammbaum steigt manch Ungeheu’r empor.
Phorkyas
Zum Orkus hin! da suche deine Sippschaft auf.
Choretide
3
Die dorten wohnen sind dir alle viel zu jung.
Phorkyas
Tiresias den Alten gehe buhlend an.
Choretide
4
Orions Amme war dir Ur-Urenkelin.
Phorkyas
Harpyen wähn’ ich fütterten dich im Unflat auf.
Choretide
5
Mit was ernährst du so gepflegte Magerkeit?
Phorkyas
Mit Blute nicht, wonach du allzulüstern bist.
Choretide
6
Begierig du auf Leichen, ekle Leiche selbst!
Phorkyas
Vampyren-Zähne glänzen dir im frechen Maul.
Chorführerin
Das deine stopf’ ich wenn ich sage wer du seyst.
Phorkyas
So nenne dich zuerst, das Räthsel hebt sich auf.
Helena
Nicht zürnend, aber traurend schreit’ ich zwischen euch,
Verbietend solches Wechselstreites Ungestüm!
Denn schädlicheres begegnet nichts dem Herrscherherrn
Als treuer Diener heimlich unterschworner Zwist.
Das Echo seiner Befehle kehrt alsdann nicht mehr
In schnell vollbrachter That, wohlstimmig ihm zurück,
Nein, eigenwillig brausend tos’t es um ihn her,
Den selbstverirrten, in’s Vergeb’ne scheltenden.
Dieß nicht allein. Ihr habt in sittelosem Zorn,
Unsel’ger Bilder Schreckgestalten hergebannt,
Die mich umdrängen, daß ich selbst zum Orkus mich
Gerissen fühle, vaterländ’scher Flur zum Trutz.
Ist’s wohl Gedächtniß? war es Wahn, der mich ergreift?
War ich das alles? Bin ich’s? Werd ich’s künftig seyn,
Das Traum- und Schreckbild jener Städteverwüstenden?
Die Mädchen schaudern, aber du die älteste
Du stehst gelassen, rede mir verständig Wort.
Phorkyas
Wer langer Jahre mannigfaltigen Glücks gedenkt,
Ihm scheint zuletzt die höchste Göttergunst ein Traum.
Du aber hochbegünstigt, sonder Maaß und Ziel,
In Lebensreihe sahst nur Liebesbrünstige,
Entzündet rasch zum kühnsten Wagstück jeder Art.
Schon Theseus haschte früh dich, gierig aufgeregt,
Wie Herakles stark, ein herrlich schön geformter Mann.
Helena
Entführte mich, ein siebenjährig schlankes Reh,
Und mich umschloß Aphidnus Burg in Attika.
Phorkyas
Durch Castor und durch Pollux aber bald befreit,
Umworben standst du ausgesuchter Helden-Schaar.
Helena
Doch stille Gunst vor allen, wie ich gern gesteh’,
Gewann Patroklus, er des Peliden Ebenbild.
Phorkyas
Doch Vaterwille traute dich an Menelas,
Den kühnen Seedurchstreicher, Hausbewahrer auch.
Helena
Die Tochter gab er, gab des Reichs Bestellung ihm.
Aus ehlichem Beiseyn sproßte dann Hermione.
Phorkyas
Doch als er fern sich Creta’s Erbe kühn erstritt,
Dir Einsamen da erschien ein allzuschöner Gast.
Helena
Warum gedenkst du jener halben Witwenschaft?
Und welch Verderben gräßlich mir daraus erwuchs?
Phorkyas
Auch jene Fahrt mir freigebornen Creterin
Gefangenschaft erschuf sie, lange Sclaverey.
Helena
Als Schaffnerin bestellt’ er dich sogleich hieher
Vertrauend vieles, Burg und kühn erworbnen Schatz.
Phorkyas
Die du verließest, Ilios umthürmter Stadt
Und unerschöpften Liebesfreuden zugewandt.
Helena
Gedenke nicht der Freuden! allzuherben Leid’s
Unendlichkeit ergoß sich über Brust und Haupt.
Phorkyas
Doch sagt man, du erschienst ein doppelhaft Gebild,
In Ilios gesehen und in Ägypten auch.
Helena
Verwirre wüsten Sinnes Aberwitz nicht gar.
Selbst jetzo, welche denn ich sey, ich weiß es nicht.
Phorkyas
Dann sagen sie: aus hohlem Schattenreich herauf
Gesellte sich inbrünstig noch Achill zu dir!
Dich früher liebend gegen allen Geschicks Beschluß.
Helena
Ich als Idol, ihm dem Idol verband ich mich.
Es war ein Traum, so sagen ja die Worte selbst.
Ich schwinde hin und werde selbst mir ein Idol.
Sinkt dem Halbchor in die
Arme
Chor
Schweige, schweige!
Mißblickende, mißredende du!
Aus so gräßlichen einzahnigen
Lippen was enthaucht wohl
Solchem furchtbaren Greuelschlund.
Denn der bösartige wohlthätig erscheinend,
Wolfesgrimm unter schafwolligem Vließ,
Mir ist er weit schrecklicher als des drey-
köpfigen Hundes Rachen.
Ängstlich lauschend stehn wir da,
Wann? wie? wo nur bricht’s hervor
Solcher Tücke
Tiefauflauerndes Ungethüm?
Nun denn, statt freundlich mit Trost reich begabten
Letheschenkenden holdmildesten Worts,
Regest du auf aller Vergangenheit
Bösestes mehr denn Gutes,
Und verdüsterst allzugleich
Mit dem Glanz der Gegenwart
Auch der Zukunft
Mild aufschimmerndes Hoffnungslicht.
Schweige, schweige!
Daß der Königin Seele,
Schon zu entfliehen bereit,
Sich noch halte, festhalte
Die Gestalt aller Gestalten
Welche die Sonne jemals beschien.
Helena hat sich erholt und
steht wieder in der Mitte.
Phorkyas
Tritt hervor aus flüchtigen Wolken hohe Sonne
dieses Tags
Die verschleiert schon entzückte, blendend nun im
Glanze herrscht.
Wie die Welt sich dir entfaltet schaust du selbst mit
holdem Blick.
Schelten sie mich auch für häßlich kenn’ ich doch
das Schöne wohl.
Helena
Tret’ ich schwankend aus der Öde die im Schwindel
mich umgab,
Pflegt’ ich gern der Ruhe wieder, denn so müd’ ist
mein Gebein:
Doch es ziemet Königinnen, allen Menschen ziemt
es wohl
Sich zu fassen, zu ermannen was auch drohend überrascht.
Phorkyas
Stehst du nun in deiner Großheit, deiner Schöne vor uns
da,
Sagt dein Blick, daß du befiehlest, was befiehlst
du? sprich es aus.
Helena
Eures Haders frech Versäumniß auszugleichen seyd bereit,
Eilt ein Opfer zu bestellen wie der König mir gebot.
Phorkyas
Alles ist bereit im Hause, Schale, Dreyfuß, scharfes
Beil,
Zum Besprengen, zum Beräuchern; das zu Opfernde zeig’
an.
Helena
Nicht bezeichnet’ es der König.
Phorkyas
Sprach’s nicht aus? O Jammerwort!
Helena
Welch ein Jammer überfällt dich?
Phorkyas
Königin, du bist gemeint!
Helena
Ich?
Phorkyas
Und diese.
Chor
Weh und Jammer!
Phorkyas
Fallen wirst du durch das Beil.
Helena
Gräßlich! doch geahnt, ich Arme!
Phorkyas
Unvermeidlich scheint es mir.
Chor
Ach! Und uns? was wird begegnen?
Phorkyas
Sie stirbt einen edlen Tod;
Doch am hohen Balken drinnen, der des Daches
Giebel trägt,
Wie im Vogelfang die Drosseln, zappelt ihr der
Reihe nach.
Helena und Chor stehen
erstaunt und erschreckt, in bedeutender, wohl
vorbereiteter Gruppe
Phorkyas
Gespenster! – – – Gleich erstarrten Bildern steht ihr
da,
Geschreckt vom Tag zu scheiden der euch nicht gehört.
Die Menschen, die Gespenster sämmtlich gleich wie ihr,
Entsagen auch nicht willig hehrem Sonnenschein;
Doch bittet, oder rettet niemand sie vom Schluß;
Sie wissen’s alle, wenigen doch gefällt es nur.
Genug ihr seyd verloren! Also frisch an’s Werk.
klatscht in die Hände,
darauf erscheinen an der Pforte vermummte
Zwerggestalten, welche die ausgesprochenen Befehle alsobald mit
Behendigkeit ausführen.
Herbei du düstres, kugelrundes Ungethüm,
Wälzt euch hieher, zu schaden gibt es hier nach Lust.
Dem Tragaltar, dem goldgehörnten, gebet Platz,
Das Beil, es liege blinkend über dem Silberrand,
Die Wasserkrüge füllet, abzuwaschen gibt’s
Des schwarzen Blutes greuelvolle Besudelung.
Den Teppich breitet köstlich hier am Staube hin,
Damit das Opfer niederkniee königlich,
Und eingewickelt, zwar getrennten Haupts, sogleich
Anständig würdig, aber doch bestattet sey.
Chorführerin
Die Königin stehet sinnend an der Seite hier,
Die Mädchen welken gleich gemähtem Wiesengras;
Mir aber däucht, der Ältesten, heiliger Pflicht gemäß
Mit dir das Wort zu wechseln, Ur-Urälteste.
Du bist erfahren, weise, scheinst uns gut gesinnt,
Ob schon verkennend hirnlos diese Schaar dich traf.
Drum sage, was du möglich noch von Rettung weißt.
Phorkyas
Ist leicht gesagt: Von der Königin hängt allein es ab
Sich selbst zu erhalten, euch Zugaben auch mit ihr.
Entschlossenheit ist nöthig und die behendeste.
Chor
Ehrenwürdigste der Parzen, weiseste Sibylle du,
Halte gesperrt die goldne Schere, dann verkünd’ uns
Tag und Heil;
Denn wir fühlen schon im Schweben, Schwanken, Bammeln unergetzlich
Unsere Gliederchen, die lieber erst im Tanze sich
ergetzten,
Ruh’ten drauf an Liebchens Brust.
Helena
Laß diese bangen! Schmerz empfind’ ich, keine Furcht;
Doch kennst du Rettung, dankbar sey sie anerkannt.
Dem Klugen, Weitumsichtigen zeigt fürwahr sich oft
Unmögliches noch als möglich. Sprich und sag es an.
Chor
Sprich und sage, sag uns eilig: wie entrinnen wir
den grausen,
Garstigen Schlingen? die bedrohlich, als die
schlechtesten Geschmeide,
Sich um unsre Hälse ziehen. Vorempfinden wir’s,
die Armen,
Zum entathmen, zum ersticken, wenn du Rhea,
aller Götter
Hohe Mutter, dich nicht erbarmst.
Phorkyas
Habt ihr Geduld des Vortrags langgedehnten Zug
Still anzuhören? Mancherlei Geschichten sind’s.
Chor
Geduld genug! Zuhörend leben wir indeß.
Phorkyas
Dem der zu Hause verharrend edlen Schatz bewahrt,
Und hoher Wohnung Mauern auszukitten weiß,
Wie auch das Dach zu sichern vor des Regens Drang,
Dem wird es wohlgehn lange Lebenstage durch:
Wer aber seiner Schwelle heilige Richte leicht
Mit flüchtigen Sohlen überschreitet freventlich,
Der findet wiederkehrend wohl den alten Platz,
Doch umgeändert alles, wo nicht gar zerstört.
Helena
Wozu dergleichen wohlbekannte Sprüche hier.
Du willst erzählen, rege nicht an Verdrießliches.
Phorkyas
Geschichtlich ist es, ist ein Vorwurf keineswegs.
Raubschiffend ruderte Menelas von Bucht zu Bucht,
Gestad’ und Inseln, alles streift er feindlich an,
Mit Beute wiederkehrend, wie sie drinnen starrt.
Vor Ilios verbracht’ er langer Jahre zehn,
Zur Heimfahrt aber weiß ich nicht wie viel es war.
Allein wie steht es hier am Platz um Tyndareos
Erhabnes Haus? wie stehet es mit dem Reich umher?
Helena
Ist dir denn so das Schelten gänzlich einverleibt,
Daß ohne Tadeln du keine Lippe regen kannst?
Phorkyas
So viele Jahre stand verlassen das Thal-Gebirg,
Das hinter Sparta nordwärts in die Höhe steigt,
Taygetos im Rücken, wo als muntrer Bach
Herab Eurotas rollt und dann durch unser Thal
An Rohren breit hinfließend eure Schwäne nährt.
Dort hinten still im Gebirgthal hat ein kühn Geschlecht,
Sich angesiedelt, dringend aus cimmerischer Nacht,
Und unersteiglich feste Burg sich aufgethürmt,
Von da sie Land und Leute placken wie’s behagt.
Helena
Das konnten sie vollführen? Ganz unmöglich scheint’s.
Phorkyas
Sie hatten Zeit, vielleicht an zwanzig Jahre sind’s.
Helena
Ist Einer Herr? sind’s Räuber viel, Verbündete?
Phorkyas
Nicht Räuber sind es, Einer aber ist der Herr.
Ich schelt’ ihn nicht und wenn er schon mich
heimgesucht.
Wohl konnt’ er alles nehmen, doch begnügt er sich
Mit wenigen Freigeschenken, nannt er’s, nicht Tribut.
Helena
Wie sieht er aus?
Phorkyas
Nicht übel! mir gefällt er schon.
Es ist ein munterer, kecker, wohlgebildeter,
Wie unter Griechen wenig ein verständger Mann,
Man schilt das Volk Barbaren, doch ich dächte nicht
Daß grausam einer wäre, wie vor Ilios
Gar mancher Held sich menschenfresserisch erwies.
Ich acht’ auf seine Großheit, ihm vertraut’ ich mich.
Und seine Burg! die solltet ihr mit Augen sehn,
Das ist was anderes gegen plumpes Mauerwerk
Das eure Väter, mir nichts dir nichts, aufgewälzt,
Cyklopisch wie Cyklopen, rohen Stein sogleich
Auf rohe Steine stürzend; dort hingegen, dort
Ist alles senk- und wagerecht und regelhaft.
Von außen schaut sie! himmelan sie strebt empor,
So starr, so wohl in Fugen, spiegelglatt wie Stahl.
Zu klettern hier – ja selbst der Gedanke gleitet ab.
Und innen großer Höfe Raumgelasse, rings
Mit Baulichkeit umgeben, aller Art und Zweck.
Da seht ihr Säulen, Säulchen, Bogen, Bögelchen,
Altane, Galerie’n zu schauen aus und ein,
Und Wappen.
Chor
Was sind Wappen?
Phorkyas
Ajax führte ja
Geschlungne Schlang’ im Schilde, wie ihr selbst gesehn.
Die Sieben dort vor Theben trugen Bildnerey’n
Ein jeder auf seinem Schilde, reich bedeutungsvoll.
Da sah man Mond und Stern’ am nächtigen Himmelsraum,
Auch Göttin, Held und Leiter, Schwerter, Fackeln auch,
Und was bedrängliches guten Städten grimmig droht.
Ein solch Gebilde führt auch unsre Heldenschaar
Von seinen Ur-Urahnen her in Farbenglanz.
Da seht ihr Löwen, Adler, Klau’ und Schnabel auch,
Dann Büffelhörner, Flügel, Rosen, Pfauenschweif,
Auch Streifen, gold und schwarz und silbern, blau und
roth.
Dergleichen hängt in Sälen Reih an Reihe fort,
In Sälen, gränzenlosen, wie die Welt so weit;
Da könnt ihr tanzen!
Chor
Sage, gibt’s auch Tänzer da?
Phorkyas
Die besten! goldgelockte, frische Bubenschaar.
Die duften Jugend, Paris duftete einzig so,
Als er der Königin zu nahe kam.
Helena
Du fällst
Ganz aus der Rolle, sage mir das letzte Wort!
Phorkyas
Du sprichst das letzte, sagst mit Ernst vernehmlich ja!
Sogleich umgeb’ ich dich mit jener Burg.
Chor
O sprich
Das kurze Wort! und rette dich und uns zugleich.
Helena
Wie? sollt’ ich fürchten, daß der König Menelas
So grausam sich verginge mich zu schädigen?
Phorkyas
Hast du vergessen, wie er deinen Deiphobus,
Des todtgekämpften Paris Bruder, unerhört
Verstümmelte, der starrsinnig Witwe dich erstritt
Und glücklich kebste; Nas’ und Ohren schnitt er ab
Und stümmelte mehr so; Greuel war es anzuschaun.
Helena
Das that er jenem, meinetwegen that er das.
Phorkyas
Um jeneswillen wird er dir das Gleiche thun.
Untheilbar ist deine Schönheit; der sie ganz besaß
Zerstört sie lieber, fluchend jedem Theilbesitz.
Trompeten in der Ferne;
der Chor fährt zusammen.
Wie scharf der Trompete Schmettern Ohr und Eingeweid
Zerreißend anfaßt, also krallt sich Eifersucht
Im Busen fest des Mannes, der das nie vergißt
Was einst er besaß und nun verlor, nicht mehr besitzt.
Chor
Hörst du nicht die Hörner schallen? siehst der
Waffen Blitze nicht?
Phorkyas
Sey willkommen Herr und König, gerne geb’ ich Rechenschaft.
Chor
Aber wir?
Phorkyas
Ihr wißt es deutlich, seht vor Augen ihren Tod,
Merkt den eurigen da drinne; nein zu helfen ist euch
nicht.
Pause
Helena
Ich sann mir aus das Nächste was ich wagen darf.
Ein Widerdämon bist du, das empfind’ ich wohl,
Und fürchte, Gutes wendest du zum Bösen um.
Vor allem aber folgen will ich dir zur Burg;
Das andre weiß ich; was die Königin dabei
In tiefem Busen geheimnißvoll verbergen mag,
Sey jedem unzugänglich. Alte! geh voran.
Chor
O wie gern gehen wir hin,
Eilenden Fußes;
Hinter uns Tod,
Vor uns abermals
Ragender Veste
Unzugängliche Mauer.
Schütze sie eben so gut
Eben wie Ilios Burg,
Die doch endlich nur
Niederträchtiger List erlag.
Nebel verbreiten sich,
umhüllen den Hintergrund, auch die Nähe, nach Belieben.
Wie? aber wie?
Schwestern schaut euch um!
War es nicht heiterer Tag?
Nebel schwanken streifig empor
Aus Eurotas heil’ger Fluth;
Schon entschwand das liebliche
Schilfumkränzte Gestade dem Blick,
Auch die frei, zierlich-stolz
Sanfthingleitenden Schwäne
In gesell’ger Schwimmlust
Seh’ ich, ach, nicht mehr!
Doch, aber doch
Tönen hör’ ich sie,
Tönen fern heiseren Ton!
Tod verkündenden sagen sie;
Ach daß uns er nur nicht auch,
Statt verheissener Rettung Heil,
Untergang verkünde zuletzt;
Uns den schwangleichen, lang-
Schön weißhalsigen; und ach!
Uns’rer Schwanerzeugten.
Weh uns, weh, weh!
Alles deckte sich schon
Rings mit Nebel umher.
Sehen wir doch einander nicht!
Was geschieht? gehen wir?
Schweben wir nur
Trippelnden Schrittes am Boden hin?
Siehst du nichts? schwebt nicht etwa gar
Hermes voran? Blinkt nicht der goldne Stab
Heischend, gebietend uns wieder zurück
Zu dem unerfreulichen, grautagenden,
Ungreifbarer Gebilde vollen,
Überfüllten, ewig leeren Hades.
Ja auf einmal wird es düster, ohne Glanz
entschwebt der Nebel
Dunkelgräulich, mauerbräunlich. Mauern stellen
sich dem Blicke
Freiem Blicke starr entgegen. Ist’s ein Hof? ist’s
tiefe Grube?
Schauerlich in jedem Falle! Schwestern ach! wir sind
gefangen,
So gefangen wie nur je.
Innerer Burghof, umgeben von
reichen phantastischen Gebäuden des
Mittelalters
Chorführerin
Vorschnell und thöricht, ächt wahrhaftes Weibsgebild!
Vom Augenblick abhängig, Spiel der Witterung
Des Glücks und Unglücks, keins von beiden wißt ihr je
Zu bestehn mit Gleichmuth. Eine widerspricht ja stets
Der andern heftig, überquer die andern ihr;
In Freud’ und Schmerz nur heult und lacht ihr
gleichen Ton’s.
Nun schweigt! und wartet horchend was die Herrscherin
Hochsinnig hier beschließen mag für sich und uns.
Helena
Wo bist du Pythonissa? heiße wie du magst,
Aus diesen Gewölben tritt hervor der düstern Burg.
Gingst etwa du, dem wunderbaren Heldenherrn
Mich anzukündigen, Wohlempfang bereitend mir,
So habe Dank und führe schnell mich ein zu ihm;
Beschluß der Irrfahrt wünsch’ ich, Ruhe wünsch’ ich nur.
Chorführerin
Vergebens blickst du, Königin, allseits um dich her;
Verschwunden ist das leidige Bild, verblieb vielleicht
Im Nebel dort, aus dessen Busen wir hieher,
Ich weiß nicht wie, gekommen, schnell und sonder
Schritt.
Vielleicht auch irrt sie zweifelhaft im Labyrinth
Der wundersam aus vielen einsgewordnen Burg,
Den Herrn erfragend fürstlicher Hochbegrüßung halb.
Doch sieh, dort oben regt in Menge sich allbereits
In Galerien, am Fenster, in Portalen rasch
Sich hin und her bewegend viele Dienerschaft,
Vornehm-willkommnen Gastempfang verkündet es.
Chor
Aufgeht mir das Herz! o, seht nur dahin
Wie so sittig herab mit verweilendem Tritt
Jungholdeste Schaar anständig bewegt
Den geregelten Zug. Wie? auf wessen Befehl
Nur erscheinen gereiht und gebildet so früh,
Von Jünglingsknaben das herrliche Volk?
Was bewundr’ ich zumeist! Ist es zierlicher Gang,
Etwa des Haupts Lockhaar um die blendende Stirn,
Etwa der Wänglein Paar, wie die Pfirsiche roth
Und eben auch so weichwollig beflaumt?
Gern biß ich hinein, doch ich schaudre davor,
Denn in ähnlichem Fall, da erfüllte der Mund
Sich, gräßlich zu sagen! mit Asche.
Aber die schönsten
Sie kommen daher;
Was tragen sie nur?
Stufen zum Thron,
Teppich und Sitz,
Umhang und zelt-
artigen Schmuck,
Über überwallt er,
Wolkenkränze bildend,
Unsrer Königin Haupt,
Denn schon bestieg sie
Eingeladen herrlichen Pfühl.
Tretet heran
Stufe für Stufe
Reihet euch ernst.
Würdig, o würdig, dreyfach würdig
Sey gesegnet ein solcher Empfang!
Alles vom Chor ausgesprochene
geschieht nach und nach.
Faust Nachdem Knaben
und Knappen in langem Zug herabgestiegen, erscheint er oben an der
Treppe in ritterlicher Hofkleidung des Mittelalters und kommt
langsam würdig herunter.
Chorführerin
ihn aufmerksam
beschauend
Wenn diesem nicht die Götter, wie sie öfter thun,
Für wenige Zeit nur wundernswürdige Gestalt,
Erhabnen Anstand, liebenswerthe Gegenwart
Vorübergänglich liehen; wird ihm jedesmal
Was er beginnt gelingen, sey’s in Männerschlacht,
So auch im kleinen Kriege mit den schönsten Frau’n.
Er ist fürwahr gar vielen andern vorzuziehn,
Die ich doch auch als hochgeschätzt mit Augen sah.
Mit langsam-ernstem, ehrfurchtsvoll gehaltnem Schritt
Seh ich den Fürsten; wende dich o Königin!
Faust
herantretend, einen
Gefesselten zur Seite
Statt feyerlichsten Grußes, wie sich ziemte,
Statt erfurchtsvollem Willkomm bring ich dir
In Ketten hartgeschlossen solchen Knecht,
Der Pflicht verfehlend mir die Pflicht entwand.
Hier kniee nieder! dieser höchsten Frau
Bekenntniß abzulegen deiner Schuld.
Dieß ist, erhabne Herrscherin, der Mann
Mit seltnem Augenblitz vom hohen Thurm
Umherzuschaun bestellt, dort Himmelsraum
Und Erdenbreite scharf zu überspähn,
Was etwa da und dort sich melden mag,
Vom Hügelkreis in’s Thal zur festen Burg
Sich regen mag, der Heerden Woge sey’s,
Ein Heereszug vielleicht; wir schützen jene,
Begegnen diesem. Heute, welch’ Versäumniß!
Du kommst heran, er meldet’s nicht, verfehlt
Ist ehrenvoller schuldigster Empfang
So hohen Gastes. Freventlich verwirkt
Das Leben hat er, läge schon im Blut
Verdienten Todes; doch nur du allein
Bestrafst, begnadigst, wie dir’s wohl gefällt.
Helena
So hohe Würde wie du sie vergönnst,
Als Richterin, als Herrscherin, und wär’s
Versuchend nur, wie ich vermuthen darf;
So üb’ ich nun des Richters erste Pflicht
Beschuldigte zu hören. Rede denn.
Thurmwärter,
Lynceus
Laß mich knieen, laß mich schauen,
Laß mich sterben, laß mich leben,
Denn schon bin ich hingegeben
Dieser gottgegebnen Frauen.
Harrend auf des Morgens Wonne,
Östlich spähend ihren Lauf,
Ging auf einmal mir die Sonne
Wunderbar im Süden auf.
Zog den Blick nach jener Seite,
Statt der Schluchten, statt der Höh’n
Statt der Erd- und Himmelsweite,
Sie die Einzige zu spähn.
Augenstrahl ist mir verliehen
Wie dem Luchs auf höchstem Baum,
Doch nun mußt’ ich mich bemühen
Wie aus tiefem düsterm Traum.
Wüßt’ ich irgend mich zu finden?
Zinne? Thurm? geschloßnes Thor?
Nebel schwanken, Nebel schwinden
Solche Göttin tritt hervor!
Aug’ und Brust ihr zugewendet
Sog ich an den milden Glanz,
Diese Schönheit wie sie blendet
Blendete mich Armen ganz.
Ich vergaß des Wächters Pflichten,
Völlig das beschworne Horn,
Drohe nur mich zu vernichten,
Schönheit bändigt allen Zorn.
Helena
Das Übel das ich brachte darf ich nicht
Bestrafen. Wehe mir! Welch’ streng Geschick
Verfolgt mich, überall der Männer Busen
So zu bethören, daß sie weder sich
Noch sonst ein Würdiges verschonten. Raubend jetzt,
Verführend, fechtend, hin und her entrückend;
Halbgötter, Helden, Götter, ja Dämonen,
Sie führten mich im Irren her und hin.
Einfach die Welt verwirrt’ ich, doppelt mehr,
Nun dreyfach, vierfach bring’ ich Noth auf Noth.
Entferne diesen Guten, laß ihn frei;
Den Gottbethörten treffe keine Schmach.
Faust
Erstaunt o Königin, seh’ ich zugleich
Die sicher Treffende, hier den Getroffnen;
Ich seh’ den Bogen, der den Pfeil entsandt,
Verwundet jenen. Pfeile folgen Pfeilen
Mich treffend. Allwärts ahn’ ich überquer
Gefiedert schwirrend sie in Burg und Raum.
Was bin ich nun? Auf einmal machst du mir
Rebellisch die Getreusten, meine Mauern
Unsicher. Also fürcht’ ich schon, mein Heer
Gehorcht der siegend unbesiegten Frau.
Was bleibt mir übrig? als mich selbst und alles,
Im Wahn das Meine, dir anheim zu geben.
Zu deinen Füßen laß mich, frei und treu,
Dich Herrin anerkennen, die sogleich
Auftretend sich Besitz und Thron erwarb.
Lynceus
mit einer Kiste und
Männer die ihm andere nachtragen
Du siehst mich, Königin, zurück!
Der Reiche bettelt einen Blick,
Er sieht dich an und fühlt sogleich
Sich bettelarm und fürstenreich.
Was war ich erst? was bin ich nun?
Was ist zu wollen? was zu thun?
Was hilft der Augen schärfster Blitz!
Er prallt zurück an deinem Sitz.
Von Osten kamen wir heran
Und um den Westen war’s gethan;
Ein lang und breites Volksgewicht,
Der erste wußte vom letzten nicht.
Der erste fiel, der zweyte stand,
Des dritten Lanze war zur Hand;
Ein jeder hundertfach gestärkt,
Erschlagne Tausend unbemerkt.
Wir drängten fort, wir stürmten
fort,
Wir waren Herrn von Ort zu Ort;
Und wo ich herrisch heut befahl
Ein andrer morgen raubt’ und stahl.
Wir schauten, – eilig war die Schau;
Der griff die allerschönste Frau,
Der griff den Stier von festem Tritt,
Die Pferde mußten alle mit.
Ich aber liebte zu erspähn
Das Seltenste was man gesehn,
Und was ein andrer auch besaß,
Das war für mich gedörrtes Gras.
Den Schätzen war ich auf der Spur,
Den scharfen Blicken folgt’ ich nur,
In alle Taschen blickt’ ich ein,
Durchsichtig war mir jeder Schrein.
Und Haufen Goldes waren mein,
Am herrlichsten der Edelstein:
Nun der Smaragd allein verdient
Daß er an deinem Herzen grünt.
Nun schwanke zwischen Ohr und Mund
Das Tropfeney aus Meeresgrund;
Rubinen werden gar verscheucht,
Das Wangenroth sie niederbleicht.
Und so den allergrößten Schatz
Versetz’ ich hier auf deinen Platz,
Zu deinen Füßen sey gebracht
Die Erndte mancher blut’gen Schlacht.
So viele Kisten schlepp’ ich her,
Der Eisenkisten hab’ ich mehr;
Erlaube mich auf deiner Bahn
Und Schatzgewölbe füll’ ich an.
Denn du bestiegest kaum den Thron,
So neigen schon, so beugen schon
Verstand und Reichthum und Gewalt
Sich vor der einzigen Gestalt.
Das alles hielt ich fest und mein,
Nun aber lose, wird es dein,
Ich glaubt’ es würdig, hoch und baar,
Nun seh’ ich, daß es nichtig war.
Verschwunden ist was ich besaß,
Ein abgemähtes welkes Gras:
O gib mit einem heitern Blick
Ihm seinen ganzen Werth zurück!
Faust
Entferne schnell die kühn erworbne Last,
Zwar nicht getadelt aber unbelohnt.
Schon ist Ihr alles eigen was die Burg
Im Schoos verbirgt, Besondres Ihr zu bieten
Ist unnütz. Geh und häufe Schatz auf Schatz
Geordnet an. Der ungeseh’nen Pracht
Erhabnes Bild stell’ auf! Laß die Gewölbe
Wie frische Himmel blinken, Paradiese
Von lebelosem Leben richte zu.
Voreilend ihren Tritten laß beblümt
An Teppich Teppiche sich wälzen, ihrem Tritt
Begegne sanfter Boden, ihrem Blick,
Nur göttliche nicht blendend, höchster Glanz.
Lynceus
Schwach ist was der Herr befiehlt,
Thut’s der Diener, es ist gespielt:
Herrscht doch über Gut und Blut
Dieser Schönheit Übermuth.
Schon das ganze Heer ist zahm
Alle Schwerter stumpf und lahm,
Vor der herrlichen Gestalt
Selbst die Sonne matt und kalt,
Vor dem Reichthum des Gesichts
Alles leer und alles nichts.
ab
Helena
zu Faust
Ich wünsche dich zu sprechen, doch herauf
An meine Seite komm! der leere Platz
Beruft den Herrn und sichert mir den meinen.
Faust
Erst knieend laß die treue Widmung dir
Gefallen, hohe Frau; die Hand die mich
An deine Seite hebt laß mich sie küssen.
Bestärke mich als Mitregenten deines
Gränzunbewußten Reichs, gewinne dir
Verehrer, Diener, Wächter all’ in Einem.
Helena
Vielfache Wunder seh’ ich, hör’ ich an,
Erstaunen trifft mich, fragen möcht’ ich viel.
Doch wünscht’ ich Unterricht, warum die Rede
Des Mann’s mir seltsam klang, seltsam und freundlich.
Ein Ton scheint sich dem andern zu bequemen,
Und hat ein Wort zum Ohre sich gesellt,
Ein andres kommt, dem ersten liebzukosen.
Faust
Gefällt dir schon die Sprechart unsrer Völker
O so gewiß entzückt euch der Gesang,
Befriedigt Ohr und Sinn im tiefsten Grunde.
Doch ist am sichersten wir üben’s gleich,
Die Wechselrede lockt es, ruft’s hervor.
Helena
So sage denn, wie sprech’ ich auch so schön?
Faust
Das ist gar leicht, es muß vom Herzen gehn.
Und wenn die Brust von Sehnsucht überfließt,
Man sieht sich um und fragt –
Helena
Wer mit genießt.
Faust
Nun schaut der Geist nicht vorwärts nicht zurück,
Die Gegenwart allein –
Helena
Ist unser Glück.
Faust
Schatz ist sie, Hochgewinn, Besitz und Pfand;
Bestätigung wer gibt sie?
Helena
Meine Hand.
Chor
Wer verdächt’ es unsrer Fürstin
Gönnet sie dem Herrn der Burg
Freundliches Erzeigen.
Denn gesteht, sämmtliche sind wir
Ja Gefangene, wie schon öfter,
Seit dem schmählichen Untergang
Ilios und der ängstlich-
Labyrinthischen Kummerfahrt.
Fraun, gewöhnt an Männerliebe,
Wählerinnen sind sie nicht,
Aber Kennerinnen.
Und wie goldlockigen Hirten,
Vielleicht schwarzborstigen Faunen,
Wie es bringt die Gelegenheit,
Über die schwellenden Glieder
Vollertheilen sie gleiches Recht.
Nah und näher sitzen sie schon
An einander gelehnet,
Schulter an Schulter, Knie an Knie,
Hand in Hand wiegen sie sich
Über des Throns
Aufgepolsterter Herrlichkeit.
Nicht versagt sich die Majestät
Heimlicher Freuden
Vor den Augen des Volkes
Übermüthiges Offenbarseyn.
Helena
Ich fühle mich so fern und doch so nah
Und sage nur zu gern: da bin ich! da!
Faust
Ich athme kaum, mir zittert, stockt das Wort,
Es ist ein Traum, verschwunden Tag und Ort.
Helena
Ich scheine mir verlebt und doch so neu,
In dich verwebt, dem Unbekannten treu.
Faust
Durchgrüble nicht das einzigste Geschick
Daseyn ist Pflicht und wär’s ein Augenblick.
Phorkyas
heftig
eintretend
Buchstabirt in Liebes-Fibeln,
Tändelnd grübelt nur am Liebeln,
Müßig liebelt fort im Grübeln,
Doch dazu ist keine Zeit.
Fühlt ihr nicht ein dumpfes Wettern?
Hört nur die Trompete schmettern,
Das Verderben ist nicht weit.
Menelas mit Volkes-Wogen
Kommt auf euch herangezogen;
Rüstet euch zu herbem Streit!
Von der Sieger-Schaar umwimmelt,
Wie Deiphobus verstümmelt
Büßest du das Fraun-Geleit.
Bammelt erst die leichte Waare,
Dieser gleich ist am Altare
Neugeschliffnes Beil bereit.
Faust
Verwegne Störung! widerwärtig dringt sie ein,
Auch nicht in Gefahren mag ich sinnlos Ungestüm.
Den schönsten Boten Unglücksbotschaft häßlicht ihn;
Du Häßlichste gar nur schlimme Botschaft bringst du
gern.
Doch dießmal soll dir’s nicht gerathen, leeres Hauchs
Erschüttere du die Lüfte. Hier ist nicht Gefahr,
Und selbst Gefahr erschiene nur als eitles Dräun.
Signale, Explosionen von den
Thürmen, Trompeten und Zinken, kriegerische Musik, Durchmarsch
gewaltiger Heereskraft
Faust
Nein gleich sollst du versammelt schauen
Der Helden ungetrennten Kreis:
Nur der verdient die Gunst der Frauen,
Der kräftigst sie zu schützen weiß.
Zu den Heerführern, die
sich von den Colonnen absondern und herantreten:
Mit angehaltnem stillen Wüthen,
Das euch gewiß den Sieg verschafft,
Ihr Nordens jugendliche Blüthen,
Ihr Ostens blumenreiche Kraft.
In Stahl gehüllt, vom Strahl umwittert,
Die Schaar die Reich um Reich zerbrach,
Sie treten auf, die Erde schüttert,
Sie schreiten fort, es donnert nach.
An Pylos traten wir zu Lande,
Der alte Nestor ist nicht mehr,
Und alle kleine Königsbande
Zersprengt das ungebundne Heer.
Drängt ungesäumt von diesen Mauern
Jetzt Menelas dem Meer zurück;
Dort irren mag er, rauben, lauern,
Ihm war es Neigung und Geschick.
Herzoge soll ich euch begrüßen
Gebietet Sparta’s Königin,
Nun legt ihr Berg und Thal zu Füßen,
Und euer sey des Reichs Gewinn.
Germane du! Corinthus Buchten
Vertheidige mit Wall und Schutz,
Achaia dann mit hundert Schluchten,
Empfehl’ ich Gothe deinem Trutz.
Nach Elis ziehn der Franken Heere,
Messene sey der Sachsen Loos,
Normanne reinige die Meere
Und Argolis erschaff er groß.
Dann wird ein jeder häuslich wohnen,
Nach außen richten Kraft und Blitz;
Doch Sparta soll euch überthronen
Der Königin verjährter Sitz.
All-Einzeln sieht sie euch genießen
Des Landes dem kein Wohl gebricht;
Ihr sucht getrost zu ihren Füßen
Bestätigung und Recht und Licht.
Faust steigt herab, die Fürsten
schließen einen Kreis um ihn, Befehl und Anordnung näher zu
vernehmen.
Chor
Wer die Schönste für sich begehrt,
Tüchtig vor allen Dingen
Seh er nach Waffen weise sich um;
Schmeichelnd wohl gewann er sich
Was auf Erden das Höchste;
Aber ruhig besitzt er’s nicht:
Schleicher listig entschmeicheln sie ihm,
Räuber kühnlich entreißen sie ihm,
Dieses zu hinderen sey er bedacht.
Unsern Fürsten lob’ ich drum,
Schätz’ ihn höher vor andern,
Wie er so tapfer klug sich verband
Daß die Starken gehorchend stehn
Jedes Winkes gewärtig.
Seinen Befehl vollziehn sie treu,
Jeder sich selbst zu eignem Nutz
Wie dem Herrscher zu lohnendem Dank,
Beiden zu höchlichem Ruhmes-Gewinn.
Denn wer entreißet sie jetzt
Dem gewalt’gen Besitzer?
Ihm gehört sie, ihm sey sie gegönnt,
Doppelt von uns gegönnt, die er
Sammt ihr zugleich innen mit sicherster Mauer
Außen mit mächtigstem Heer umgab.
Faust
Die Gaben, diesen hier verliehen –
An jeglichen ein reiches Land –
Sind groß und herrlich, laß sie ziehen!
Wir halten in der Mitte Stand.
Und sie beschützen um die Wette
Rings um von Wellen angehüpft,
Nichtinsel dich, mit leichter Hügelkette
Europens letztem Bergast angeknüpft.
Das Land, vor aller Länder Sonnen
Sey ewig jedem Stamm beglückt,
Nun meiner Königin gewonnen,
Das früh an ihr hinauf geblickt.
Als, mit Eurotas Schilfgeflüster,
Sie leuchtend aus der Schale brach,
Der hohen Mutter, dem Geschwister
Das Licht der Augen überstach.
Dieß Land allein zu dir gekehret,
Entbietet seinen höchsten Flor;
Dem Erdkreis, der dir angehöret,
Dein Vaterland o! zieh es vor.
Und duldet auch auf seiner Berge
Rücken
Das Zackenhaupt der Sonne kalten Pfeil,
Läßt nun der Fels sich angegrünt erblicken,
Die Ziege nimmt genäschig kargen Theil.
Die Quelle springt, vereinigt stürzen
Bäche,
Und schon sind Schluchten, Hänge, Matten grün.
Auf hundert Hügeln unterbrochner Fläche
Siehst Wollenheerden ausgebreitet ziehn.
Vertheilt, vorsichtig abgemessen
schreitet
Gehörntes Rind hinan zum jähen Rand,
Doch Obdach ist den sämmtlichen bereitet,
Zu hundert Höhlen wölbt sich Felsenwand.
Pan schützt sie dort und Lebensnymphen
wohnen
In buschiger Klüfte feucht erfrischtem Raum,
Und, sehnsuchtsvoll nach höhern Regionen,
Erhebt sich zweighaft Baum gedrängt an Baum.
Alt- Wälder sind’s! Die Eiche starret mächtig
Und eigensinnig zackt sich Ast an Ast;
Der Ahorn mild, von süßem Safte trächtig,
Steigt rein empor und spielt mit seiner Last.
Und mütterlich im stillen
Schattenkreise
Quillt laue Milch bereit für Kind und Lamm;
Obst ist nicht weit, der Ebnen reife Speise,
Und Honig trieft vom ausgehöhlten Stamm.
Hier ist das Wohlbehagen erblich,
Die Wange heitert wie der Mund,
Ein jeder ist an seinem Platz unsterblich:
Sie sind zufrieden und gesund.
Und so entwickelt sich am reinen
Tage
Zu Vaterkraft das holde Kind.
Wir staunen drob; noch immer bleibt die Frage:
Ob’s Götter, ob es Menschen sind?
So war Apoll den Hirten zugestaltet
Daß ihm der schönsten einer glich;
Denn wo Natur im reinen Kreise waltet
Ergreifen alle Welten sich.
Neben ihr sitzend
So ist es mir, so ist es dir
gelungen,
Vergangenheit sey hinter uns gethan;
O fühle dich vom höchsten Gott entsprungen,
Der ersten Welt gehörst du einzig an.
Nicht feste Burg soll dich
umschreiben!
Noch zirkt, in ewiger Jugendkraft
Für uns, zu wonnevollem Bleiben,
Arkadien in Sparta’s Nachbarschaft.
Gelockt auf sel’gem Grund zu wohnen,
Du flüchtetest in’s heiterste Geschick!
Zur Laube wandeln sich die Thronen,
Arkadisch frei sey unser Glück!
Der Schauplatz verwandelt sich
durchaus. An eine Reihe von Felsenhöhlen lehnen sich geschloßne
Lauben. Schattiger Hain bis an die rings umgebende Felsensteile
hinan. Faust und Helena werden nicht gesehen. Der Chor liegt
schlafend vertheilt umher.
Phorkyas
Wie lange Zeit die Mädchen schlafen weiß ich nicht,
Ob sie sich träumen ließen was ich hell und klar
Vor Augen sah, ist ebenfalls mir unbekannt.
Drum weck’ ich sie. Erstaunen soll das junge Volk;
Ihr Bärtigen auch, die ihr da drunten sitzend harrt,
Glaubhafter Wunder Lösung endlich anzuschaun.
Hervor! hervor! Und schüttelt eure Locken rasch;
Schlaf aus den Augen! Blinzt nicht so, und hört mich an!
Chor
Rede nur, erzähl’ erzähle was sich Wunderlichs begeben,
Hören möchten wir am liebsten was wir gar nicht glauben können,
Denn wir haben lange Weile diese Felsen anzusehn.
Phorkyas
Kaum die Augen ausgerieben Kinder langeweilt ihr schon?
So vernehmt: in diesen Höhlen, diesen Grotten,
diesen Lauben
Schutz und Schirmung war verliehen, wie
idyllischem Liebespaare,
Unserm Herrn und unsrer Frauen.
Chor
Wie, da drinnen?
Phorkyas
Abgesondert
Von der Welt, nur mich die Eine riefen sie zu
stillem Dienste.
Hochgeehrt stand ich zur Seite, doch, wie es
Vertrauten ziemet,
Schaut’ ich um nach etwas andrem. Wendete mich hier- und
dorthin,
Suchte Wurzeln, Moos und Rinden, kundig aller Wirksamkeiten,
Und so blieben sie allein.
Chor
Thust du doch als ob da drinnen ganze
Weltenräume wären,
Wald und Wiese, Bäche, Seen, welche Mährchen spinnst du
ab!
Phorkyas
Allerdings, ihr Unerfahrnen! das sind unerforschte
Tiefen:
Saal an Sälen, Hof an Höfen, diese spürt’ ich sinnend
aus.
Doch auf einmal ein Gelächter echo’t in den Höhlen-Räumen;
Schau’ ich hin, da springt ein Knabe von der
Frauen Schoos zum Manne,
Von dem Vater zu der Mutter; das Gekose, das Getändel,
Thöriger Liebe Neckereyen, Scherzgeschrey und
Lustgejauchze
Wechselnd übertäuben mich.
Nackt ein Genius ohne Flügel, faunenartig ohne
Thierheit
Springt er auf den festen Boden, doch der Boden gegenwirkend
Schnellt ihn zu der luft’gen Höhe, und im zweyten
dritten Sprunge
Rührt er an das Hochgewölb.
Ängstlich ruft die Mutter: springe
wiederholt und nach Belieben,
Aber hüte dich zu fliegen, freier Flug ist dir
versagt.
Und so mahnt der treue Vater: in der Erde liegt
die Schnellkraft,
Die dich aufwärts treibt, berühre mit der Zehe
nur den Boden
Wie der Erdensohn Antäus bist du alsobald gestärkt.
Und so hüpft er auf die Masse dieses Felsens, von
der Kante
Zu dem andern und umher so wie ein Ball
geschlagen springt.
Doch auf einmal in der Spalte rauher
Schlucht ist er verschwunden,
Und nun scheint er uns verloren. Mutter
jammert, Vater tröstet,
Achselzuckend steh’ ich ängstlich. Doch nun wieder
welch Erscheinen!
Liegen Schätze dort verborgen? Blumenstreifige Gewande
Hat er würdig angethan.
Quasten schwanken von den Armen, Binden flattern
um den Busen,
In der Hand die goldne Leyer, völlig wie ein
kleiner Phöbus
Tritt er wohlgemuth zur Kante, zu dem Überhang; wir
staunen.
Und die Eltern vor Entzücken werfen wechselnd sich
an’s Herz.
Denn wie leuchtet’s ihm zu Haupten? Was erglänzt
ist schwer zu sagen,
Ist es Goldschmuck, ist es Flamme übermächtiger Geisteskraft.
Und so regt er sich gebärdend, sich als Knabe schon
verkündend
Künftigen Meister alles Schönen, dem die ewigen Melodieen
Durch die Glieder sich bewegen; und so werdet ihr
ihn hören,
Und so werdet ihr ihn sehn zu einzigster Bewunderung.
Chor
Nennst du ein Wunder dieß,
Creta’s Erzeugte?
Dichtend belehrendem Wort
Hast du gelauscht wohl nimmer?
Niemals noch gehört Ioniens,
Nie vernommen auch Hellas
Urväterlicher Sagen
Göttlich-heldenhaften Reichthum?
Alles was je geschieht
Heutiges Tages
Trauriger Nachklang ist’s
Herrlicher Ahnherrn-Tage;
Nicht vergleicht sich dein Erzählen
Dem was liebliche Lüge
Glaubhaftiger als Wahrheit
Von dem Sohne sang der Maja.
Diesen zierlich und kräftig doch
Kaum geborenen Säugling
Faltet in reinster Windeln Flaum
Strenget in köstlicher Wickeln Schmuck
Klatschender Wärterinnen Schaar
Unvernünftigen Wähnens.
Kräftig und zierlich aber zieht
Schon der Schalk die geschmeidigen
Doch elastischen Glieder
Lustig heraus, die purpurne
Ängstlich drückende Schale
Lassend ruhig an seiner Statt.
Gleich dem fertigen Schmetterling
Der aus starrem Puppenzwang
Flügel entfaltend behendig schlüpft
Sonne-durchstrahlten Äther kühn
Und muthwillig durchflatternd.
So auch er der behendeste,
Daß er Dieben und Schälken,
Vortheil suchenden allen auch
Ewig günstiger Dämon sey.
Dieß bethätigt er alsobald
Durch gewandteste Künste.
Schnell des Meeres Beherrscher stiehlt
Er den Trident, ja dem Ares selbst
Schlau das Schwert aus der Scheide:
Bogen und Pfeil dem Phöbus auch,
Wie dem Hephästos die Zange;
Selber Zeus, des Vaters, Blitz
Nähm’ er, schreckt’ ihn das Feuer nicht;
Doch dem Eros siegt er ob
In beinstellendem Ringerspiel.
Raubt auch Cyprien, wie sie ihm kos’t,
Noch vom Busen den Gürtel.
Ein reizendes,
reinmelodisches Saitenspiel erklingt aus der Höhle. Alle merken auf
und scheinen bald innig gerührt. Von hier an bis zur bemerkten Pause
durchaus mit vollstimmiger Musik.
Phorkyas
Höret allerliebste Klänge,
Macht euch schnell von Fabeln frei,
Eurer Götter alt Gemenge
Laßt es hin, es ist vorbei.
Niemand will euch mehr verstehen,
Fordern wir doch höhern Zoll:
Denn es muß von Herzen gehen,
Was auf Herzen wirken soll.
Sie zieht sich nach dem Felsen
zurück.
Chor
Bist du fürchterliches Wesen
Diesem Schmeichelton geneigt,
Fühlen wir, als frisch genesen,
Uns zur Thränenlust erweicht.
Laß der Sonne Glanz verschwinden,
Wenn es in der Seele tagt,
Wir im eignen Herzen finden
Was die ganze Welt versagt.
Helena, Faust, Euphorion in dem
oben beschriebenen Costüm
Euphorion
Hört ihr Kindeslieder singen,
Gleich ist’s euer eigner Scherz;
Seht ihr mich im Tacte springen,
Hüpft euch elterlich das Herz.
Helena
Liebe, menschlich zu beglücken
Nähert sie ein edles Zwey,
Doch zu göttlichem Entzücken
Bildet sie ein köstlich Drey.
Faust
Alles ist sodann gefunden:
Ich bin dein und du bist mein;
Und so stehen wir verbunden,
Dürft’ es doch nicht anders seyn!
Chor
Wohlgefallen vieler Jahre
In des Knaben mildem Schein
Sammelt sich auf diesem Paare.
O! wie rührt mich der Verein.
Euphorion
Nun laßt mich hüpfen,
Nun laßt mich springen,
Zu allen Lüften
Hinauf zu dringen
Ist mir Begierde,
Sie faßt mich schon.
Faust
Nur mäßig! mäßig!
Nicht ins Verwegne,
Daß Sturz und Unfall
Dir nicht begegne,
Zu Grund uns richte
Der theure Sohn.
Euphorion
Ich will nicht länger
Am Boden stocken;
Laßt meine Hände,
Laßt meine Locken,
Laßt meine Kleider,
Sie sind ja mein.
Helena
O denk’! o denke
Wem du gehörest!
Wie es uns kränke,
Wie du zerstörest
Das schön errungene
Mein, Dein und Sein.
Chor
Bald lös’t, ich fürchte,
Sich der Verein!
Helena und Faust
Bändige! bändige!
Eltern zu Liebe
Überlebendige
Heftige Triebe!
Ländlich im Stillen
Ziere den Plan.
Euphorion
Nur euch zu Willen
Halt’ ich mich an.
Durch den Chor sich
schlingend und ihn zum Tanze fortziehend
Leichter umschweb’ ich hie,
Muntres Geschlecht.
Ist nun die Melodie,
Ist die Bewegung recht?
Helena
Ja, das ist wohlgethan,
Führe die Schönen an
Künstlichem Reihn.
Faust
Wäre das doch vorbei!
Mich kann die Gaukeley
Gar nicht erfreun.
Euphorion und Chor
tanzend und singend
bewegen sich in verschlungenen Reihen
Wenn du der Arme Paar
Lieblich bewegest;
Im Glanz dein lockig Haar
Schüttelnd erregest,
Wenn dir der Fuß so leicht
Über die Erde schleicht,
Dort und da wieder hin
Glieder um Glied sich ziehn,
Hast du dein Ziel erreicht
Liebliches Kind;
All’ unsre Herzen sind
All’ dir geneigt.
Pause
Euphorion
Ihr seyd so viele
Leichtfüßige Rehe,
Zu neuem Spiele
Frisch aus der Nähe,
Ich bin der Jäger
Ihr seyd das Wild.
Chor
Willst du uns fangen
Sey nicht behende,
Denn wir verlangen
Doch nur am Ende
Dich zu umarmen
Du schönes Bild.
Euphorion
Nur durch die Haine!
Zu Stock und Steine!
Das leicht Errungene
Das widert mir,
Nur das Erzwungene
Ergetzt mich schier.
Helena und Faust
Welch ein Muthwill! welch ein Rasen!
Keine Mäßigung ist zu hoffen.
Klingt es doch wie Hörnerblasen
Über Thal und Wälder dröhnend,
Welch ein Unfug! welch Geschrey!
Chor
einzeln schnell
eintretend
Uns ist er vorbei gelaufen,
Mit Verachtung uns verhöhnend,
Schleppt’ er von dem ganzen Haufen
Nun die wildeste herbei.
Euphorion
ein junges Mädchen
hereintragend
Schlepp’ ich her die derbe Kleine
Zu erzwungenem Genusse.
Mir zur Wonne, mir zur Lust
Drück’ ich widerspenstige Brust,
Küss’ ich widerwärtigen Mund,
Thue Kraft und Willen kund.
Mädchen
Laß mich los! In dieser Hülle
Ist auch Geistes Muth und Kraft,
Deinem gleich ist unser Wille
Nicht so leicht hinweggerafft.
Glaubst du wohl mich im Gedränge?
Deinem Arm vertraust du viel!
Halte fest, und ich versenge
Dich den Thoren mir zum Spiel.
Sie flammt auf und
lodert in die Höhe.
Folge mir in leichte Lüfte,
Folge mir in starre Grüfte,
Hasche das verschwundne Ziel.
Euphorion
die letzten Flammen
abschüttelnd
Felsengedränge hier
Zwischen dem Waldgebüsch,
Was soll die Enge mir,
Bin ich doch jung und frisch.
Winde sie sausen ja,
Wellen sie brausen da
Hör’ ich doch beides fern,
Nah wär’ ich gern.
Er springt immer höher Fels
auf.
Helena, Faust und Chor
Wolltest du den Gemsen gleichen?
Vor dem Falle muß uns graun.
Euphorion
Immer höher muß ich steigen,
Immer weiter muß ich schaun.
Weiß ich nun wo ich bin!
Mitten der Insel drin,
Mitten in Pelops Land,
Erde- wie seeverwandt.
Chor
Magst du nicht in Berg und Wald
Friedlich verweilen,
Suchen wir alsobald
Reben in Zeilen,
Reben am Hügelrand;
Feigen und Apfelgold.
Ach in dem holden Land
Bleibe du hold.
Euphorion
Träumt ihr den Friedenstag?
Träume wer träumen mag.
Krieg ist das Losungswort
Sieg! und so klingt es fort.
Chor
Wer im Frieden
Wünschet sich Krieg zurück
Der ist geschieden
Vom Hoffnungsglück.
Euphorion
Welche dieß Land gebar
Aus Gefahr in Gefahr,
Frei, unbegrenzten Muth’s
Verschwendrisch eignen Bluts.
Den nicht zu dämpfenden
Heiligen Sinn
Alle den Kämpfenden
Bring’ es Gewinn!
Chor
Seht hinauf wie hoch gestiegen!
Und erscheint uns doch nicht klein.
Wie im Harnisch, wie zum Siegen,
Wie von Erz und Stahl der Schein.
Euphorion
Keine Welle, keine Mauern,
Jeder nur sich selbst bewußt;
Feste Burg, um auszudauern
Ist des Mannes eh’rne Brust.
Wollt ihr unerobert wohnen,
Leicht bewaffnet rasch ins Feld;
Frauen werden Amazonen
Und ein jedes Kind ein Held.
Chor
Heilige Poesie,
Himmelan steige sie,
Glänze, der schönste Stern,
Fern und so weiter fern,
Und sie erreicht uns doch
Immer, man hört sie noch,
Vernimmt sie gern.
Euphorion
Nein, nicht ein Kind bin ich erschienen,
In Waffen kommt der Jüngling an;
Gesellt zu Starken, Freien, Kühnen,
Hat er im Geiste schon gethan.
Nun fort!
Nun dort
Eröffnet sich zum Ruhm die Bahn.
Helena und Faust
Kaum in’s Leben eingerufen,
Heitrem Tag gegeben kaum,
Sehnest du von Schwindelstufen
Dich zu schmerzenvollem Raum.
Sind denn wir
Gar nichts dir?
Ist der holde Bund ein Traum?
Euphorion
Und hört ihr donnern auf dem Meere?
Dort wiederdonnern Thal um Thal,
In Staub und Wellen Heer dem Heere,
In Drang um Drang zu Schmerz und Qual.
Und der Tod
Ist Gebot,
Das versteht sich nun einmal.
Helena, Faust und Chor
Welch Entsetzen! welches Grauen!
Ist der Tod denn dir Gebot?
Euphorion
Sollt’ ich aus der Ferne schauen,
Nein! ich theile Sorg’ und Noth.
Die
Vorigen
Übermuth und Gefahr,
Tödtliches Loos.
Euphorion
Doch! – und ein Flügelpaar
Faltet sich los!
Dorthin! Ich muß! ich muß!
Gönn’t mir den Flug!
Er wirft sich in die Lüfte, die
Gewande tragen ihn einen Augenblick, sein Haupt
strahlt, ein Lichtschweif zieht nach.
Chor
Ikarus! Ikarus!
Jammer genug.
Ein schöner Jüngling stürzt
zu der Eltern Füßen, man glaubt in dem Todten eine bekannte Gestalt
zu erblicken; doch das Körperliche verschwindet sogleich, die
Aureole steigt wie ein Komet zum Himmel auf, Kleid, Mantel und Lyra
bleiben liegen.
Helena und Faust
Der Freude folgt sogleich
Grimmige Pein.
Euphorions
Stimme aus der
Tiefe
Laß mich im düstern Reich
Mutter mich nicht allein!
Pause
Chor
Trauergesang
Nicht allein! – wo du auch weilest,
Denn wir glauben dich zu kennen,
Ach! wenn du dem Tag enteilest
Wird kein Herz von dir sich trennen.
Wüßten wir doch kaum zu klagen,
Neidend singen wir dein Loos:
Dir in klar’ und trüben Tagen
Lied und Muth war schön und groß.
Ach! zum Erdenglück geboren,
Hoher Ahnen, großer Kraft,
Leider! früh dir selbst verloren,
Jugendblüthe weggerafft.
Scharfer Blick die Welt zu schauen,
Mitsinn jedem Herzensdrang,
Liebesgluth der besten Frauen
Und ein eigenster Gesang.
Doch du ranntest unaufhaltsam
Frei in’s willenlose Netz,
So entzweytest du gewaltsam
Dich mit Sitte, mit Gesetz;
Doch zuletzt das höchste Sinnen
Gab dem reinen Muth Gewicht,
Wolltest Herrliches gewinnen,
Aber es gelang dir nicht.
Wem gelingt es? – Trübe Frage,
Der das Schicksal sich vermummt,
Wenn am unglückseligsten Tage
Blutend alles Volk verstummt.
Doch erfrischet neue Lieder,
Steht nicht länger tief gebeugt;
Denn der Boden zeugt sie wieder,
Wie von je er sie gezeugt.
Völlige Pause. Die Musik hört
auf.
Helena
zu Faust
Ein altes Wort bewährt sich leider auch an mir:
Daß Glück und Schönheit dauerhaft sich nicht vereint.
Zerrissen ist des Lebens wie der Liebe Band,
Bejammernd beide, sag’ ich schmerzlich Lebewohl!
Und werfe mich noch einmal in die Arme dir.
Persephoneia nimm den Knaben auf und mich.
Sie umarmt Faust, das
Körperliche verschwindet, Kleid und Schleier bleiben ihm in den
Armen.
Phorkyas
zu Faust
Halte fest was dir von allem übrig blieb.
Das Kleid laß es nicht los. Da zupfen schon
Dämonen an den Zipfeln, möchten gern
Zur Unterwelt es reißen. Halte fest!
Die Göttin ist’s nicht mehr die du verlorst,
Doch göttlich ist’s. Bediene dich der hohen
Unschätzbar’n Gunst und hebe dich empor,
Es trägt dich über alles Gemeine rasch
Am Äther hin, so lange du dauern kannst.
Wir sehn uns wieder, weit gar weit von hier.
Helenens Gewande lösen sich in
Wolken auf, umgeben Faust, heben ihn in die Höhe und ziehen mit ihm
vorüber.
Phorkyas
nimmt Euphorions Kleid,
Mantel und Lyra von der Erde, tritt ins Proscenium, hebt die
Exuvien in die Höhe und spricht:
Noch immer glücklich aufgefunden!
Die Flamme freilich ist verschwunden
Doch ist mir um die Welt nicht leid.
Hier bleibt genug Poeten einzuweihen,
Zu stiften Gild- und Handwerksneid;
Und kann ich die Talente nicht verleihen,
Verborg’ ich wenigstens das Kleid.
Sie setzt sich im Proscenium an
eine Säule nieder.
Panthalis
Nun eilig Mädchen! Sind wir doch den Zauber los.
Der alt-thessalischen Vettel wüsten Geisteszwang;
So des Geklimpers viel verworrner Töne Rausch,
Das Ohr verwirrend, schlimmer noch den innern Sinn.
Hinab zum Hades! Eilte doch die Königin
Mit ernstem Gang hinunter. Ihrer Sohle sey
Unmittelbar getreuer Mägde Schritt gefügt.
Wir finden sie am Throne der Unerforschlichen.
Chor
Königinnen freilich überall sind sie gern;
Auch im Hades stehen sie oben an,
Stolz zu ihres Gleichen gesellt,
Mit Persephonen innigst vertraut;
Aber wir im Hintergrunde
Tiefer Asphodelos-Wiesen,
Langgestreckten Pappeln,
Unfruchtbaren Weiden zugesellt,
Welchen Zeitvertreib haben wir?
Fledermaus gleich zu piepsen,
Geflüster, unerfreulich, gespenstig.
Chorführerin
Wer keinen Namen sich erwarb, noch Edles will,
Gehört den Elementen an, so fahret hin!
Mit meiner Königin zu seyn verlangt mich heiß;
Nicht nur Verdienst, auch Treue wahrt uns die Person.
ab
Alle
Zurückgegeben sind wir dem Tageslicht,
Zwar Personen nicht mehr,
Das fühlen, das wissen wir,
Aber zum Hades kehren wir nimmer.
Ewig lebendige Natur
Macht auf uns Geister,
Wir auf sie vollgültigen Anspruch.
Ein Theil des
Chors
Wir in dieser tausend Äste Flüsterzittern,
Säuselschweben,
Reizen tändlend, locken leise, wurzelauf des
Lebens Quellen
Nach den Zweigen; bald mit Blättern, bald mit Blüthen überschwenglich
Zieren wir die Flatterhaare frei zu luftigem Gedeihn.
Fällt die Frucht, sogleich versammeln, lebenslustig
Volk und Heerden
Sich zum Greifen, sich zum Naschen, eilig kommend, emsig
drängend;
Und, wie vor den ersten Göttern, bückt sich alles um uns
her.
Ein andrer
Theil
Wir an dieser Felsenwände weithinleuchtend
glattem Spiegel
Schmiegen wir, in sanften Wellen uns
bewegend, schmeichelnd an;
Horchen, lauschen jedem Laute, Vogelsingen,
Röhrigflöten,
Sey es Pans furchtbarer Stimme, Antwort ist sogleich
bereit;
Säuselt’s, säuseln wir erwiedernd, donnert’s,
rollen unsre Donner
In erschütterndem Verdoppeln, dreyfach, zehnfach hinten nach.
Ein dritter
Theil
Schwestern! Wir bewegtern Sinnes, eilen mit den Bächen weiter;
Denn es reizen jener Ferne reichgeschmückte Hügelzüge,
Immer abwärts, immer tiefer, wässern wir,
mäandrisch wallend,
Jetzt die Wiese, dann die Matten, gleich den Garten um
das Haus.
Dort bezeichnen’s der Cypressen schlanke Wipfel,
über Landschaft,
Uferzug und Wellenspiegel, nach dem Äther steigende.
Ein vierter
Theil
Wallt ihr andern wo’s beliebet, wir umzingeln,
wir umrauschen
Den durchaus bepflanzten Hügel, wo am Stab die Rebe
grünt;
Dort zu aller Tage Stunden läßt die Leidenschaft
des Winzers
Uns des liebevollsten Fleißes zweifelhaft Gelingen
sehn.
Bald mit Hacke, bald mit Spaten, bald mit
Häufeln, Schneiden, Binden,
Betet er zu allen Göttern, fördersamst zum Sonnengott.
Bacchus kümmert sich, der Weichling, wenig um
den treuen Diener,
Ruht in Lauben, lehnt in Höhlen, faselnd mit
dem jüngsten Faun.
Was zu seiner Träumereyen halbem Rausch er je bedurfte,
Immer bleibt es ihm in Schläuchen, ihm in Krügen und
Gefäßen,
Rechts und links der kühlen Grüfte ewige Zeiten aufbewahrt.
Haben aber alle Götter, hat nun Helios vor allen,
Lüftend, feuchtend, wärmend, gluthend
Beeren-Füllhorn aufgehäuft,
Wo der stille Winzer wirkte, dort auf einmal
wird’s lebendig,
Und es rauscht in jedem Laube, raschelt um von Stock zu
Stock.
Körbe knarren, Eimer klappern, Tragebutten ächzen hin,
Alles nach der großen Kufe zu der Keltrer
kräft’gem Tanz;
Und so wird die heilige Fülle reingeborner saftiger
Beeren
Frech zertreten, schäumend, sprühend mischt sich’s
widerlich zerquetscht.
Und nun gellt ins Ohr der Cymbeln mit der
Becken Erzgetöne,
Denn es hat sich Dionysos aus Mysterien enthüllt;
Kommt hervor mit Ziegenfüßlern, schwenkend Ziegenfüßlerinnen,
Und dazwischen schreit unbändig grell Silenus
öhrig Thier.
Nichts geschont! Gespaltne Klauen treten alle
Sitte nieder,
Alle Sinne wirbeln taumlich, gräßlich übertäubt das
Ohr.
Nach der Schale tappen Trunkne, überfüllt sind Kopf und
Wänste,
Sorglich ist noch ein und andrer, doch vermehrt er
die Tumulte,
Denn um neuen Most zu bergen, leert man rasch den alten
Schlauch!
Der Vorhang fällt.
Phorkyas im Proscenium
richtet sich riesenhaft auf, tritt aber von den Cothurnen herunter,
lehnt Maske und Schleier zurück und zeigt sich als Mephistopheles,
um, in sofern es nöthig wäre, im Epilog das Stück zu
commentiren.
Vierter Act
Hochgebirg,
starke zackige Felsen-Gipfel,
eine
Wolke zieht herbey,
lehnt sich an, senkt sich
auf eine
vorstehende
Platte herab. Sie theilt sich
Faust
tritt hervor
Der Einsamkeiten tiefste schauend unter meinem Fuß,
Betret’ ich wohlbedächtig dieser Gipfel Saum,
Entlassend meiner Wolke Tragewerk, die mich sanft
An klaren Tagen über Land und Meer geführt.
Sie löst sich langsam, nicht zerstiebend, von mir ab.
Nach Osten strebt die Masse mit geballtem Zug,
Ihr strebt das Auge staunend in Bewundrung nach.
Sie theilt sich wandelnd, wogenhaft, veränderlich.
Doch will sich’s modeln. Ja! das Auge trügt mich nicht!
–
Auf sonnbeglänzten Pfühlen herrlich hingestreckt,
Zwar riesenhaft, ein göttergleiches Fraungebild,
Ich seh’s! Junonen ähnlich, Leda’n, Helenen,
Wie majestätisch lieblich mir’s im Auge schwankt.
Ach! schon verrückt sich’s! Formlos breit und
aufgethürmt,
Ruht es in Osten, fernen Eisgebirgen gleich
Und spiegelt blendend flüchtger Tage großen Sinn.
Doch mir umschwebt ein zarter lichter Nebelstreif
Noch Brust und Stirn, erheiternd, kühl und
schmeichelhaft.
Nun steigt es leicht und zaudernd hoch und höher auf,
Fügt sich zusammen. – Täuscht mich ein entzückend Bild,
Als jugenderstes, längstentbehrtes höchstes Gut?
Des tiefsten Herzens frühste Schätze quollen auf,
Aurorens Liebe, leichten
Schwung bezeichnet’s mir,
Den schnellempfundnen, ersten, kaum verstandnen Blick,
Der, festgehalten, überglänzte jeden Schatz.
Wie Seelenschönheit steigert sich die holde Form,
Löst sich nicht auf, erhebt sich in den Äther hin,
Und zieht das Beste meines Innern mit sich fort.
Ein Sieben-Meilenstiefel tappt auf
ein Anderer folgt alsbald
Mephistopheles steigt ab
Die
Stiefel schreiten eilig weiter
Mephistopheles
Das heiß ich endlich vorgeschritten!
Nun aber sag, was fällt dir ein?
Steigst ab in solcher Gräuel Mitten,
Im gräßlich gähnenden Gestein?
Ich kenn es wohl, doch nicht an dieser Stelle,
Denn eigentlich war das der Grund der Hölle.
Faust
Es fehlt dir nie an närrischen Legenden,
Fängst wieder an dergleichen auszuspenden.
Mephistopheles
ernsthaft
Als Gott der Herr – Ich
weiß auch wohl warum
–
Uns, aus der Luft, in tiefste Tiefen bannte,
Da, wo centralisch glühend, um und um,
Ein ewig Feuer flammend sich durchbrannte,
Wir fanden uns bey allzugroßer Hellung,
In sehr gedrängter unbequemer Stellung.
Die Teufel fingen sämmtlich an zu husten,
Von oben und von unten aus zu pusten;
Die Hölle schwoll von
Schwefel-Stank und Säure,
Das gab ein Gas! Das ging ins Ungeheure,
So daß gar bald der Länder flache Kruste,
So dick sie war, zerkrachend bersten mußte.
Nun haben wir’s an einem andern
Zipfel,
Was ehmals Grund war ist nun Gipfel.
Sie gründen auch hierauf die rechten Lehren
Das Unterste ins Oberste zu kehren.
Denn wir entrannen knechtisch-heißer Gruft,
Ins Übermaß der Herrschaft freyer Luft.
Ein offenbar Geheimniß wohlverwahrt
Und wird nur spät den Völkern offenbart.
(Ephes. 6.
12)
Faust
Gebirgesmasse bleibt mir edel-stumm,
Ich frage nicht woher und nicht warum?
Als die Natur sich in sich selbst gegründet,
Da hat sie rein den Erdball abgeründet.
Der Gipfel sich, der Schluchten sich erfreut,
Und Fels an Fels und Berg an Berg gereiht;
Die Hügel dann bequem hinabgebildet,
Mit sanftem Zug sie in das Thal gemildet.
Da grünts und wächst’s, und
um sich zu erfreuen
Bedarf sie nicht der tollen Strudeleyen.
Mephistopheles
Das sprecht ihr so! Das scheint euch sonnenklar.
Doch weiß es anders der zugegen war.
Ich war dabey, als noch da drunten, siedend,
Der Abgrund schwoll und strömend Flammen trug,
Als Molochs Hammer, Fels an Felsen schmiedend,
Gebirges-Trümmer in die Ferne schlug.
Noch starrt das Land von fremden Zentnermassen;
Wer giebt Erklärung solcher Schleudermacht?
Der Philosoph er weiß es nicht zu fassen,
Da liegt der Fels, man muß ihn liegen lassen,
Zu Schanden haben wir uns schon gedacht. –
Das treu-gemeine Volk allein begreift
Und läßt sich im Begriff nicht stören;
Ihm ist die Weisheit längst gereift:
Ein Wunder ist’s, der Satan kommt zu Ehren.
Mein Wandrer hinkt, an seiner Glaubenskrücke,
Zum Teufelsstein, zur Teufelsbrücke.
Faust
Es ist doch auch bemerkenswerth zu achten,
Zu sehn wie Teufel die Natur betrachten.
Mephistopheles
Was geht michs an! Natur sey wie sie sey!
’s ist Ehrenpunct! – der Teufel war dabey.
Wir sind die Leute Großes zu
erreichen;
Tummult, Gewalt und Unsinn! sieh das Zeichen! –
Doch, daß ich endlich ganz verständlich spreche,
Gefiel dir nichts an unsrer Oberfläche?
Du übersahst, in ungemeßnen Weiten,
Die Reiche der Welt und ihre Herrlichkeiten;
(Matth. 4)
Doch, ungenügsam wie du bist,
Empfandest du wohl kein Gelüst?
Faust
Und doch! ein Großes zog
mich an.
Errathe!
Mephistopheles
Das ist bald gethan.
Ich suchte mir so eine Hauptstadt aus,
Im Kerne Bürger-Nahrungs-Graus,
Krummenge Gäßchen, spitze Giebeln,
Beschränkten Markt, Kohl, Rüben, Zwiebeln;
Fleischbänke wo die Schmeißen hausen
Die fetten Braten anzuschmaußen;
Da findest du zu jeder Zeit
Gewiß Gestank und Thätigkeit.
Dann weite Plätze, breite Straßen,
Vornehmen Schein sich anzumaßen;
Und endlich, wo kein Thor beschränkt,
Vorstädte gränzenlos verlängt.
Da freut ich mich an Rollekutschen,
Am lärmigen Hin- und Wiederrutschen,
Am ewigen- Hin- und Wiederlaufen,
Zerstreuter Ameis-Wimmelhaufen.
Und, wenn ich führe, wenn ich ritte,
Erschien ich immer ihre Mitte
Von Hunderttausenden verehrt.
Faust
Das kann mich nicht zufrieden stellen!
Man freut sich daß das Volk sich mehrt,
Nach seiner Art behäglich nährt,
Sogar sich bildet sich belehrt,
Und man erzieht sich nur Rebellen.
Mephistopheles
Dann baut ich, grandios, mir selbst bewußt,
Am lustigen Ort ein Schloß zur Lust.
Wald, Hügel, Flächen, Wiesen, Feld
Zum Garten prächtig umbestellt.
Vor grünen Wänden Sammet-Matten,
Schnurwege, kunstgerechte Schatten,
Cascadensturz, durch Fels zu Fels gepaart,
Und Wasserstrahlen aller Art;
Ehrwürdig steigt es dort, doch an den Seiten,
Da zischt’s und pißts, in tausend Kleinigkeiten.
Dann aber ließ ich allerschönsten Frauen,
Vertraut-bequeme Häuslein bauen;
Verbrächte da gränzenlose Zeit
In allerliebst-geselliger Einsamkeit.
Ich sage Fraun; denn, ein für allemal,
Denk ich die Schönen im Plural.
Faust
Schlecht und modern! Sardanapal!
Mephistopheles
Erräth man wohl wornach du strebtest?
Es war gewiß erhaben kühn.
Der du dem Mond um so viel näher schwebtest,
Dich zog wohl deine Sucht dahin?
Faust
Mit nichten! Dieser Erdenkreis
Gewährt noch Raum zu großen Thaten.
Erstaunenswürdiges soll gerathen,
Ich fühle Kraft zu kühnem Fleiß.
Mephistopheles
Und also willst du Ruhm verdienen?
Man merkt’s du kommst von Heroinen.
Faust
Herrschaft gewinn ich,
Eigenthum!
Die That ist alles, nichts der Ruhm.
Mephistopheles
Doch werden sich Poeten finden,
Der Nachwelt deinen Glanz zu künden,
Durch Thorheit Thorheit zu entzünden.
Faust
Von allem ist dir nichts gewährt.
Was weißt du was der Mensch begehrt?
Dein widrig Wesen, bitter, scharf,
Was weiß es was der Mensch bedarf.
Mephistopheles
Geschehe denn nach deinem Willen!
Vertraue mir den Umfang deiner Grillen.
Faust
Mein Auge war aufs hohe Meer gezogen,
Es schwoll empor, sich in sich selbst zu thürmen.
Dann ließ es nach und schüttete die Wogen,
Des flachen Ufers Breite zu bestürmen.
Und das verdroß mich. Wie der Übermuth
Den freyen Geist, der alle Rechte schätzt,
Durch leidenschaftlich aufgeregtes Blut,
Ins Mißbehagen des Gefühls versetzt.
Ich hielt’s für Zufall, schärfte meinen Blick,
Die Woge stand und rollte dann zurück,
Entfernte sich vom stolz erreichten Ziel;
Die Stunde kommt, sie wiederholt das Spiel.
Mephistopheles
ad Spectatores
Da ist für mich nichts Neues zu erfahren,
Das kenn ich schon seit hunderttausend Jahren.
Faust
leidenschaftlich
fortfahrend
Sie schleicht heran, an aber tausend Enden
Unfruchtbar selbst Unfruchtbarkeit zu spenden,
Nun schwillt’s und wächst und rollt und überzieht
Der wüsten Strecke widerlich Gebiet.
Da herrschet Well auf Welle kraftbegeistet,
Zieht sich zurück und es ist nichts
geleistet.
Was zur Verzweiflung mich beängstigen könnte,
Zwecklose Kraft, unbändiger Elemente!
Da wagt mein Geist sich selbst zu überfliegen,
Hier möcht’ ich kämpfen, dieß möcht ich besiegen.
Und es ist möglich, fluthend wie sie sey,
An jedem Hügel schmiegt sie sich vorbey;
Sie mag sich noch so übermüthig regen,
Geringe Höhe ragt ihr stolz entgegen,
Geringe Tiefe zieht sie mächtig an.
Da faßt ich schnell im Geiste Plan auf Plan:
Erlange dir das köstliche Genießen
Das herrische Meer vom Ufer auszuschliessen,
Der feuchten Breite Gränzen zu verengen
Und, weit hinein, sie in sich selbst zu drängen.
Schon Schritt für Schritt wusst ich mirs zu erörtern;
Das ist mein Wunsch, den wage zu befördern.
Trommeln und kriegerische Musick im Rücken der
Zuschauer, aus der Ferne, von der rechten
Seite her
Mephistopheles
Wie leicht ist das! hörst du die Trommeln fern?
Faust
Schon wieder Krieg! der kluge hörts nicht gern.
Mephistopheles
Krieg oder Frieden. Klug ist das Bemühen
Zu seinem Vortheil etwas auszuziehen.
Man paßt, man merkt auf jedes günstige Nu.
Gelegenheit ist da, nun, Fauste
greife zu.
Faust
Mit solchem Räthselkram verschone mich!
Und kurz und gut, was solls? Erkläre dich.
Mephistopheles
Auf meinem Zuge blieb mir nicht verborgen
Der gute Kaiser schwebt in großen Sorgen,
Du kennst ihn ja. Als wir ihn unterhielten,
Ihm falschen Reichthum in die Hände spielten,
Da war die ganze Welt ihm feil.
Denn jung ward ihm der Thron zu Theil,
Und ihm beliebt’ es falsch
zu schliessen:
Es könne wohl zusammengehn,
Und sey recht wünschenswerth und schön,
Regieren und zugleich genießen.
Faust
Ein großer Irrthum. Wer befehlen soll,
Muß im Befehlen Seligkeit empfinden.
Ihm ist die Brust von hohem Willen voll,
Doch was er will, es darfs kein Mensch ergründen.
Was er den Treusten in das Ohr geraunt,
Es ist gethan und alle Welt erstaunt.
So wird er stets der Allerhöchste seyn,
Der Würdigste –, Genießen macht gemein.
Mephistopheles
So ist er nicht! Er selbst genoß und wie?
Indeß zerfiel das Reich in Anarchie,
Wo Groß und klein sich kreuz und queer befehdeten,
Und Brüder sich vertrieben, tödteten.
Burg gegen Burg, Stadt gegen Stadt,
Zunft gegen Adel – Fehde hat,
Der Bischoff mit Capitel und Gemeinde;
Was sich nur ansah waren Feinde.
In Kirchen Mord und Todtschlag, vor den Thoren
Ist jeder Kauf- und Wandersmann verloren.
Und allen wuchs die
Kühnheit nicht gering;
Denn leben hieß sich wehren – Nun das ging.
Faust
Es ging, es hinkte, fiel, stand wieder auf;
Dann überschlug sich’s, rollte plump zu Hauf.
Mephistopheles
Und solchen Zustand durfte niemand schelten,
Ein jeder konnte, jeder wollte gelten.
Der Kleinste selbst er galt für voll.
Doch war’s zuletzt den
Besten allzutoll.
Die Tüchtigen sie standen auf mit Kraft
Und sagten: Herr ist der uns Ruhe schafft.
Der Kaiser kanns nicht,
wills nicht – laßt uns wählen,
Den neuen Kaiser neu das Reich beseelen,
Indem er jeden sicher stellt,
In einer frisch geschaffnen Welt
Fried’ und Gerechtigkeit vermählen.
Faust
Das klingt sehr pfäffisch.
Mephistopheles
Pfaffen warens
auch,
Sie sicherten den wohlgenährten Bauch.
Sie waren mehr als andere betheiligt.
Der Aufruhr schwoll, der Aufruhr ward geheiligt;
Und unser Kaiser, den wir
froh gemacht,
Zieht sich hieher, vielleicht zur letzten Schlacht.
Faust
Er jammert mich, er war so gut und offen.
Mephistopheles
Komm, sehn wir zu, der Lebende soll hoffen.
Befreyn wir ihn aus diesem engen Thale!
Einmal gerettet ist’s für tausendmale.
Wer weiß wie noch die Würfel fallen?
Und hat er Glück so hat er auch Vasallen.
sie steigen über das Mittelgebirg herüber und beschauen
die Anordnung des Heeres im Thal. Trommeln und Kriegsmusick schallt von
unten auf.
Mephistopheles
Die Stellung, seh ich, gut ist sie genommen,
Wir treten zu, dann ist der Sieg vollkommen.
Faust
Was kann da zu erwarten seyn?
Trug! Zauberblendwerk! Hohler Schein.
Mephistopheles
Kriegslist um Schlachten zu gewinnen!
Befestige dich bey großen
Sinnen,
Indem du deinen Zweck bedenkst.
Erhalten wir dem Kaiser Thron und Lande,
So kniest du nieder und empfängst
Die Lehn von gränzenlosem Strande.
Faust
Schon manches hast du durchgemacht,
Nun, so gewinn’ auch eine Schlacht.
Mephistopheles
Nein, du gewinnst sie! diesmal
Bist du der Obergeneral.
Faust
Das wäre mir die rechte Höhe
Da zu befehlen wo ich nichts verstehe.
Mephistopheles
Laß du den Generalstab sorgen
Und der Feldmarschall ist geborgen.
Kriegsunrath hab ich längst verspürt,
Den Kriegsrath gleich voraus formirt,
Aus Urgebirgs Urmenschenkraft;
Wohl dem der sie zusammenrafft.
Faust
Was seh ich dort was Waffen trägt?
Hast du das Bergvolk aufgeregt?
Mephistopheles
Nein! aber, gleich Herrn Peter Squenz,
Vom ganzen Prass die Quintessenz.
Die drey Gewaltigen treten auf
Sam. II. 23. 8.
Mephistopheles
Da kommen meine Bursche ja!
Du siehst, von sehr verschiedenen Jahren,
Verschiednem Kleid und Rüstung sind sie da,
Du wirst nicht schlecht mit ihnen fahren.
Ad Spectatores
Es liebt sich jetzt ein jedes Kind
Den Harnisch und den Ritterkragen;
Und, allegorisch wie die Lumpe sind,
Sie
werden nur um desto mehr behagen.
Raufebold
jung, leicht bewaffnet, bunt
gekleidet
Wenn einer mir ins Auge sieht
Werd ich ihm mit der Faust gleich in die Fresse fahren,
Und eine Memme wenn sie flieht
Faß ich bey ihren letzten Haaren.
Habebald
männlich, wohl bewaffnet, reich gekleidet
So leere Händel das sind Possen,
Damit verdirbt man seinen Tag;
Im Nehmen sey nur unverdrossen,
Nach allem andern frag hernach.
Haltefest
bejahrt, stark bewaffnet, ohne Gewand
Damit ist auch nicht viel gewonnen,
Bald ist ein großes Gut zerronnen,
Es rauscht im Lebensstrom hinab.
Zwar nehmen ist recht gut doch besser ists behalten;
Laß du den grauen Kerl nur walten
Und niemand nimmt dir etwas ab.
sie steigen allzusammen tiefer.
Auf dem Vorgebirg
Trommeln und kriegerische Musick von
unten
Des Kaisers Zelt wird aufgeschlagen
Kaiser. Obergeneral.
Trabanten
Obergeneral
Noch immer scheint der Vorsatz wohl erwogen
Daß wir, in dieß gelegene Thal,
Das ganze Heer gedrängt zurückgezogen,
Ich hoffe fest uns glückt die Wahl.
Kaiser
Wie es nun geht, es muß sich zeigen;
Doch mich verdrießt die halbe Flucht, das Weichen.
Obergeneral
Schau hier, mein Fürst, auf unsre rechte Flanke.
Solch ein Terrain wünscht sich der Kriegsgedanke;
Nicht steil die Hügel, doch nicht allzu gänglich,
Den Unsern vortheilhaft, dem Feind verfänglich.
Wir, halb versteckt, auf wellenförmigem Plan;
Die Reiterey sie wagt sich nicht heran.
Kaiser
Mir bleibt nichts übrig als zu loben;
Hier kann sich Arm und Brust erproben.
Obergeneral
Hier, auf der Mittelwiese flachen Räumlichkeiten,
Siehst du den Phalanx, wohlgemuth zu streiten.
Die Piken blinken flimmernd in der Luft,
Im Sonnenglanz, durch Morgennebelduft.
Wie dunkel wogt das mächtige Quadrat!
Zu Tausenden glühts hier auf große That.
Du kannst daran der Masse Kraft erkennen,
Ich trau ihr zu der Feinde Kraft zu trennen.
Kaiser
Den schönen Blick hab’ ich zum ersten Mal.
Ein solches Heer gilt für die Doppelzahl.
Obergeneral
Von unsrer Linken hab ich nichts zu melden,
Den starren Fels besetzen wackere Helden.
Das Steingeklipp, das jetzt
von Waffen blitzt,
Den wichtigen Paß der engen Klause schützt.
Ich ahne schon hier scheitern Feindeskräfte
Unvorgesehn im blutigen Geschäfte.
Kaiser
Dort ziehn sie her die falschen Anverwandten,
Wie sie mich Oheim, Vetter, Bruder nannten,
Sich immer mehr und wieder mehr erlaubten,
Dem Scepter Kraft, dem Thron Verehrung raubten;
Dann, unter sich entzweyt, das Reich verheerten,
Und nun gesammt sich gegen mich empörten.
Die Menge schwankt im ungewissen Geist,
Dann strömt sie nach wohin der Strom sie reißt.
Obergeneral
Ein treuer Mann, auf Kundschaft ausgeschickt,
Kommt eilig Felsenab; seys
ihm geglückt!
Erster Kundschafter
Glücklich ist sie uns gelungen,
Listig, muthig unsre Kunst,
Daß wir hin und her gedrungen;
Doch wir bringen wenig Gunst.
Viele schwören reine Huldigung
Dir, wie manche treue Schaar,
Doch
Unthätigkeits-Entschuldigung:
Innere Gährung, Volksgefahr.
Kaiser
Sich selbst erhalten bleibt der Selbstsucht Lehre,
Nicht Dankbarkeit und Neigung,
Pflicht
und Ehre.
Bedenkt ihr nicht, wenn eure Rechnung voll,
Daß Nachbars Hausbrand Euch verzehren soll.
Obergeneral
Der Zweyte kommt, nur langsam steigt er nieder,
Dem müden Manne zittern alle Glieder.
Zweyter Kundschafter
Erst gewahrten wir vergnüglich
Wilden Wesens irren Lauf;
Unerwartet, unverzüglich
Trat ein neuer Kaiser auf.
Und auf vorgeschriebenen Bahnen
Zieht die Menge durch die Flur;
Den entrollten Lügenfahnen
Folgen alle. – Schafsnatur!
Kaiser
Ein Gegenkaiser kommt mir zum Gewinn,
Nun fühl ich erst daß Ich der Kaiser bin.
Nur als Soldat legt ich den Harnisch an,
Zu höherem Zweck ist er nun umgethan.
Bey jedem Fest, wenns noch so glänzend war,
Nichts ward vermißt,
mir fehlte die Gefahr.
Wie ihr auch seyd zum Ringspiel riethet ihr,
Mir schlug das Herz ich athmete Turnier.
Und hattet ihr mir nicht vom Kriegen abgerathen,
Jetzt glänzt’ ich schon in lichten
Heldenthaten.
Selbstständig fühlt ich meine Brust
besiegelt,
Als ich mich dort im Feuerreich bespiegelt,
Das Element drang gräßlich auf mich los,
Es war nur Schein, allein der Schein war
groß.
Von Sieg und Ruhm hab ich verwirrt geträumt,
Ich bringe nach was frevelhaft versäumt.
die Herolde werden abgefertigt zu Herausforderung des
Gegenkaisers.
Faust, geharnischt mit halbgeschloßnem
Helme, die drey Gewaltigen, gerüstet und gekleidet wie
oben
Faust
Wir treten auf, und hoffen ungescholten;
Auch ohne Noth hat Vorsicht wohl gegolten.
Du weist das Bergvolk denkt und simulirt,
Ist in Natur- und Felsenschrift studirt.
Die Geister, längst dem
flachen Land entzogen,
Sind mehr als sonst dem Felsgebirg gewogen.
Sie wirken still durch
labyrinthische Klüfte,
Im edlen Gas, metallisch reicher Düfte;
In stetem Sondern, Prüfen und Verbinden,
Ihr einziger Trieb ist Neues zu erfinden.
Mit leisem Finger geistiger Gewalten,
Erbauen sie durchsichtige Gestalten;
Dann im Krystall und seiner ewigen Schweigniß
Erblicken sie der Oberwelt Ereigniß.
Kaiser
Vernommen hab ich’s und ich glaube dir;
Doch, wackrer Mann, sag an: was soll das hier.
Faust
Der Negromant von Norcia, der Sabiner,
Ist dein getreuer ehrenhafter Diener.
Welch gräulich Schicksal droht’ ihm ungeheuer,
Das Reißig prasselte, schon züngelte das Feuer;
Die trocknen Scheite, rings umher verschränkt,
Mit Pech und Schwefelruthen untermengt;
Nicht Mensch, noch Gott,
noch Teufel konnte retten,
Die Majestät zersprengte glühende Ketten.
Dort war’s in Rom. Er bleibt dir hoch verpflichtet,
Auf deinen Gang in Sorge stets gerichtet.
Von jener Stund’ an ganz vergaß er sich,
Er fragt den Stern, die Tiefe nur für dich.
Er trug uns auf, als eiligstes Geschäfte,
Bey dir zu stehn. Groß sind des Berges Krafte;
Da wirkt Natur so übermächtig frey,
Der Pfaffen Stumpfsinn schilt es Zauberey.
Kaiser
Am Freudentag wenn wir die Gäste grüssen,
Die heiter kommen
heiter
zu
genießen,
Da freut uns jeder wie er schiebt und drängt,
Und, Mann für Mann, der Säle Raum verengt.
Doch höchst willkommen muß der Biedre seyn,
Tritt er als Beystand kräftig zu uns ein,
Zur Morgenstunde, die bedenklich waltet,
Weil über ihr des Schicksals Wage schaltet.
Doch lenket hier, im hohen Augenblick,
Die starke Hand vom willigen Schwerdt zurück
Ehrt den Moment, wo manche tausend schreiten,
Für oder wider mich, zu streiten.
Selbst ist der Mann! Wer Thron und Kron begehrt
Persönlich sey er solcher Ehren werth.
Sey das Gespenst, das gegen uns erstanden
Sich Kaiser nennt und Herr von unsern Landen,
Des Heeres Herzog, Lehnsherr unsrer Großen,
Mit eigner Faust in’s Todtenreich gestoßen.
Faust
Wie es auch sey das Große zu vollenden,
Du thust nicht wohl dein Haupt so zu verpfänden.
Ist nicht der Helm mit Kamm und Busch geschmückt,
Er schützt das Haupt das unsern Muth entzückt.
Was, ohne Haupt, was
förderten die Glieder?
Denn schläfert jenes, alle sinken nieder;
Wird es verletzt, gleich alle sind verwundet,
Erstehen frisch, wenn jenes rasch gesundet.
Schnell weiß der Arm sein starkes Recht zu nützen,
Er hebt den Schild den Schädel zu beschützen,
Das Schwerdt gewahret seiner Pflicht sogleich,
Lenkt kräftig ab und wiederholt den Streich;
Der tüchtige Fuß nimmt Theil an ihrem Glück,
Setzt dem Erschlagenen frisch sich ins Genick.
Kaiser
Das ist mein Zorn, so möcht ich ihn behandeln,
Das stolze Haupt in Schemeltritt verwandeln.
Herolde
kommen zurück
Wenig Ehre wenig Geltung
Haben wir daselbst genossen,
Unsrer kräftig edlen Meldung
Lachten sie als schaaler Possen:
„Euer Kaiser ist verschollen,
Echo dort im engen Thal;
Wenn wir sein gedenken sollen,
Mährchen sagt: – Es war einmal.“
Faust
Dem Wunsch gemäß der Besten ists geschehn,
Die, fest und treu, an deiner Seite stehn.
Dort naht der Feind, die deinen harren brünstig,
Befiehl den Angriff, der
Moment ist günstig.
Kaiser
Auf das Commando leist ich hier Verzicht.
zum Oberfeldherrn
In deinen Händen, Fürst,
sey deine Pflicht.
Obergeneral
So trete denn der rechte Flügel an!
Des Feindes Linke, eben jetzt im Steigen,
Soll, eh sie noch den letzten Schritt gethan,
Der Jugendkraft geprüfter Treue weichen.
Faust
Erlaube denn daß dieser muntre Held
Sich ungesäumt in deine Reihen stellt,
Sich deinen Reihen innigst einverleibt,
Und, so gesellt, sein kräftig Wesen treibt.
er deutet zur Rechten.
Raufebold
tritt vor
Wer das Gesicht mir zeigt der kehrts nicht ab
Als mit zerschlagnen Unter-
und Oberbacken,
Wer mir den Rücken kehrt, gleich liegt ihm schlapp
Hals, Kopf und Schopf hinschlotternd graß im Nacken.
Und schlagen deine Männer dann
Mit Schwerd und Kolben wie ich wüthe,
So stürzt der Feind, Mann über Mann,
Ersäuft im eigenen
Geblüte.
ab
Oberfeldherr
Der Phalanx unsrer Mitte folge sacht,
Dem Feind begegn’ er, klug mit aller Macht,
Ein wenig rechts, dort hat bereits, erbittert,
Der unseren Streitkraft ihren Plan erschüttert.
Faust
auf den Mittelsten deutend
So folge denn auch dieser deinem Wort.
Habebald
Tritt hervor
Dem Heldenmuth der Kaiserschaaren
Soll sich der Durst nach Beute paaren;
Und allen sey das Ziel gestellt:
Des Gegenkaisers reiches Zelt.
Er prahlt nicht lang auf seinem Sitze,
Ich ordne mich dem Phalanx an die Spitze.
Eilebeute
Markedenterin, sich an ihn
anschmiegend
Bin ich auch ihm nicht angeweibt,
Er mir der liebste Buhle bleibt.
Für uns ist solch ein Herbst gereift!
Die Frau ist grimmig wenn sie greift,
Ist ohne Schonung wenn sie raubt;
Im Sieg voran! und alles ist erlaubt.
beyde ab
Oberfeldherr
Auf unsre Linke, wie vorauszusehn,
Stürzt ihre Rechte, kräftig. Widerstehn
Wird, Mann für Mann, dem wüthenden Beginnen
Den engen Paß des Felswegs zu gewinnen.
Faust
winkt nach der Linken
So bitte Herr auch diesen zu bemerken,
Es schadet nichts wenn Starke sich verstärken.
Haltefest
tritt vor
Dem linken Flügel keine Sorgen!
Da wo ich bin ist der Besitz geborgen,
In ihm bewähret sich der Alte,
Kein Strahlblitz spaltet was ich halte.
ab
Mephistopheles
von oben herunterkommend
Nun schauet wie im
Hintergrunde,
Aus jedem zackigen Felsenschlunde,
Bewaffnete hervor sich drängen,
Die schmalen Pfade zu verengen.
Mit Helm und Harnisch, Schwerdtern, Schilden,
In unserm Rücken eine Mauer bilden,
Den Wink erwartend zuzuschlagen.
leise zu den Wissenden
Woher das kommt müsst ihr nicht fragen.
Ich habe freylich nicht gesäumt
Die Waffensäle ringsum aufgeräumt;
Da standen sie zu Fuß zu Pferde,
Als wären sie noch Herrn der Erde,
Sonst waren’s Ritter, König, Kaiser,
Jetzt sind es nichts als leere Schneckenhäuser.
Gar manch Gespenst hat sich darein geputzt,
Das Mittelalter lebhaft aufgestutzt.
Welch Teufelchen auch drinne steckt,
Für diesmal macht es doch Effect.
laut
Hört wie sie sich voraus erbosen,
Blechklappernd aneinander stoßen!
Auch flattern Fahnenfetzen bey Standarten,
Die frischer Lüftchen ungeduldig harrten.
Bedenkt, hier ist ein altes
Volk bereit
Und mischte gern sich auch zum neuen Streit.
furchtbarer Posauenschall von oben, im feindlichen Heere merkliche Schwankung
Faust
Der Horizont hat sich verdunkelt,
Nur hie und da bedeutend funkelt
Ein rother ahnungsvoller Schein;
Schon blutig blinken die Gewehre,
Der Fels, der Wald, die Atmosphäre,
Der ganze Himmel mischt sich ein.
Mephistopheles
Die rechte Flanke hält sich kräftig;
Doch seh ich, ragend unter
diesen,
Hans Raufbold, den behenden Riesen,
Auf seine Weise rasch beschäftigt.
Kaiser
Erst sah ich Einen Arm erhoben,
Jetzt seh ich schon ein Dutzend toben,
Naturgemäß geschieht es nicht.
Faust
Vernahmst du nichts von Nebelstreifen
Die auf Siciliens Küsten schweifen?
Dort, schwankend klar, im Tageslicht,
Erhoben zu den Mittellüften,
Gespiegelt in besondern Düften,
Erscheint ein seltsames Gesicht.
Da schwanken Städte hin und wieder,
Da steigen Gärten auf und nieder,
Wie Bild um Bild den Äther bricht.
Kaiser
Doch wie bedenklich! Alle Spitzen
Der hohen Speere seh ich blitzen;
Auf unsrer Phalanx blanken Lanzen
Seh ich behende Flämmchen tanzen.
Das scheint mir gar zu geisterhaft.
Faust
Verzeih, o Herr, das sind die Spuren
Verschollner geistiger Naturen,
Ein Widerschein der Dioskuren,
Bey denen alle Schiffer schwuren,
Sie sammeln hier die letzte Kraft.
Kaiser
Doch sage wem sind wir verpflichtet
Daß die Natur, auf uns gerichtet,
Das Seltenste zusammenrafft?
Mephistopheles
Wem als dem Meister, jenem hohen,
Der dein Geschick im Busen trägt?
Durch deiner Feinde starkes drohen
Ist er im Tiefsten aufgeregt.
Sein Dank will dich gerettet sehen,
Und sollt er selbst daran vergehen.
Kaiser
Sie jubelten mich pomphaft umzuführen,
Ich war nun was, das wollt
ich auch probiren,
Und fands gelegen, ohne viel zu denken,
Dem weißen Barte kühle Luft zu schenken.
Dem Klerus hab ich eine Lust verdorben,
Und ihre Gunst mir freylich nicht erworben.
Nun sollt ich seit so manchen Jahren
Die Wirkung frohen Thuns erfahren
Faust
Freyherzige Wohlthat wuchert reich;
Laß deinen Blick sich aufwärts wenden!
Mich däucht Er will ein Zeichen senden,
Gieb acht, es deutet sich sogleich.
Kaiser
Ein Adler schwebt im Himmelhohen,
Ein Greif ihm nach mit wildem drohen.
Faust
Gieb acht: gar günstig scheint es mir.
Greif ist ein fabelhaftes Thier;
Wie kann er sich so weit vergessen,
Mit ächtem Adler sich zu messen?
Kaiser
Nunmehr, in weitgedehnten Kreisen;
Umziehn sie sich; – in gleichem Nu,
Sie fahren aufeinander zu
Sich Brust und Hälse zu zerreißen.
Faust
Nun mercke wie der leidige Greif,
Zerrzerrt, zerzaust nur Schaden findet,
Und, mit gesenckten Löwenschweif,
Zum Gipfelwald gestürzt, verschwindet.
Kaiser
Seys, wie gedeutet, so gethan!
Ich nehm es mit Verwundrung an.
Mephistopheles
gegen die Rechte
Dringend wiederholten Streichen
Müssen unsre Feinde weichen,
Und, mit ungewissem Fechten,
Drängen sie nach ihrer Rechten
Und verwirren so im Streite
Ihrer Hauptmacht linke Seite.
Unsers Phalanx feste Spitze
Zieht sich rechts, und
gleich dem Blitze
Fährt sie in die schwache Stelle. –
Nun, wie sturmbewegte Welle,
Sprühend, wüthen gleiche Mächte,
Wild in doppeltem Gefechte,
Herrlichers ist nichts ersonnen
Uns ist diese Schlacht gewonnen.
Kaiser:
an der linken Seite zu
Faust
Schau! Mir scheint es dort bedenklich,
Unser Posten steht verfänglich.
Keine Steine seh ich fliegen,
Niedre Felsen sind erstiegen,
Obre stehen schon verlassen.
Jetzt! – Der Feind, zu ganzen Massen
Immer näher angedrungen,
Hat vielleicht den Paß errungen.
Schlußerfolg unheiligen Strebens!
Eure Künste sind vergebens.
Pause
Mephistopheles
Da kommen meine beiden Raben,
Was mögen die für Botschaft haben?
Ich fürchte gar es geht uns schlecht.
Kaiser
Was sollen diese leidigen Vögel?
Sie richten ihre schwarzen Segel
Hierher vom heißen Felsgefecht.
Mephistopheles
zu den Raben
Setzt euch ganz nah zu meinen Ohren.
Wen ihr beschützt ist nicht verloren,
Denn euer Rath ist folgerecht.
Faust
zum Kaiser
Von Tauben hast du ja vernommen,
Die aus den fernsten Landen kommen,
Zu ihres Nestes Brut und Kost.
Hier ist’s, mit wichtigen Unterschieden;
Die Taubenpost bedient den Frieden,
Der Krieg befiehlt die Rabenpost.
Mephistopheles
Es meldet sich ein schwer Verhängniß,
Seht hin! gewahret die Bedrängniß
Um unsrer Helden Felsenrand.
Die nächsten Höhen sind erstiegen,
Und würden sie den Paß besiegen,
Wir hätten einen schweren Stand.
Kaiser
So bin ich endlich doch betrogen!
Ihr habt mich in das Netz gezogen,
Mir graut seitdem es mich umstrickt.
Mephistopheles
Nur Muth! Noch ist es nicht mißglückt.
Geduld und Pfiff zum letzten Knoten;
Gewöhnlich gehts am Ende scharf.
Ich habe meine sichern Boten,
Befehlt daß ich befehlen darf.
Obergeneral
der indeßen herangekommen
Mit diesen hast du dich vereinigt,
Mich hat’s die ganze Zeit gepeinigt,
Das Gaukeln schafft kein festes Glück.
Ich weiß nichts an der Schlacht zu wenden,
Begannen sie’s, sie mögen’s enden,
Ich gebe meinen Stab zurück.
Kaiser
Behalt ihn bis zu bessern Stunden,
Die uns vielleicht das Glück verleiht.
Mir schaudert vor dem garstigen Kunden,
Und seiner Rabentraulichkeit.
zu Mephistopheles
Den Stab kann ich dir nicht verleihen,
Du scheinst mir nicht der rechte Mann,
Befiehl, und such uns zu befreyen;
Geschehe, was geschehen kann.
ab ins Zelt mit dem Obergeneral
Mephistopheles
Mag ihn der stumpfe Stab beschützen!
Uns andern könnt er wenig nützen,
Es war so was vom Kreuz daran.
Faust
Was ist zu thun.
Mephistopheles
Es ist gethan! –
Nun schwarze Vettern, rasch im Dienen,
Zum großen Bergsee! grüßt mir die Undinen,
Und bittet sie um ihrer Fluthen Schein.
Durch Weiberkünste, schwer zu kennen,
Verstehen sie vom Seyn den Schein zu trennen,
Und jeder schwört das sey das Seyn.
Pause
Faust
Den Wasserfräulein müssen unsre Raben
Recht aus dem Grund geschmeichelt haben,
Dort fängt es schon zu rieseln an.
An mancher trocknen, kahlen Felsenstelle
Entwickelt sich die volle rasche Quelle,
Um jener Sieg ist es gethan.
Mephistopheles
Das ist ein wunderbarer Gruß,
Die kühnsten Kletterer sind
confuß.
Faust
Schon rauscht Ein Bach zu Bächen mächtig nieder,
Aus Schluchten kehren sie gedoppelt wieder,
Ein Strom nun wirft den Bogenstrahl,
Auf einmal legt er sich in flache Felsenbreite
Und rauscht und schäumt, nach der und jener Seite,
Und stufenweise wirft er sich ins Thal.
Was hilft ein tapfres heldenmäßiges Stemmen?
Die mächtige Woge strömt sie wegzuschwemmen.
Mir schaudert selbst vor solchem wilden Schwall.
Mephistopheles
Ich sehe nichts von diesen Wasserlügen,
Nur Menschen Augen lassen sich betrügen
Und mich ergötzt der wunderliche Fall.
Sie stürzen fort zu ganzen hellen Haufen,
Die Narren wähnen zu ersaufen,
Indem sie frey auf festem Lande schnaufen,
Und lächerlich mit Schwimmgebärden
laufen.
Nun ist Verwirrung überall.
die Raben sind wieder gekommen.
Ich werd euch bey dem hohen Meister loben;
Wollt ihr euch nun als Meister selbst erproben,
So eilet zu der glühenden Schmiede,
Wo das Gezwerg-Volk, nimmer müde,
Metall und Stein zu Funken schlägt.
Verlangt, weitläufig sie beschwatzend,
Ein Feuer, leuchtend, blinkend, platzend,
Wie man’s im hohen Sinne hegt.
Zwar Wetterleuchten in der weiten Ferne,
Blickschnelles Fallen allerhöchster Sterne,
Mag jede Sommernacht geschehn;
Doch Wetterleuchten in verworrnen Büschen,
Und Sterne die am feuchten Boden zischen,
Das hat man nicht so leicht gesehn.
So müßt ihr, ohn’ Euch viel
zu quälen,
Zuvörderst bitten, dann befehlen.
Raben ab. Es geschieht wie
vorgeschrieben.
Mephistopheles
Den Feinden dichte Finsternisse!
Und Tritt und Schritt in’s Ungewisse!
Irrfunken-Blick an allen Enden,
Ein Leuchten plötzlich zu verblenden.
Das alles wäre wunderschön,
Nun aber brauchts noch Schreckgetön.
Faust
Die hohlen Waffen aus der Säle Grüften,
Empfinden sich erstarkt in freyen Lüften;
Da droben klapperts, rasselts lange schon,
Ein wunderbarer falscher Ton.
Mephistopheles
Ganz recht! sie sind nicht mehr zu zügeln,
Schon schallts von ritterlichen Prügeln,
Wie in der holden alten Zeit.
Armschienen, wie der Beine schienen,
Als Guelfen und als Ghibellinen,
Erneuen rasch den ewigen Streit.
Fest, im ererbten Sinne wöhnlich,
Erweisen sie sich unversöhnlich,
Schon klingt das Tosen weit und breit.
Zuletzt, bey allen Teufelsfesten,
Wirkt der Partheyhaß doch zum Besten,
Bis in den allerletzten Grauß.
Schallt wider-widerwärtig panisch,
Mitunter grell und scharf-satanisch,
Erschreckend in das Thal hinaus.
Kriegstummult im Orchester, zuletzt übergehend in
militairisch heitre Weisen
Des Gegenkaisers Zelt, Thron,
reiche
Umgebung
Habebald, Eilebeute
Eilebeute
So sind wir doch die ersten hier!
Habebald
Kein Rabe fliegt so schnell als wir.
Eilebeute
O! welch ein Schatz liegt hier zu Hauf!
Wo fang ich an! Wo hör’ ich auf?
Habebald
Steht doch der ganze Raum so voll!
Weiß nicht wozu ich greifen soll.
Eilebeute
Der Teppich wär mir eben recht,
Mein Lager ist oft gar zu schlecht
Habebald
Hier, hängt von Stahl ein Morgenstern,
Dergleichen hätt’ ich lange gern.
Eilebeute
Den rothen Mantel goldgesäumt,
So etwas hatt’ ich mir geträumt.
Habebald
die Waffe nehmend
Damit ist es gar bald gethan,
Man schlägt ihn todt und geht voran.
Du hast soviel schon aufgepackt,
Und doch nichts rechtes eingesackt.
Den Plunder laß an seinem Ort,
Nehm’ eines dieser Kistchen fort!
Dies ist des Heers beschiedner Sold,
In seinem Bauche lauter Gold.
Eilebeute
Das hat ein mörderisch Gewicht,
Ich heb es nicht, ich trag es nicht.
Habebald
Geschwinde duck dich! Mußt dich bücken!
Ich hucke dir’s auf den starken Rücken.
Eilebeute
O Weh! O Weh nun ists vorbey!
Die Last bricht mir das Kreuz entzwey.
das Kistchen stürzt und springt auf.
Habebald
Da liegt das rothe Gold zu
Hauf,
Geschwinde zu und raff es auf.
Eilebeute
Geschwinde nur zum Schooß hinein!
Noch immer wirds zur Gnüge seyn.
Habebald
Und so genug! und eile doch!
sie steht auf.
O weh die Schürze hat ein Loch!
Wohin du gehst und wo du stehst
Verschwenderisch die Schätze säst.
Trabanten
unsres Kaisers
Was schafft ihr hier am heiligen Platz?
Was kramt ihr in den Kaiserschatz.
Habebald
Wir trugen unsre Glieder feil,
Und holen unser Beutetheil. –
In Feindes-Zelten ists der Brauch
Und wir, Soldaten sind wir auch.
Trabanten
Das passet nicht in unsern Kreis
Zugleich Soldat und Diebsgeschmeiß,
Und wer sich unserm Kaiser naht,
Der sey ein redlicher Soldat.
Habebald
Die Redlichkeit die kennt man schon.
Sie heißet: Contribution.
Ihr alle seyd auf gleichem Fuß:
Gieb her! das ist der Handwerksgruß.
zu Eilebeute
Mach fort und schleppe was du hast,
Hier sind wir nicht willkommne Gast.
ab
Erster Trabant
Sag warum gabst du nicht sogleich
Dem frechen Kerl einen Backenstreich?
Zweyter
Ich weiß nicht, mir verging die Kraft,
Sie waren so gespensterhaft.
Dritter
Mir ward es vor den Augen schlecht,
Da flimmert es, ich sah
nicht recht.
Vierter
Wie ich es nicht zu sagen weiß:
Es war den ganzen Tag so heiß,
So bänglich, so beklommen schwül,
Der eine stand der andere fiel,
Man tappte hin und schlug zugleich,
Der Gegner fiel vor jedem Streich,
Vor Augen schwebt es wie ein Flor,
Dann summts und saußts und zischt im Ohr.
Das ging so fort, nun sind wir da
Und wissen selbst nicht wie’s geschah.
Kaiser, mit Vier Fürsten treten
auf
Die Trabanten entfernen sich.
Kaiser
Es sey nun wie ihm sey! uns ist die Schlacht gewonnen,
Des Feinds zerstreute Flucht im flachen Feld zerronnen.
Hier steht der leere Thron, verrätherischer Schatz,
Von Teppichen umhüllt, verengt umher den Platz.
Wir, ehrenvoll, geschützt
von eigenen Trabanten,
Erwarten Kayserlich der Völker Abgesandten;
Von allen Seiten her kommt frohe Botschaft an:
Beruhigt sey das Reich, uns freudig zugethan.
Hat sich in unsern Kampf auch Gaukeley geflochten,
Am Ende haben wir uns nur allein gefochten.
Zufälle kommen ja dem Streitenden zu gut,
Vom Himmel fällt ein Stein, dem Feinde regnets Blut,
Aus Felsenhöhlen tönt’s
von mächtigen Wunderklängen,
Die unsre Brust erhöhn, des Feindes Brust verengen.
Der Überwundne fiel, zu stets erneutem Spott,
Der Sieger, wie er prangt, preist den gewognen
Gott.
Und alles stimmt mit ein, er braucht nicht zu befehlen,
Herr Gott dich loben wir! aus Millionen Kehlen.
Jedoch zum höchsten Preis wend’ ich den frommen Blick,
Das selten sonst geschah, zur eignen Brust
zurück.
Ein junger muntrer Fürst mag seinen Tag vergeuden,
Die Jahre lehren ihn des Augenblicks Bedeuten.
Deshalb denn ungesäumt, verbind’ ich mich sogleich
Mit euch Vier Würdigen, für Haus und Hof und Reich.
zum ersten
Dein war o Fürst! des Heers geordnet kluge Schichtung,
Sodann, im Hauptmoment, heroisch kühne Richtung;
Im Frieden wircke nun wie es die Zeit begehrt,
Erbmarschall nenn ich dich, verleihe dir das Schwerdt.
Erbmarschall
Dein treues Heer, bis jetzt im Inneren beschäftigt,
Wenns an der Gränze dich und deinen Thron bekräftigt,
Dann sey es uns vergönnt, bey Festesdrang im Saal,
Geräumiger Vaterburg, zu rüsten dir das Maal.
Blank trag ichs dir dann vor, blank halt ich dirs zur Seite,
Der höchsten Majestät zu ewigem Geleite.
Der Kaiser
zum Zweyten
Der sich, als tapfrer Mann, auch zart gefällig zeigt,
Du! Sey Erzkämmerer, der Auftrag ist nicht leicht.
Du bist der Oberste von allen Hausgesinde,
Bey deren innerm Streit ich schlechte Diener finde;
Dein Beyspiel sey fortan in Ehren aufgestellt,
Wie Man dem Herrn, dem Hof und
Allen wohlgefällt.
Erzkämmerer
Des Herren großen Sinn zu fördern bringt zu Gnaden,
Den besten hülfreich seyn, den Schlechten selbst nicht
schaden,
Dann klar seyn ohne List, und ruhig ohne Trug!
Wenn du mich, Herr, durchschaust, geschieht mir schon genug.
Darf sich die Phantasie auf jenes Fest erstrecken?
Wenn du zur Tafel gehst reich ich das goldne Becken,
Die Ringe halt ich dir, damit zur Wonnezeit
Sich deine Hand erfrischt, wie mich dein Blick erfreut.
Kaiser
Zwar fühl ich mich zu ernst, auf Festlichkeit zu
sinnen,
Doch seys! Es fördert auch frohmüthiges Beginnen.
zum Dritten
Dich wähl’ ich zum Erztruchseß! Also sey fortan
Dir Jagd, Geflügel-Hof und Vorwerk unterthan;
Der Lieblingsspeise wahl laß
mir zu allen Zeiten
Wie sie der Monat bringt und sorgsam
zubereiten.
Erztruchseß
Streng Fasten sey für mich die
angenehmste Pflicht,
Bis, vor dich hingestellt, dich freut ein Wohlgericht.
Der Küche Dienerschaft soll sich mit mir vereinigen,
Das Ferne beyzuziehn, die
Jahrszeit zu beschleunigen.
Dich reizt nicht fern und früh womit die Tafel prangt,
Einfach und kräftig ist’s wornach dein Sinn verlangt.
Kaiser
zum Vierten
Weil unausweichlich hier sich nur von Festen handelt,
So sey mir, junger Held, zum Schenken umgewandelt.
Erzschenke sorge nun daß unsre Kellerey
Aufs reichlichste versorgt mit gutem Weine sey.
Du selbst sey mäßig, laß nicht über Heiterkeiten,
Durch der Gelegenheit Verlocken, dich verleiten.
Erz Schenk
Mein Fürst, die Jugend
selbst, wenn man ihr nur vertraut,
Steht, eh man sichs versieht, zu Männern auferbaut.
Auch ich versetze mich zu jenem großem Feste;
Ein Kaiserlich Büffet schmück
ich aufs allerbeste
Mit Prachtgefäßen, gülden, silbern allzumal,
Doch wähl’ ich dir voraus den lieblichsten Pokal:
Ein blank venedisch Glas, worin Behagen lauschet,
Des Weins Geschmack sich stärkt und nimmermehr berauschet.
Auf solchen Wunderschatz vertraut man oft zu sehr,
Doch deine Mäßigkeit, du Höchster, schützt noch mehr.
Kaiser
Was ich euch zugedacht in dieser ernsten Stunde,
Vernahmt ihr mit Vertraun aus zuverlässigem Munde.
Des Kaisers Wort ist groß und sichert jede Gift,
Doch zur Bekräftigung bedarfs der edlen Schrift,
Bedarfs der Signatur. Die förmlich zu bereiten,
Seh ich den rechten Mann zu rechter Stunde schreiten.
Der Erzbischoff tritt auf
Kaiser
Wenn ein Gewölbe sich dem Schlußstein anvertraut,
Dann ist’s mit Sicherheit für ewige Zeit erbaut.
Du siehst vier Fürsten da! Wir haben erst erörtert,
Was den Bestand zunächst von Haus und Hof befördert.
Nun aber, was das Reich in seinem Ganzen hegt,
Sey, mit Gewicht und Kraft, der Fünfzahl auferlegt.
An Ländern sollen sie vor allen andern glänzen,
Deshalb erweitr’ ich gleich jetzt des Besitzthums Gränzen,
Vom Erbtheil jener die sich von uns abgewandt.
Euch Treuen sprech ich zu so manches schöne Land,
Zugleich das hohe Recht euch, nach Gelegenheiten,
Durch Anfall, Kauf und Tausch ins weitere zu verbreiten,
Dann sey bestimmt vergönnt zu üben ungestört
Was von Gerechtsamen Euch Landesherrn gehört.
Als Richter werdet ihr die Endurtheile fällen,
Berufung gelte nicht von Euern höchsten Stellen.
Dann Steuer, Zinns und Beet, Lehn und Geleit und Zoll,
Berg- Salz- und Münzregal Euch angehören soll.
Denn meine Dankbarkeit vollgültig zu erproben,
Hab ich Euch ganz zunächst der Majestät erhoben.
Erzbischoff
Im Namen aller sey dir tiefster Dank gebracht,
Du machst uns stark und fest und stärkest deine Macht.
Kaiser
Euch fünfen will ich noch erhöhtere Würde geben.
Noch leb’ ich meinem Reich und habe Lust zu
leben;
Doch hoher Ahnen Kette zieht bedächtigen Blick
Aus rascher Strebsamkeit ins drohende zurück.
Auch werd ich, seiner Zeit, mich von den Theuren trennen,
Dann sey es Eure Pflicht den Folger zu ernennen.
Gekrönt erhebt ihn hoch auf heiligen Altar,
Und friedlich ende dann was jetzt so stürmisch war.
Erzkanzler
Mit Stolz in tiefster Brust, mit Demuth an Gebärde,
Stehn Fürsten dir gebeugt, die ersten auf der Erde.
So lang das treue Blut die vollen Adern regt,
Sind wir der Körper den dein Wille leicht bewegt.
Kaiser
Und also sey, zum Schluß, was wir bisher bethätigt,
Für alle Folgezeit durch Schrift und Zug bestätigt.
Zwar habt ihr den Besitz als Herren völlig
frey,
Mit dem Beding jedoch daß er untheilbar sey.
Und wie ihr auch vermehrt was ihr von uns empfangen,
Es soll’s der ältste Sohn in gleichem Maas erlangen.
Erzkanzler
Dem Pergament alsbald vertrau ich wohlgemuth,
Zum Glück dem Reich und uns, das wichtigste Statut;
Reinschrift und Sieglung soll die Canzeley beschäftigen,
Mit heiliger Signatur wirst dus, der Herr, bekräftigen.
Kaiser
Und so entlaß ich euch, damit den großen Tag,
Gesammelt, jedermann sich überlegen mag.
Die weltlichen Fürsten entfernen
sich
Der Geistliche
bleibt und spricht
pathetisch
Der Canzler ging hinweg der Bischoff ist geblieben,
Vom ernsten Warnegeist zu deinem Ohr getrieben!
Sein väterliches Herz von Sorge bangt um dich.
Kaiser
Was hast du Bängliches zur frohen Stunde? sprich!
Erzbischoff
Mit welchem bittern Schmerz find ich, in dieser Stunde,
Dein hochgeheiligt Haupt mit Satanas im Bunde.
Zwar, wie es scheinen will, gesichert auf dem Thron,
Doch leider! Gott dem Herrn, dem Vater Pabst zum Hohn.
Wenn dieser es erfährt schnell wird er sträflich richten,
Mit heiligem Strahl dein Reich das sündige zu vernichten.
Denn noch vergaß er nicht wie du, zur höchsten Zeit,
An deinem Krönungstag den Zauberer befreyt.
Von
deinem Diadem, der Christenheit zum Schaden,
Traf das verfluchte Haupt der erste Strahl der Gnaden.
Doch schlag an deine Brust und gieb, vom frevlen Glück,
Ein mäßig Schärflein, gleich dem Heiligthum zurück.
Den breiten Hügelraum, da wo dein Zelt gestanden,
Wo böse Geister sich zu deinem Schutz verbanden,
Dem Lügenfürsten du ein horchsam Ohr geliehn,
Den stifte, fromm belehrt, zu heiligem Bemühn;
Mit Berg und dichtem Wald, so weit sie sich erstrecken,
Mit Höhen die sich grün zu steter Weide decken,
Fischreichen klaren Seen, dann Bächlein ohne Zahl,
Wie sie sich, eilig schlängelnd, stürzen ab zu Thal;
Das breite Thal dann selbst, mit Wiesen, Gauen, Gründen.
Die Reue spricht sich aus, und du wirst Gnade finden.
Kaiser
Durch meinen schweren Fehl bin ich so tief erschreckt,
Die Gränze sey von dir nach eignem Maas gesteckt.
Erzbischoff
Erst! der entweihte Raum wo man sich so versündigt,
Sey alsobald zum Dienst des Höchsten
angekündigt.
Behende steigt im Geist Gemäuer stark empor,
Der Morgensonne Blick erleuchtet schon das Chor,
Zum Kreuz erweitert sich das wachsende Gebäude,
Das Schiff erlängt, erhöht sich zu der Gläubigen Freude,
Sie strömen brünstig schon, durchs würdige Portal,
Der erste Glockenruf erscholl durch Berg und Thal,
Von hohen Thürmen tönt’s, wie sie zum Himmel streben,
Der Büßer kommt heran, zu neugeschaffnem Leben.
Dem hohen Weihetag, er trete bald herein!
Wird deine Gegenwart die höchste Zierde seyn.
Kaiser
Mag ein so großes Werk den frommen Sinn verkündigen,
Zu preisen Gott den Herrn, so wie mich zu entsündigen.
Genug! Ich fühle schon wie sich mein Sinn erhöht.
Erzbischoff
Als Canzler fördr’ ich nun Schluß und Formalität.
Kaiser
Ein förmlich Document der Kirche das zu eignen
Du legst es vor, ich wills mit Freuden unterzeichnen.
Erzbischoff
hat sich beurlaubt, kehrt aber beim
Ausgang um
Dann widmest du zugleich dem Werke, wie’s entsteht,
Gesammte Landsgefälle: Zehnten, Zinsen, Beet,
Für ewig. Viel bedarfs zu würdiger Unterhaltung,
Und schwere Kosten macht die sorgliche Verwaltung.
Zum schnellen Aufbau selbst auf solchem wüsten Platz
Reichst du uns einiges Gold, aus deinem Beuteschatz.
Daneben braucht man auch, ich kann es nicht verschweigen,
Entferntes Holz und Kalk und Schiefer und dergleichen.
Die Fuhren thut das Volk, vom Predigtstuhl belehrt,
Die Kirche segnet den der ihr zu Diensten fährt.
ab
Kaiser
Die Sünd’ ist groß und schwer womit ich mich beladen,
Das leidige Zaubervolk bringt mich in harten Schaden.
Erzbischoff
abermals zurückkehrend mit tiefster
Verbeugung
Verzeih o Herr! Es ward dem
sehr verrufnen Mann
Des Reiches Strand verliehn; doch diesen trifft der Bann,
Verleihst du reuig nicht der hohen Kirchenstelle,
Auch dort, den Zehnten, Zins und Gaben und Gefälle.
Kaiser
verdrießlich
Das Land ist noch nicht da, im Meere liegt es breit.
Erzbischoff
Wer’s Recht hat und Geduld für den kommt auch die Zeit.
Für uns mög Euer Wort in seinen Kräften bleiben!
Kaiser
allein
So könnt’ ich wohl zunächst das ganze Reich verschreiben.
Fünfter Akt
Offene Gegend
Wanderer
Ja! sie sinds die dunkeln Linden,
Dort, in ihres Alters
Kraft.
Und ich soll sie wieder finden,
Nach so langer Wanderschaft!
Ist es doch die alte Stelle,
Jene Hütte, die mich barg,
Als die sturmerregte Welle
Mich an jene Dünen warf!
Meine Wirthe möcht’ ich segnen,
Hülfsbereit, ein wackres
Paar,
Das, um heut mir zu begegnen
Alt schon jener Tage war.
Ach! das waren fromme Leute!
Poch ich? ruf ich? – Seyd gegrüßt!
Wenn, gastfreundlich, auch noch heute
Ihr des Wohlthuns Glück genießt.
Baucis
Mütterchen, sehr alt
Lieber Kömmling! Leise! Leise!
Ruhe! laß den Gatten ruhn!
Langer Schlaf verleiht dem Greise
Kurzen Wachens rasches Thun.
Wanderer
Sage Mutter bist dus eben,
Meinen Dank noch zu empfahn,
Was du für des Jünglings
Leben
Mit dem Gatten einst gethan?
Bist du Baucis, die,
geschäftig,
Halberstorbnen Mund erquickt?
der Gatte tritt auf
Du Philemon, der, so kräftig,
Meinen Schatz der Fluth entrückt?
Eure Flammen raschen Feuers,
Eures Glöckchens Silberlaut,
Jenes grausen Abentheuers
Lösung war Euch anvertraut.
Und nun laßt hervor mich treten,
Schaun das gränzenlose Meer;
Laßt mich knien, laßt mich beten,
Mich bedrängt die Brust so sehr.
Er schreitet vorwärts auf der Düne.
Philemon
zu Baucis
Eile nur den Tisch zu decken,
Wo’s im Gärtchen munter blüht.
Laß ihn rennen, laß ihn schrecken,
Denn er glaubt nicht was er sieht.
neben dem Wandrer stehend
Das Euch grimmig mißgehandelt,
Wog’ auf Woge, schäumend wild,
Seht als Garten ihr behandelt,
Seht ein paradiesisch Bild.
Älter, war ich nicht zu Handen,
Hülfreich nicht wie sonst bereit,
Und, wie meine Kräfte schwanden,
War auch schon die Woge weit.
Kluger Herren kühne Knechte
Gruben Gräben, dämmten ein,
Schmälerten des Meeres Rechte
Herrn an seiner Statt zu seyn.
Schaue grünend Wies’ an Wiese
Anger, Garten, Dorf und Wald. –
Komm nun aber und genieße
Denn die Sonne scheidet bald. –
Doch! im Fernsten ziehen Seegel!
Suchen nächtlich sichern Port.
Kennen doch ihr Nest die Vögel,
Denn jetzt ist der Hafen dort.
So erblickst du in der Weite
Erst des Meeres blauen Saum,
Rechts und links, in aller Breite,
Dichtgedrängt bewohnten Raum.
Am Tische zu drey, im Gärtchen
Baucis
Bleibst du stumm? und keinen Bissen
Bringst du zum verlechzten Mund?
Philemon
Möcht er doch vom Wunder wissen,
Sprichst so gerne, thu’s ihm kund.
Baucis
Wohl! ein Wunder ists gewesen!
Läßt mich heute nicht in Ruh;
Denn es ging das ganze Wesen
Nicht mit rechten Dingen zu.
Philemon
Kann der Kaiser sich versündgen
Der das Ufer ihm verliehn?
Thät’s ein Herold nicht verkündgen
Schmetternd im Vorüberziehn?
Nicht entfernt von unsern Dünen
War der erste Fuß gefaßt,
Zelte! Hütten! – doch, im Grünen,
Richtet bald sich ein Palast.
Baucis
Tags umsonst die Knechte lärmten,
Hack und Schaufel, Schlag um Schlag,
Wo die Flämmchen nächtig schwärmten
Stand ein Damm den andern Tag.
Menschenopfer mußten bluten,
Nachts erscholl des Jammers Quaal,
Meerab floßen Feuergluten;
Morgens war es ein Canal.
Gottlos ist er, ihn gelüstet
Unsre Hütte, unser Hayn;
Wie er sich als Nachbar brüstet
Soll man unterthänig seyn.
Philemon
Hat er uns doch angeboten
Schönes Gut im neuen Land!
Baucis
Traue nicht den Wasserboten,
Halt auf deiner Höhe Stand.
Philemon
Laßt uns zur Capelle treten!
Letzten Sonnenblick zu schaun.
Laßt uns läuten, knieen, beten!
Und dem alten Gott vertraun.
Pallast
weiter Ziergarten,
großer
gradgeführter Canal
Faust im höchsten Alter wandelnd,
nachdenkend
Lynceus Der Thürmer
durchs Sprachrohr
Die Sonne sinkt, die letzten Schiffe
Sie ziehen munter hafenein.
Ein großer Kahn ist im Begriffe
Auf dem Kanale hier zu seyn.
Die bunten Wimpel wehen fröhlich,
Die starren Masten stehn bereit,
In dir preist sich der Bootsmann selig,
Dich grüßt das Glück zur höchsten Zeit.
das Glöckchen läutet auf der Düne.
Faust
auffahrend
Verdammtes Läuten! Allzuschändlich
Verwundets, wie ein tückischer Schuß,
Vor Augen ist mein Reich unendlich,
Im Rücken neckt mich der Verdruß,
Erinnert mich durch neidische Laute:
Mein Hochbesitz er ist nicht rein,
Der Lindenraum, die braune Baute,
Das morsche Kirchlein ist nicht mein.
Und wünscht’ ich dort mich zu erholen,
Vor fremden Schatten schaudert mir,
Ist Dorn den Augen, Dorn den Solen,
O! wär ich weit hinweg von
hier!
Thürmer
wie oben
Wie segelt froh der bunte Kahn,
Mit frischem Abendwind heran!
Wie thürmt sich sein behender Lauf
In Kisten, Kasten, Säcken auf!
Prächtiger Kahn, reich und bunt beladen mit
Erzeugnissen fremder Weltgegenden
Mephistopheles. die drey gewaltigen Gesellen
Chorus
Da landen wir,
Da sind wir schon.
Glückan! dem Herren,
Dem Patron.
sie steigen aus, die Güter werden an’s Land
geschafft.
Mephistopheles
So haben wir uns wohl erprobt,
Vergnügt wenn der Patron es lobt.
Nur mit zwey Schiffen ging es fort,
Mit zwanzig sind wir nun im Port.
Was große Dinge wir gethan
Das sieht man unsrer Ladung an.
Das freye Meer befreyt den Geist,
Wer weis da was Besinnen heißt!
Da fördert nur ein rascher Griff,
Man fängt den Fisch, man fängt ein Schiff,
Und ist man erst der Herr zu drey
Dann hackelt man das vierte bey.
Da geht es denn dem fünften schlecht,
Man hat Gewalt, so hat man recht.
Man fragt ums Was? und nicht ums
Wie?
Ich müßte keine Schiffahrt kennen.
Krieg, Handel und Piraterie,
Dreyeinig sind sie, nicht zu trennen.
Die drey gewaltigen Gesellen
Nicht Dank und Gruß!
Nicht Gruß und Dank!
Als brächten wir
Dem Herrn Gestank.
Er macht ein
Widerlich Gesicht;
Das Königsgut
Gefällt ihm nicht.
Mephistopheles
Erwartet weiter
Keinen Lohn,
Nahmt ihr doch
Euren Theil davon.
Die Gesellen
Das ist nur für
Die Langeweil,
Wir alle for-
dern
gleichen Theil.
Mephistopheles
Erst ordnet o-
ben
Saal an Saal.
Die Kostbarkeiten
Allzumal.
Und tritt er zu
Der reichen Schau,
Berechnet er alles
Mehr genau,
Er sich gewiß
Nicht lumpen läßt
Und giebt der Flotte
Fest nach Fest.
Die bunten Vögel kommen morgen,
Für die werd’ ich zum besten sorgen.
die Ladung wird weggeschafft.
Mephistopheles
zu Faust
Mit ernster Stirn, mit düstrem Blick,
Vernimmst du dein erhaben Glück.
Die hohe Weisheit wird gekrönt,
Das Ufer ist dem Meer versöhnt,
Vom Ufer nimmt, zu rascher Bahn,
Das Meer die Schiffe willig an;
So sprich daß hier, hier
vom Pallast
Dein Arm die ganze Welt umfaßt.
Von dieser Stelle ging es aus,
Hier stand das erste Breterhaus;
Ein Gräbchen ward hinabgeritzt
Wo jetzt das Ruder emsig spritzt.
Dein hoher Sinn, der Deinen Fleiß
Erwarb des Meers, der Erde Preiß.
Von hier aus –
Faust
Das verfluchte hier!
Das eben leidig lastets mir.
Dir Vielgewandten muß ichs sagen,
Mir giebts im Herzen Stich um Stich,
Mir ists unmöglich zu ertragen!
Und wie ichs sage schäm’ ich mich.
Die Alten droben sollten weichen,
Die Linden wünscht ich mir zum Sitz,
Die wenig Bäume, nicht mein eigen,
Verderben mir den Welt-Besitz.
Dort wollt ich, weit umher zu schauen,
Von Ast zu Ast Gerüste bauen,
Dem Blick eröffnen weite Bahn,
Zu sehn was alles ich gethan,
Zu überschaun mit einem Blick
Des Menschengeistes Meisterstück,
Bethätigend, mit klugem Sinn,
Der Völker breiten Wohngewinn.
So sind am härtsten wir gequält
Im Reichthum fühlend was uns fehlt.
Des Glöckchens Klang, der Linden Duft
Umfängt mich wie in Kirch und Gruft.
Des allgewaltigen Willens Kühr
Bricht sich an diesem Sande hier.
Wie schaff ich mir es vom Gemüthe!
Das Glöcklein läutet und ich wüthe.
Mephistopheles
Natürlich! daß ein Hauptverdruß
Das Leben dir vergällen muß.
Wer läugnets! Jedem edlen Ohr
Kommt das Geklingel widrig vor.
Und das verfluchte Bim-Baum-Bimmel
Umnebelnd heitern Abendhimmel,
Mischt sich in jegliches Begebniß,
Vom ersten Bad bis zum Begräbniß,
Als wäre, zwischen Bimm und Baum,
Das Leben ein verschollner Traum.
Faust
Das Widerstehn, der Eigensinn
Verkümmern herrlichsten Gewinn,
Daß man, zu tiefer grimmiger Pein,
Ermüden muß gerecht zu seyn.
Mephistopheles
Was willst du dich denn hier geniren,
Mußt du nicht längst kolonisiren.
Faust
So geht und schafft sie mir zur Seite! –
Das schöne Gütchen kennst du ja,
Das ich den Alten ausersah.
Mephistopheles
Man trägt sie fort und setzt sie nieder,
Eh man sich umsieht stehn sie wieder;
Nach überstandener Gewalt
Versöhnt ein schöner Aufenthalt.
er pfeift gellend.
Die Drey treten auf.
Mephistopheles
Kommt! Wie der Herr gebieten läßt,
Und Morgen giebt ein Flottenfest.
Die Drey
Der alte Herr empfing uns schlecht
Ein flottes Fest ist uns zu Recht.
Mephistopheles
ad Spectatores
Auch hier geschieht was längst geschah,
Denn Naboths Weinberg war schon da.
(Regum I. 21.)
Tiefe Nacht
Lynceus, der Thürmer
auf der Schloßwarte, singend
Zum Sehen geboren,
Zum Schauen bestellt,
Dem Thurme
geschworen
Gefällt mir die Welt.
Ich blick in die Ferne,
Ich seh in der Näh,
Den Mond und die Sterne,
Den Wald und das Reh.
So seh ich in allen
Die ewige Zier
Und wie mir’s gefallen
Gefall ich auch mir.
Ihr glücklichen Augen,
Was je ihr gesehn,
Es sey wie es wolle,
Es war doch so schön!
Pause
Nicht allein mich zu ergötzen
Bin ich hier so hoch gestellt;
Welch ein gräuliches Entsetzen
Droht mir aus der finstern Welt!
Funkenblicke seh ich sprühen
Durch der Linden Doppelnacht,
Immer stärker wühlt ein Glühen
Von der Zugluft angefacht.
Ach! die innre Hütte lodert,
Die bemoost und feucht gestanden,
Schnelle Hülfe wird gefodert,
Keine Rettung ist vorhanden.
Ach! die guten alten Leute,
Sonst so sorglich um das Feuer,
Werden Sie dem Qualm zur Beute!
Welch ein schrecklich Abentheuer!
Flamme flammet, roth in Gluten
Steht das schwarze Moosgestelle;
Retteten sich nur die Guten
Aus der wildentbrandten Hölle!
Züngelnd lichte Blitze steigen
Zwischen Blättern, zwischen Zweigen;
Äste dürr, die flackernd brennen,
Glühen schnell und stürzen ein.
Sollt ihr Augen dieß erkennen!
Muß ich so weitsichtig seyn!
Das Kapellchen bricht zusammen
Von der Äste Sturz und Last.
Schlängelnd sind, mit spitzen Flammen,
Schon die Gipfel angefaßt.
Bis zur Wurzel glühn die hohlen
Stämme, Purpurroth im Glühn. –
Lange Pause, Gesang
Was sich sonst dem Blick empfohlen,
Mit Jahrhunderten ist hin.
Faust
auf dem Balkon, gegen die
Dünen
Von oben welch ein singend Wimmern?
Das Wort ist hier, der Ton zu spat,
Mein Thürmer jammert; mich, im Innern,
Verdrießt die ungeduldge That.
Doch sey der Lindenwuchs vernichtet
Zu halbverkohlter Stämme Graun,
Ein Luginsland ist bald errichtet,
Um ins Unendliche zu schaun.
Da seh ich auch die neue Wohnung,
Die jenes alte Paar umschließt,
Das, im Gefühl großmüthiger Schonung,
Der späten Tage froh genießt.
Mephistopheles
und die Dreye
unten
Da kommen wir mit vollem Trab,
Verzeiht! es ging nicht gütlich ab.
Wir klopften an, wir pochten an,
Und immer ward nicht aufgethan;
Wir rüttelten, wir pochten fort,
Da lag die morsche Thüre dort;
Wir riefen laut und drohten schwer,
Allein wir fanden kein
Gehör.
Und wie’s in solchem Fall geschicht,
Sie hörten nicht, sie wollten nicht;
Wir aber haben nicht gesäumt
Behende dir sie weggeräumt.
Das Paar hat sich nicht viel gequält
Vor Schrecken fielen sie entseelt.
Ein Fremder, der sich
dort versteckt,
Und fechten wollte, ward gestreckt.
In wilden Kampfes kurzer Zeit,
Von Kohlen, ringsumher gestreut,
Entflammte Stroh. Nun loderts frey,
Als Scheiterhaufen dieser Drey.
Faust
War’t ihr für meine
Worte taub!
Tausch wollt ich, wollte keinen Raub.
Dem unbesonnenen wilden Streich
Ihm fluch ich, theilt es unter euch.
Chorus
Das alte Wort, das Wort erschallt:
Gehorche willig der Gewalt!
Und bist du kühn, und hältst du Stich,
So wage Haus und Hof und – Dich.
ab
Faust
auf dem Balkon
Die Sterne bergen Blick und Schein,
Das Feuer sinkt und lodert klein;
Ein Schauerwindchen fächelts an,
Bringt Rauch und Dunst zu mir heran.
Geboten schnell, zu schnell gethan! –
Was schwebet Schattenhaft heran?
Mitternacht
Vier graue Weiber treten auf.
Erste
Ich heiße der Mangel.
Zweyte
Ich heiße die Schuld.
Dritte
Ich heiße die Sorge.
Vierte
Ich heiße die Noth.
Zu drey
Die Thür ist verschloßen wir können nicht ein,
Drinn wohnet ein Reicher wir mögen nicht ’nein
Mangel
Da werd ich zum Schatten
Schuld
Da werd ich zu nicht.
Noth
Man wendet von mir das verwöhnte Gesicht.
Sorge
Ihr Schwestern ihr könnt nicht und dürft nicht hinein.
Die Sorge sie schleicht sich durchs Schlüsselloch ein.
Sorge verschwindet.
Mangel
Ihr graue Geschwister entfernt euch von hier.
Schuld
Ganz nah an der Seite
verbind ich mich dir.
Noth
Ganz nah an der Ferse begleitet die Noth.
Zu drey
Es ziehen die Wolken, es schwinden die Sterne!
Dahinten, dahinten! von ferne von ferne,
Da kommt er der Bruder, da kommt er der – – – – – Tod.
Faust
im Pallast
Vier sah ich kommen, drey nur gehn,
Den Sinn der Rede konnt’ ich nicht verstehn.
Es klang so nach als hieß es – Noth
Ein düstres Reimwort folgte – Tod.
Es tönte hohl, gespensterhaft gedämpft.
Noch hab ich mich ins Freye nicht gekämpft.
Könnt ich Magie von meinem Pfad entfernen
Die Zaubersprüche ganz und gar verlernen;
Stünd ich, Natur! vor dir ein Mann allein
Da wär’s der Mühe werth ein Mensch zu seyn.
Das war ich sonst, eh ich’s im Düstern suchte,
Mit Frevelwort mich und die Welt verfluchte.
Nun ist die Luft von solchem Spuck so voll
Daß niemand weiß wie er ihn meiden soll.
Wenn auch Ein Tag uns klar vernünftig lacht
In Traumgespinnst verwickelt uns die Nacht;
Wir kehren froh von junger Flur zurück,
Ein Vogel krächzt; was krächzt er? Mißgeschick.
Von Aberglauben früh und spat umgarnt:
Es eignet sich, es zeigt sich an, es warnt.
Und so verschüchtert stehen wir allein.
Die Pforte knarrt und niemand kommt herein.
erschüttert
Ist jemand hier?
Sorge
Die Frage fordert ja!
Faust
Und du wer bist denn du?
Sorge
Bin einmal da.
Faust
Entferne dich
Sorge
Ich bin am rechten Ort.
Faust
Erst ergrimmt, dann besänftigt
für sich
Nimm dich in Acht und sprich kein Zauberwort.
Sorge
Würde mich kein Ohr vernehmen
Müßt es doch im Herzen dröhnen;
In verwandelter Gestalt
Üb’ ich grimmige Gewalt.
Auf den Pfaden, auf der Welle
Ewig ängstlicher Geselle,
Stets gefunden nie gesucht,
So geschmeichelt wie verflucht.
Hast du die Sorge nie gekannt?
Faust
Ich bin nur durch die Welt gerannt.
Ein jed’ Gelüst ergriff ich bey den Haaren,
Was nicht genügte ließ ich fahren,
Was mir entwischte lies ich ziehn.
Ich habe nur begehrt und nur vollbracht,
Und abermals gewünscht, und so mit Macht
Mein Leben durchgestürmt; erst groß und mächtig
Nun aber geht es weise, geht bedächtig.
Der Erdenkreis ist mir genug bekannt.
Nach drüben ist die Aussicht uns verrannt;
Thor! wer dorthin die Augen blinzelnd richtet,
Sich über Wolken seines gleichen dichtet;
Er stehe fest und sehe hier sich um;
Dem Tüchtigen ist diese Welt nicht stumm,
Was braucht er in die Ewigkeit zu schweifen,
Was er erkennt läßt sich ergreifen;
Er wandle so den Erdentag entlang;
Wenn Geister spuken geh er
seinen Gang,
Im Weiterschreiten find er Quaal und Glück,
Er! unbefriedigt jeden Augenblick.
Sorge
Wen ich einmal mir besitze
Dem ist alle Welt nichts nütze,
Ewiges Düstre steigt
herunter,
Sonne geht nicht auf noch unter,
Bey vollkommnen äußern Sinnen
Wohnen Finsternisse drinnen.
Und er weiß von allen Schätzen
Sich nicht in Besitz zu setzen.
Glück und Unglück wird zur Grille,
Er verhungert in der Fülle,
Sey es Wonne sey es Plage
Schiebt ers zu dem andern
Tage,
Ist der Zukunft nur gewärtig
Und so wird er niemals fertig.
Faust
Hör auf! so kommst du mir nicht bey!
Ich mag nicht solchen Unsinn hören.
Fahrhin! die schlechte Litaney
Sie könnte selbst den klügsten Mann bethören.
Sorge
Soll er gehen, soll er kommen,
Der Entschluß ist ihm genommen;
Auf gebahnten Weges-Mitte
Wankt er tastend halbe Schritte.
Er verliert sich immer tiefer,
Siehet alle Dinge schiefer,
Sich und andre lästig drückend,
Athem holend und erstickend;
Nicht erstickt und ohne Leben,
Nicht verzweiflend, nicht ergeben.
So ein unaufhaltsam Rollen
Schmerzlich Lassen, widrig Sollen,
Bald befreyen, bald erdrücken,
Halber Schlaf und schlecht Erquicken
Heftet ihn an seine Stelle
Und bereitet ihn zur Hölle.
Faust
Unselige Gespenster so behandelt ihr
Das menschliche Geschlecht zu tausendmalen;
Gleichgültige Tage selbst verwandelt ihr
In garstigen Wirrwarr netzumstrickter Quaalen.
Dämonen, weiß ich, wird man schwerlich los,
Das geistig-strenge Band ist nicht zu trennen;
Doch deine Macht, o Sorge, schleichend groß,
Ich werde sie nicht anerkennen.
Sorge
Erfahre sie, wie ich geschwind
Mich mit Verwünschung von dir wende!
Die Menschen sind im ganzen Leben blind,
Nun Fauste! werde dus am Ende.
sie haucht ihn an.
Faust
erblindet
Die Nacht scheint tiefer tief hereinzudringen
Allein im Innern leuchtet helles Licht;
Was ich gedacht ich eil es zu vollbringen;
Des Herren Wort es giebt allein Gewicht.
Vom Lager auf ihr Knechte! Mann für Mann!
Laßt glücklich schauen was ich kühn ersann.
Ergreift das Werkzeug, Schaufel rührt und Spaten,
Das Abgesteckte muß sogleich gerathen.
Auf strenges Ordnen, raschen Fleiß,
Erfolgt der allerschönste Preis;
Daß sich das größte Werk vollende
Genügt Ein Geist für tausend Hände.
Großer Vorhof des Pallasts
Fackeln
Mephistopheles
als Aufseher,
voran
Herbey herbey! herein herein!
Ihr schlotternden Lemuren,
Aus Ligamenten und Gebein
Geflickte Halbnaturen.
Lemuren
im Chor
Wir treten dir sogleich zur Hand,
Und, wie wir halb
vernommen,
Es gilt wohl gar ein weites Land
Das sollen wir bekommen.
Gespitzte Pfähle die sind da,
Die Kette lang fürs Messen;
Warum an uns der Ruf geschah
Das haben wir vergessen.
Mephistopheles
Hier gilt kein künstlerisch Bemühn;
Verfahret nur nach eignen Maaßen;
Der Längste lege längelang sich hin,
Ihr andern lüftet ringsumher den Rasen;
Wie mans für unsre Väter that,
Vertieft ein längliches Quadrat!
Aus dem Pallast ins enge Haus,
So dumm läuft es am Ende doch hinaus.
Lemuren
mit neckischen Gebärden grabend
Wie jung ich war und lebt und liebt,
Mich däucht das war wohl süße,
Wo’s fröhlich klang und lustig ging
Da rührten sich meine Füße.
Nun hat das tückische Alter mich
Mit seiner Krücke getroffen;
Ich stolpert’ über Grabes Thür,
Warum stand sie just offen!
Faust
aus dem Pallaste tretend, tastet an
den Thürpfosten
Wie das Geklirr der Spaten mich ergötzt!
Es ist die Menge, die mir fröhnet,
Die Erde mit sich selbst versöhnet,
Den Wellen ihre Gränze setzt,
Das Meer mit strengen Band umzieht.
Mephistopheles
bey Seite
Du bist doch nur für uns bemüht
Mit deinen Dämmen deinen Buhnen;
Denn du bereitest schon Neptunen,
Dem Wasserteufel, großen Schmaus.
In jeder Art seyd ihr verloren,
Die Elemente sind mit uns verschworen,
Und auf Vernichtung läufts hinaus.
Faust
Aufseher!
Mephistopheles
Hier!
Faust
Wie es auch möglich sey
Arbeiter schaffe Meng’ auf Menge,
Ermuntere durch Genuß und Strenge,
Bezahle, locke, presse bey!
Mit jedem Tage will ich Nachricht haben
Wie sich verlängt der unternommene Graben.
Mephistopheles
halblaut
Man spricht, wie man mir Nachricht gab,
Von keinem Graben, doch vom
Grab.
Faust
Ein Sumpf zieht am Gebirge hin,
Verpestet alles schon Errungene;
Den faulen Pfuel auch abzuziehn
Das Letzte wär das Höchsterrungene.
Eröffn’ ich Räume vielen Millionen,
Nicht sicher zwar, doch
thätig-frey zu wohnen.
Grün das Gefilde, fruchtbar; Mensch und Heerde
Sogleich behaglich auf der neusten Erde,
Gleich angesiedelt an des Hügels Kraft,
Den aufgewälzt kühn-emsige Völkerschaft.
Im Innern hier ein paradiesisch Land,
Da rase draußen Fluth bis auf zum Rand,
Und wie sie nascht gewaltsam einzuschießen,
Gemeindrang eilt die Lücke zu verschließen.
Ja diesem Sinne bin ich ganz ergeben,
Das ist der Weisheit letzter Schluß:
Nur der verdient sich Freyheit wie das Leben,
Der täglich sie erobern muß.
Und so verbringt, umrungen von Gefahr,
Von Kindheit, Mann und Greis sein tüchtig Jahr.
Solch ein Gewimmel möcht ich sehn,
Auf freyem Grund mit freyem Volke stehn.
Zum Augenblicke dürft’ ich sagen:
Verweile doch, du bist so schön!
Es kann die Spur von meinen Erdetagen
Nicht in Äonen untergehn. –
Im Vorgefühl von solchem hohen Glück
Genieß ich jetzt den höchsten Augenblick.
Faust sinkt zurück, die Lemuren
fassen ihn auf und legen ihn auf den Boden.
Mephistopheles
Ihn sättigt keine Lust, ihm gnügt kein Glück,
So buhlt er fort nach wechselnden Gestalten;
Den letzten, schlechten, leeren Augenblick
Der Arme wünscht ihn fest zu halten.
Der mir so kräftig widerstand,
Die Zeit wird Herr, der Greis hier liegt im Sand.
Die Uhr steht still –
Chor
Steht still! Sie
schweigt wie Mitternacht.
Der Zeiger fällt.
Mephistopheles
Er fällt, es ist vollbracht.
Chor
Es ist vorbey.
Mephistopheles
Vorbey!
ein dummes Wort.
Warum vorbey?
Vorbey und reines Nicht, vollkomnes Einerley.
Was soll uns denn das ewge Schaffen,
Geschaffenes zu nichts hinwegzuraffen?
Da ists vorbey! Was ist daran zu lesen?
Es ist so gut als wär es nicht gewesen,
Und treibt sich doch im
Kreis als wenn es wäre.
Ich liebte mir dafür das Ewig-Leere.
Grablegung
Lemur Solo
Wer hat das Haus so schlecht gebaut,
Mit Schaufeln und mit Spaten?
Lemuren Chor
Dir dumpfer Gast im hänfnen Gewand
Ists viel zu gut gerathen.
Lemur Solo
Wer hat den Saal so schlecht versorgt?
Wo blieben Tisch und Stühle?
Lemuren Chor
Es war auf kurze Zeit geborgt;
Der Gläubiger sind so viele.
Mephistopheles
Der Körper liegt und will der Geist entfliehn,
Ich zeig ihm rasch den blutgeschriebnen Titel; –
Doch leider hat man jetzt so viele Mittel
Dem Teufel Seelen zu entziehn.
Auf altem Wege stößt man an,
Auf neuem sind wir nicht empfohlen;
Sonst hätt ich es allein gethan,
Jetzt muß ich Helfershelfer holen.
Uns gehts in allen Dingen schlecht.
Herkömmliche Gewohnheit, altes Recht,
Man kann auf gar nichts mehr vertrauen.
Sonst mit dem letzten Athem fuhr sie aus,
Ich paßt ihr auf und, wie die schnellste Maus,
Schnapps! hielt ich sie in fest verschloßnen Klauen.
Nun zaudert sie und will den düstern Ort,
Des schlechten Leichnams eckles Haus nicht lassen;
Die Elemente die sich hassen,
Die treiben sie am Ende schmählich fort.
Und wenn ich Tag und Stunden mich zerplage
Wann?
wie? und wo? das ist
die leidige Frage,
Der alte Tod verlor
die rasche Kraft,
Das Ob?
sogar ist lange zweifelhaft;
Oft sah ich lüstern auf die starren Glieder;
Es war nur Schein, das rührte
das regte sich wieder
Phantastisch-flügelmännische Beschwörungs-Gebärden
Nur frisch heran! verdoppelt euren Schritt,
Ihr Herrn vom
graden, Herrn vom krummen Horne,
Vom altem Teufelsschrot und Korne
Bringt ihr zugleich den Höllenrachen mit.
Zwar hat die Hölle Rachen viele! viele!
Nach Standsgebühr und Würden schlingt sie ein;
Doch wird man auch bey diesem letzten Spiele
Ins künftige nicht so bedenklich seyn.
Der gräuliche Höllenrachen thut sich
lincks auf.
Eckzähne klaffen; dem Gewölb des Schlundes
Entquillt der Feuerstrom in Wuth,
Und in dem Siedequalm des Hintergrundes
Seh ich die Flammenstadt in ewiger Glut.
Die rothe Brandung schlägt hervor bis an die Zähne,
Verdammte, Rettung hoffend, schwimmen an;
Doch colossal zerknirscht sie die Hyäne
Und sie erneuen ängstlich heisse Bahn.
In Winkeln bleibt noch vieles zu entdecken,
So viel Erschrecklichstes im engsten Raum!
Ihr thut sehr wohl die Sünder zu erschrecken
Sie haltens doch für Lug und Trug und Traum.
Zu den Dickteufeln vom kurzen,
graden Horne
Nun wanstige Schuften mit den Feuerbacken!
Ihr glüht so recht vom Höllenschwefel feist;
Klotzartige, kurze, nie bewegte Nacken
Hier unten lauert ob’s wie Phosphor gleißt:
Das ist das Seelchen, Psyche mit den Flügeln,
Die rupft ihr aus so ists ein garstiger Wurm;
Mit meinem Stempel will ich sie besiegeln
Dann
fort mit ihr im Feuer-Wirbel-Sturm.
Paßt auf die niedern Regionen,
Ihr Schläuche, das ist eure Pflicht;
Ob’s ihr beliebte da zu wohnen,
So accurat weiß man das nicht.
Im Nabel ist sie gern zu Haus,
Nehmt es in Acht sie wischt euch dort heraus.
Zu den Dürrteufeln vom langen,
krummen Horne
Ihr Firlefanze, flügelmännische Riesen,
Greift in die Luft, versucht euch ohne Rast;
Die Arme strack, die Klauen scharf gewiesen,
Daß ihr die flatternde, die Flüchtige faßt.
Es ist ihr sicher schlecht im alten Haus
Und das Genie es will gleich obenaus.
Glorie von oben, rechts
Himmlische Heerschaar
Folget Gesandte,
Himmelsverwandte,
Gemächlichen Flugs;
Sündern vergeben,
Staub zu beleben,
Allen Naturen
Freundliche Spuren
Wirket im Schweben
Des weilenden Zugs.
Mephistopheles
Mißtöne hör ich, garstiges Geklimper,
Von oben kommts mit unwillkommnem Tag;
Es ist das bübisch-mädchenhafte Gestümper,
Wie frömmelnder Geschmack sichs lieben mag.
Ihr wißt wie wir, in tiefverruchten Stunden,
Vernichtung sannen menschlichem Geschlecht;
Das Schändlichste was wir erfunden
Ist ihrer Andacht eben recht.
Sie kommen gleisnerisch die Laffen!
So haben sie uns manchen weggeschnappt,
Bekriegen uns mit unsern eignen Waffen;
Es sind auch Teufel, doch verkappt.
Hier zu verlieren wär euch ewge Schande;
Ans Grab heran und haltet fest am Rande!
Chor der Engel
Rosen strauend
Rosen, ihr blendenden,
Balsam versendenden!
Flatternde, schwebende,
Heimlich belebende,
Zweiglein beflügelte,
Knospen entsiegelte,
Eilet zu blühn.
Frühling entsprieße,
Purpur und Grün;
Tragt Paradiese
Dem Ruhenden hin.
Mephistopheles
zu den Satanen
Was duckt und zuckt ihr?
ist das Höllenbrauch?
So haltet Stand und laßt sie streuen.
An seinen Platz ein jeder Gauch!
Sie denken wohl mit solchen Blümeleyen
Die heißen Teufel einzuschneyen;
Das schmilzt und schrumpft vor eurem Hauch.
Nun pustet Püstriche! – Genug genug!
Vor eurem Broden bleicht der ganze
Flug. –
Nicht so gewaltsam! schließet Maul und Nasen.
Fürwahr ihr habt zu stark geblasen;
Daß ihr doch nie die rechten Maaße kennt.
Das schrumpft nicht nur, es bräunt sich, dorrt, es
brennt!
Schon schwebts heran mit giftig klaren Flammen,
Stemmt euch dagegen, drängt euch fest zusammen!
Die Kraft erlischt dahin ist
aller Muth
Die Teufel wittern fremde Schmeichelglut.
Engel
Blüten die seligen,
Flammen die
fröhlichen,
Liebe verbreiten sie,
Wonne bereiten sie,
Herz wie es mag.
Worte die wahren,
Äther im klaren,
Ewigen Schaaren
Überal Tag.
Mephistopheles
O Fluch! o Schande solchen Tröpfen!
Satane stehen auf den Köpfen,
Die Plumpen schlagen Rad auf Rad
Und stürzen ärschlings in die Hölle.
Gesegn’ euch das verdiente heisse Bad!
Ich aber bleib auf meiner Stelle. –
Sich mit den schwebenden Rosen herumschlagend
Irrlichter fort! du!
leuchte noch so stark,
Du bleibst gehascht ein eckler Gallert-Quarck.
Was flatterst du? Willst du dich packen! –
Es klemmt wie Pech und Schwefel mir im Nacken.
Engel. Chor
Was euch nicht angehört
Müsset ihr meiden,
Was euch das Innre stört
Dürft ihr nicht leiden.
Dringt es gewaltig ein
Müssen wir tüchtig seyn.
Liebe nur Liebende
Führet herein.
Mephistopheles
Mir brennt der Kopf, das Herz, die Leber brennt,
Ein überteuflich Element!
Weit spitziger als Höllenfeuer. –
Drum jammert ihr so ungeheuer
Unglückliche Verliebte! die, verschmäht,
Verdrehten Halses nach der Liebsten späht.
Auch mir! Was zieht den Kopf auf jene Seite?
Bin ich mit ihr doch im geschwornem Streite?
Der Anblick war mir sonst so feindlich scharf.
Hat mich ein Fremdes durch und durch gedrungen,
Ich mag sie gerne sehn die allerliebsten Jungen;
Was hält mich ab daß ich nicht fluchen darf? –
Und wenn ich mich bethören lasse
Wer heißt denn künftighin der Thor?
Die Wetterbuben die ich hasse
Sie kommen mir doch gar zu lieblich vor. –
Ihr schönen Kinder laßt mich wissen:
Seyd ihr nicht auch von Lucifers Geschlecht?
Ihr seyd so hübsch, fürwahr ich möcht euch küssen;
Mir ists als kommt ihr eben recht.
Es ist mir so behaglich, so natürlich
Als hätt ich euch schon tausendmal gesehn,
So heimlich-kätzchenhaft begierlich;
Mit jedem Blick aufs neue schöner schön.
O nähert euch, o gönnt mir Einen Blick!
Engel
Wir kommen schon, warum weichst du zurück?
Wir nähern uns und wenn du kannst so bleib.
die Engel nehmen, umherziehend, den ganzen Raum ein.
Mephistopheles
der ins Proscenium gedrängt wird
Ihr scheltet uns verdammte Geister
Und seyd die wahren Hexenmeister;
Denn ihr verführet Mann und Weib. –
Welch ein verfluchtes Abenteuer!
Ist dies das Liebeselement?
Der ganze Körper steht in Feuer,
Ich fühle kaum daß es im Nacken brennt. –
Ihr schwanket hin und her, so senkt euch nieder,
Ein bischen weltlicher bewegt die holden Glieder;
Fürwahr der Ernst steht euch recht schön.
Doch möcht’ ich euch nur einmal lächeln sehn;
Das wäre mir ein ewiges Entzücken.
Ich meyne so wie wenn Verliebte blicken,
Ein kleiner Zug am Mund so ists gethan.
Dich langer Bursche dich mag ich am liebsten leiden,
Die Pfaffenmiene will dich gar nicht kleiden,
So sieh mich doch ein wenig lüstern an!
Auch könntet ihr anständig-nackter gehen,
Das lange Faltenhemd ist übersittlich –
Sie wenden sich – Von hinten anzusehen! –
Die Racker sind doch gar zu appetitlich.
Chor der Engel
Wendet zur Klarheit
Euch liebende Flammen!
Die sich verdammen
Heile die Wahrheit;
Daß sie vom Bösen
Froh sich erlösen,
Um in dem Allverein
Selig zu seyn.
Mephistopheles
sich faßend
Wie wird mir! – hiobsartig, Beul an Beule
Der ganze Kerl, dem’s vor sich selber graut,
Und triumphirt zugleich wenn er sich ganz durchschaut,
Wenn er auf sich und seinen Stamm vertraut;
Gerettet sind die edlen Teufelstheile,
Der Liebespuck er wirft sich auf die Haut;
Schon ausgebrannt sind die verruchten Flammen,
Und, wie es sich
gehört, fluch ich euch
allzusammen.
Chor der Engel
Heilige Gluten!
Wen sie umschweben
Fühlt sich im Leben
Selig mit Guten.
Alle vereinigt
Hebt euch und preißt,
Luft ist gereinigt
Athme der Geist.
Sie erheben
sich, Faustens Unsterbliches
entführend.
Mephistopheles
sich umsehend
Doch wie? – wo sind sie hingezogen?
Unmündiges Volk du hast mich überrascht,
Sind mit der Beute himmelwärts entflogen;
Drum haben sie an dieser Gruft genascht!
Mir ist ein großer einziger Schatz entwendet,
Die hohe Seele die
sich mir verpfändet
Die haben sie mir pfiffig weggepascht.
Bey wem soll ich mich nun beklagen?
Wer schafft mir mein erworbenes Recht?
Du bist getäuscht in deinen alten Tagen,
Du hasts verdient, es geht dir grimmig schlecht.
Ich habe schimpflich mißgehandelt,
Der Aufwand,
schmählich! ist verthan,
Gemein Gelüst, absurde Liebschaft wandelt
Den ausgepichten Teufel an.
Und hat mit diesem kindisch-tollen Ding
Der Klugerfahrne sich beschäftigt,
So ist fürwahr die Thorheit nicht gering
Die seiner sich am Schluß bemächtigt.
Bergschluchten, Wald, Fels,
Einöde
Heilige Anachoreten Gebirg auf vertheilt, gelagert zwischen Klüften
Chor und Echo
Waldung, sie schwanckt heran,
Felsen, sie lasten dran,
Wurzeln, sie klammern
an,
Stamm dicht am Stamm hinan.
Woge nach Woge spritzt,
Höhle die tiefste schützt.
Löwen sie schleichen stumm-
Freundlich um uns herum,
Ehren geweihten Ort
Heiligen Liebeshort.
Pater extaticus
auf und abschweifend
Ewiger Wonnebrand,
Glühendes Liebeband,
Siedender Schmerz der Brust,
Schäumende Gottes-Lust.
Pfeile durchdringet mich,
Lanzen bezwinget mich,
Keulen zerschmettert mich,
Blitze durchwettert mich;
Daß ja das Nichtige
Alles verflüchtige,
Glänze der Dauerstern
Ewiger Liebe Kern.
Pater profundus
Tiefe Region
Wie Felsenabgrund mir zu Füßen
Auf tieferm Abgrund lastend ruht,
Wie tausend Bäche strahlend fließen
Zum grausen Sturz des Schaums der Flut,
Wie strack, mit eignem kräftigen Triebe,
Der Stamm sich in die Lüfte trägt,
So ist es die allmächtige Liebe
Die alles bildet alles hegt.
Ist um mich her ein wildes Brausen,
Als wogte Wald und Felsengrund,
Und doch stürzt, liebevoll im Sausen,
Die Wasserfülle sich zum Schlund,
Berufen gleich das Thal zu wässern;
Der Blitz der flammend niederschlug
Die Atmosphäre zu verbessern
Die Gift und Dunst im Busen trug;
Sind Liebesboten, sie verkünden
Was ewig schaffend
uns umwallt.
Mein Inres mög’ es auch entzünden
Wo sich der Geist, verworren kalt,
Verquält in stumpfer Sinne Schranken
Scharfangeschloßnem Kettenschmerz.
O Gott! beschwichtige die Gedanken
Erleuchte mein bedürftig Herz.
Pater Seraphicus
Mittlere Region
Welch ein Morgenwölkchen schwebet
Durch der Tannen schwankend Haar;
Ahn ich was im Innern lebet?
Es ist junge Geisterschaar.
Chor seliger Knaben
Sag uns Vater wo wir wallen,
Sag uns Guter wer wir sind?
Glücklich sind wir, allen allen
Ist das Daseyn so gelind.
Pater
Seraphicus
Knaben! Mitternachts Geborne,
Halb erschlossen Geist und Sinn,
Für die Eltern gleich Verlorne,
Für die Engel zum Gewinn
Daß ein Liebender zugegen
Fühlt ihr wohl, so naht euch nur;
Doch von schroffen Erdewegen
Glückliche! habt ihr keine Spur.
Steigt herab in meiner Augen
Welt- und erdgemäß Organ,
Könn’t sie als die euern brauchen,
Schaut euch diese Gegend an.
er nimmt sie in sich.
Das sind Bäume, das sind Felsen,
Wasserstrom, der abestürzt
Und mit ungeheuerm Wälzen
Sich den steilen Weg verkürzt.
Selige Knaben
von innen
Das ist mächtig anzuschauen
Doch zu düster ist der Ort,
Schüttelt uns mit Schreck und Grauen,
Edler, Guter laß uns fort.
Pater
Seraphicus
Steigt hinan zu höhrem Kreise
Wachset immer unvermerkt,
Wie, nach ewig reiner Weise,
Gottes Gegenwart verstärkt.
Denn das ist der Geister Nahrung
Die im freysten Äther waltet,
Ewigen Liebens Offenbarung
Die zur Seligkeit entfaltet.
Chor seliger Knaben
um die höchsten Gipfel
kreisend
Hände verschlinget
Freudig zum Ringverein,
Regt euch und singet
Heilge Gefühle drein;
Göttlich belehret
Dürft ihr vertrauen,
Den ihr verehret
Werdet ihr schauen
Engel
schwebend in der höhern Atmosphäre, Faustens Unsterbliches tragend
Gerettet ist das edle Glied
Der Geisterwelt vom Bösen,
„Wer immer strebend sich
bemüht
Den können wir erlösen.“
Und hat an ihm die Liebe gar
Von oben Theil genommen,
Begegnet ihm die selige Schaar
Mit herzlichem Willkommen.
Die jüngeren Engel
Jene Rosen, aus den Händen
Liebend-heiliger Büsserinnen,
Halfen uns den Sieg gewinnen,
Uns das hohe Werk vollenden,
Diesen Seelenschatz erbeuten.
Böse wichen als wir streuten,
Teufel flohen als wir trafen.
Statt gewohnter Höllenstrafen,
Fühlten Liebesqual die Geister;
Selbst der alte Satans-Meister
War von spitzer Pein durchdrungen.
Jauchzet auf! es ist
gelungen.
Die vollendeteren Engel
Uns bleibt ein Erdenrest
Zu tragen peinlich,
Und wär’ er von Asbest
Er ist nicht reinlich.
Wenn starke Geisteskraft
Die Elemente
An sich herangerafft,
Kein Engel trennte
Geeinte Zwienatur
Der innigen Beyden,
Die ewige Liebe nur
Vermags zu scheiden.
Die jüngeren Engel
Nebelnd um Felsenhöh
Spür ich so eben,
Regend sich in der Näh,
Ein Geister-Leben.
Die Wölkchen werden klar,
Ich seh bewegte Schaar
Seliger Knaben,
Los von der Erde Druck,
Im Kreis gesellt,
Die sich erlaben
Am neuen Lenz und Schmuck
Der obern Welt.
Sey er zum Anbeginn,
Steigendem Vollgewinn,
Diesen gesellt!
Die seligen Knaben
Freudig empfangen wir
Diesen im Puppenstand;
Also erlangen wir
Englisches Unterpfand.
Löset die Flocken los
Die ihn umgeben,
Schon ist er schön und groß
Von heiligem Leben.
Doctor Marianus
in der höchsten, reinlichsten Zelle
Hier ist die Aussicht frey,
Der Geist erhoben.
Dort ziehen Fraun
vorbey,
Schwebend nach oben.
Die Herrliche, mitteninn,
Im Sternenkranze,
Die Himmelskönigin,
Ich seh’s am Glanze.
entzückt
Höchste Herrscherin der Welt
Lasse mich, im blauen,
Ausgespannten Himmelszelt,
Dein Geheimniß schauen.
Billige was des Mannes Brust
Ernst und zart beweget
Und mit heiliger Liebeslust
Dir entgegen träget.
Unbezwinglich unser Muth
Wenn du hehr gebietest,
Plötzlich mildert sich die Glut,
Wie du uns befriedest.
Jungfrau, rein im schönsten Sinn,
Mutter, Ehren würdig,
Uns erwählte Königinn,
Göttern ebenbürtig.
Um sie verschlingen
Sich leichte Wölkchen,
Sind Büserinnen,
Ein zartes Völkchen;
Um Ihre Knie
Den Äther schlürfend,
Gnade bedürfend.
Dir, der Unberührbaren,
Ist es nicht benommen
Daß die leicht Verführbaren
Traulich zu dir kommen.
In die Schwachheit hingerafft
Sind sie schwer zu retten;
Wer zerreißt aus eigner Kraft
Der Gelüste Ketten?
Wie entgleitet schnell der Fuß
Schiefem glattem Boden?
Wen bethört nicht Blick und
Gruß,
Schmeichelhafter Odem?
Mater gloriosa
schwebt einher
Chor der Büsserinnen
Du schwebst zu Höhen
Der ewigen Reiche,
Vernimm das Flehen
Du Ohnegleiche,
Du Gnadenreiche!
Magna peccatrix
(St Lucae VII. 36)
Bey der Liebe, die den Füßen
Deines gottverklärten Sohnes
Thränen lies zum Balsam fließen,
Trotz des Pharisäer-Hohnes;
Beym Gefäße das so reichlich
Tropfte Wohlgeruch hernieder,
Bey den Locken die so weichlich
Trockneten die heilgen Glieder –
Mulier Samaritana
(St. Joh. IV.
Bey dem Bronn, zu dem schon weyland
Abram lies die Heerde führen,
Bey dem Eymer der dem Heyland
Kühl die Lippe durft berühren;
Bey der reinen reichen Quelle
Die nun dorther sich ergießet,
Überflüssig, ewig helle,
Rings durch alle Welten fließet –
Maria Egyptiaca
(Acta Sanctorum)
Bey dem hochgeweihten Orte
Wo den Herrn man niederließ,
Bey dem Arm der von der Pforte
Warnend mich zurücke stieß;
Bey der vierzigjährigen Busse
Der ich treu in Wüsten blieb,
Bey dem seligen Scheidegrusse
Den im Sand ich niederschrieb –
Zu drey
Die du großen Sünderinnen
Deine Nähe nicht verweigerst
Und ein büssendes Gewinnen
In die Ewigkeiten steigerst,
Gönn’ auch dieser guten Seele
Die sich einmal nur vergessen,
Die nicht ahnte daß sie fehle,
Dein Verzeihen angemessen.
Una Poenitentum
sich anschmiegend
sonst Gretchen genannt
Neige neige
Du Ohnegleiche,
Die Strahlenreiche,
Dein Antlitz gnädig meinem Glück.
Der früh Geliebte
Nicht mehr Getrübte
Er kommt zurück.
Selige Knaben
in Kreisbewegung sich
nähernd
Er überwächst uns schon
An mächtigen Gliedern;
Wird treuer Pflege Lohn
Reichlich erwiedern.
Wir wurden früh entfernt
Von Lebechören,
Doch dieser hat gelernt
Er wird uns lehren.
Die eine Büsserin
Sonst Gretchen genannt
Vom edlen Geisterchor umgeben
Wird sich der Neue kaum gewahr,
Er ahnet kaum das frische Leben
So gleicht er schon der heiligen Schaar.
Sieh! wie er jedem Erdenbande
Der alten Hülle sich entrafft,
Und aus ätherischem Gewande
Hervortritt erste Jugendkraft.
Vergönne mir ihn zu belehren,
Noch blendet ihn der neue Tag.
Mater gloriosa
Komm! hebe dich zu höhern Sphären,
Wenn er dich ahnet folgt er nach.
Doctor Marianus
Auf dem Angesicht anbetend
Blicket auf zum Retterblick
Alle reuig zarten,
Euch zu seligem Geschick
Dankend umzuarten.
Werde jeder bessre Sinn
Dir zum Dienst erbötig;
Jungfrau, Mutter, Königinn,
Göttin bleibe gnädig.
Chorus mysticus
Alles Vergängliche
Ist nur ein Gleichniß;
Das Unzulängliche
Hier wird’s Ereigniß;
Das Unbeschreibliche
Hier ist es gethan;
Das Ewig-Weibliche
Zieht uns hinan.
Finis